Asthmamedikamente in der Schwangerschaft und Geburtsausgang
Wenn schwangere Frauen Medikamente gegen Asthma einnehmen, scheint das offenbar in einem Zusammenhang mit dem Ausgang der Geburt ihres Kindes zu stehen – so sollen sie beispielsweise früher geboren werden als die von Müttern ohne Asthmamedikation. Das ist zumindest das Ergebnis einer Beobachtungsstudie von britischen Forschern, die am 09.12.2020 im Fachmagazin „PLOS ONE“ veröffentlicht wurde (siehe Primärquelle). Die statistische Auswertung ihrer Daten kann allerdings für einzelne Einflussvariablen keinen oder nur einen sehr geringen Effekt nachweisen.
Oberarzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie, Universitätsfrauenklinik Ulm
„Eine Stärke der Studie liegt in den relativ hohen Fallzahlen. Wie bei vielen Registerstudien orientiert sich die Klassifikation der Medikation an den Verordnungen. Ob die Schwangeren die Präparate in den relevanten Zeiträumen tatsächlich zuverlässig eingesetzt haben, ist unklar. Betrachtet man die Konfidenzintervalle der adjustierten Odds Ratio (Maßzahl, die etwas über die Stärke eines Zusammenhangs von zwei Merkmalen aussagt; Anm. d. Red.), so schließen sie bei den meisten Vergleichen den Wert 1 ein, das heißt, hoch signifikante Zusammenhänge sind kaum zu erkennen.“
„Bei moderaten Dosen erreichen die neueren inhalativen Präparate nur geringe Wirkstoffspiegel in der Blutbahn. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen inhalativ angewandten neueren Betamimetika beziehungsweise Kortikoiden (Wirkstoffe in Asthmamedikamenten; Anm. d. Red.) und Komplikationen wie Frühgeburtlichkeit oder Wachstumsretardierungen (Wachstumsverzögerung, das sich zum Beispiel durch geringes Geburtsgewicht darstellt; Anm. d. Red.) ist unwahrscheinlich. Eine andere Wirkstoffgruppe, β2-Sympathomimetika, agieren aufgrund ihres Wirkungsmechanismus an der Gebärmuttermuskulatur als Wehenhemmer. Ein kausaler Zusammenhang mit Frühgeburten ist daher nicht anzunehmen.“
„Wachstumsretardierungen und Frühgeburtlichkeit drohen vor allem bei schlecht eingestelltem Asthma bronchiale.“
„Die vorliegenden Resultate erfordern keine grundlegenden Veränderungen der Therapieempfehlungen. Das Absetzen der inhalativen Therapie bei bestehendem Asthma führt im Allgemeinen zu schlechteren Ergebnissen hinsichtlich Frühgeburtlichkeit und Wachstumsretardierungen.“
„Die Evaluation der Registerdaten unterstützt den schon weithin praktizierten Verzicht auf orale Kortikosteroide, die sowohl mit frühen Frühgeburten (unter Schwangerschaftswoche 32) als auch mit moderaten Wachstumsretardierungen assoziiert sind.“
„Dass lang wirksame Betamimetika wie Formoterol oder Salmeterol mehr mit Wachstumsretardierungen assoziiert sind als kurz wirksame Betamimetika wie Salbutamol oder Fenoterol mag auch daran liegen, dass die kurz wirksamen Präparate eher bei den leichteren Krankheitsverläufen eingesetzt werden. Andererseits reduzieren die lang wirksamen Präparate die Frühgeburtlichkeit. Für die langfristige kindliche Prognose der kindlichen Entwicklung sind frühe Frühgeburten sicher als gravierendste Beeinträchtigung zu sehen. Unter diesem Aspekt wäre nach der vorliegenden Studie das unbehandelte Asthma als größter Risikofaktor zu betrachten. Das Problem ist die Grunderkrankung, weniger die Medikation.“
„Interessenkonflikte des Autors bestehen nicht.“
Primärquelle
Davies G et al. (2020): Medicines prescribed for asthma, discontinuation and perinatal outcomes, including breastfeeding: A population cohort analysis. PLOS ONE 15(12): e0242489. DOI: 10.1371/journal.pone.0242489.
Dr. Wolfgang Paulus
Oberarzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie, Universitätsfrauenklinik Ulm