CCS: Bundesregierung plant Neuerung des CO2-Speichergesetzes
Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2 sollen zeitnah im kommerziellen Maßstab gesetzlich möglich gemacht werden
unklar ist noch, welche Sektoren CCS nutzen dürfen und wie eine mögliche Pipeline-Infrastruktur finanziert werden würde
Forschende: Zement, Kalk- und Abfallindustrie benötigen CCS, der Prozess ist aber sehr energieintensiv und kann entstehendes CO2 nicht vollständig abscheiden; realisierbare Speicherkapazitäten in Deutschland sind außerdem ungeklärt
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) plant, zeitnah einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes – kurz KSpG oder auch CO2-Speichergesetz genannt – vorzulegen und im Kabinett beschließen zu lassen. Kommerzielles Carbon Capture and Storage (CCS) – also die Abscheidung, der Transport und die dauerhafte Speicherung von CO2 im tiefen Untergrund – soll dadurch ermöglicht werden. Abgeschiedenes CO2 könnte dann entweder exportiert oder in der ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands unter der Nordsee gespeichert werden. Schon die Ampelregierung hatte an einer Neuerung des Gesetzes gearbeitet, diese konnte aber vor den Neuwahlen nicht mehr im Bundestag verabschiedet werden [I]. Auf dem Entwurf der Vorgängerregierung soll das neue Gesetzesvorhaben nun aufbauen.
Leiter der Forschungseinheit Marine Geosysteme, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR)
Einsatzbereiche und „schwer vermeidbare“ Emissionen
„Die Nutzung von CCS ist für diejenigen CO2-Emissionen sinnvoll, die nicht durch eine Umstellung auf erneuerbare Energien vermieden werden können. Das sind im Wesentlichen Emissionen aus drei Sektoren: der Zement- und Kalkindustrie sowie der Müllverbrennung.“
„Zusammen erzeugen diese Sektoren aktuell jährlich etwa 50 Megatonnen CO2. Diese müssen aber zukünftig nicht komplett abgeschieden und gespeichert werden. Denn es gibt auch hier Potenziale zur Emissionsvermeidung. So können die Zementöfen mit Biomasse statt mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, der Anteil des CO2-intensiven Klinkers im Zement kann verringert werden und beim Abfall kann mehr recycelt werden.“
Wirtschaftlichkeit
„Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2 werden sehr teuer sein – Schätzungen liegen zwischen 150 und 250 Euro pro Tonne für die ganze Kette. An vielen Stellen wird die Vermeidung günstiger sein, sodass weniger als 50 Megatonnen industrieller Emissionen jährlich abgeschieden und gespeichert werden müssen.“
„Bisher ist es auch noch günstiger, eine Tonne CO2 zu emittieren, als mit CCS zu vermeiden. Denn der Preis für ein CO2-Zertifikat im europäischen Emissionshandelssystem ETS1 liegt unter den Kosten für CCS. Es gibt also bislang kein funktionierendes Geschäftsmodell. Der Gesetzesentwurf der alten Bundesregierung plante sogenannte Klimaschutzverträge, um die Entwicklung der Technologie zu unterstützen. Die Idee: Am Anfang wird Unternehmen die Differenz zwischen dem teuren CCS und dem günstigen Zertifikat bezahlt. Sobald der ETS-Preis über die Kosten für CCS steigt, müssen die Unternehmen die Differenz zurück an den Staat zahlen. Ob die neue Regierung diese Pläne in dem Gesetz übernimmt, ist noch unklar.“
CCS für Gas- und Kohlekraftwerke
„Ich halte die Diskussion um den Einsatz von CCS an Gaskraftwerken für eine ideologische Debatte und gehe stark davon aus, das CCS dort nicht eingesetzt wird. Denn die Nutzung von CCS wird noch einmal deutlich teurer, wenn die Prozesse nicht kontinuierlich laufen. Die von der Bundesregierung geplanten Gaskraftwerke sollen nicht ständig Strom liefern, sondern nur in Zeiten von Knappheit einspringen. CCS an Gaskraftwerken wäre also nur im Fall von massiver Subvention möglich.“
„Auch eine Nutzung von CCS für Kohlekraftwerke ergibt wirtschaftlich und aus Gründen der Nachhaltigkeit keinen Sinn. Da CCS sehr energieintensiv ist, müsste ein Kohlekraftwerk dann konstant 20 bis 30 Prozent mehr Kohle verbrennen.“
Stand der Technik
„Mit den heutigen Standardverfahren lassen sich etwa 90 Prozent der CO2-Emissionen aus industriellen Prozessen abscheiden. Bei der Müllverbrennung könnten dadurch sogar negative Emissionen entstehen, da etwa die Hälfte der entstehenden Emissionen aus biogenen Quellen stammt.“
„Die Technik für CCS ist schon heute vorhanden – das zeigt beispielsweise das Zementwerk Brevik in Norwegen, das mit der notwendigen Kette für Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2 ausgestattet ist. Allerdings sind die Kosten und der Energieaufwand hoch. Als Beispiel: Eine Müllverbrennungsanlage erzeugt heute sowohl Strom als auch Abwärme. Für die Abscheidung des entstehenden CO2 bräuchte die Anlage jedoch in etwa so viel Strom wie heute bei der Verbrennung gewonnen werden kann, sodass dann nur noch die Wärme genutzt werden kann.“
Speicherkapazitäten
„Der größte Bottleneck ist, dass noch gar keine Speicherstätten erkundet wurden. Firmen, die CO2 speichern wollen, können momentan noch keine Erlaubnis für die Erkundung beantragen. Das soll sich durch die geplante Novelle des CO2-Speichergesetzes ändern.“
„Die Erkundung wird dann sehr teuer und zeitaufwendig. Es müssen 3D-Seismische Untersuchungen (wodurch der dreidimensionale Verlauf von geologischen Schichten bestimmt werden kann; Anm. d. Red.) durchgeführt werden, Erkundungsbohrungen gemacht und Daten ausgewertet werden. Außerdem muss festgestellt werden, ob ein möglicher Speicher dicht und sicher ist – oder ob Erdbeben ausgelöst werden oder Giftstoffe austreten könnten. Schätzungsweise kostet so eine Erkundung mehr als 100 Millionen Euro und dauert viele Jahre. Erst danach können Firmen eine Erlaubnis für eine Speicherung beantragen. Die wird von vielen Behörden kritisch geprüft, was wiederum lange dauern kann. Dann muss die Infrastruktur gebaut werden, beispielsweise die Anlage am Zementwerk und die Plattformen auf dem Meer, von denen aus das CO2 in den Meeresboden gepumpt wird. Wenn das Gesetz dieses Jahr verabschiedet würde und sich Planungsprozesse beschleunigen, hätten wir frühestens in zehn Jahren das erste Speicherprojekt in Deutschland.“
„Wir schätzen, dass es in der deutschen Nordsee etwa 0,9 bis 5,5 Gigatonnen theoretische Speicherkapazität gibt [1]. Es ist aber sehr unsicher, wie viel davon wirklich realisierbar ist. Es ist möglich, dass die realen Speicherkapazitäten in Deutschland für die Industriesektoren gar nicht ausreichen. Auch die geplanten negativen Emissionen benötigen Kapazitäten. Wenn dann noch CO2 beispielsweise aus Gaskraftwerken hinzukäme, könnte es sein, dass nicht alles untergebracht werden kann.“
„Außerdem sind die Flächen der deutschen Nordsee bereits komplett verplant – zum Beispiel mit Windfarmen und militärischen Gebieten. Wenn in der deutschen Nordsee CO2 gespeichert werden soll, müssen Flächen mehrfach genutzt werden – sonst geht die Speicherkapazität gegen Null.“
Infrastruktur
„Der Export von CO2 könnte optimistisch gerechnet schon 2030 starten: Pipelines könnten das CO2 an die Küste bringen, von dort könnten es Schiffe nach Norwegen, Dänemark, Großbritannien und in die Niederlande bringen, die mit der Erkundung von Speichern schon weiter sind. Vor der Fertigstellung einer Pipeline könnte das CO2 auch per Binnenschiff oder Zug transportiert werden.“
„Deutschland wird voraussichtlich beides machen müssen: Selbst CO2 speichern und CO2 exportieren. In Norwegen sind die Speicherkapazitäten beispielsweise deutlich größer – außerdem hat Norwegen ein Interesse daran, die CCS-Wertschöpfungskette in ihrem Land zu anzusiedeln.“
Umweltrisiken
„Es ist wichtig, dass wir in Deutschland strikte Regularien haben. Sie sind strenger als in den Nachbarländern. Es gibt einige Umweltrisiken, die minimiert werden müssen: das Entweichen von CO2, das Austreten von Schadstoffen mit dem Wasser, das aus dem Sandstein verdrängt wird, die Möglichkeit für Erdbeben und der Lärm der Erkundung, der vor allem für Schweinswale relevant ist. In dem bisherigen Gesetzesrahmen ist vorgesehen, das alles genau untersucht werden muss. Das wird vermutlich auch mit dem neuen Gesetz so bleiben und das ist gut so.“
Direktor des Forschungszentrums Global Commons und Klimapolitik, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel
Einsatzbereiche und „schwer vermeidbare“ Emissionen
„Aus ökonomischer Sicht gibt es keine Residualemissionen (Treibhausgas-Emissionen, die nicht oder sehr schwer vermeidbar sind; Anm. d. Red.). Es gibt nur Emissionen, bei denen die Vermeidung teurer ist, als die Emissionen direkt aufzufangen (bei Punktquellen) oder die entsprechenden Mengen aus der Atmosphäre zu filtern (bei Nicht-Punktquellen). Wenn man sich auf die Leitungsfunktion des CO2-Preises im europäischen Emissionshandel (ETS1) verlässt, ergibt sich dadurch, für welche Emissionen CCS wirtschaftlich ist. Das gilt perspektivisch auch für die Kompensation durch CO2-Entnahme (Carbon Dioxide Removal, CDR), die aber derzeit noch nicht im EU ETS integriert ist. Wenig sinnvoll sind dementsprechend aufwändige Regelungen, die festlegen sollen, was ‚schwer vermeidbare‘ Emissionen sind. Weil das geplante Angebot für CCS sehr viel kleiner als die mögliche Nachfrage aus der Industrie ist, wird die CO2-Speicherung in Kraftwerken ohnehin voraussichtlich nur in sehr geringem Maße zum Zuge kommen. Es sollte vielmehr Augenmerk darauf gelegt werden, wie der Betrieb der CCS-Infrastruktur reguliert wird und wie hier auch Wettbewerb möglich ist.“
„Darüber hinaus sollte bei CCS-Infrastrukturentscheidungen und möglichen Ausschreibungen mitgedacht werden, dass für zukünftige netto-null und netto-negative CO2-Emissionen auch die Einbindung von Bioenergie mit CCS (BECCS) und direkte Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre mit CCS (DACCS) notwendig sind.“
Angebot und Nachfrage nach CCS
„Die Nachfrage nach CCS ist zukünftig vor allem aus drei Sektoren zu erwarten: aus der Zement-, der Eisen- und Stahlindustrie, sowie aus dem Chemiesektor. Zusammengefasst stießen diese Sektoren in Deutschland im Jahr 2023 etwa 55 Megatonnen CO2 aus. Das zeigen Daten zu den im ETS1 gemeldeten Emissionen [2]. Etwa 0,8 Megatonnen CO2-Emissionen aus dem Chemiesektor haben einen biogenen Ursprung. Das heißt: Wenn man diese Emissionen mit CCS kombiniert, sind negative Emissionen möglich.“
„Da das Angebot der CO2-Zertifikate schrittweise abnimmt, werden die CO2-Preise steigen. Entsprechend wird es für diese Sektoren attraktiver werden, CCS einzusetzen. Das gilt umso mehr, da im Zuge der Einführung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) die teilweise freie Zuteilung von CO2-Zertifikaten für Unternehmen in den genannten Sektoren bis 2034 ganz zurückgefahren werden soll. Dadurch steigt der Kostendruck erheblich.“
„Aus den Industrieprozessen können nicht die gesamten 55 Megatonnen CO2 technisch ‚aufgefangen‘ werden – schätzungsweise sind es etwa 30 bis 45 Megatonnen jährlich. Ausgehend von Zahlen der Internationalen Energieagentur plant die deutsche Industrie bislang jedoch nur jährliche CO2-Abscheide-Kapazitäten für 8,5 Megatonnen bis 2030 – davon 64 Prozent für die Zementindustrie, der Rest für Wasserstoff oder Ammoniak. In der konkreten Umsetzung sind derzeit nur 0,1 Megatonnen CO2 [3].“
„Das sehr kleine Angebot ist voraussichtlich nicht mit den Vorgaben aus dem europäischen Net Zero Industry Act im Einklang und durchaus kritisch. Denn ein genügend großes Angebot ist relevant für einen funktionierenden CO2-Binnenmarkt in der EU mit CCU und CCS. Dieser ist wiederum die Voraussetzung dafür, dass sich die geplanten Reduktionsziele für 2040 politisch durchsetzen lassen.“
Stand der Technik
„CCS wird bereits in Prozessen wie der Erdgasverarbeitung und der industriellen Wasserstoffproduktion eingesetzt, insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika [4].“
Infrastruktur
„In einer Studie haben wir unterschiedliche Ausgestaltungen bei der CO2-Lieferkette untersucht – für eine CO2-Abscheidung in Deutschland und einen Transport über Wilhelmshaven für die nachfolgender Speicherung in Norwegen [5]. Nur in einem Szenario mit geringem CCS-Volumen pro Jahr (weniger als fünf Megatonnen) wäre ein schiffsbasierter Transport zum Speicherort günstiger als ein Pipelinenetz. Bei größeren Mengen fallen die Kosten für die gesamte Kette – also Abscheidung, Transport und Speicherung – in dem untersuchten Szenario von über 100 Euro pro Tonne CO2 bei einem schiffsbasierten Transport über die Nordsee auf bis zu 76 Euro pro Tonne CO2 bei einer Pipeline-Lösung.“
„Allerdings werden in dieser Studie keine Preiseffekte berücksichtigt, die sich zum Beispiel aus der Knappheit der derzeitigen Anbieter von CO2-Speicherung ergeben. Es wird auch nicht berücksichtigt, dass es bei einer Pipeline-Lösung schwieriger ist, den Anbieter zu wechseln als bei einer schiffsbasierten Lösung. Entsprechend kann der kurzfristig teurere schiffsbasierte Transport im Hinblick auf den Wettbewerb zwischen Lagerstätten strategisch sinnvoll sein.“
Kosten je nach Industriesektor
„Für verschiedene deutsche Industriesektoren haben wir eine mögliche CO2-Lieferkette beziehungsweise Infrastruktur mit der Speicherung von CO2 in Norwegen untersucht [6]. Berücksichtigt wurden 13 Punktquellen in der Stahlindustrie, 30 Punktquellen in der Zementindustrie und 12 Punktquellen in der chemischen Industrie. Wir zeigen, dass die Kosten der Versorgungskette je nach Industriezweig erheblich variieren – aufgrund von Unterschieden bei den Abscheidungskosten, den CO2-Mengen und der räumlichen Verteilung der Punktquellen. Die Kosten für die gesamte CCS-Kette reichen unter den getroffenen Annahmen von etwa 49 Euro pro Tonne für die organisch-chemische Industrie über 83 Euro für die Stahlindustrie bis zu etwa 109 Euro für die Zementindustrie. Auch hier gilt, dass es sich um tendenziell zu niedrige Kostenschätzungen handelt. Denn Preiseffekte im CCS-Angebot, die sich insbesondere aus der Knappheit beim Zugang zu Speicherstätten ergeben, sind nicht berücksichtigt. Weitere Arbeiten sind hier notwendig, die ebenfalls die Speicherung in Dänemark und der deutschen Nordsee berücksichtigen und gegenüberstellen.“
Speicherkapazitäten
„Das physische, kumulative Speicherpotenzial stellt sicherlich keine Begrenzung für die Carbon Management Strategie der Europäischen Union oder Deutschland dar. Allein im Untergrund der Nordsee könnten Schätzungen zufolge etwa 150 Gigatonnen CO2 gespeichert werden [7]. Die anvisierte jährliche Menge in der europäischen Carbon Management Strategie im Jahr 2050 ist 0,45 Gigatonnen CO2, von der aber nur 0,25 Gigatonnen CO2 geologisch gespeichert werden sollen.“
„Allerdings sollte das physische, kumulative Speicherpotenzial nicht mit dem ökonomischen Speicherpotenzial verwechselt werden. Denn nicht alles CO2 kann zu den gleichen Kosten eingelagert werden. Bei einer theoretischen vollen Ausnutzung des Potenzials würde es zu steigenden Grenzkosten bei der Speicherung kommen. Wichtig ist daher: Die CO2-Abscheidungstechnologien, die die geologische CO2-Speicherung vorsehen, müssen sich in einem marktwirtschaftlichen Prozess gegenüber Alternativen behaupten – also Technologien zur CO2-Vermeidung, zur CO2-Speicherung in Produkten oder zur chemischen CO2-Speicherung im Ozean, und zur CO2-Entnahme.“
„Für die Umsetzung der europäischen und der deutschen Carbon Management Strategie ergibt sich insbesondere in der kurzen Frist eine physische Beschränkung durch die Verfügbarkeit von CO2-Injektionsstellen und die noch fehlende CO2-Pipeline-Infrastruktur. Betrachtet man diese Engpässe, sollten schiffsbasierte Möglichkeiten für den CO2-Transport im Inland und zu den Speicherorten berücksichtigt werden.“
Stellvertretende Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin
Einsatzbereiche und „schwer vermeidbare“ Emissionen
„Für den Stromsektor kann CCS angesichts der stark gesunkenen Kosten für den Umstieg auf erneuerbare Energien keine Option mehr sein. Vielmehr sieht die Forschung für die wenigen Zeiträume, in denen zusätzlich zu erneuerbarem und gespeichertem Strom steuerbare Stromerzeugung notwendig ist, einen Platz für Wasserstoff-Kraftwerke, anstatt für Erdgas-Kraftwerke mit CCS.“
„Als ‚schwer vermeidbare‘ Emissionen sollten wirklich nur solche Emissionen gelten, die nicht durch Elektrifizierung und erneuerbare Energien vermieden werden können. Es gibt treibhausgasemittierende Prozesse, deren Emissionen nicht am Energieverbrauch hängen, wie zum Beispiel die Kalk- und Baustoffherstellung. Wenn deren Produktion im heutigen Umfang erhalten werden soll, kann CCS eine Option zur Reduktion der Treibhausgasemissionen sein.“
„Für die Prozesse, deren heutige Emissionen überwiegend aus der Nutzung von fossilen Energien wie Erdgas, Kohle oder Erdöl kommen, ist in der Regel die Umstellung auf die Nutzung von (erneuerbarem) Strom möglich. Elektrifizierung muss auf den ersten Blick nicht unbedingt die kostengünstigste Option zur Dekarbonisierung sein. Denn sie ist oft mit einem Technologiewechsel und dadurch mit Investitionskosten verbunden – zum Beispiel beim Austausch eines gasbetriebenen Ofens im metallverarbeitenden Gewerbe durch einen Elektro-Ofen. Elektrifizierung ist jedoch in der Regel langfristig die günstigere Option.“
Stand der Technik
„Sowohl bei der Abscheidung als auch bei der Speicherung herrscht noch erhebliche technische Unsicherheit. Die entsprechenden Technologien werden bisher nur in wenigen, kleinen Projekten genutzt. Am besten wird der Transport verstanden, der für große Mengen entweder per Schiff oder per Pipeline erfolgen könnte. Allerdings gibt es bisher kein CO2-Pipeline-Netz.“
„Bei den Abscheidungstechnologien gibt es noch große Unsicherheit und wenig wissenschaftliche Literatur. Diese beschränkte sich bisher auf fossile Kraftwerke, für die CCS aber keine Bedeutung mehr hat. Unklar ist beispielsweise, welche Mengen in der Industrie technisch abgeschieden werden können. In den allerbesten Prognosen beträgt die Abscheiderate 95 Prozent. Es kann also nicht das gesamte CO2 aufgefangen werden und CCS macht eine Technologie niemals vollständig klimaneutral. Je nach Industrieprozess und Abscheidetechnologie liegen viele Schätzungen mit Abscheideraten zwischen 70 Prozent und 90 Prozent noch deutlich niedriger – dann würden also weiterhin 10 bis 30 Prozent des CO2 emittiert.“
„Auch bei der Speicherung fehlen bisher langfristige Forschungsergebnisse zur Dauerhaftigkeit der Speicherung. In schon länger existierenden CCS-Projekten war es nicht das Ziel, CO2 dauerhaft zu speichern, sondern es wurde für die Erdölförderung in den Boden gepresst (Enhanced Oil Recovery).“
„Außerdem ist die Frage, wie die Ewigkeitskosten (Folgekosten, die auch lange Zeit nach der Injektion anfallen; Anm. d. Red.) des CO2-Speichers organisiert werden, vollkommen ungeklärt. Zum Beispiel ist unklar, wer die Kosten trägt, falls es zum Wiederaustritt des CO2 kommt.“
Infrastruktur
„Für die Nutzung von CCS in großem Umfang wäre der Aufbau eines Pipeline-Netzes die kostengünstigere Variante im Vergleich zum Transport per Schiff oder Laster, auch wenn letzterer derzeit für die ersten Projekte in Norwegen organisiert wird. Dem Aufbau eines Pipeline-Netzes stehen einige ökonomische Hürden im Weg. So ist die Koordinierung der Kostenübernahme zwischen den verschiedenen Nutzern, also den CO2-Emittenten untereinander, sowie zwischen den Emittenten und dem Speicherbetreiber notwendig. Die bisher fehlende Regulierung erschwert das Commitment der einzelnen Akteure. Bisher ist zum Beispiel nicht absehbar, ob die Pipeline-Infrastruktur ähnlich organisiert werden würde wie beim Erdgas: Ein unabhängiger Pipeline-Betreiber arbeitet als Intermediär und wird wegen der Monopolstellung staatlich reguliert. Auch ein CO2-Netz wäre wahrscheinlich ein natürliches Monopol, sodass eine staatliche Regulierung von Gebühren und Netzzugang der effizienteste Organisationsmodus wäre. Damit wäre aber noch nicht automatisch geklärt, wer die Investitionskosten trägt.“
Speicherkapazitäten
„Mit dem heutigen Stand des Wissens wäre die geologische – also unterirdische – CO2-Speicherkapazität im europäischen Raum keine knappe Ressource. Wir haben 2021 berechnet, dass in einem Szenario mit hoher CCS-Nutzung, selbst in Kohle- und Gaskraftwerken, eine jährliche CO2-Einspeicherung von mehr als 400 Megatonnen CO2 fast 100 Jahre lang möglich wäre [8].“
„Zum Vergleich: die gesamten jährlichen Treibhausgasemissionen der verarbeitenden Industrie und des Energiesektors in der EU betragen derzeit etwa 1300 Megatonnen CO2. Bei der Berechnung der Speicherkapazitäten wurden sowohl geologische Speicher an Land als auch offshore unter dem Meeresboden berücksichtigt. Die Einspeicherung an Land ist in vielen Ländern Europas umstritten und daher erstmal nicht zu erwarten. Die Offshore-Einspeicherung ist in einigen Ländern Nordeuropas, die eine lange Tradition der Offshore-Öl- und Gasförderung haben, kein Streitpunkt. In Norwegen oder Dänemark sehen wir bereits die ersten Projekte.“
Wissenschaftler im Forschungscluster Klimapolitik, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin
Einsatzbereiche und „schwer vermeidbare“ Emissionen
„Es gibt nicht die eine Definition von ‚schwer vermeidbaren Emissionen‘ – am Ende ist es eine politische Entscheidung und dabei eine, die im Laufe der Zeit auch neu justiert werden kann. Mit ,schwer vermeidbaren‘ Emissionen werden aber oft diejenigen Emissionen beschrieben, die als Prozessemissionen anfallen, also unabhängig davon sind, wie sich der Energie-Input zusammensetzt. Kalk, Zement, und die Abfallverbrennung sind hier die prominentesten Beispiele, die auch in den Eckpunkten der Carbon Management Strategie der vorherigen Regierung genannt werden [9].“
„Jenseits von einer symbolischen Wirkung sind die Folgen einer Ermöglichung von CCS in Gaskraftwerken zum jetzigen Zeitpunkt nicht abzuschätzen. Unklar ist, wie viele Kraftwerke bei einer Erlaubnis überhaupt mit Technologien zur CO2-Abscheidung ausgestattet würden – sie sind zwar technisch gut verstanden, aber bislang kaum kommerziell erprobt. Belege dafür, dass CCS im großen Stil und kommerziell in Gaskraftwerken einsetzbar ist, stehen noch aus. Unabhängig davon zeigen die Netto-Null-Szenarien klar: Selbst bei einer breiten Interpretation von ‚schwer vermeidbaren‘ Emissionen und bei großem Ausbau der CCS-Kapazitäten müssten Emissionen weiter stark reduziert werden.“
Stand der Technik
„Die Teilaspekte der Prozesskette Abscheidung, Transport und Speicherung sind jeweils gut verstanden und werden heute schon eingesetzt. Als gesamte Prozesskette gibt es insbesondere mit Blick auf die Kosten große Unsicherheiten. Deshalb wird ein Hochlauf der Technologie auch maßgeblich davon abhängen, welche Projekte Zugang zu Fördermitteln bekommen und in welchem Zeitraum ein CO2-Transportnetz aufgebaut wird. Hier haben die Bundesregierung und die EU mit ihren Förderinstrumenten einen wichtigen Hebel.“
Infrastruktur
„Bei dem Verlauf des zukünftigen CO2-Transportnetzes geht es – wie auch beim Wasserstoffnetz – um Standortpolitik. Je schlechter große Emittenten an das Netz angebunden sind, desto unwirtschaftlicher wird die CO2-Abscheidung und – mit Blick auf steigende CO2-Preise – der Standort unattraktiver.“
„Es ist – gerade für ein Industrie- und potenzielles CO2-Transitland wie Deutschland – wichtig, sich eng mit der EU-Ebene abzustimmen. Zielbild der CCS und CCU-Politik sollte ein europäischer Binnenmarkt für Carbon Management sein, um grenzüberschreitende Synergien zu heben. Aufgrund der Relevanz für Standortentscheidungen stehen aber sowohl Konflikte zwischen Mitgliedstaaten als auch zwischen Bundesländern bevor.“
EU-Politik
„Eine wichtige regulative Neuerung auf EU-Ebene ist der ‚Net Zero Industry Act‘. Darin werden Öl- und Gasproduzenten in der EU – gestaffelt nach ihren Produktionsmengen – dazu verpflichtet, bis 2030 zu einer EU-weiten CO2-Injektionskapazität von 50 Megatonnen CO2 pro Jahr beizutragen. Hierin liegt die Chance, die von Öl- und Gasunternehmen vielfach angekündigten, aber oft hinter den Planungen zurückbleibenden CO2-Speicherprojekte voranzubringen. Denn es nimmt Unternehmen in die Pflicht, CCS-Versprechungen Taten folgen zu lassen. Die EU entwickelt sich hier zu einem wichtigen Impulsgeber und globalen Vorreiter in der CCS-Politik – vorausgesetzt, die neuen Verpflichtungen werden umgesetzt.“
Kommissarischer stellvertretender Leiter der Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme und Co-Leiter des Forschungsbereichs Sektoren und Technologien, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Wuppertal
Einsatzbereiche und „schwer vermeidbare“ Emissionen
„Als ‚schwer vermeidbar‘ werden Emissionen von Prozessen bezeichnet, bei denen es zwar prinzipiell Alternativen zur Defossilisierung ohne den Einsatz von CCS gibt, diese aber zum Beispiel noch nicht großskalig einsatzbereit sind oder als nicht wirtschaftlich eingeschätzt werden. Zum Beispiel sieht die Chemieindustrie CCS als wirtschaftlichste CO2-Vermeidungsoption für das sogenannte Steamcracking. Das ist ein Prozess, der chemische Grundstoffe aus fossilen Rohstoffen herstellt. Alternativen, mit denen ebenfalls CO2 eingespart werden kann, sind die Elektrifizierung des Prozesses oder der Einsatz von biologischen Rohstoffen. Eine klare Definition von ‚schwer vermeidbar‘ existiert bisher nicht. Denn es gibt eine Vielzahl von Kriterien, nach denen die Verfügbarkeit von Alternativen bewertet werden kann – zum Beispiel mit dem Konzept der ‚CCS-Leiter‘ [10]. Emissionen, die heute ‚schwer vermeidbar‘ sind, könnten im Jahr 2045 nicht mehr in diese Kategorie fallen. Im Gegensatz zu den ‚schwer vermeidbaren‘ Emissionen sind ‚unvermeidbare Emissionen‘ aus der Zement- und Kalkindustrie sowie der thermischen Abfallbehandlung klar definiert, da es hier derzeit keine Alternativen zu CCS gibt.“
„Als Mindestvoraussetzung für die Einstufung von Emissionen als ‚schwer vermeidbar‘ sollten alle Möglichkeiten zur CO2-Vermeidung frühzeitig durch eine ganzheitliche Bewertung evaluiert werden. Frühere Diskussionen um CCS haben gezeigt, dass eine rein techno-ökonomische Betrachtung, die nur den Ist-Stand berücksichtigt, nicht zielführend ist. Es müssen ökologische, ökonomische, soziale, technische und systemische Faktoren beachtet und absehbare Veränderungen der nächsten Jahrzehnte – zum Beispiel Kostensenkungen – berücksichtigt werden.“
„Eine Zulassung für CCS bei ‚schwer vermeidbaren‘ Emissionen sollte an die Bedingung geknüpft werden, dass parallel eine Strategie vorgelegt wird, wie die Prozesse mittelfristig ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe klimaneutral gestaltet werden können. Sonst besteht die Gefahr von ,Lock-In-Effekten‘ (Bindung an Technologie oder Prozess wegen hoher Kosten beim Wechsel; Anm. d. Red) in fossilen Wertschöpfungsketten. Denn die hohen Investitionen in CCS rentieren sich nur, wenn sie länger als bis 2045 genutzt würden. Eine Weiternutzung der CCS-Anlagentechnik würde bei Umstellung der Anlagen – zum Beispiel der Steamcracker auf Biomasse – zu ‚Negativemissionen‘ führen. Diese werden ab 2045 in großem Maßstab benötigt.“
„Bis 2040 müssen die Energiewirtschaft und die Industrie de facto klimaneutral sein, da die CO2-Zertifikate aus dem europäischen Emissionshandelssystem ETS1 dann auslaufen. Diese Frist erzeugt Handlungsdruck und erfordert, dass Industrieunternehmen spätestens in den frühen 2030er Jahren mit Investitionen in die Transformation beginnen, damit diese bis 2040 umgesetzt werden können.“
Akzeptanz für CCS
„Eine breitere Anwendung von CCS könnte die gesellschaftliche Akzeptanz für CCS insgesamt gefährden. Große Umwelt-NGOs haben sich mit Bauchschmerzen darauf eingelassen, CCS für ‚unvermeidbare Emissionen‘ zu akzeptieren. Jede weitere Anwendung, die als nicht notwendig wahrgenommen wird, würde diesen Mindestkonsens aufkündigen und könnte dazu führen, dass CCS auf lange Zeit verzögert würde.“
CCS für Gaskraftwerke
„Bei Gaskraftwerken besteht keine Notwendigkeit für CCS. So spielt CCS in Deutschland im Energiesektor in keinem der bestehenden Energieszenarien und Roadmaps eine Rolle. Zudem ist der Einsatz von CCS an Gaskraftwerken besonders kritisch für die gesellschaftliche Akzeptanz. CCS ist sehr energieintensiv und verursacht bei Kraftwerken einen zusätzlichen fossilen Energiebedarf von 20 bis 30 Prozent. Dies widerspricht den Zielen, die Importabhängigkeit von Erdgas zu verringern. Insbesondere um Lock-In-Effekte zu vermeiden, sollte also wie bisher weiter mit H2-Ready-Gaskraftwerken geplant werden (Kraftwerke, die auf einen Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet werden können; Anm. d. Red.). Gegebenenfalls kann für eine Übergangszeit blauer Wasserstoff importiert werden.“
„Eine vollständige Abscheidung des CO2 ist bisher nicht möglich – üblich sind 90 bis 95 Prozent. Deshalb bleiben immer Restemissionen. Außerdem entstehen in den Vorketten weitere Treibhausgasemissionen, die nicht abgetrennt werden können – insbesondere durch den zusätzlichen Import von Erdgas. Netto sind dann nur 59 bis 87 Prozent Minderung möglich. Um Klimaneutralität zu erreichen, bedarf es daher einer zusätzlichen CO₂-Entnahme aus der Atmosphäre, die bisher nicht berücksichtigt ist.“
CCS für blauen Wasserstoff
„Der Einsatz von CCS zur Herstellung von blauem Wasserstoff ist eine Möglichkeit, die Transformation der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland voranzutreiben. Da jedoch keine hundertprozentige Abscheideeffizienz möglich ist, sollte die Erzeugung nur die Übergangsphase unterstützen, bis national und international Kapazitäten für die grüne Wasserstoffproduktion hochgefahren sind. Auch hierbei ist die Gefahr von Lock-In-Effekten zu beachten. Außerdem kann blauer Wasserstoff auf absehbare Zeit nicht in Deutschland hergestellt werden, sondern muss importiert werden. Denn in Deutschland fehlen auf absehbare Zeit CO2-Transportinfrastruktur und -speicher.“
Stand der Technik
„Die einzelnen Verfahren für Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2 sind aus heutiger Sicht technisch erprobt. Es gibt bereits Erfahrungen mit Abscheideraten von typischerweise 90 Prozent bei Kraftwerken und 95 Prozent bei Zementwerken oder der Abfallverbrennung.“
„Politik und Projektbetreiber schätzen, dass die Technologie zur CO₂-Abscheidung an Punktquellen bis 2030 realisierbar ist. Es gibt jedoch keine Abscheideanlage ‚von der Stange‘ zu kaufen, sondern es ist für jeden Betrieb eine Detailplanung nötig. Insbesondere muss das Wärmemanagement organisiert werden, da etwa 75 Prozent des zusätzlichen Energiebedarfs Wärme darstellt.“
„Die gesamte Prozesskette – also Abscheidung, Transport und Speicherung – wurde bisher allerdings nur in wenigen Projekten weltweit demonstriert.“
Erwartete Mengen
„Nach der vom Wuppertal Institut mitverfassten Studie ‚Klimaneutrales Deutschland‘ müssen 3 Megatonnen ab dem Jahr 2030, 15 Megatonnen ab 2035, 31 Megatonnen ab 2040 und ab 2045 45 Megatonnen CO2 pro Jahr abgeschieden und geologisch gespeichert werden [11]. 2045 sind dies 24 Megatonnen via CCS, 18 Megatonnen via BECCS und 3 Megatonnen via DACCS. Neben den ‚unvermeidbaren‘ Emissionen sowie Kompensationen für die Emissionen aus der Landwirtschaft sind hier auch geringe Mengen an Emissionen aus der Chemie- und der Stahlindustrie inkludiert. Andere Langfristszenarien gehen von deutlich höheren Abscheidemengen von bis zu 116 Megatonnen CO2 pro Jahr aus [12]. CCS-Abscheidung an (Erdgas-)Kraftwerken wird in keinem der Klimaneutralitätsszenarien in Deutschland berücksichtigt, das heißt zu den oben genannten Zahlen müssten dann erheblich höhere Mengen addiert werden.“
Infrastruktur
„Derzeit existiert weder in Deutschland noch in Europa ein CO₂-Pipelinenetz. In Deutschland wird zwar ein ‚Startnetz‘ geplant, jedoch ist die Finanzierung unklar und auch verbindliche Bedarfsabfragen stehen noch aus. Der Aufbau eines Pipelinenetzes hinkt dem Wasserstoffnetz hinterher. Eine gesetzliche Grundlage für den CO₂-Transport wird erst mit dem novellierten Kohlendioxid-Speicherungs- und Transportgesetz (KSpTG) geschaffen. Bedingt durch die langen Genehmigungsverfahren und ungeklärte Finanzierungsfragen bestehen hohe Unsicherheiten bezüglich des Baubeginns des Pipelinenetzes und der Inbetriebnahme der ersten Pipeline-Cluster. Wenn die Bundesregierung wie geplant ein ‚überragendes öffentliches Interesse‘ feststellt, dürften die Planungszeiträume verkürzt werden. Zum Vergleich: Für Erdgas- oder Produktpipelines – die bekannt und damit deutlich einfacher zu planen und bauen sind – werden rund sieben bis zehn Jahre von der Planung bis zum Betrieb veranschlagt.“
„CO₂ wird derzeit per LKW vor allem für die Lebensmittelindustrie und europaweit auch per Schiene transportiert. Dies erfolgt in flüssiger Form in Containern bei sehr tiefen Temperaturen und hohen Drücken. Die aktuellen Planungen einzelner Unternehmen zu CCS gehen aufgrund der großen Mengen an CO2 von Bahntransport zu Umladestationen an der Küste aus, was große logistische Herausforderungen mit sich bringt, da Verladestationen für lange Güterzüge gebaut werden müssen. Der LKW- und Bahntransport ist aufgrund fehlender Skaleneffekte teurer als der Pipelinetransport.“
Speicherkapazitäten
„Die Speicherung dürfte das eigentlich kritische Element der gesamten CCS-Kette sein, das die Verfügbarkeit und Umsetzung von CCS in Deutschland bestimmen dürfte. Selbst nach der Kartierung potenzieller Speicherformationen sind lange Vorlaufzeiten für Exploration, Tests und Genehmigungen erforderlich. Wenn das novellierte KSpTG demnächst in Kraft tritt und Unternehmen zeitnah Lizenzen beantragen, dürfte der erste deutsche CO₂-Speicher frühestens 2036 einsatzbereit sein. Die realen Bedingungen können oft erst nach Beginn der Speicherung genau eingeschätzt werden, denn unvorhergesehene Entwicklungen wie zum Beispiel Druckausgleichsprobleme können auftreten. Jede Speicherstätte unterscheidet sich von anderen und birgt ihre eigenen Risiken, so dass jedes potenzielle Speicherprojekt einzeln zu betrachten ist.“
„Es ist zudem nicht absehbar, auf welche europäischen Speicherpotenziale Deutschland Zugriff haben wird – auch wenn die EU bis zum Jahr 2030 eine Speicherkapazität von mindestens 50 Megatonnen CO2 pro Jahr plant. In Europa gibt es derzeit nur wenige Projekte, in denen Speicher bereits erschlossen werden.“
„Aufgrund der späten Verfügbarkeit deutscher Speicher werden deutsche Unternehmen auf europäische Speicher angewiesen sein. Prozesse mit ‚schwer vermeidbaren‘, aber insbesondere mit ‚leicht-vermeidbaren‘ Emissionen, würden daher Prozessen mit ‚unvermeidbaren Emissionen‘ den raren Speicherplatz wegnehmen. Dies könnte dazu führen, dass Zement- und Kalkwerke sowie Müllverbrennungs-Anlagen in Deutschland ab dem Jahr 2040 schließen müssen. Denn dann werden die EU-ETS1-Zertifikate für die Industrie wahrscheinlich auslaufen und die Industrie darf kein CO2 mehr emittieren. Diese Sektoren haben aber keine Möglichkeit, auf alternative Optionen auszuweichen.“
„Laut dem deutschen Speicher-Kataster gibt es effektive Speicherpotenziale von rund 5 Gigatonnen CO2 in porösen salzwasserführenden Gesteinsschichten unter dem deutschen Festlandsockel und in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ). Das aktuelle GEOSTOR-Forschungsprojekt schätzt allein für bestimmte Gesteinsschichten in der AWZ eine effektive Speicherkapazität zwischen 0,9 und 5,5 Gigatonnen CO2 in untersuchungswürdigen Formationen ab [1].“
„Allerdings wird darauf hingewiesen, dass dieses effektive Potenzial eine Obergrenze darstellt. Die tatsächlich nutzbare Speicherkapazität in der deutschen Nordsee wird deutlich niedriger eingeschätzt. Dies liegt an raumplanerischen, geotechnischen und wirtschaftlichen Randbedingungen sowie der bereits intensiven Nutzung der AWZ durch Windparks, Schifffahrtsrouten, militärische Anwendungen sowie Kabel und Pipelines.“
„Die ersten europäischen Speicherprojekte sollen bis 2026 starten und haben in der ersten Phase eine Gesamtkapazität von etwa 4,4 Megatonnen pro Jahr (Greensand in Dänemark, Northern Lights in Norwegen und Porthos in den Niederlanden). Diese Kapazität ist bereits vollständig vergeben. Bis 2030 könnten laut Planungsdaten der Speicherbetreiber in Europa inklusive Norwegen rund 80 bis 100 Megatonnen pro Jahr realisierbar sein, wovon jedoch nur etwa 66 Megatonnen pro Jahr in der EU erwartet werden. Für die höheren Ziele nach 2030 liegen noch keine konkreten Planzahlen vor.“
„Das geplante Gesetz erlaubt eine CO2-Speicherung zunächst nur Offshore. Es enthält aber voraussichtlich die Möglichkeit, dass die Bundesländer auch die Onshore-Speicherung erlauben können (Opt-In-Verfahren). Durch die Nutzung regionaler Onshore-Speicher könnte die Transport-Infrastruktur vermutlich erheblich geringer ausfallen. Bisher fehlt jedoch eine vergleichende, ergebnisoffene und ganzheitliche Bewertung der Vor- und Nachteile von Onshore-Speicherung im Vergleich zur Offshore-Speicherung. Eine solche Abschätzung könnte Politik und Stakeholdern Orientierung bieten und zur Weiterentwicklung der Carbon Management Strategie beitragen.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte. Unsere Forschung ist vollständig öffentlich finanziert. Ich war – neben vielen weiteren Stakeholdern – am Konsultationsprozess für die deutsche Carbon Management Strategie und für den Gesetzesentwurf der Änderung des CO2-Speichergesetzes der Ampelregierung beteiligt.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe bei diesem Thema keine Interessenkonflikte.“
„Interessenkonflikte habe ich keine.“
„Interessenkonflikte bestehen auf unserer Seite nicht.“
Weiterführende Recherchequellen
Block S et al. (2025): Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implementierung von CCU, CCS und CDR – Handlungsempfehlungen für die Carbon-Management-Strategie des Bundes. Bericht des Wuppertal Instituts.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Wallmann K et al. (2025): CO2-Speicherung unter der deutschen Nordsee? Ergebnisse aus drei Jahren Forschung. Bericht.
[2] Endrava: Capture Map. Webseite mit grafischer Darstellung von Daten. Stand: 02.06.2025.
[3] International Energy Agency (IEA): CCUS Projects Explorer. Webseite mit grafischer Darstellung von Daten. Stand: 02.06.2025.
[4] Itul A et al. (2023): Carbon Capture, Utilisation and Storage in the European Union. Bericht des Joint Research Centers der EU.
[5] Bennæs A et al. (2024): Modeling a supply chain for carbon capture and offshore storage – A German-Norwegian case study. International Journal of Greenhouse Gas Control. DOI: 10.1016/j.ijggc.2023.104028.
[6] Bennæs A et al. (2023): Designing Pipeline Networks for Carbon Capture and Storage of CO2-Sources in Germany: An Industry Perspective. Konferenzpapier.
[7] Oschlies A et al. (2023): Carbon dioxide storage in geological formations
[8] Holz F et al. (2021): A 2050 perspective on the role for carbon capture and storage in the European power system and industry sector. Energy Economics. DOI: 10.1016/j.eneco.2021.105631.
[9] Bundesregierung (29.05.2024): Eckpunkte der Bundesregierung für eine Carbon
Management-Strategie.
[10] Andreas J et al. (2023): Carbon Capture and Storage Ladder – Assessing the Climate Value of CCS Applications in Europe. Bericht.
[11] Fischer C et al. (2024): Klimaneutrales Deutschland. Von der Zielsetzung zur Umsetzung – Vertiefung der Szenariopfade. Bericht.
[12] Block S et al. (2024): Analysing direct air capture for enabling negative emissions in Germany: an assessment of the resource requirements and costs of a potential rollout in 2045. Frontiers in Climate. DOI: 10.3389/fclim.2024.1353939.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Deutscher Bundestag (21.06.2024): Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes. Gesetzentwurf.
Prof. Dr. Klaus Wallmann
Leiter der Forschungseinheit Marine Geosysteme, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR)
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte. Unsere Forschung ist vollständig öffentlich finanziert. Ich war – neben vielen weiteren Stakeholdern – am Konsultationsprozess für die deutsche Carbon Management Strategie und für den Gesetzesentwurf der Änderung des CO2-Speichergesetzes der Ampelregierung beteiligt.“
Prof. Dr. Wilfried Rickels
Direktor des Forschungszentrums Global Commons und Klimapolitik, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Franziska Holz
Stellvertretende Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe bei diesem Thema keine Interessenkonflikte.“
Dr. Felix Schenuit
Wissenschaftler im Forschungscluster Klimapolitik, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Interessenkonflikte habe ich keine.“
PD Dr. Peter Viebahn
Kommissarischer stellvertretender Leiter der Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme und Co-Leiter des Forschungsbereichs Sektoren und Technologien, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Wuppertal
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Interessenkonflikte bestehen auf unserer Seite nicht.“