Breit wirksamer Antikörper gegen HIV gefunden
Kölner Forschende identifizieren potenten HIV-Antikörper aus internationalen Blutproben von HIV-Infizierten
Antikörper könnte in Zukunft Behandlung und Prävention von HIV erweitern
Forschende bestätigen das hohe theoretische Potenzial des Antikörpers, der nun in klinischen Studien untersucht werden muss
Forschende der Uniklinik Köln haben einen breit wirksamen monoklonalen Antikörper (mAB) in internationalen Blutproben gegen das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) gefunden. Dieser sei in der Lage in Laborexperimenten verschiedenste HIV-Varianten zu neutralisieren und habe das Potenzial, präventiv gegeben, eine HIV-Infektion zu verhindern. Die Studienergebnisse sind im Fachjournal „Nature Immunology“ erschienen (siehe Primärquelle).
Das Forschungsteam um Florian Klein untersuchte Blutseren von 32 sogenannten HIV-Elite-Neutralisierern aus verschiedenen Ländern. Dabei handelt es sich um HIV-infizierte Personen, die eine besonders starke und breit wirksame Antikörperantwort entwickeln können. Aus deren Blut extrahierten sie 831 verschiedene, monoklonale Antikörper und testeten diese im Laborexperiment auf ihre Fähigkeit, verschiedenste Varianten von HI-Pseudoviren zu neutralisieren.
Oberarzt und Leiter der Infektiologie, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, TUM Klinikum
Zur Methodik der Studie
„In der Studie wurden HIV-spezifische Antikörper auf die Wirksamkeit gegenüber verschiedenen HIV-Subtypen untersucht. Die antikörperproduzierenden B-Zellen stammen hierbei von sogenannten ‚Elite-Controllern‘, das sind Menschen, die eine HIV-Infektion auch ohne antivirale Therapie kontrollieren können. Das ist insofern von hoher klinischer Relevanz, als davon auszugehen ist, dass ‚Elite-Controller‘ so wirksame HIV-spezifische Antikörper bilden, dass sie mit einer antiviralen Substanz vergleichbar wirksam sind. Dies wird in der Studie bestätigt, weil die Neutralisationskapazität, also die antivirale Wirksamkeit, des untersuchten Antikörpers mit deutlich über 90 Prozent sehr hoch ist. Damit eignet er sich theoretisch zur Prävention und Therapie einer HIV-Infektion.“
Relevanz der Ergebnisse
„Bei der Arbeit handelt es sich um in vitro Labordaten, sodass die Wirksamkeit nicht direkt in das echte Leben (in vivo) übertragen werden kann. Im Grunde ist die Studie mit der Identifikation des Antikörpers die Grundlage für jetzt notwendige Studien zur Dosisfindung, Verträglichkeit und Wirksamkeit des Antikörpers. Das heißt auch, selbst wenn die ersten Ergebnisse vielversprechend sind, dass noch ein langer Weg zur potenziellen klinischen Nutzbarkeit liegt.“
Mögliche therapeutische Einsatzgebiete
„Sofern sich die in vitro-Daten in vivo im Tiermodell oder Menschen bestätigen, könnte der Antikörper sowohl für die Prävention sowie für die Therapie der HIV-Infektion von Relevanz sein. Hierbei müsste er eine mit der Präexpositionsprophylaxe oder Therapie vergleichbare Wirksamkeit (Wirkung über 95 bis 99 Prozent) bieten und pharmakologisch so modifiziert werden, dass die Applikation in einem vertretbaren Intervall – zum Beispiel alle drei bis sechs Monate – möglich wäre. Aus diesem Grund sind jetzt weitere Entwicklungsschritte und Studien erforderlich, nachdem den Kollegen ein wichtiger und unverzichtbarer erster Schritt gelungen ist: Der Identifikation des breit neutralisierenden Antikörpers.“
Leiterin Forschungsgruppe am Institut für Medizinische Virologie, Universität Zürich
„Das Team um Florian Klein hat mit dem Antikörper 04_A06 einen äußerst potenten Antikörper entdeckt, der eine breite Neutralisationswirkung gegen HIV-1 hat. Unter Breite eines neutralisierenden Antikörpers versteht man die Fähigkeit verschiedenste Subtypen und Varianten von HIV-1 zu hemmen. Der Antikörper 04_A06 wurde gegen 337 HIV-1-Varianten getestet und konnte mehr als 95 Prozent von diesen hemmen. Darunter waren auch Viren, die resistent sind gegen Antikörper, die wie 04_A06 an jene Region des HIV-1-Hüllproteins binden, die das Virus benötigt, um an seinen Zellrezeptor CD4 zu binden und Wirtszellen zu infizieren.“
Mögliche therapeutische Einsatzgebiete
„Es wurden bereits einige breit neutralisierende Antikörper beschrieben, die gegen diese sogenannte CD4 binding site am HIV-1-Hüllprotein gerichtet sind. 04_A06 ist definitiv ein außerordentlich potenter Vertreter dieser Gruppe und hat deswegen großes Potenzial für einen therapeutischen Einsatz. Sowohl für die Anwendung in der Prävention als auch therapeutisch. Zum Beispiel im Kontext von Ansätzen, die HIV-1 tatsächlich heilen sollen, müssen neutralisierende Antikörper gleichzeitig breit wirksam und hoch potent sein (eine vollständige Heilung bedeutet das Reservoir-bildende Virus vollständig aus dem Körper zu entfernen, was bisher nur in Einzelfällen im Rahmen von Stammzelltransplantationen gelungen ist; Anm. d. Red.). 04_A06 erfüllt diese Vorgaben auf das Beste.“
Relevanz der Ergebnisse
„Das Team um Florian Klein charakterisiert in dieser Studie den Antikörper 04_A06 im Detail und zeigt seinen Wirkmechanismus in Strukturanalysen auf. Theoretisch erreicht 04_A06 allein eine Wirksamkeit, die sonst nur in Antikörperkombinationen erreicht wird. Trotzdem lässt sich jetzt noch nicht vorhersagen, ob der Antikörper sich auch im klinischen Einsatz bewähren wird. Die Vorzeichen sind auf jeden Fall vielversprechend.“
„Ich habe Zuwendungen (auch mittelbar an den Arbeitgeber) im Rahmen von Forschungsvorhaben, Honorare für Vorträge für Beratungen und/oder Vorträge und/oder Reisekostenunterstützung von AbbVie, Apeiron, Astra Zeneca, Bavarian Nordic, BBraun Melsungen, BioNtech, Cepheid, CSL Sequirus, Eli Lilly, Formycon, Gilead Sciences, Glaxos Smith Kline, Janssen-Cilag, Merck Sharp & Dohme, Molecular Partners, Pfizer, Roche, Synairgen, Swedish Orphan Biovitrum und ViiV Healthcare erhalten.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Primärquelle
Gieselmann L et al. (2025): Profiling of HIV-1 elite neutralizer cohort reveals a CD4bs bnAb for HIV-1 prevention and therapy. Nature Immunology. DOI: 10.1038/s41590-025-02286-5.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Science Media Center (2024): Halbjährige HIV-Prophylaxe mit Lenacapavir auch in zweiter Phase-3-Studie wirksam. Press Briefing. Stand: 27.11.2024.
[II] Julg B et al. (2022): Safety and antiviral activity of triple combination broadly neutralizing monoclonal antibody therapy against HIV-1: a phase 1 clinical trial. Nature Medicine. DOI: 10.1038/s41591-022-01815-1.
Prof. Dr. Christoph Spinner
Oberarzt und Leiter der Infektiologie, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, TUM Klinikum
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe Zuwendungen (auch mittelbar an den Arbeitgeber) im Rahmen von Forschungsvorhaben, Honorare für Vorträge für Beratungen und/oder Vorträge und/oder Reisekostenunterstützung von AbbVie, Apeiron, Astra Zeneca, Bavarian Nordic, BBraun Melsungen, BioNtech, Cepheid, CSL Sequirus, Eli Lilly, Formycon, Gilead Sciences, Glaxos Smith Kline, Janssen-Cilag, Merck Sharp & Dohme, Molecular Partners, Pfizer, Roche, Synairgen, Swedish Orphan Biovitrum und ViiV Healthcare erhalten.“
Prof. Dr. Alexandra Trkola
Leiterin Forschungsgruppe am Institut für Medizinische Virologie, Universität Zürich
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“