Abstimmung über WHO-Pandemieabkommen
kommende Woche wird über das Pandemieabkommen der WHO abgestimmt
nach über dreijährigen Verhandlungen konnte eine Einigung erzielt werden, das Abkommen soll die globale Koordination vor und bei Pandemien stärken
Fachleute sehen Einigung als vielversprechendes Zeichen an, einige Formulierungen seien aber unverbindlich
Die 78. Weltgesundheitsversammlung (WHA), die nächste Woche in Genf stattfinden wird, steht unter dem Motto „One World for Health“. Passend dazu soll über das seit über drei Jahren verhandelte Pandemieabkommen abgestimmt werden. Am 16. April 2025 einigten sich die Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf einen Entwurf [I]. Das Abkommen soll die internationale Kooperation bei der Prävention, Vorbereitung und Reaktion auf einen Pandemiefall stärken. Der Entwurf vom 16. April liegt dem SMC vor.
Professor für globale Gesundheit, Akkon-Hochschule
Erster Eindruck des Abkommensentwurfs
„Vorhersehbar waren die lange und umständliche Präambel und, dass es wenig bis keine Szenarien oder Beispiele für Pandemielagen gibt, anhand derer das Abkommen hätte konkretisiert werden können. Auch fehlt ein eigenes Kapitel dazu, welche Lehren aus der Covid-Pandemie gezogen wurden, aus denen sich die im Abkommen skizzierten Maßnahmen und Aktivitäten ergeben.“
„Überraschend ist, dass es konkrete Pläne für Technologie- und Know-how-Transfer in ärmere Länder (Artikel 11) gibt. Das könnte Interessenkonflikte mit den reicheren Ländern und den forschenden Pharmaunternehmen hervorrufen.“
Inwiefern das Abkommen zukünftiges Pandemiemanagement im Vergleich zur COVID-19-Pandemie verbessert
„Wie das Abkommen das Management zukünftiger Pandemien verbessert, lässt sich leider gar nicht absehen. Die in den Artikeln niedergelegten Vorgehensweisen und Aktivitäten sind sicher hilfreich, aber das Abkommen hat keinen bindenden Charakter – und muss auch erst von den über 60 Mitgliedstaaten ratifiziert werden, um in Kraft zu treten. Eine Stärkung von pandemiespezifischen Einrichtungen der WHO sowie ein gutes Kommunikationskonzept wären zusätzliche hilfreiche Maßnahmen.“
Beurteilung relevanter Punkte in Abkommen
„Das Gesamtkonzept des Pandemieabkommens ist sehr zu begrüßen. Besonders relevant für eine neue Pandemie sind die praktischen Aspekte der Artikel 11 bis 20. Vorhaben zu Forschung und Entwicklung (Artikel 9) beziehen sich eher auf reaktive Forschung nach Feststellung einer Pandemielage. Dabei wäre viel wichtiger, präventiv in Forschung zu investieren und bisher unbekannte Erreger im Tierreservoir und ihre Veränderungen besser zu verstehen, also Zoonosen. Artikel 9 zeigt auch sehr gut, dass die meisten Formulierungen im Abkommen eher vage und weich sind, also recht wenig inhaltlich zur Sache kommen.“
Relevanz des One-Health-Ansatzes
„Der Versuch, den One-Health-Ansatz verbindlich im Abkommen zu verankern (vergleiche Artikel 1, Absatz b), wird im Entwurf nur zaghaft umgesetzt. Aber hier liegt der Kern für einen erfolgreichen präventiven Ansatz: die Ursprünge von pandemischen Erregern besser zu verstehen.“
Verbindlichkeit des Abkommens
„Auf der Weltgesundheitsversammlung WHA könnte der Entwurf noch weiter geschliffen werden, bis kaum noch markante Punkte übrigbleiben. Die Einsicht, dass eine Pandemie nur länderübergreifend und Partikularinteressen hintanstellend bekämpft werden kann, ist schon wieder aus dem Bewusstsein verschwunden. Zu viele andere Krisen haben die während der Pandemie gesammelten Erfahrungen mittlerweile überlagert. Self-Commitment von Regierungen und Unternehmen wäre hilfreich, um das vorliegende Abkommen mit Leben zu füllen.“
Rolle der USA
„Wir wollen hoffen, dass die nächste Pandemie nicht während der zweiten Amtszeit von Donald Trump kommen wird und dass nach Trump wieder Vernunft und Anstand ins Weiße Haus einziehen. Die USA nehmen sich selbst aus dem Spiel: bei Forschung und Entwicklung und bei der supranationalen Organisation zur besseren Pandemievorbereitung. Außerdem bekämpfen sie jeden Multilateralismus. Pandemiebekämpfung kann aber ausschließlich multilateral geschehen. Alleingänge und Abschottung sind nicht hilfreich, wie die letzte Pandemie eindrücklich gezeigt hat.“
Stärkung von Gesundheitssystemen und regionalen Produktionskapazitäten
„Eine kontinuierliche Weiterverfolgung der Strategien der WHO, die Gesundheitssysteme in armen und fragilen Ländern zu stärken, ist die beste Pandemievorsorge – so zum Beispiel das Universal-Health-Coverage-Programm der WHO. Das taucht im Abkommen auf, sollte aber auch unabhängig von Pandemievorbereitungen weiter gestärkt werden.“
Relevanz von Lieferketten
„Lieferketten und ihre Sicherstellung sind offene Fragen, die das Abkommen nicht abschließend behandeln kann (außer mit Appellen). Hier bieten sich europäische Lösungen an, zusätzlich zu einer Diversifizierung von Lieferketten weltweit.“
Gerechte Verteilung finanzieller Ressourcen
„Auch hier bleibt das Abkommen vage. In einer Pandemielage werden die Einwohner/innen reicher Länder bessere Überlebenschancen haben als die in armen.“
Co-Sprecher und Mitglied des Lenkungskreises, Leibniz Lab Pandemic Preparedness, und Leiter des Projektbereichs Globale Gesundheitsökonomie, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel
Erster Eindruck des Abkommensentwurfs
„Am meisten überrascht, dass die internationale Verhandlungskommission sich noch rechtzeitig vor der seit einem Jahr geplanten Unterzeichnung des Abkommens auf der World Health Assembly vom 19. bis 27. Mai 2025 in Genf auf den Haupttext geeinigt hat. Vorhersehbar war seit November letzten Jahres, dass die neue Regierung der USA nach der Ankündigung von Donald Trump, aus der Weltgesundheitsorganisation auszutreten, auch ihre Expert*innen und Delegierten aus den Verhandlungen zum Pandemieabkommen abgezogen hat. Vor diesem Hintergrund ist das Zustandekommen des Abkommens eine große politische und diplomatische Leistung, ein wichtiges Bekenntnis der internationalen Staatengemeinschaft zum Multilateralismus in der globalen Gesundheitspolitik, den Donald Trump zerstören und durch seine ‚America-first‘-Politik ersetzen will.“
Inwiefern das Abkommen zukünftiges Pandemiemanagement im Vergleich zur COVID-19-Pandemie verbessert
„Der endgültige Text, der auf der World Health Assembly unterzeichnet werden soll, ist bis heute noch nicht veröffentlicht worden. Vieles, was aus früheren Versionen des Textes und aus Kreisen der Verhandlungsdelegationen bekannt ist, zielt darauf ab, Maßnahmen zur Pandemieprävention und -reaktion weltweit zu stärken, unter anderem durch verbesserten Informationsaustausch und beschleunigten Technologietransfer.“
Relevanz des Pathogen Access and Benefit Sharing System (PABS)
„Insbesondere das geplante neuartige System zum Austausch von Erreger-Proben und genetischen Sequenzen (Pathogen Access and Benefit Sharing System, kurz PABS) könnte es forschenden Pharma-Unternehmen erleichtern, im Falle einer neuen Pandemie frühzeitig und passgenau Diagnostika, Therapeutika und hochwirksame Impfstoffe zu entwickeln. Im Gegenzug sollen die teilnehmenden Pharma-Unternehmen ein Zehntel ihrer Impfstoffproduktion der Weltgesundheitsorganisation für Länder des globalen Südens spenden und weitere zehn Prozent zu einem Vorzugspreis anbieten. Eine Beschleunigung der Impfstoffentwicklung soll auf diese Weise mit mehr Verteilungsgerechtigkeit verknüpft werden. Die Details dieses neuartigen Systems sollen allerdings in einem Anhang des Pandemieabkommens geregelt werden, über den es noch keine Einigung gibt. Aufgrund der Komplexität des Themas wird damit gerechnet, dass weitere Verhandlungen dazu noch mindestens ein Jahr in Anspruch nehmen werden, vielleicht auch länger.“
„Das geplante PABS – im noch ungeklärten Anhang – ist entscheidend. Sollte es nicht zustande kommen, würde wohl das gesamte Pandemieabkommen scheitern.“
Verbindlichkeit des Abkommens
„Viele der 35 Artikel im Haupttext sind recht vage formuliert und lassen Raum für unterschiedliche Interpretationen. Das mag dem Zeitdruck geschuldet sein, unter dem es galt, sehr unterschiedliche Interessen und Sichtweisen verschiedener Länder und Ländergruppen unter einen Hut zu bringen. Sollte es in der Umsetzung von Präventionsmaßnahmen oder nach dem Ausbruch einer neuen Pandemie zu Konflikten kommen, hat die Weltgesundheitsorganisation so gut wie keine Möglichkeiten, Verstöße gegen das Pandemieabkommen zu sanktionieren. Die Beteiligung forschender Pharma-Unternehmen am PABS soll zudem von Anfang an freiwillig sein.“
Relevanz des One-Health-Ansatzes
„Ein One-Health-Ansatz ist für eine wirksame Pandemieprävention grundlegend. Nur mit einem One-Health-Ansatz lassen sich relevante Veränderungen in natürlichen Ökosystemen und in der Beziehung des Menschen zu Wild- und Nutztieren verstehen, die das Übertragungsrisiko für Pathogene aus dem Tierreich auf Menschen erhöhen. Um die nächste Pandemie auszulösen, braucht es solche für das menschliche Immunsystem neuartigen Pathogene.“
„In den Verhandlungen zum Pandemieabkommen haben aber offenbar einige Regierungen eine stärkere Berücksichtigung des One-Health-Ansatzes verhindert, die den Ursprung von SARS-CoV-2 nicht im Tierreich, sondern in einem Laborunfall vermuten, der ein experimentell verändertes Virus freigesetzt haben könnte. Die These vom Laborunfall kommt unter anderem solchen Ländern gelegen, die kostspielige Investitionen in den Schutz von Biodiversität und natürlicher Ökosysteme wegen einer expandierenden Landwirtschaft vermeiden wollen. Stattdessen priorisieren sie die Ernährung ihrer Bevölkerung und den Export von Agrar-Rohstoffen.“
Stärkung von Gesundheitssystemen und regionalen Produktionskapazitäten
„Die Stärkung nationaler Gesundheitssysteme gehört seit Gründung der Weltgesundheitsorganisation zu ihren Zielen. Zum Aufbau regionaler Impfstoff-Produktionskapazitäten auf Basis der vielversprechenden – von Biontech in Deutschland und Moderna in den USA entwickelten – mRNA-Technologie haben die Weltgesundheitsorganisation und der Medicines Patent Pool (MPP) bereits im Jahr 2021 ein Programm gestartet, das weiterläuft.“
Relevanz von Lieferketten und Rolle der USA
„Etablierte globale Lieferketten in der forschenden Pharma-Industrie sind allerdings durch die Zollpolitik der neuen US-amerikanischen Regierung akut bedroht. Donald Trump will unter dem Vorwand einer angeblichen Gefährdung der nationalen Sicherheit der USA Sonderzölle auf Pharmaka-Importe einführen, die darauf abzielen, den Produktionsanteil seines Landes deutlich zu erhöhen. Aktuell werden in den USA bereits circa 50 Prozent aller patentgeschützten Pharmaka weltweit produziert, in der Europäischen Union circa 35 Prozent. In Reaktion auf die Zölle könnten neue Produktionskapazitäten vor allem in den USA entstehen. Da die USA sich nicht am globalen Pandemieabkommen beteiligen, muss befürchtet werden, dass sie im Falle einer neuen Pandemie strikte Exportkontrollen für alle relevanten Pharmaka einführen und zum Beispiel den Export wirksamer Impfstoffe erst dann zulassen, wenn der vollständige Schutz ihrer eigenen Bevölkerung gewährleistet ist – ganz im Sinne der ‚America-first‘-Politik. Ohne die USA könnte der Kampf gegen künftige Pandemien sehr schwierig werden.“
Gerechte Verteilung finanzieller Ressourcen
„Komplexe Finanzierungsfragen sind in den Verhandlungen meines Wissens weitgehend ausgeklammert worden. Weder sind größere Finanzierungshilfen zum Beispiel für Präventionsmaßnahmen in Ländern des globalen Südens geplant, noch ist geklärt, wie zum Beispiel ein Sekretariat bei der Weltgesundheitsorganisation finanziert werden könnte, das die Umsetzung des Abkommens koordiniert und überwacht. Zudem soll die Beteiligung forschender Pharma-Unternehmen am geplanten PABS freiwillig sein, sodass überhaupt noch nicht absehbar ist, wie viele Dosen neu entwickelter Impfstoffe diese Unternehmen der Weltgesundheitsorganisation nach Ausbruch der nächsten Pandemie tatsachlich kostenlos beziehungsweise zu einem Vorzugspreis anbieten werden.“
Direktorin des Instituts für Internationale Gesundheit, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Erster Eindruck des Abkommensentwurfs
„Erstmal sollten wir feiern, dass es in diesen Momenten der internationalen Fragmentierung doch möglich war, diese Verhandlungen erfolgreich abzuschließen. Damit ist ein wichtiger Meilenstein zur Verbesserung der internationalen Gesundheitskooperation zwischen den Ländern, die der WHO angehören, erreicht worden. Deshalb sollten wir uns jetzt erstmal freuen, denn es ist ein starkes Bekenntnis zur internationalen Zusammenarbeit, zur globalen Gesundheit und auch zum Mandat der WHO.“
„Wie üblich geht es nach der Verabschiedung solcher eher konzeptionellen Dokumente dann um die Umsetzung, und das ist sicher kein einfacher und schneller Weg – aber wenigstens besteht jetzt eine Übereinstimmung, welche Aspekte von besonderer Bedeutung sind. Der Teufel steckt im Detail.“
Inwiefern das Abkommen zukünftiges Pandemiemanagement im Vergleich zur COVID-19-Pandemie verbessert
„Der Pandemie-Vertrag repräsentiert ein internationales Abkommen, das uns hilft, besser auf die nächste Pandemie vorbereitet zu sein, indem die folgenden Bereiche besser vorbereitet werden können: der Zugang zu Krankheitserregern und Nutzenverteilung, die Diversifizierung globaler Forschungskapazitäten, der Aufbau robuster Lieferketten und Logistiknetzwerke, die Stärkung der Gesundheitssysteme, die Verpflichtung zur Solidarität und Gerechtigkeit und die Einrichtung nationaler Behörden, um internationale Gesundheitsvorschriften umzusetzen.“
Beurteilung relevanter Punkte in Abkommen
„Es ist schwierig, hier bestimmte Punkte rauszupicken, denn es handelt sich bei einer Pandemie-Vorbereitung um ein Ökosystem, aus dem man nicht einfach die persönlich bevorzugten Dinge herausziehen kann – alles, was aufgelistet ist, gehört zu den notwendigen Bestandteilen für ein besseres Funktionieren des Systems im Notfall. Klar ist, dass nicht alle Teile gleichzeitig und im selben Masse umsetzbar sind, denn Länder müssen dafür auch beträchtliche Eigenressourcen aufbringen.“
„Für mich besonders wichtig sind drei Aspekte: Erstens, das Abkommen verpflichtet die WHO, 20 Prozent der weltweit produzierten Impfstoffe, Medikamente und Diagnostika für ärmere Länder zu reservieren. Dies soll sicherstellen, dass Entwicklungsländer im Falle einer Pandemie nicht benachteiligt werden. Zweitens, Länder, die Proben von Krankheitserregern bereitstellen, sollen im Gegenzug bevorzugten Zugang zu daraus entwickelten medizinischen Produkten erhalten. Drittens, die Einrichtung eines globalen Frühwarnsystems ist vorgesehen und betont die Bedeutung transparenter Kommunikation zwischen den Ländern.“
Verbindlichkeit des Abkommens
„Der nächste Schritt ist erstmal die Zustimmung zu diesem allgemeinen Beschluss durch die World Health Assembly in diesem Monat. Anschließend müssen auf Länderebene mindestens 60 Länder dem Vertrag zugestimmt haben. Es ist wichtig, herauszustellen, dass Länder nicht ihre eigene Souveränität verlieren: Entscheidungen über konkrete Maßnahmen wie Lockdowns oder Impfvorschriften werden nach wie vor bei den individuellen Ländern liegen. Zudem stellt fast jeder Satz in dem Text zum Abkommen klar, dass die aufgeführten Maßnahmen in Einklang mit den nationalen Gesetzen ergriffen werden sollen – damit bleibt immer eine Rückzieh-Klausel, aber dies war wohl ein notwendiger Kompromiss.“
Relevanz von Lieferketten
„Der Aufbau robuster Lieferketten und Logistiknetzwerke ist ein ausdrücklicher Bestandteil des Abkommens, um die Versorgung mit medizinischen Produkten während einer Pandemie sicherzustellen. Dort bestanden während der COVID-19-Pandemie viele Engpässe und Länder haben im Wesentlichen erstmal ihre eigenen Schäfchen ins Trockene gebracht. So soll es eben nicht wieder passieren.“
Einbeziehen privatwirtschaftlicher Akteure
„Ohne privatwirtschaftliche Zustimmungen geht es mit Sicherheit nicht, und das war auch lange einer der ‚sticking points‘ für das Abkommen. Dort ist mit Sicherheit nicht alles gelöst und der Einzelfall wird in den Verhandlungen immer eine Rolle spielen. Aber der Druck auf die Industrie ist mit diesem Abkommen sicher verstärkt und Länder haben dann auch ein Mandat, Zustimmungen einzufordern.“
Relevanz des One-Health-Ansatzes
„Viele neue Erreger mit pandemischem Potenzial entwickeln sich aus der Interaktion von Tieren, Menschen und Umwelt – daher ist es ganz natürlich und notwendig, dass das One-Health-Konzept hier genannt ist.“
Stärkung von Gesundheitssystemen und regionalen Produktionskapazitäten
„Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, nationale Behörden zur Umsetzung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR) zu benennen, um eine effektive Koordination und Umsetzung auf nationaler Ebene zu gewährleisten. Zusätzlich ist auch die Stärkung nationaler Gesundheitssysteme ein wichtiger Prozess, der sich aber nicht nur auf Pandemie-Situationen beschränken darf – damit muss jedes Land sofort beginnen oder ihn weiter ausbauen. Denn bei den nationalen Gesundheitssystemen haben wir in allen Geografien Defizite aufzuarbeiten, die durch die Pandemie zum Vorschein gekommen sind und uns alle überall auch noch jetzt beschäftigen.“
Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin
„Die Einigung zum Kerntext des Pandemieabkommens gibt sowohl dem Multilateralismus im Allgemeinen als auch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Besonderen einen dringend benötigten frischen Wind. Die eigentliche Genehmigung des Textes durch die Weltgesundheitsversammlung wird Ende dieses Monats, vom 19. bis 27. Mai 2025, erfolgen. Es ist wichtig zu betonen, dass die Verhandlungen über einen der wichtigsten Bestandteile des Abkommens, einen Anhang zur Einrichtung des Pathogen Access and Benefit-Sharing System (PABS), auf Mai 2026 verschoben wurden.“
Erster Eindruck des Abkommensentwurfs
„Es war zu erwarten, dass mehrere Verpflichtungen aufgeweicht oder verwässert werden würden. So wurden beispielsweise sowohl die Anforderungen an die Transparenz bei der öffentlichen Finanzierung von Forschung und Entwicklung als auch die Verpflichtungen der Staaten zum Technologietransfer milder formuliert als ursprünglich vorgesehen. Gleichzeitig war es überraschend, dass die WHO in einer ihrer Erklärungen ankündigte, dass die endgültige Entscheidung darüber, ob das Pandemieabkommen rechtsverbindlich sein wird oder nicht, auf der nächsten Weltgesundheitsversammlung getroffen wird. Darauf hatten die Delegationen sich zuvor geeinigt, aber irgendwie haben sie die Frage wieder aufgeworfen.“
Inwiefern das Abkommen zukünftiges Pandemiemanagement im Vergleich zur COVID-19-Pandemie verbessert
„Das Abkommen würde mehr Klarheit darüber schaffen, was im Falle einer künftigen Pandemie von wem und wann getan werden muss. So erklärten sich die Delegationen beispielsweise damit einverstanden, dass mindestens zehn Prozent der Echtzeitproduktion pandemiebezogener Produkte, die durch Krankheitserregerproben oder Materialien im Rahmen des PABS-Systems entwickelt wurden, der WHO kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Ebenso wird allgemein anerkannt, dass der Schutz des Gesundheitspersonals für die Reaktion auf künftige Pandemien von entscheidender Bedeutung ist, da es in der Regel die Ersthelfer sein werden. Schließlich ist der One-Health-Ansatz, der den Zusammenhang zwischen der Gesundheit von Mensch und Tier und der Umwelt bei der Pandemieprävention betont, endlich in einem völkerrechtsverbindlichen Instrument verankert.“
Verbindlichkeit des Abkommens
„Nationale Alleingänge werden relevant bleiben, denn das Pandemieabkommen unterstreicht, dass die nationalen Behörden weiterhin das souveräne Recht haben, die Maßnahmen zu wählen, die sie für die Reaktion auf künftige Pandemien für am besten geeignet halten. Das kann auch gar nicht anders sein, denn solche Entscheidungen zum Wohle der Bevölkerung eines Landes werden am besten auf nationaler Ebene getroffen. Ziel des Pandemieabkommens ist es, ein Mindestmaß an Maßnahmen für das Gemeinwohl aller Länder festzulegen, die dem nationalen Ermessen zumindest einige Grenzen setzen.“
„Während des Ratifizierungsprozesses kann es vorkommen, dass einige Staaten nach den Debatten in Parlamenten oder anderen nationalen Organen beschließen, Vorbehalte zu formulieren. Dies ist nach der angenommenen Fassung des Pandemieabkommens zulässig. Wenn dann andere Staaten diese Vorbehalte akzeptieren, bedeutet dies, dass einige Verpflichtungen für einige Länder nicht gelten werden. Dennoch dürfen solche Vorbehalte das Ziel und den Zweck des Abkommens nicht untergraben. Die verhandelnden Staaten können derzeit selbst interpretieren, welche Teile des Abkommens für Vorbehalte infrage kommen und welche nicht.“
„Nachdem das Pandemieabkommen von mindestens 60 Ländern ratifiziert wurde und in Kraft getreten ist, ist der gesamte Text rechtsverbindlich, es sei denn, die Staaten formulieren Vorbehalte, die von anderen akzeptiert werden. Allerdings zeigt die Formulierung, dass einige Verpflichtungen den Staaten einen großen Spielraum lassen, wie sie sie erfüllen werden.“
Einbeziehen privatwirtschaftlicher Akteure
„Die Formulierung ‚in beidseitigem Einverständnis‘ bedeutet, dass die Staaten nicht verpflichtet sind, beispielsweise einen Technologietransfer von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen oder einer anderen Forschungseinrichtung (öffentlich oder privat) zu einem anderen zu verlangen. Dieser Transfer würde nur auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen den beteiligten Parteien stattfinden. In der Regel setzt dies einen Vertrag oder eine Vereinbarung zwischen den Parteien voraus, in der eine Art von Zahlung angeboten wird. Allerdings können Staaten gemäß des Pandemieabkommens einen solchen Technologietransfer fördern, indem sie den Unternehmen, die sich dazu bereit erklären, zusätzliche Vorteile anbieten und so die Kosten für den Empfänger des Technologietransfers ausgleichen.“
Stärkung von Gesundheitssystemen und regionalen Produktionskapazitäten sowie Lieferketten
„Leider ist bisher nicht klar, ob im Rahmen des Pandemieabkommens den Staaten zusätzliche Finanzmittel zur Stärkung ihrer Gesundheitssysteme zur Verfügung gestellt werden, damit sie besser gegen künftige Pandemien gewappnet sind. Dennoch wird das Pandemieabkommen zu einer internationalen Zusammenarbeit, die von der WHO koordiniert wird, bei der Ermittlung von Lücken und der Festlegung von Prioritäten bei der Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion beitragen.“
„Ebenso wird die WHO gemeinsam mit den Staaten ein sogenanntes Global Supply Chain and Logistics Network bauen und betreuen. Die WHO erlegt zwar keine Verpflichtungen zur Regulierung dieser Versorgungsketten auf, kann aber gemeinsam mit den Staaten kritische Bereiche ermitteln, in denen bei künftigen Pandemien die Produktion erhöht werden muss. Darüber hinaus können die Staaten über die Konferenz der Vertragsparteien (Conference ft he Parties) Partnerschaften anreizen, die darauf abzielen, die lokalen Produktionskapazitäten zum Beispiel durch Technologietransfer zu verbessern. Allerdings können diese Partnerschaften auch schon vor der Verabschiedung und dem Inkrafttreten des Pandemieabkommens aufgebaut werden, aber das Abkommen würde dazu beitragen, einen solchen Prozess noch stärker zu formalisieren.“
„Die WHO wird bei diesen zwei Zielen eine Schlüsselrolle spielen, auch wenn ihr derzeitiges Haushaltsdebakel eindeutig negative Auswirkungen auf eine solche Rolle im Rahmen des Pandemieabkommens haben wird.“
Kommissarische Leiterin der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig
„Insgesamt ist das Abkommen aus meiner Sicht ein Erfolg, auch wenn es nicht sehr verbindlich ist.“
Beurteilung relevanter Punkte in Abkommen
„Folgende Dinge halte ich für relevant: Die Zusammenarbeit im Bereich von Surveillance ist sehr wichtig und wird hier zu bereits bestehenden Vereinbarungen noch mal betont. Dies betrifft auch die regelmäßige Überarbeitung bestehender Pandemiepläne, die in Deutschland aktuell dringend notwendig ist und sich nicht verzögern sollte (Artikel 4).“
„Die Forderung nach regulatorischen Institutionen (Artikel 14) ist hochrelevant, auch für Deutschland. Hier als auch in anderen europäischen Ländern sehen wir bereits wieder ein Nachlassen der Unterstützung von Institutionen und Organisationen, die die Vorbereitung auf Pandemien verbessern sollen. Das Abkommen stellt sich dem entgegen und das ist wichtig. Dies betrifft in Deutschland sowohl aufgebaute Forschungsinfrastrukturen aber auch zum Beispiel das Zentrum für Pandemie-Impfstoffe und -Therapeutika (ZEPAI).“
„Artikel 7 fordert zusätzlich sinnvolle Kollaboration und Infrastrukturen für Forschung, die während einer Pandemie genutzt werden können, was wichtig ist.“
„Wichtig ist auch Artikel 10, der eine gerechtere Verteilung von Ressourcen verspricht, die im Falle einer Pandemie gebraucht werden. Dies stellt sich der in der COVID-19-Pandemie sehr ungleichen Verteilung von Impfstoffen und Ressourcen zur Versorgung schwer erkrankter Menschen entgegen.“
„Ich habe keinerlei Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Interessenkonflikte gibt es bei mir nicht.“
“Ich habe keinen Interessenkonflikt.”
„Meine Abteilung bekommt öffentliche Förderung für mehrere öffentlich finanzierte ‚Forschungsinfrastrukturen‘ (DZIF, NUM, MONID, ECDC Frameworkcontracts) und ich selbst bin in Gremien wie der STIKO, die von solchen Instrumenten profitieren würden.“
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] World Health Organization (16.04.2025): WHO Member States conclude negotiations and make significant progress on draft pandemic agreement. Pressemitteilung.
[II] Ellen 't Hoen (16.04.2025): The Pandemic Agreement is here. Blogbeitrag.
Prof. Dr. Timo Ulrichs
Professor für globale Gesundheit, Akkon-Hochschule
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keinerlei Interessenkonflikte.“
Dr. Michael Stolpe
Co-Sprecher und Mitglied des Lenkungskreises, Leibniz Lab Pandemic Preparedness, und Leiter des Projektbereichs Globale Gesundheitsökonomie, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Prof. Dr. Beate Kampmann
Direktorin des Instituts für Internationale Gesundheit, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Interessenkonflikte gibt es bei mir nicht.“
Dr. Pedro Villarreal Lizárraga
Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
“Ich habe keinen Interessenkonflikt.”
Dr. Berit Lange
Kommissarische Leiterin der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Meine Abteilung bekommt öffentliche Förderung für mehrere öffentlich finanzierte ‚Forschungsinfrastrukturen‘ (DZIF, NUM, MONID, ECDC Frameworkcontracts) und ich selbst bin in Gremien wie der STIKO, die von solchen Instrumenten profitieren würden.“