Cannabiskonsum in Deutschland 2024: Trends, Konsumformen und -gründe
wenige Monate nach der Teillegalisierung stieg der Konsum von Cannabis nicht stärker an als in den vorherigen Jahren
Ergebnisse der Detailanalyse des Epidemiologischen Suchtsurveys geben Einblick in Häufigkeit, Gründe und Form des Cannabiskonsums und die Beschaffungsform
laut Forschern lässt der kurze Zeitraum nach der Teillegalisierung noch keine eindeutigen Schlüsse zu, einige der Ergebnisse sind jedoch diskussionswürdig
Nach der Teillegalisierung von Cannabis setzte sich der seit vielen Jahren beobachtete, leicht ansteigende Konsumtrend in Deutschland weiter fort. Das zeigen die Ergebnisse des Epidemiologischen Suchtsurveys (ESA). Der ESA bildet alle drei Jahre den Konsum verschiedener Drogen in Deutschland ab und wurde gemeinsam mit einer Detailauswertung zum Cannabiskonsum im Fachjournal „Deutsches Ärzteblatt International“ veröffentlicht (siehe Primärquellen).
Als das viel diskutierte Cannabisgesetz (CanG) am 1. April 2024 in Kraft trat, lautete eine der Bedingungen, dass gemäß Paragraf 43 des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) die Auswirkungen der Teillegalisierung auf die Gesundheit und Konsummuster der Bevölkerung wissenschaftlich begleitet werden würden. Hierfür wurde das Forschungsprojekt EKOCAN ins Leben gerufen, dessen erster vorläufiger Teilbericht diesen September im Rahmen der Bundespressekonferenz präsentiert wurde [I]. In dieses Forschungsprojekt werden unter anderem die Daten des ESA miteinbezogen. In diesem werden wiederholt querschnittlich Personen befragt, im Jahr 2024 waren es 7534 Befragte. Neben der allgemeinen Auswertung erscheint eine Detailauswertung, in der es speziell um den Konsum von Cannabis geht.
Adjunct Professor, Faculty of Health Sciences, Simon Fraser University, Vancouver, Kanada, und Senior Scientist, Institute for Mental Health Policy Research, Department of Psychiatry, University of Toronto, Kanada, Researcher, Department of Psychiatry, Federal University of Sao Paulo, Brasilien, Kanada
Entwicklung der Cannabiskonsum-Prävalenz
„Der Epidemiologische Suchtsurvey (ESA) ist ein wichtiger Suchtsurvey für Deutschland. Die gezeigten Daten geben einen informativen Einblick in Entwicklungen der Cannabiskonsumprävalenz und -muster, kurzfristig nach der Legalisierung 2024 in der deutschen Allgemeinbevölkerung.“
„Die Cannabiskonsumprävalenz veränderte sich über die Legalisierung nur minimal. Was dies für die weiteren Auswirkungen der Legalisierung auf Entwicklungen bei der Cannabiskonsumprävalenz bedeuten wird, kann aus den 2024er-Daten, die innerhalb nur weniger Monate nach der Legalisierung erhoben wurden, nicht abgeleitet werden.“
Konsumform
„Cannabis wurde im Jahr 2024 weiterhin in den meisten Fällen in Form von Marihuana und Joints konsumiert. Diese Konsumform birgt erhebliche, vor allem chronische, Gesundheitsrisiken für Konsumierende, zum Beispiel für das Atmungssystem.“
Konsumgründe
„Ein bemerkenswert hoher Anteil der Cannabiskonsumenten gibt an, Cannabis für ‚Selbstmedikations‘-Zwecke zu benutzen, vor allem die intensiv Konsumierenden. Obwohl die Grenzen zwischen ‚Genuss‘- und ‚Selbsthilfe‘-Konsum bei Cannabis allgemein fließend sind, stellt sich akut die Frage: Finden solche ‚Selbstmedikations‘-Praktiken am sinnvollsten über Cannabiskonsum – und vor allem Marihuana und ‚Joints‘ –, oder besser über alternative und weniger riskante Aktivitäten statt? Hier besteht sicherlich Raum und Bedarf für Interventionen.“
Beschaffungsform
„Weiterhin zeigen die Daten erfreulicherweise: Schon kurz nach der Legalisierung machen sich erhebliche Minoritäten von Cannabiskonsumierenden – insbesondere unter den Intensivkonsumierenden – die legalen Beschaffungsquellen für Cannabis zu Nutze: unter anderem Eigenanbau oder eine Mitgliedschaft in Cannabis Clubs. Damit entziehen sie sich den illegalen Cannabismärkten oder -quellen. Hier werden in den nächsten Jahren entsprechende Strukturen und Angebote konsequent ausgebaut werden müssen, wie zum Beispiel die Zahl der funktional verfügbaren Cannabis Clubs. Es gilt zu beobachten, inwieweit die Verlagerung von illegalen zu legalen Cannabisquellen in der Konsumierendenpopulation möglich ist. Dies wird ein mehrjähriger, gradueller Prozess sein, wie Erfahrungen in anderen Ländern gezeigt haben.“
Empfehlungen für Deutschland
„Die gezeigten Daten unterstreichen indirekt weiterhin, dass Deutschland generell von einer Kommerzialisierung der Cannabisproduktion und des -vertriebs absehen sollte. Denn diese ist anderswo mit einem Anstieg von Konsum und von Gesundheitsproblemen assoziiert. Deutschland hat in der gegenwärtigen Situation die einmalige Chance, diese negativen Konsequenzen zu vermeiden.“
Arbeitsgruppenleiter „Substanzkonsum und Public Health“ am Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Entwicklung der Cannabiskonsum-Prävalenz
„Die Ergebnisse des Epidemiologischen Suchtsurveys (ESA) sind nicht überraschend. Der Cannabiskonsum und damit bedingte Probleme unter Erwachsenen nehmen seit Jahren zu. Das ist aus verschiedenen Daten bekannt – beispielsweise aus Umfragen, dem Abwassermonitoring, den Krankenversicherungen und Krankenhäusern. Die ESA-Studie bestätigt vorherige Annahmen, dass sich die Cannabislegalisierung auf diesen Trend kurzfristig nicht auszuwirken scheint.“
Methodik und Limitationen
„Mit Befragungsstudien wie der ESA-Studie lässt sich das Konsumverhalten weiter Teile der Bevölkerung abdecken. Es muss aber berücksichtigt werden, dass bestimmte Menschengruppen durch die Ergebnisse nicht repräsentiert werden. Es gibt meines Erachtens keine Umfrage, mit der das Konsumverhalten der gesamten Bevölkerung abgedeckt werden kann.“
„Je stärker Personen konsumieren, desto eher erleben sie Probleme und Einschränkungen und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie an umfangreichen Befragungen dieser Art teilnehmen. Konkret: Personen mit einer starken Abhängigkeit und insbesondere Personen in Wohnungslosigkeit sowie institutionalisierte Personen in beispielsweise Krankenhaus, Haft oder Reha sind kaum oder gar nicht in diesen Befragungen abgebildet. Diese Personengruppen werden größtenteils nicht in die Befragung eingeschlossen, zum Beispiel da sie nicht eingeladen werden oder nicht an der Befragung teilnehmen (können).“
„An der ESA-Studie 2024 haben 78 Prozent der Eingeladenen nicht teilgenommen. Ich nehme an, dass Konsumprobleme unter diesen Personen stärker vertreten sind als unter denjenigen, die teilgenommen haben. Belastbare Informationen hierzu liegen aber nicht vor. Das alles ist wichtig für die Interpretation der Ergebnisse, aber das trifft meines Erachtens auf alle Befragungen zum Substanzkonsum in unterschiedlichem Ausmaß zu.“
„Ungeachtet dieser Einschränkungen sind die Ergebnisse der ESA-Studie sehr wichtig. Indem die Methodik über die Jahre unverändert blieb, treffen diese Einschränkungen auch auf die vorherigen Erhebungswellen zu. So kann man über den Großteil der Bevölkerung, der durch diese Befragung repräsentiert wird, festhalten, dass sich der Cannabiskonsum seit circa 2012 deutlich ausgeweitet hat.“
Auf die Frage, ob die Teillegalisierung Einfluss auf das Antwortverhalten gehabt haben könnte:
„Ich gehe nicht davon aus, dass sich durch die Legalisierung das Antwortverhalten maßgeblich verändert hat. Manche haben vermutet, dass es zu einer Entstigmatisierung kommt und ein vormals illegales Verhalten nun eher berichtet wird. Jedoch erscheint es nicht plausibel, dass sich das Konsumcannabisgesetz, was ja eine eher moderate Gesetzesänderung darstellt, kurzfristig spürbar auf Überzeugungen in weiten Teilen der Gesellschaft ausgewirkt hat.“
„Wir haben in anderen, bisher nicht veröffentlichten Befragungsdaten keinen Hinweis auf Veränderung in der Wahrnehmung von Cannabis-Stigmata infolge der Teillegalisierung erkennen können. Daher vermute ich auch keine Veränderung im Antwort-Bias, der bei der Interpretation der ESA-Studienergebnisse berücksichtigt werden sollte.“
Konsumform
„Offensichtlich ist das Rauchen von Cannabis zusammen mit Tabak, zum Beispiel in Form eines Joints, die schlechteste Art und Weise Cannabis zu konsumieren. Konsumierende belasten damit nicht nur Herz und Lunge, sondern gehen auch ein höheres Abhängigkeitspotenzial ein. Nicht nur, aber auch durch die unzureichende Tabakkontrollpolitik hierzulande, sind alternative Konsumformen bislang kaum verbreitet.“
„Die Teillegalisierung hat meines Erachtens keinen Einfluss auf diesen Umstand. Tatsächlich sind aber alternative Konsumformen nicht risikofrei beziehungsweise bergen andere Risiken. Ein einziger hausgebackener Cannabis-Keks kann beispielsweise die vielfache Tetrahydrocannabinol-Menge (THC) eines Joints enthalten. Außerdem ist die Wirkweise durch oralen Konsum sehr viel intensiver und führt daher auch eher zu akuten Problemen, insbesondere bei unerfahrenen Konsumierenden. Als die risikoärmste Form des Konsums erscheint derzeit das Verdampfen von Cannabisblüten, insbesondere mit moderatem THC-Gehalt von zum Beispiel 10 bis 15 Prozent.“
Konsumgründe
„Dass stark Konsumierende Cannabis zur ‚Selbstmedikation‘ verwenden, ist erwartbar und nachvollziehbar. Viele Menschen kaufen und besitzen nie Cannabis, sondern konsumieren nur bei bestimmten Gelegenheiten gemeinsam mit Anderen bei sozialen Gelegenheiten, zum Beispiel auf einer Party. Wer Cannabis dagegen täglich nutzt, der feiert nicht etwa jeden Tag eine Party, sondern nutzt die Substanz eher zu anderen Zwecken: zum Entspannen oder auch zur Selbstmedikation. Das ist grundsätzlich nicht überraschend und ich würde ähnliche Muster auch bei Alkohol erwarten: Je häufiger Alkohol getrunken wird, desto eher wird allein getrunken und zur Bewältigung von Problemen.“
„Bei Cannabis kommt hinzu, dass unter den täglich Konsumierenden der medizinische Gebrauch überproportional vertreten ist. Wenn Sie Cannabis als Medizin verschrieben bekommen, dann haben Sie in der Regel ein chronisches Problem, was den täglichen Einsatz der Medizin erforderlich macht. Leider geht aus den präsentierten Ergebnissen nicht hervor, wie viele Personen Cannabis auf Rezept verschrieben bekommen haben. Ich gehe davon aus, dass mindestens drei von zehn Konsumierenden Cannabis vollständig oder teilweise zu medizinischen Zwecken nutzen [I].“
Beschaffungsform: Eigenanbau
„Befragte wurden nach unterschiedlichen Bezugsquellen gefragt, aber aus unbekannten Gründen wurde nur eine Bezugsquelle – Eigenanbau – präsentiert. Dieser Anteil passt aber zu Ergebnissen aus anderen Befragungen, siehe zum Beispiel [1]. Allerdings ist eine Beschreibung von Marktanteilen eine umfassendere Präsentation der Ergebnisse bezüglich der Bezugsquellen notwendig – ich vermute, diese werden separat publiziert werden.“
Cannabis Social Clubs
„Der Umfang des Bezugs aus einer anderen vermeintlich legalen Quelle – Cannabis Social Club – wurde in den Ergebnissen nicht beschrieben. Cannabis Social Club ist ein unscharfer Begriff, da der Gesetzgeber die soziale Komponente in den Anbauvereinigungen minimieren wollte. Die präsentierten Informationen zur Mitgliedschaft in einem Cannabis Social Club sind dagegen nicht konsistent mit anderen bekannten Daten. Während des Befragungszeitraums hatten lediglich zehn Anbauvereinigungen Cannabis produziert und abgegeben (siehe Kapitel 6.3.1.2 im EKOCAN Zwischenbericht 1 [I]). In den bis April 2025 genehmigten 222 Anbauvereinigungen hätten maximal zwei Prozent aller Konsumierenden Mitglied sein können – also deutlich weniger als die laut der vorliegenden Studie 25,7 Prozent.“
„Ich würde aufgrund der Unschärfe des gewählten Begriffs und der mangelhaften externen Validität der Ergebnisse definitiv nicht davon ausgehen, dass im Jahr 2024 ein Viertel der Konsumierenden ihr Cannabis aus genehmigten Anbauvereinigungen beziehen konnten.“
Ausblick
„Wir haben im EKOCAN-Bericht bereits Daten aus acht Surveys integriert und damit haben wir ausreichend Informationen zur kurzfristigen Entwicklung des Konsumverhaltens nach der Teillegalisierung. Was derzeit relevanter ist, sind Informationen zu den Folgen des Cannabiskonsums. Dazu gehören insbesondere Daten zur Entwicklung akuter und chronischer Gesundheitsprobleme, zum Beispiel aus Krankenhäusern, sowie zum Umfang von Straßenverkehrsunfällen unter Cannabiseinfluss. Der Kurzbericht von Greiner et al. – auch veröffentlicht im gleichen Heft des Deutschen Ärzteblattes International – gibt erste Einblicke in eine möglicherweise nachteilige Entwicklung. Für eine umfassende wissenschaftliche Bewertung des Gesetzes und Ableitung robuster Handlungsempfehlungen ist es jedoch zu früh.“
Professor für Suchtforschung und klinische Epidemiologie, Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf
Epidemiologischer Suchtsurvey
„Die ESA-Studie (Epidemiologischer Suchtsurvey) liefert wichtige Daten zum Konsum von Cannabis in Deutschland. Es handelt sich um eine hochwertige Studie mit dem besonderen Vorteil, dass sie seit vielen Jahren mit gleichbleibender Methodik durchgeführt wird. Dies ermöglicht die Beobachtung von Trends auf Bundesebene und hilft, mögliche Auswirkungen des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) besser zu verstehen.“
Entwicklung der Cannabiskonsum-Prävalenz
„Ein wichtiges Ergebnis der Studie betrifft den Anteil der Menschen in Deutschland, die nach eigener Angabe in den vergangenen zwölf Monaten Cannabis konsumiert haben. Diese sogenannte ,Prävalenz‘ lag in den Monaten nach Einführung des KCanG (August bis Dezember 2024) mit 9,8 Prozent etwa einen Prozentpunkt höher als bei der letzten Erhebung im Jahr 2021 (8,8 Prozent), wobei der Unterschied statistisch nicht signifikant war. Ein geringfügiger Anstieg der Prävalenz war aufgrund der Entwicklung der vergangenen Jahre erwartet worden, so dass dieser wahrscheinlich unabhängig vom KCanG erfolgte.“
„Ein weitere wichtige Beobachtung ist, dass sich der Anteil der stark Cannabiskonsumierenden – das heißt täglicher oder fast täglicher Konsum – nicht verändert hat. Starker Cannabiskonsum ist riskant für die Gesundheit.“
Jugendliche und junge Erwachsene
„Eine besonders vulnerable Gruppe der Bevölkerung sind Jugendliche und junge Erwachsene. Es besteht die Gefahr von Gesundheitsschäden durch den Konsum von Cannabis. Zu dieser Gruppe gibt die aktuelle Veröffentlichung der ESA-Studie keine gesonderten Ergebnisse aus. Laut aktuellen Zahlen der Drogenaffinitätsstudie des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) hat sich die Prävalenz bei den 12- bis 17-Jährigen auch nach Einführung des KCanG nicht verändert. Sie ist bei den 18- bis 25-jährigen Männern angestiegen, nicht aber bei den Frauen.“
Fazit
„Das KCanG ist erst seit kurzer Zeit in Kraft, und Auswirkungen der Gesetzgebung haben sich vermutlich noch nicht voll entfalten können. Eine weitere engmaschige, wissenschaftliche Beobachtung des Cannabiskonsums in Deutschland ist in den kommenden Jahren notwendig.“
Professor für Soziale Arbeit und Sozialwissenschaftliche Suchtforschung und Leiter des Instituts für Suchtforschung (ISFF), Frankfurt University of Applied Sciences
Entwicklung der Cannabiskonsum-Prävalenz
„Hier ist eine nahezu lineare Entwicklung festzustellen, die auf eine weiter zunehmende Verbreitung des Cannabiskonsums in der erwachsenen Bevölkerung hinweist. Bemerkenswert ist, dass parallel die Verbreitung unter Jugendlichen abgenommen und sich dies voraussichtlich auch fortsetzen wird. Die zuletzt sehr deutlich gesunkenen Zahlen aus den Schulbefragungen in Frankfurt und Hamburg sind dafür ein Maßstab – Städte waren schon öfter ‚Trendsetter‘ im Hinblick auf Drogentrends bei jungen Menschen.“
„Insgesamt scheinen sich die Trends von vor der Teil-Legalisierung fortzusetzen; es ist also kein Effekt auf den Konsum festzustellen.“
Methodik und Limitationen
„Es gibt bei Befragungen immer das Problem der ‚sozialen Erwünschtheit‘, was nach Einführung des Cannabisgesetzes (CanG) vermutlich relevanter geworden ist. In der lokalen Frankfurter Schulbefragung haben zuletzt immerhin 18 Prozent angegeben, dass sie nach dem CanG eher dazu bereit wären, etwaige Konsumerfahrungen zuzugeben. Es ist also auch beim Epidemiologischen Suchtsurvey (ESA) denkbar, dass der jüngste Anstieg in der Realität nicht so stark ausfiel wie es die Zahlen hergeben.“
Konsumgründe
„Bereits vor dem CanG gab es nicht wenige, die sich – häufig illegal – mit Cannabis zur medizinischen Nutzung versorgt haben. Nicht selten gibt es dabei sowohl medizinische als auch Freizeitmotive. Sicherlich hat bei einem Teil dieser Personen der medizinisch motivierte Konsum nicht unbedingt dauerhaft positive Auswirkungen. Das Thema Schlafprobleme ist hier ein gutes Beispiel: Viele Nutzer*innen machen tatsächlich gute Erfahrungen mit Cannabis als Mittel zu einem besseren und ruhigeren Schlaf aufgrund medizinischer Problematiken. Bei anderen hingegen kann der Einsatz als ‚Schlafmittel‘ eher ein Symptom für problematischen Konsum sein.“
Konsumform
„Alles, was geraucht wird, ist um ein Vielfaches schädlicher für den Körper als andere Konsumformen. Insofern wäre es zu begrüßen, wenn mehr Konsumierende auf Konsumformen wie Vaporizer zurückgreifen würden. Essbare Cannabisprodukte sind vermutlich noch unproblematischer, was langfristige körperliche Folgen angeht, aber nicht für alle ein praktikabler Weg, etwa, wenn eine schnelle Anflutung der Wirkungen gewünscht ist. Außerdem kann es gerade bei selbst zubereiteten ‚Edibles‘ eher zu unfreiwilligen Überdosierungen mit unangenehmen Wirkungen kommen – gerade, weil die Wirkung nicht so schnell anflutet.“
Cannabis Social Clubs
„Die Anteile für Mitgliedschaft in Cannabis Social Clubs sind tatsächlich überraschend hoch. In einer kürzlich von uns durchgeführten Onlinebefragung, an der sich in erster Linie häufig Konsumierende beteiligten, waren es neun Prozent, also deutlich weniger, als hier für die Gesamtgruppe angegeben wird [2]. Der ESA fand allerdings über ein halbes Jahr früher statt – womöglich waren hier noch mehr Menschen auf ‚Lockangebote‘ von kommerziell operierenden Anbietern eingegangen, die letztlich niemals eine Genehmigung bekamen. Mittlerweile ist aber die Zahl der genehmigten Anbauvereine stetig gewachsen, sodass diese Versorgungsmöglichkeit vermutlich an Relevanz gewinnen wird.“
Beschaffungsform: Eigenanbau
„Die Zahlen für den Eigenanbau fallen im ESA niedriger aus als bei unserer Online-Befragung: In dieser nannten 49 Prozent aller Befragten diesen als Hauptquelle. Auch das könnte mit dem Erhebungszeitpunkt zusammenhängen – im Herbst 2024 hatten vermutlich noch nicht so viele Konsumierende legalen Eigenanbau genutzt wie im Frühling 2025.“
Ausblick: Fokus auf Erwachsene
„Bereits vor Einführung des CanG gab es eine eindeutige Tendenz dazu, dass Cannabis stärker das Image einer ‚Jugenddroge‘ verliert und immer weniger von sehr jungen Menschen konsumiert wird. Das ist eine ausgesprochen positive Nachricht, da besonders Jugendliche gefährdet sind, Probleme mit dem Konsum zu entwickeln.“
„Dafür gibt es bereits seit mehr als zehn Jahren die Tendenz, dass Cannabis stärker unter – auch älteren – Erwachsenen konsumiert wird. Hier schlägt sich vermutlich zum einen die wachsende Erkenntnis nieder, dass Cannabis zu medizinischen Zwecken genutzt werden kann. Zum anderen gibt es offenbar auch mehr Erwachsene, die Cannabis als Freizeitdroge nutzen und zum Beispiel dem in vielerlei Hinsicht riskanteren Alkohol vorziehen. Hiermit sollte ein besserer Umgang gefunden werden. Unter anderem wäre anzuraten, die Schadensminimierung für ältere Konsumierende zu stärken, zum Beispiel mit Informationsportalen, über die sich Betroffene informieren können, aber auch durch mehr niedrigschwellige Anlaufstellen für problematisch Konsumierende.“
„Ich habe keine Verbindungen mit oder Interessen in kommerziellen Organisationen oder Aspekten im Bereich Cannabis. Ich habe in den vergangenen Jahren mehrere kollaborative Arbeiten zum Thema Cannabis mit der Erstautorin des Artikels (Prof. Dr. Eva Hoch) publiziert.“
„Ich bin Koordinator von EKOCAN (finanziert durch das BMG), Studienleiter einer Studie zum Einfluss der Cannabisgesetzgebung auf die Verkehrssicherheit (von der Bundesanstalt für Straßenwesen in Auftrag gegeben) und Studienleiter einer Studie zu den Effekten einer Legalisierung von Cannabis (ECaLe) (vom BMG in Auftrag gegeben). Ich bekomme nur von staatlichen und nichtstaatlichen Gesundheitsorganisationen Honorare für Vorträge im Zusammenhang mit der Cannabislegalisierung. Ich berate die WHO im Zusammenhang mit Cannabispolitik. Ich habe keine finanziellen Beziehungen zur Cannabisindustrie.“
„Ich bin an der laut Paragraf 43 KCanG vorgesehenen unabhängigen, wissenschaftlichen Evaluation des Konsumcannabisgesetzes (EKOCAN) beteiligt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert. Ich habe keine finanziellen Beziehungen zur Industrie (Arzneimittel, Medizin/Nikotin/Tabak/Cannabisprodukte etc.) sowie deren Lobby-Organisationen.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Primärquellen
Hoch E et al. (2025): Cannabis consumption before and after partial legalization in Germany: Early trends, consumption patterns, and motives. Deutsches Ärzteblatt International. DOI: 10.3238/arztebl.m2025.0161.
Olderbak S et al. (2025): Psychoactive substance use in Germany: Findings from the Epidemiological Survey of Substance Abuse (ESA) in 2024. Deutsches Ärzteblatt International. DOI: 10.3238/arztebl.m2025.0157.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Manthey J et al. (2025): Legal and Illegal Sources of Cannabis in Germany Shortly After Legalisation. International Journal of Mental Health and Addiction. DOI: 10.1007/s11469-025-01574-3.
[2] Steimle L et al. (2025): Veränderungen für Konsumierende von Cannabis durch das Cannabisgesetz. Projektbericht.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Manthey J et al. (2025): Evaluation des Konsumcannabisgesetzes (EKOCAN): 1. Zwischenbericht. DOI: 10.25592/uhhfdm.17993.
Prof. Dr. Benedikt Fischer
Adjunct Professor, Faculty of Health Sciences, Simon Fraser University, Vancouver, Kanada, und Senior Scientist, Institute for Mental Health Policy Research, Department of Psychiatry, University of Toronto, Kanada, Researcher, Department of Psychiatry, Federal University of Sao Paulo, Brasilien, Kanada
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Verbindungen mit oder Interessen in kommerziellen Organisationen oder Aspekten im Bereich Cannabis. Ich habe in den vergangenen Jahren mehrere kollaborative Arbeiten zum Thema Cannabis mit der Erstautorin des Artikels (Prof. Dr. Eva Hoch) publiziert.“
Dr. Jakob Manthey
Arbeitsgruppenleiter „Substanzkonsum und Public Health“ am Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich bin Koordinator von EKOCAN (finanziert durch das BMG), Studienleiter einer Studie zum Einfluss der Cannabisgesetzgebung auf die Verkehrssicherheit (von der Bundesanstalt für Straßenwesen in Auftrag gegeben) und Studienleiter einer Studie zu den Effekten einer Legalisierung von Cannabis (ECaLe) (vom BMG in Auftrag gegeben). Ich bekomme nur von staatlichen und nichtstaatlichen Gesundheitsorganisationen Honorare für Vorträge im Zusammenhang mit der Cannabislegalisierung. Ich berate die WHO im Zusammenhang mit Cannabispolitik. Ich habe keine finanziellen Beziehungen zur Cannabisindustrie.“
Prof. Dr. Daniel Kotz
Professor für Suchtforschung und klinische Epidemiologie, Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich bin an der laut Paragraf 43 KCanG vorgesehenen unabhängigen, wissenschaftlichen Evaluation des Konsumcannabisgesetzes (EKOCAN) beteiligt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert. Ich habe keine finanziellen Beziehungen zur Industrie (Arzneimittel, Medizin/Nikotin/Tabak/Cannabisprodukte etc.) sowie deren Lobby-Organisationen.“
Prof. Dr. Bernd Werse
Professor für Soziale Arbeit und Sozialwissenschaftliche Suchtforschung und Leiter des Instituts für Suchtforschung (ISFF), Frankfurt University of Applied Sciences
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“