Brustkrebs-Früherkennung: MRT und Kontrastmittel-Mammographie entdecken mehr Tumore als Ultraschall
nach einer Mammographie wird bei Frauen mit dichtem Brustgewebe ergänzend meist ein Ultraschall empfohlen
eine neue Studie zeigt nun: weitere Untersuchungen wie MRT und Kontrastmittel-Mammographie erkennen mehr Tumore
Forschende loben die neuen Studiendaten und dringen auch auf eine Aktualisierung der entsprechenden ärztlichen Leitlinie
Eine groß angelegte britische Studie im Fachjournal „The Lancet“ liefert neue Erkenntnisse zur Brustkrebs-Früherkennung bei Frauen mit dichtem Brustgewebe: Demnach entdecken sowohl die kontrastmittelgestützte Magnetresonanztomographie (MRT) als auch die kontrastmittelgestützte Mammographie deutlich mehr invasive Tumore als der Brustultraschall (ABUS). Die Zahl entdeckter Krebsfälle lag bei diesen beiden Verfahren etwa dreimal höher als beim Ultraschall (siehe Primärquelle).
Direktor der Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen
Stand des Wissens
„Kontrastmittelverstärkte Untersuchungsverfahren der Mamma (Brustdrüse; Anm. d. Red.) wie die Magnetresonanztomographie (MRT) mit Kontrastmittel und die kontrastmittelverstärkte Mammographie (CEM), sind in der bildgebenden Mammadiagnostik gegenüber der Mammographie und der Mammasonographie (Brustultraschall; Anm. d. Red.) hinsichtlich der Detektion von Brustkrebs überlegen, insbesondere bei Frauen mit hoher Brustdichte. In der Literatur weisen beide Methoden eine stabil hohe Sensitivität und Spezifität auf. Bei Frauen mit dichtem Brustdrüsengewebe ist die Beurteilbarkeit der Brust durch herkömmliche Brustuntersuchungen, wie Mammographie und Mammasonographie, erschwert. Die Brustdichte ist zudem ein unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung von Brustkrebs. Für diese Frauen stellt die Mamma-MRT oder CEM eine gute Lösung dar, um Brustkrebs sicher auszuschließen oder im Frühstadium verlässlich zu entdecken. Auch Frauen mit einem erhöhten familiären Risiko, einem Mammaimplantat (Brustimplantat; Anm. d. Red.) oder mit einem unklaren Befund beim gesetzlichen Screening profitieren beispielsweise von einer kontrastmittelverstärkten Mamma-MRT.“
Aktuelles Screening-Programm
„Aktuell haben alle Frauen im Rahmen des Mammographie-Screenings in Deutschland zwischen dem 50. bis 75. Lebensjahr Anspruch auf eine Mammographie. Bei negativem Mammographiebefund und fehlender Symptomatik erfolgt die nächste Screeninguntersuchung erst nach zwei Jahren wieder. Einmal jährlich wird allerdings zusätzlich eine klinische Untersuchung der Brust und des Lymphabflussgebietes im Rahmen des gesetzlichen Krebsfrüherkennungsprogramms beim Gynäkologen beziehungsweise bei der Gynäkologin empfohlen. Bei Beschwerden oder auffälligen Befunden sollte natürlich zeitnah eine weitere Abklärung erfolgen.“
Erweiterte Brustuntersuchung
„Die European Society of Breast Imaging (EUSOBI) empfiehlt angesichts der aktuell verfügbaren Evidenz Frauen im Alter von 50 bis 70 Jahren mit extrem dichter Brust, alle zwei bis vier Jahre eine Brust-MRT zum Screening anzubieten. Auch das US-amerikanische National Comprehensive Cancer Network (NCCN) hat sich in einem Expertenkonsensus für ein ergänzendes Screening bei dichter Brust mit MRT ausgesprochen. In der S3-Leitlinie Mammakarzinom wird eine Kontrastmittel-MRT zur Früherkennung bei asymptomatischen Frauen außerhalb des Hochrisikokollektivs bis jetzt nicht empfohlen. Nach einem negativen Mammographiebefund und dichtem Brustgewebe macht es medizinisch gesehen Sinn, eine MRT als Folgeuntersuchung durchzuführen. Für den Einsatz der CEM im Screening fehlt derzeit noch die Evidenz, anders als beim Screening-MRT, für das die DENSE-Studie den Nutzen gegenüber der Mammographie bei Frauen mit extrem dichtem Brustgewebe aufzeigen konnte.“
Möglicher Effekt für Überdiagnosen
„Unterdiagnosen bei Frauen mit extrem dichtem Brustgewebe sind ein größeres Problem als mögliche Überdiagnosen. Die Früherkennung von Brustkrebs kann Leben retten – aber sie birgt auch die Gefahr von Überdiagnosen. Durch die Kontrastmitteluntersuchungen würden sehr frühe Brustkrebserkrankungen oder sogenannte In-situ-Karzinome (duktales Carcinoma in situ [DCIS] ) entdeckt werden, die ohne diese Untersuchungen nicht auffällig geworden wären. Auch ohne Behandlung wäre die Frau nicht an Brustkrebs verstorben, sondern an einer anderen Erkrankung. Die Behandlung wäre also unnötig gewesen. Das Problem gibt es aber beim aktuellen Mammographiescreening auch schon und kann nicht vorausgesagt werden.“
„Die Mammographie ist derzeit die einzige Früherkennungs-Methode mit gesicherter Reduktion der Brustkrebsmortalität. Aber je früher ein Mammakarzinom erkannt wird, umso besser ist die Prognose. Patientinnen mit dichter Brust würden von der Etablierung eines Mamma-MRTs im Screening sicherlich profitieren.“
Umsetzung
„Derzeit ist es nicht möglich, Mamma-MRTs sofort und flächendeckend anzubieten. Es müssen auch Qualitätssicherungsverfahren etabliert werden. In der Praxis sollte aber die Verfügbarkeit der Mamma-MRTs ausgebaut werden. Neueste Studien konnten die Kosteneffektivität der MRTs im Screening von Frauen mit hohem und intermediären Brustkrebsrisiko belegen. Bei einer Diagnose des Mammakarzinoms im Frühstadium ist das Mamma-MRT kurzfristig zwar etwas teurer als die Mammographie oder der Ultraschall, es können aber langfristig Kosten bei der Therapie eingespart werden. Die Entscheidung, ob die Kontrastmittel-MRT oder CEM zum Einsatz kommt, wird beeinflusst durch die Verfügbarkeit der jeweiligen Technologie, die Expertise des Anwendenden, die Kostenübernahme durch die Krankenkasse, die zu berücksichtigenden Kontraindikationen und durch den Wunsch der Frauen.“
Senior-Professor, Klinik für Radiologie, Universitätsklinikum Münster, und Leiter des Referenzzentrums Mammographie Münster
Studieninhalt
„Die Arbeitsgruppe unter Federführung der University of Cambridge gehört meines Erachtens zu den führenden wissenschaftlichen Teams in Europa. Die Arbeitsgruppe berichtet Zwischenergebnisse einer randomisierten klinischen Studie, die additive Methoden bei Frauen mit dichter Brust (Parenchymdichte C und D) nach unauffällig befundeter Screening-Mammographie analysiert. Im Detail wird ‚automatisierter Ultraschall durch ein Scan-System (ABUS)‘ verglichen mit ‚Kontrastmittel-verstärkter (Jod-haltig) Mammographie‘ und ‚Kontrastmittel-verstärkter (Gadolinium-haltig) MR-Mammographie in einem verkürzten Messprotokoll‘. Mittels MRT wurden im Vergleich zum Ultraschall dreimal so viele Karzinome entdeckt, die zudem nur halb so groß waren. Wie auch aus anderen Studien bekannt, sind die beiden kontrastmittelgestützten Verfahren sensitiver, während die ABUS-Untersuchungstechnik relativ ungünstig abschneidet. Daraus wird abgeleitet, dass ergänzende Bildgebung zu früherer Entdeckung von Mammakarzinomen führen kann, wenngleich das Ausmaß von Überdiagnostik nicht abzuschätzen ist. Bei beiden Methoden unter Einsatz von Kontrastmitteln traten Paravasate auf (Injektionsflüssigkeit, die nicht in das Gefäß gelangt, sondern in das umgebende Gewebe ausfällt; Anm. d. Red.). Durch die Applikation des Röntgenkontrastmittels kam es bei 24 Frauen zu allergoiden Reaktionen, in einem Fall offensichtlich schwerwiegend.“
„Diese Studie ist interessant, es bleiben aber – wie die Autoren unter Shortcomings auch angeben – viele Fragen offen. Es ist beispielsweise zu beachten, dass die geprüften zusätzlichen Untersuchungstechniken zum ersten Mal eingesetzt wurden (Prävalenzeffekt). Es fehlen Daten zu Intervallkarzinomen oder einem Stadienshift bei den entdeckten Mammakarzinomen als sogenannter Surrogatparameter für einen Effekt auf die brustkrebsbedingte Sterblichkeit. Mit der in Deutschland üblichen Versorgung von Frauen ist der in dieser Studie verfolgte Ansatz nicht direkt zu vergleichen: In Deutschland werden – wie in den meisten europäischen Staaten – Frauen alle zwei Jahre zum Screening eingeladen. In Großbritannien erfolgt die systematische Brustkrebsfrüherkennung durch Screening alle drei Jahre; dementsprechend sind zum Screening-Zeitpunkt wie auch im Intervall mehr Karzinomdiagnosen zu erwarten. Die im Screening in England untersuchten Frauen weisen ein unterschiedliches Lebenszeitrisiko auf; insbesondere werden offensichtlich auch Frauen mit einer Hochrisiko-Situation (Lebenszeitrisiko über 30 Prozent – siehe Tabelle A3) im normalen Screening untersucht.“
Situation in Deutschland
„In Deutschland gibt es stattdessen zwei unterschiedliche Brustkrebs-Früherkennungsprogramme für Frauen, die von den Krankenkassen erstattet beziehungsweise übernommen werden: Im Rahmen der sogenannten intensivierten Früherkennung haben Frauen mit zuvor genannter Hochrisiko-Situation in Deutschland an den universitären ‚Zentren für familiären Brust- und Eierstockkrebs (FRBEK)‘ grundsätzlich Anspruch auf die kontrastmittelgestützte MRT-Untersuchung als anerkannte primäre Bildgebung, gegebenenfalls ergänzt durch Ultraschall und digitale Mammographie. Das deutsche Mammographie-Screening-Programm wurde etabliert für Frauen ohne Symptome zwischen 50 und 75 Jahren als systematisches und populationsbasiertes System. Die Mammographie ist derzeit die einzige evidenzbasierte Methode zur systematischen Brustkrebs-Früherkennung mit nachgewiesenem Effekt auf die Brustkrebs-Sterblichkeit, die nach randomisierten Studien um mehr als 20 Prozent gesenkt wird.“
„Frauen mit tumorverdächtigen Symptomen im Bereich der Brust haben zudem Anspruch auf eine sogenannte kurative beziehungsweise klinische Mammographie durch Überweisung ihrer Frauenärztin beziehungsweise ihres Frauenarztes. Trotzdem wird derzeit – aus meiner Sicht auch unbedingt notwendig – in Deutschland über die Versorgung von Frauen mit hoher Brustdichte diskutiert. Bei uneindeutiger wissenschaftliche Datenlage wird dazu auch in internationalen Leitlinien keine Festlegung zu additiven Verfahren getroffen. Da es für die Messung der Brustdichte keinen Goldstandard gibt und sie auch nur eingeschränkt reproduzierbar ist, wird die Brustdichte im deutschen Screening-Programm nicht mitgeteilt. Zudem ist wissenschaftlich noch nicht entschieden, welches die Mammographie ersetzende oder zur Mammographie additives Verfahren (wie in der aktuellen Studie aus Großbritannien) eingesetzt werden sollte.“
Diskutierte Untersuchungen
„In Deutschland werden meines Erachtens derzeit drei Szenarien diskutiert. Erstens: Ersatz des derzeitigen Standards der 2D-Mammographie durch die Fortentwicklung der Mammographie-Technik zur digitalen Brust-Tomosynthese (DBT). Zweitens: Additiver Einsatz von Ultraschall. Und drittens: Additive kontrastmittelgestützte MRT. Die kontrastmittelgestützte Röntgen-Mammographie wird in Deutschland bisher weniger in die Diskussion einbezogen, obwohl sie zum Beispiel für Frauen mit Platzangst oder Frauen mit Herzschrittmacher eine Alternative zur MRT sein kann. Die mitgeteilten unerwünschten Ereignisse durch Röntgenkontrastmittel in der vorliegenden Studie sind in diesem Zusammenhang ein Argument gegen einen systematischen Einsatz dieser Methode.“
MRT versus Ultraschall
„Unter ,herkömmlichem Ultraschall‘ versteht man in Deutschland die ärztliche Untersuchung, deren Qualität und Ergebnis vom Untersucher abhängt. In der aktuellen Studie aus Großbritannien wurde die Untersuchung anstatt mit ,handgeführtem‘ Ultraschall mit einem Scan-System durchgeführt, das dreidimensionale Daten liefert. Da die Untersuchung mit diesem System von Frauen teilweise als nicht angenehm empfunden wird (,Gefühl, wie wenn ein Teigroller über meine Brust läuft‘) und auch die komplette Abbildung der Brust einschließlich des oberen äußeren Abschnitts (,axillärer Ausläufer‘) schwierig ist, hat sich diese Technik hierzulande bisher nicht durchgesetzt. Eindeutig ist, dass die MRT als sensitivste Untersuchungsmethode zu den meisten Krebsbefunden führt. Gleichzeitig ist diese Untersuchungsmethode aber auch unspezifisch und führt zu vielen falsch-positiven Befunden – das führt zu erheblich mehr Verunsicherung der Frauen und deutlich mehr Folgeuntersuchungen beziehungsweise Biopsien.“
Ausblick
„Aus meiner Sicht muss spätestens mit der geplanten Alterserweiterung nach unten (Screening in Deutschland für Frauen ab 45 Jahren) auch methodisch eine Modifikation auf der Basis wissenschaftlicher Daten erfolgen – die drei zuvor genannten Szenarien werden diskutiert. Deutschland sollte sich hier an die Spitze setzen.“
„Eine MR-Mammographie ist meiner Meinung allenfalls für die Gruppe der Frauen mit sehr dichter Brust (nur Parenchymdichte D) denk- und umsetzbar – das sind weniger als zehn Prozent aller Frauen im deutschen Screening-Programm. Diese Technik erfordert aber die Bestimmung der Nierenfunktionsparameter, Applikation des Kontrastmittels – und etliche Frauen wollen auch diese Untersuchung ,in der Röhre‘ nicht. Wesentliche Ergebnisse dazu stammen aus dem sogenannten DENSE-Trial in den Niederlanden: Nur 59 Prozent der Frauen entschieden sich bei dem ersten Angebot für die zusätzliche Untersuchung. Es gibt eine erhöhte Rückrufrate zur Abklärung von 9,5 Prozent (5-fach höher). Es gibt eine deutlich erhöhte Biopsierate von 6,9 Prozent (7-fach höher), ebenso eine Falsch-Positivrate von 79,8 pro 1000 Erstrunden (einen Rückgang auf 26,3 pro 1000 in der Folgerunde). Die Niederlande haben sich bisher auch nicht für die Einführung dieser Technik entschieden. Der Einsatz neuer Untersuchungsverfahren in Deutschland muss aus meiner Sicht wissenschaftlich begründet und evidenzbasiert erfolgen sowie gleichzeitig die Kosten und die Machbarkeit berücksichtigen. Trotzdem sollten wir im Sinne der Frauen aufgrund aktueller Forschungsergebnisse auch in Deutschland das Mammographie-Screening-Programm weiterentwickeln.“
Direktorin der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Uniklinik RWTH Aachen
Problematik bei dichtem Brustgewebe
„Diese Studie hat untersucht, welches Früherkennungs-Verfahren man Frauen empfehlen sollte, die in der Mammographie dichtes Drüsengewebe aufweisen. Es ist gut bekannt, dass dichtes Drüsengewebe die Leistungsfähigkeit der Mammographie ganz erheblich einschränkt. Das bedeutet, dass bei Frauen mit dichtem Drüsengewebe die Mammographie zur Früherkennung nicht ausreicht. Ursächlich ist, dass sich dichtes Drüsengewebe auf einer Mammographie ebenso weiß darstellt wie Tumorgewebe. Das Drüsengewebe verdeckt also den Tumor. Zudem erhöht eine dichtere Brust das Brustkrebsrisiko. Es schmerzt also gleich doppelt, dass die Mammographie bei Frauen mit dichter Brust quasi blind ist. Dichtes Drüsengewebe ist nicht etwa selten, sondern besteht bei der Hälfte der Frauen, die zur Brustkrebs-Früherkennung kommen.“
Studieninhalt
„Für diese Studie wurde eine Gruppe von Frauen mit dichtem Drüsengewebe eingeschlossen, die an der normalen Früherkennungs-Mammographie teilgenommen haben und bei denen die Mammographie unauffällig war, also einen normalen Befund gezeigt hat. Dann hat man diesen Frauen nach dem Zufallsprinzip entweder eine Ultraschall-Untersuchung der Brust, eine Kontrastmittel-Mammographie oder eine fokussierte MRT der Brust angeboten.“
Aussagekraft der Mammographie
„Mit der Mammographie können wir nachweislich die Brustkrebssterblichkeit etwas senken. Das haben schon Studien in den 1970er-Jahren gezeigt. Damals hatte man nichts anderes als die Mammographie. Allerdings ist trotz fünf Jahrzehnten Früherkennung mittels Mammographie (Mammographie-Screening) Brustkrebs unverändert die Krebs-Todesursache Nummer eins bei Frauen – am grundsätzlichen Problem hat sich also wenig geändert. Die Mammographie ist in den vergangenen 50 Jahren technisch weiterentwickelt worden – aber auch die neuesten technischen Entwicklungen wie die 3D-Mammographie (digitale Tomosynthese) sind offenkundig insbesondere bei Frauen mit dichter Brust nicht ausreichend leistungsfähig. Das hat für viele Frauen gravierende Folgen.“
„Grundsätzlich: Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs – es gibt viele verschiedene Subtypen, die sich im Hinblick auf ihre prognostische Bedeutung (also ihre ,Gefährlichkeit‘) erheblich unterscheiden – ganz ähnlich wie beim Prostata-Karzinom. Es gibt Vorstufen von Brustkrebs (DCIS) und selten auch invasive Karzinome, die sich zeitlebens nicht zu einer bedrohlichen Erkrankung weiterentwickeln würden. Und auf der anderen Seite des Spektrums gibt es Karzinome, die schnell wachsen, früh metastasieren und damit Frauen viele Lebensjahre kosten. Für eine gescheite Früherkennung ist es wichtig, absolut sicher insbesondere solche Brustkrebs-Erkrankungen früh zu finden, die biologisch aggressiv sind, das heißt, die unerkannt und damit unbehandelt metastasieren und damit zu einer unheilbaren Erkrankung werden würden.“
„Aus den veröffentlichten Statistiken der Mammographie-Screening-Programme wissen wir, wie gut die Mammographie diese Aufgabe bewältigt:
Erstens: Von zehn Frauen, die sich einer Früherkennungs-Mammographie unterziehen und zum Untersuchungszeitpunkt Brustkrebs haben, wird dieser bei vier dieser zehn Frauen entweder gar nicht gefunden – oder eben nicht früh genug. Das ist schon mal nicht besonders zufriedenstellend. Dann zweitens: Aus den zuvor genannten Gründen sollte die Früherkennung gerade der biologisch aggressiven, früh metastasierenden Karzinome sichergestellt sein. Genau das leistet die Mammographie aber gerade nicht – vielmehr finden sich unter den mammographisch erkennbaren Brustkrebs-Erkrankungen viele der relativ weniger bedrohlichen Erkrankungen. Die Mammographie findet also nur in etwa die Hälfte der Brustkrebs-Erkrankungen – und dann auch noch sozusagen gerade nicht die ,richtige‘ Hälfte. Das bedeutet zusammenfassend: Der Erfolg der Mammographie ist nicht gleich null, aber die Mammographie ist definitiv nicht so erfolgreich in der Brustkrebs-Früherkennung, wie es wünschenswert wäre.“
Ergänzende Untersuchungen
„Schon seit vielen Jahren wird systematisch wissenschaftlich untersucht, welche Untersuchungsmethoden wir Frauen mit dichter Brust anstelle der oder zusätzlich zur Mammographie anbieten sollen. Aus diesen Studien ist bereits klar ersichtlich, dass die MRT für die Früherkennung vorzugsweise zu empfehlen ist, weil sie deutlich treffsicherer ist als der Ultraschall. Die aktuelle Studie bestätigt das noch einmal auch für die sogenannte fokussierte MRT. Die fokussierte MRT ist eine für das Screening konzipierte spezielle Version der Brust-MRT, die mit einer extrem kurzen Untersuchungszeit auskommt – typischerweise dauert die Aufnahme nicht länger als zwei bis fünf Minuten und ist damit für die meisten Frauen tolerabel.“
„In der vorliegenden Studie wurde neben der fokussierten MRT auch die Kontrastmittel-Mammographie als Früherkennungs-Methode untersucht. Beide, die MRT wie auch die Kontrastmittel-Mammographie, arbeiten mit Kontrastmitteln, die die Blutversorgung von Tumoren abbilden helfen. Dadurch können Tumore auch bei dichtem Drüsengewebe sehr empfindlich nachgewiesen werden. Vor allem aber werden damit genau die schnell wachsenden, metastasierungs-bereiten, prognostisch relevanten Mammakarzinome mit hoher Zuverlässigkeit früh erkannt. Das gilt offenbar für die fokussierte MRT und die Kontrastmittel-Mammographie gleichermaßen.“
Kontrastmittel-MRT versus -Mammographie
„Allerdings ist das Nebenwirkungs-Profil dieser beiden Untersuchungen keinesfalls gleich. Es beginnt schon damit, dass die fokussierte MRT ohne jede Röntgenstrahlung auskommt – während die Kontrastmittel-Mammographie eine Röntgen-Untersuchung mit ionisierender Strahlung darstellt. Zweitens ist das MR-Kontrastmittel sehr viel besser verträglich und nebenwirkungsärmer als das jodhaltige Kontrastmittel, das für die Kontrastmittel-Mammographie eingesetzt wird: Für die Gabe von jodhaltigem Kontrastmittel muss der Schilddrüsen-Stoffwechsel beachtet werden, da ansonsten schwere Nebenwirkungen drohen. Jodhaltiges Kontrastmittel – nicht dagegen das MR-Kontrastmittel – sind nierenschädlich und dürfen daher bei Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion nicht verabreicht werden. Schließlich unterscheidet sich auch die Menge des zu verabreichenden Volumens erheblich: Die MRT kommt mit fünf bis sechs Milliliter aus – das ist ein kleiner Teelöffel voll. Für die Kontrastmittel-Mammographie ist die Injektion einer 20-fach höheren Menge jodhaltigen Kontrastmittels erforderlich. Und schließlich: Für die Kontrastmittelmammographie, nicht aber für die fokussierte MRT, muss die Brust sehr stark komprimiert (zusammengedrückt) werden, was für viele Frauen außerordentlich unangenehm ist. Also Kurzum: Die MRT ist hier im Vorteil. Und das wissen wir auch bereits durch einige Studien.“
„Bei Frauen mit sehr hohem Brustkrebs-Erkrankungsrisiko, also zum Beispiel Frauen mit Brustkrebs-Erkrankten in der Familie (mit ,erblichem Brustkrebs‘), ist es schon seit 25 Jahren üblich, konsequent die MRT zur Früherkennung anzubieten. Nun zeigen diese neuen, wie auch schon 2019 und 2020 veröffentlichte Daten, dass es erforderlich wäre, auch Frauen mit ,normalem‘ Brustkrebs-Erkrankungsrisiko – also Frauen ohne besondere familiäre Belastung – diese Untersuchung anzubieten, sofern sie dichtes Drüsengewebe haben [1] [2]. Und zwar nicht als ergänzende Untersuchung zusätzlich zur Mammographie, sondern anstelle der Mammographie.“
Einfluss auf die Sterblichkeit
„Wir wissen durch eine Vielzahl großer Studien, dass die Mammographie viele Karzinome nicht diagnostiziert. Ein Teil dieser Karzinome wird dann zum sogenannten Intervallkarzinom. Das bedeutet: Die bleiben durch die Mammographie unentdeckt, wachsen (und metastasieren) munter vor sich hin und werden in den Monaten oder Jahren nach einer Früherkennungs-Mammographie zum Beispiel als Tastbefunde auffällig. Seit der DENSE-Studie wie auch diverser früherer Studien wissen wir, dass wir mit der MRT die Rate sogenannter Intervallkarzinome drastisch, konkret sogar auf null, senken können. Intervallkarzinom-Raten sind ein gut etablierter ,Surrogatmarker‘ für die Brustkrebs-Sterblichkeit, also die Mortalität. Anhand der Intervallkarzinom-Rate kann man den Erfolg einer Früherkennungsmaßnahme auf die Brustkrebs-Sterblichkeit sehr präzise vorhersagen. Auf der Basis dieser Informationen kann man festhalten, dass wir bereits Evidenz dafür haben, dass der Einsatz der MRT nachweislich die Brustkrebs-Sterblichkeit drastisch senkt.“
Vergleich mit deutscher Leitlinie
„In der deutschen Leitlinie steht davon nichts. Dass hier weiterhin auf die Sonographie als ergänzende Untersuchung gesetzt wird, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage. Wissenschaftliche Daten und die Empfehlungen der europäischen Fachgesellschaft für Brustbildgebung (EUSOBI) zur Früherkennung von Frauen mit dichter Brust werden nicht zur Kenntnis genommen. Frauen, die am Mammographie-Screening teilnehmen, werden über ihre Brustdichte ja weiterhin nicht einmal informiert. Damit wird ihnen aber jede Möglichkeit genommen, sich selbst um eine verbesserte Früherkennung zu kümmern. Das entspricht aus meiner Sicht angesichts des aktuellen klinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstandes einer mittelbaren Körperverletzung.“
„Eine dichte Brust besteht bei etwa der Hälfte der Früherkennungs-Teilnehmer. Davon wiederum haben die meisten mitteldichte, nur ein kleinerer Teil eine extrem dichte Brust – das sind nur etwa sechs bis acht Prozent der Frauen. Diese kleine Gruppe benötigt eindeutig eine MRT zur Früherkennung. Die weit größere Gruppe der Frauen mit mitteldichter und weniger dichter Brust umfasst viele Millionen anspruchsberechtigte Frauen. Es ist nicht das Ziel, allen diesen Frauen eine MRT anzubieten. Vielmehr ist es Ziel, Prädiktoren zu finden, die uns sagen, ob die betreffende Frau innerhalb der nächsten zwei bis fünf Jahre einen mittels Mammographie nicht diagnostizierbaren Brustkrebs entwickelt. Es ist faszinierend, dass das mittels künstlicher Intelligenz möglich ist: KI-basierte Analysen der Drüsengewebs-Textur der Mammographie erlauben es, uns vorher zu sagen, welche Frau in den nächsten zwei bis fünf Jahren eine andere als eine mammographische Früherkennung (konkret: eine MRT) benötigt. Die erste Studie zu dieser Vorgehensweise ist im vergangenen Jahr in ,Nature Medicine‘ erschienen und war außerordentlich erfolgreich [3].“
„Dies, also risiko-adaptierte Früherkennung, personalisiert, also abgestimmt auf das persönliche Erkrankungsrisiko und auf die individuell unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Mammographie, mit systematischer MRT für die, die sie wirklich brauchen – das ist die Zukunft.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich leitet das Referenzzentrum Mammographie Münster und die zugehörige Referenz-Screening-Einheit. Ich erhalte Honorare für Vorträge des Referenzzentrums Mammographie Münster; vor Beginn der Tosyma-Studie wurden kostenlose Schulungsfälle von allen Herstellern für die Befunderschulung im Referenzzentrum Mammographie Münster erhalten.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Primärquelle
Gilbert FJ et al. (2025): Comparison of supplemental breast cancer imaging techniques—interim results from the BRAID randomised controlled trial. The Lancet. DOI: 10.1016/S0140-6736(25)00803-7.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Bakker MF et al. (2019): Supplemental MRI Screening for Women with Extremely Dense Breast Tissue. The New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa190398.
[2] Comstock CE et al. (2020): Comparison of Abbreviated Breast MRI vs Digital Breast Tomosynthesis for Breast Cancer Detection Among Women With Dense Breasts Undergoing Screening. Jama. DOI: 10.1001/jama.2020.0572.
[3] Salim M et al. (2024): AI-based selection of individuals for supplemental MRI in population-based breast cancer screening: the randomized ScreenTrustMRI trial. Nature Medicine. DOI: 10.1038/s41591-024-03093-5.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Leitlinienprogramm Onkologie (2021): Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. S3-Leitlinie.
Prof. Dr. Matthias Beckmann
Direktor der Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Walter Heindel
Senior-Professor, Klinik für Radiologie, Universitätsklinikum Münster, und Leiter des Referenzzentrums Mammographie Münster
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich leitet das Referenzzentrum Mammographie Münster und die zugehörige Referenz-Screening-Einheit. Ich erhalte Honorare für Vorträge des Referenzzentrums Mammographie Münster; vor Beginn der Tosyma-Studie wurden kostenlose Schulungsfälle von allen Herstellern für die Befunderschulung im Referenzzentrum Mammographie Münster erhalten.“
Prof. Dr. Christiane Kuhl
Direktorin der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Uniklinik RWTH Aachen
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“