Auswirkungen möglicher US-Zölle auf Medizinprodukte
US-Präsident Trump hat Zölle auf Medizinprodukte angekündigt
Deutschland ist in diesem Bereich ein wichtiger Exporteur
Forschende fürchten hohe Preise und instabile globale Lieferketten
US-Präsident Donald Trump hat Zölle auf pharmazeutische und medizinische Produkte in nicht „allzu ferner Zukunft“ in Aussicht gestellt. „Wir stellen unsere eigenen Medikamente nicht mehr her. Die Pharmakonzerne sitzen in Irland und an vielen anderen Orten, in China“, sagte Trump im Weißen Haus bei einem Treffen mit El Salvadors Präsidenten Nayib Bukele. Alles, was er tun müsse, um die Produktion in die USA zu verlagern, sei es, Importzölle zu verhängen.
Professor für internationale Beziehungen, Hochschule für Politik an der Technischen Universität München und TUM School of Management
Betroffene Medizinprodukte
„Genau genommen wissen wir noch nicht, welche Produkte im Detail betroffen sein werden. Auf jeden Fall werden von der US-Regierung Medikamente sowie medizinische Geräte und Instrumente als ,Medizinprodukte‘ eingestuft, aber es können wohl auch alle anderen Produkte darunterfallen, die für die Gesundheitsversorgung der US-Bürger wichtig sind. Diese ,Medizinprodukte‘ sind zunächst einmal von den neuen US-Einfuhrzöllen ausgenommen, sollen aber jetzt einer intensiven Prüfung unterzogen werden, um eventuelle Abhängigkeiten des US-Gesundheitssystems von ausländischen Herstellern oder Zulieferern zu identifizieren.“
„Für alle Produkte, für die die Trump-Regierung dann zu dem Schluss kommt, dass eine hohe Import-Quote die Unabhängigkeit der USA gefährdet, sollen derart hohe Zölle verlangt werden, dass die USA mittelfristig alle diese Dinge im eigenen Land herstellen, weil die Importe aufgrund der Zölle einfach zu teuer werden.“
„Wie umfangreich die Importe in einer Produktsparte sein müssen, um nach Trumps Meinung die Unabhängigkeit der USA zu gefährden, hat er uns noch nicht verraten. Es wird aber erwartet, dass davon ein Großteil der Medizinprodukte auf dem US-amerikanischen Markt betroffen sein werden, denn viele Medizinprodukte haben sehr multinationale Lieferketten.“
Auswirkungen auf globale Lieferketten
„Man muss damit rechnen, dass die Außenwirtschaftspolitik der USA unter Trump auch in der pharmazeutischen Industrie und in der Medizinprodukt-Branche die Weltwirtschaft ziemlich durcheinanderwirbeln wird. Das wird auch erhebliche Nebeneffekte jenseits des transatlantischen Handels haben.“
„Eine in den letzten Jahren rapide wichtige werdende Quelle von US-Importen von Medizinprodukten ist China. Chinesische Produkte will Trump ja mithilfe von Zöllen praktisch völlig aus dem US-Markt herausdrängen. Daher muss man damit rechnen, dass chinesische Hersteller jetzt dringend in anderen Teilen der Welt nach Absatzmärkten suchen werden, eventuell mithilfe von durch die chinesische Regierung staatlich subventionierten Preisen. Der massive Preisanstieg im amerikanischen Markt würde dann vorübergehend zu einem Preisverfall in anderen Märkten führen. Es ist natürlich kurzfristig vorteilhaft, wenn man für ein Produkt weniger bezahlen muss. Das würde aber den fairen Wettbewerb auf den Märkten in aller Welt gefährden – auch in Europa und in Deutschland.“
Auswirkungen auf Deutschland
„In den letzten Jahren haben die USA aus Deutschland Arzneimittel im Wert von mindestens 15 bis 20 Milliarden Euro pro Jahr sowie medizinische Instrumente im Wert von drei bis vier Milliarden importiert; dazu kommen andere medizinische Produkte im Wert von mindestens zwei weiteren Milliarden. Deutschland ist somit seit Jahren für die USA das zweit- oder drittwichtigste Ursprungsland von dem, was jetzt als Medizinprodukte bezeichnet wird. Da geht es nahezu um die gesamte Palette von verschreibungspflichtigen und nicht-verschreibungspflichtigen Medikamenten sowie vergleichsweise einfachen Produkten wie chirurgischen Instrumenten bis zu raffiniertester Hochtechnologie für die medizinische Diagnose und Behandlung.“
„Fast alle diese Produkte müssen schon lange verzollt werden, aber bisher waren die Zölle viele Jahre lang zumeist nur noch minimal. Stabile Zölle von durchschnittlich zwei bis drei Prozent sind immer noch ein Kostenfaktor, aber für die allermeisten Produkte kein erhebliches Handelshemmnis. Jetzt steht die Drohung im Raum, den amerikanischen Wirtschaftsraum durch immens hohe Zölle weitgehend vom Rest der Welt abschotten zu wollen.“
Auswirkungen auf die USA
„Kurzfristig ist eine Abschottung eigentlich nicht möglich, denn es geht ja keineswegs nur um fertige Produkte, sondern auch um Rohstoffe und Zwischenprodukte, die von amerikanischen Herstellern für ,Made-in-USA‘-Produkte benötigt werden. Nach glaubwürdigen Schätzungen importiert die amerikanische pharmazeutische Industrie etwa 70 Prozent ihrer Inputs. Diese mit US-Produkten zu ersetzen, ist kurzfristig gar nicht möglich, und auch mittelfristig wird das die Kosten empfindlich in die Höhe treiben.“
„Der Schaden, der aufgrund der Zollpolitik der USA für die USA und den Rest der Welt zu erwarten ist, geht aber weit über die Preise hinaus. Die USA waren bisher ein äußerst berechenbarer Partner – auch beim Handel mit Medizinprodukten einschließlich der Pharmazeutika, von denen der Rest der Welt eine große Menge in den USA einkauft. Viele Länder haben im internationalen Finanzwesen, bei Internet und Telekommunikation, sowie bei der internationalen Sicherheit einen hohen Grad der Abhängigkeit von den USA in Kauf genommen. Dies galt auch für Medikamente und andere medizinische Produkte, wobei wir beim Zugang zu Medizinprodukten seit der COVID-Pandemie wahrscheinlich alle besonders sensibilisiert sind.“
„Man hat eine hohe Abhängigkeit von den USA in Kauf genommen, weil es eine gegenseitige Abhängig gab (nicht ausgeglichen, aber beidseitig), und weil die USA sich über Jahrzehnte den Ruf erworben hatten, solche Abhängigkeiten nicht auszunutzen – zumindest nicht befreundeten Staaten gegenüber. Trumps Zollpolitik zerstört dieses Vertrauen und diese Berechenbarkeit. Eine USA, die sich völlig unabhängig macht, selbst von den eigenen Verbündeten, ist eine wirtschaftliche und politische Gefahr für alle, die von amerikanischen Herstellern oder vom Zugang zu den Märkten der USA abhängig sind.“
Projektleiterin der Forschungsstelle Pharmastandort Deutschland, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
Betroffene Medizinprodukte
„US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, zeitnah Zölle auf die Einfuhr von Pharmazeutika zu erheben. Auch wenn noch nicht klar ist, in welcher Höhe diese erhoben werden und inwiefern US-Zölle jede einzelne Einfuhr pharmazeutischer Bestandteile im Produktionsprozess betreffen würden: Einfuhrzölle auf Arzneimittel können die Patientenversorgung und den Wirtschaftsstandort gefährden – und das nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch in den USA.“
„Die deutsche und die US-amerikanische Pharmaindustrie sind eng miteinander verbunden. In der Entwicklung neuer Therapeutika arbeiten Forscherinnen und Forscher aus Deutschland und den USA zusammen, etwa in der RNA- oder Krebsforschung. Fast ein Viertel der pharmazeutischen Exporte Deutschlands gingen im Jahr 2024 in die USA (rund 27 Milliarden Euro), 17 Prozent der importierten pharmazeutischen Erzeugnisse kamen aus den USA (über 12 Milliarden Euro). Die Vereinigten Staaten sind damit nach der EU der wichtigste Handelspartner der hiesigen Branche. Pharmazeutische Lieferketten sind komplex und global aufgestellt. Häufig werden Arzneimittel an verschiedenen Standorten über mehrere Schritte hergestellt. Bis zu ihrer tatsächlichen Marktfähigkeit werden diese zwischen europäischen und US-amerikanischen Produktionsstandorten hin- und hergeschickt.“
Vorleistungen für Medizinprodukte
„Auch wenn Arzneimittel aktuell noch nicht von Einfuhrzöllen in den USA betroffen sind, gilt dies aber nicht für ihre Vorprodukte. Im Jahr 2022 importierte die USA für ihre pharmazeutische Produktion Vorleistungen im Wert von 21 Milliarden Euro aus der EU, hiervon fast drei Milliarden aus Deutschland. Für die deutsche Produktion pharmazeutischer Erzeugnisse wurden Vorleistungen aus den USA in Höhe von 1,3 Milliarden Euro importiert, die EU bezog für die Pharmaherstellung Vorleistungen im Wert von knapp 14 Milliarden Euro aus den Vereinigten Staaten. Schon allein der Zolleingriff in die Einfuhr benötigter Vorprodukte kann Handelsströme und Wertschöpfungsketten beeinflussen. Werden nun zudem Einfuhrzölle auf Arzneimittel eingeführt, verstärkt dies die Gefahr einer Entkoppelung der Forschungs- und Produktionsstandorte und erhöht damit den Schaden, den Deutschland und die USA nehmen können.“
Preise und Verfügbarkeit von Arzneien
„US-Zölle gefährden deutsche Arzneimittelexporte auf ihrem wichtigsten Absatzmarkt außerhalb der EU und setzen den Pharmastandort Deutschland unter Druck. Aber auch auf dem US-amerikanischen Markt kann es zu negativen Auswirkungen kommen. Die Arzneimittelpreise in den USA können steigen, wenn nicht gar die Verfügbarkeit von Medikamenten für US-amerikanische Patientinnen und Patienten sinkt. Denn auch die mit den Einfuhrzöllen verfolgte Zielsetzung Trumps, die heimische Arzneimittelherstellung durch Produktionsverlagerungen aus dem Ausland in die USA zu stärken, ist über diesen Weg weder mit Gewissheit zu erreichen noch ohne weiteres umsetzbar. Denn Produktionsverlagerungen dauern mehrere Jahre, und der Aufbau neuer Produktionsanlagen ist teuer. Zudem ist gerade der Aufbau zusätzlicher Produktionsstätten für Generika, die rund 90 Prozent der verschriebenen Arzneimittel in den USA ausmachen und häufig in China hergestellt werden, aufgrund der hohen Herstellungskosten in den USA wenig realistisch.“
Maßnahmen der EU
„Gegenzölle der EU würden hingegen Arzneimittelproduktionen in Deutschland verteuern, wenn diese Vorprodukte aus den USA beziehen. Unternehmen können aber steigende Produktionskosten aufgrund der hierzulande staatlich regulierten Preise verschreibungspflichtiger Arzneimittel nicht weitergeben. Die Kombination aus Kostensteigerungen in der Produktion und festgeschriebenen Preisen würde folglich die Wirtschaftlichkeit insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen bedrohen, die häufig keinen Produktionsstandort in den USA vorweisen können, um überhaupt die Möglichkeit einer Produktionsverlagerung in Betracht ziehen zu können. Dies gilt auch für Unternehmen, die in bereits unter erheblichem Preisdruck stehenden generischen Produktionen tätig sind. Die Gefahr besteht, dass sich Produzenten aus der Herstellung dieser Medikamente zurückziehen.“
Fazit
„Sowohl mit Blick auf die Patientenversorgung als auch auf eine starke Pharmaforschung und -produktion ist daher eine Eindämmung des Zollkonflikts und der Abbau von Handelshemmnissen für beide Seiten die bessere Lösung. Gleichzeitig wird es vor dem Hintergrund einer sich verändernden Weltordnung für Deutschland und Europa umso wichtiger, gute Rahmenbedingungen für pharmazeutische Forschung und Produktion zu bieten, um die hiesige Pharmaindustrie international wettbewerbsfähig aufzustellen.“
Professor für Daten- und Lieferkettenanalyse, Hochschule Worms, University of Applied Sciences
Bestehende Zölle
„Schon unter der Biden-Administration wurden im Jahr 2024 die Zölle für ausgewählte Medizinprodukte wie Spritzen und Nadeln (von 0 auf 50 Prozent) und ausgewählte Schutzprodukte (von 7,5 auf 25 Prozent) erhöht. Ziel war es bereits damals, die heimische Produktion in als kritisch eingeschätzten Lieferketten für Medizinprodukte strategisch zu stärken.“
Mögliche Zölle auf Arzneien
„Die Einführung signifikanter Zölle auf Arzneimittelimporte in die USA würde jedoch eine ganz andere Dimension darstellen. Bislang sahen internationale, auch von den USA ratifizierte Handelsabkommen vor, lebenswichtige Arzneimittel zollfrei zu stellen, um einen möglichst breiten Zugang zur Versorgung sicherzustellen. Dementsprechend fallen die durchschnittlichen Zollsätze für Arzneimittel vergleichsweise gering aus: Nach Angaben des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) beträgt der durchschnittliche Zollsatz in der EU 1,5 Prozent, in China 4,5 Prozent, während die USA mit 0,9 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt aller Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation liegen, der bei 4,8 Prozent liegt.“
Globale Auswirkungen
„Die Auswirkungen von US-amerikanischen Importzöllen auf die europäische und insbesondere die deutsche Pharmaindustrie wären beträchtlich. Laut Daten der europäischen Statistikbehörde wurden im Jahr 2023 Arznei- und Pharmaprodukte im Wert von 92 Milliarden Euro in die USA exportiert. In Deutschland entfallen laut dem VFA rund 23 Prozent der Pharmaexporte auf den US-amerikanischen Markt. Modellrechnungen zeigen, dass je nach Höhe der Zölle hohe zweistellige prozentuale Rückgänge im Exportvolumen drohen. Berücksichtigt man weiter, dass zahlreiche europäische Pharmaunternehmen 40 Prozent und mehr ihres Umsatzes in den USA erzielen, wird das potenzielle finanzielle Ausmaß deutlich.“
„Und Pharmaunternehmen können auf Zölle – selbst, wenn sie es wollten – kaum kurzfristig reagieren. Der Aufbau neuer Produktionsstandorte dauert bis zu fünf Jahre, und der angekündigte Abbau regulatorischer Anforderungen in den USA dürfte dies nicht grundlegend ändern.“
„In Europa produzieren rund 1090 Standorte Arzneimittel und Wirkstoffe für die USA, darunter 167 in Deutschland. Ein nicht zu vernachlässigender Teil dieser Standorte gehört US-Konzernen, die von dort auch die USA mit Medikamenten beliefern. In vielen Fällen verfügen die USA – wie übrigens auch Europa – zudem gar nicht über ausreichende eigene Produktionskapazitäten, etwa im Bereich der Antibiotika.“
Auswirkungen auf die USA
„Unsere Modellrechnungen legen nahe, dass auch die Auswirkungen auf das US-amerikanische Gesundheitswesen beträchtlich sein könnten. Hohe Zölle und die damit verbundenen Kosten könnten in Einschränkungen bei der Verfügbarkeit resultieren – und das in einer Zeit, in der die USA, ebenso wie beispielsweise Deutschland, bereits unter Arzneimittel-Lieferengpässen leiden.“
„Gerade bei margenschwachen, aber für die Patientenversorgung sehr wichtigen Medikamenten oder deren Wirkstoffen könnte eine Belieferung wirtschaftlich nicht mehr tragfähig sein, wenn die Zollerhöhungen vollständig vom Importeur getragen werden müssen. Und aus Sicht des US-amerikanischen Gesundheitswesens erscheint auch die Alternative wenig positiv: Eine Weitergabe der Zollkosten dürfte zu signifikant steigenden Arzneimittelpreisen führen.“
Mögliche Gegenmaßnahmen der EU
„Weitgehender Konsens ist, dass Zölle auf Arzneimittel und potenzielle Gegenreaktionen darauf keine großen Gewinner hervorbringen werden. Schon jetzt dürfte die hohe Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung Unternehmen dazu veranlassen, wichtige Investitionen aufzuschieben. Zölle drohen, über Jahrzehnte gewachsene und kurzfristig nicht veränderbare Lieferkettenstrukturen und Synergien mit Forschungsstandorten zu gefährden. Für Patientinnen und Patienten könnten daraus höhere Preise bis hin zu Einschränkungen bei der Verfügbarkeit entstehen. Signifikante Einbrüche der Gewinne durch Zölle könnten zudem die Refinanzierung der Forschungs- und Entwicklungskosten von Arzneimitteln einschränken. Und die USA wären sehr anfällig für Gegenreaktionen: Die Hälfte der größten 20 Pharmaunternehmen der Welt sind in den USA ansässig, auch wenn ein Handelskrieg um Medikamente aus ethischen Gründen grundsätzlich abzulehnen ist.“
Leiter des Projektbereichs Globale Gesundheitsökonomie, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel
Bedeutung von Importen
„Die Zollpolitik der US-amerikanischen Regierung von Donald Trump ist nur schwer zu prognostizieren. Sie beruht nicht auf rationalen Überlegungen zum Wohle der Menschen in den USA, sondern auf der naiven und falschen Vorstellung, dass der internationale Handel ein Nullsummenspiel ist und dass die USA gewinnen, wenn sie Importe aus anderen Ländern verringern. In Wahrheit können Importe nicht nur Kosten im importierenden Land senken helfen, sondern auch die Auswahlmöglichkeiten der Konsumenten erheblich erweitern. Im Gesundheitswesen heißt dies, dass internationaler Handel unter anderem durch eine stärkere Ausnutzung steigender Skalenerträge in Forschung, Entwicklung und Produktion lebensrettender Medikamente viel mehr von diesen Medikamenten verfügbar macht. Das ermöglicht im Prinzip in allen Ländern schwer erkrankten Menschen größere Überlebenschancen und im Falle chronischer Erkrankungen eine bessere Lebensqualität.“
Mögliche Zölle auf Arzneien
„Medikamente waren zunächst ausgenommen von Donald Trumps kürzlich eingeführten, angeblich ,reziproken‘ Zöllen in Höhe von pauschal zehn Prozent auf Importe aus EU-Ländern und aus den meisten anderen Ländern (mit Ausnahme Chinas, dessen Exporte in die USA aktuell mit einem Satz von 145 Prozent verzollt werden). Nicht-pharmazeutische Medizintechnik dagegen war nicht ausgenommen. Für diese Medizinprodukte, bei denen deutsche Unternehmen sehr innovativ und exportstark aufgestellt sind, wird seitens der USA bereits der zehnprozentige Basiszoll auf Importe aus der EU erhoben.“
„Für Medikamente hat die amerikanische Regierung jetzt eine Untersuchung der Importe angekündigt, die eine 21-tägige Frist für öffentliche Kommentare Betroffener eröffnet und letztlich darauf abzielt, die Einführung von Sonderzöllen auf pharmazeutische Importe in die USA mit einer Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit zu begründen. Im Gespräch sind Sonderzölle auf Medikamente in Höhe von 10 bis 25 Prozent beziehungsweise so hoch, dass das Ziel der amerikanischen Regierung erreicht wird, pharmazeutische Unternehmen zur Verlagerung erheblicher Produktionsanteile in die USA zu bewegen.“
Globale Auswirkungen
„Dies wird weltweite Auswirkungen haben, vor allem aber in den USA. Dabei muss man unterscheiden zwischen kurz- und langfristigen Auswirkungen sowie zwischen zwei Gruppen von Medikamenten: innovativen patentgeschützten Marken-Medikamenten, die neben den USA vor allem in der EU hergestellt werden, und den sogenannten Nachahmer-Medikamenten beziehungsweise Generika mit abgelaufenem Patentschutz, die überwiegend in Indien und China hergestellt und von dort in die ganze Welt exportiert werden.“
„Bei Marken-Medikamenten gewährt der Patentschutz den Anbietern oft erhebliche Preissetzungsmacht, wie es die ökonomische Monopoltheorie vorhersagt. Somit ist es denkbar, dass die Zölle zu einem großen Teil zunächst von den Anbietern absorbiert, also nicht eins zu eins auf die Preise aufgeschlagen werden, um bestehende Lieferverträge mit privaten Krankenversicherungen oder Medicare und Medicaid in den USA zunächst weiter zu erfüllen. Allerdings könnten die bereits heute oft erheblichen privaten Zuzahlungen amerikanischer Patient*innen für diese Medikamente steigen, je nachdem wie deren Verträge mit ihren privaten Krankenversicherungen im Detail gestaltet sind.“
„Generikahersteller dagegen haben oft nur sehr geringe Margen und müssen die Zölle daher eins zu eins weitergeben oder werden längerfristige Lieferverträge, in denen die Preise festgelegt sind, vielleicht nicht mehr oder nicht mehr vollständig bedienen. Dadurch werden sich Lieferengpässe, von denen in den USA zurzeit bereits circa 270 Medikamente akut betroffen sind, wahrscheinlich verschärfen. Auf dem europäischen Markt dagegen könnte die Umleitung von Generika-Exporten aus Indien und China, die bislang in die USA gingen, bestehende Lieferengpässe möglicherwiese entschärfen.“
Verlagerung von Produktionsstandorten
„Kurzfristig wird die US-Regierung ihr Ziel, erhebliche Produktionsanteile in die USA zu verlagern, kaum erreichen. Dazu sind die etablierten Produktionsabläufe und die internationale Arbeitsteilung in diesem Sektor zu komplex. Sollte die Produktionsverlagerung aber mittel- und langfristig passieren, könnte ein Großteil aus der EU in die USA erfolgen. Das könnte den Produktionsstandort EU im Bereich Pharmaka erheblich schwächen. Zurzeit wird circa die Hälfte aller patentgeschützten Marken-Medikamente in den USA hergestellt und rund 35 Prozent in der EU. Der Weltmarkt für Generika dagegen wird von Indien und China dominiert, hier spielen heute weder die USA noch die EU eine nennenswerte Rolle. Rein ökonomisch betrachtet wäre eine Produktionsverlagerung von Generika in die USA oder in die EU kaum sinnvoll, dazu sind die Kostenvorteile in Indien und China zu groß.“
„Sollte die US-amerikanische Regierung ihre merkantilistische ,America first‘-Politik mit hohen Zöllen auf Medikamente tatsächlich durchsetzen, würde das die komplexen globalen Lieferketten schwer beschädigen, die seit der Einführung des Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS) im Rahmen der Welthandelsverträge im Jahr 1995 entstanden sind. In diesen sind auch die Hersteller von Marken-Medikamenten in den USA und der EU oft auf Zulieferer aus anderen Teilen der Welt, unter anderem auch aus Indien und China angewiesen – zum Beispiel bei aktiven Wirk- oder Zusatzstoffen für Medikamente. Die Beschädigung globaler Lieferketten würde die Kosten der Produktion für alle Pharma-Anbieter erhöhen und die Anreize für die Entwicklung neuer Medikamente deutlich schwächen.“
Mögliche Gegenmaßnahmen der EU
„Dazu würde auch die Fragmentierung globaler Märkte für Medikamente beitragen, die die US-amerikanische Regierung offenbar beabsichtigt und die sich weiter verschärfen würde, wenn die EU mit Gegenzöllen reagieren würde. Die Europäer stecken in einem Dilemma. Die Mitgliedsländer der EU verfolgen das Ziel, allen in der EU lebenden Menschen gleichen Zugang zu einer leistungsfähigen modernen Medizin zu ermöglichen und haben dazu solidarisch finanzierte Gesundheitssysteme geschaffen, die unter anderem auch den Großteil der Kosten für Medikamente tragen. Schon deshalb sollte die EU von Gegenzöllen auf Medikamente Abstand nehmen, die ja die Kosten für ihre eigenen Gesundheitssysteme nur weiter erhöhen würden.“
Ausblick
„Möglicherweise kann es in den USA noch ein Umdenken geben, wenn die dort jetzt begonnene öffentliche Debatte der Regierung verdeutlicht, dass die Amerikaner*innen selbst voraussichtlich den größten Schaden durch Einführung von Sonderzöllen auf Medikamenten-Importe haben werden: Steigende private Zuzahlungen für Medikamente könnten insbesondere zig Millionen chronisch Erkrankte hart treffen. Lieferengpässe und Ausfälle bei Generika betreffen vor allem Menschen, die auf Injektionen angewiesen sind und/oder stationär behandelt werden. Mittel- und langfristig können steigende Ausgaben für Medikamente auch erhebliche Erhöhungen der Prämien und Zuzahlungen zur Folge haben, die private Krankenversicherungen verlangen. Zudem könnten steigende Ausgaben nicht zuletzt auch die staatlichen Programme der Gesundheitsversorgung alter Menschen (Medicare) und armer Menschen (Medicaid) finanziell destabilisieren. Letzteres würde unter anderem Familien mit Kindern in den USA hart treffen. Eine Schwächung der Anreize zur Entwicklung neuer Medikamente, die die von der US-amerikanischen Regierung angedrohten Sonderzölle bewirken können, würde langfristig in den USA und weltweit eine wichtige Quelle von Wohlfahrtsgewinnen und Wirtschaftswachstum schwer beschädigen.“
„Keine Interessenkonflikte.“
„Ich stehe in keinem Interessenkonflikt.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Statistisches Bundesamt (14.04.2025): 24 % der deutschen Pharma-Exporte 2024 gingen in die USA. Pressemitteilung.
[II] EU-Kommission (15.04.2025): US-Zölle: Aussetzung der EU-Gegenmaßnahmen tritt in Kraft. Pressemitteilung.
Prof. Dr. Tim Büthe
Professor für internationale Beziehungen, Hochschule für Politik an der Technischen Universität München und TUM School of Management
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Keine Interessenkonflikte.“
Dr. Jasmina Kirchhoff
Projektleiterin der Forschungsstelle Pharmastandort Deutschland, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich stehe in keinem Interessenkonflikt.“
Prof. Dr. David Francas
Professor für Daten- und Lieferkettenanalyse, Hochschule Worms, University of Applied Sciences
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Dr. Michael Stolpe
Leiter des Projektbereichs Globale Gesundheitsökonomie, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel