Klimawandel bedroht europäische Bäume und macht Waldumbau schwieriger
Studie: mindestens ein Drittel der Baumarten in Europa könnte zukünftigem Klima zum Opfer fallen
bereits aktuell große Herausforderungen, Waldumbau klimawandelresilient zu planen und umzusetzen
Kritik und Lob von Forschenden, sehen Studie als wichtigen Beitrag zur Debatte um den Waldumbau, in der noch viele Fehlananahmen diskutiert würden
Je nach Region in Europa könnte zwischen einem Drittel und der Hälfte der heute dort wachsenden Baumarten den künftigen Klimabedingungen nicht mehr gewachsen sein. Somit dürfte die Herausforderung, dem drohenden Waldverlust durch geeignete Wiederaufforstung mit heute und auch künftig geeigneten Baumarten entgegenzuwirken, enorm schwierig werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Modellierungsstudie, die soeben im Fachjournal „Nature Ecology & Evolution“ veröffentlicht wurde (siehe Primärquelle).
Abteilung Pflanzenökologie und Ökosystemforschung, Georg-August-Universität Göttingen
„Wie bei allen Modellstudien darf man die in den Karten und Grafiken gezeigten Ergebnisse der Szenarien nicht überbewerten. Aber den generellen Trend der lokalen Extinktion von Baumarten aufgrund der raschen Erwärmung halte ich für gut begründet. Unter den heutigen wenigen Wirtschaftsbaumarten in Mitteleuropa – vor allem Fichte, Kiefer, Buche, Eiche, Douglasie – werden vor allem die Fichte, aber in den trockeneren Tieflandregionen auch regional die Buche und Kiefer an Vitalität verlieren und erhöhte Sterblichkeiten aufweisen. Das dürfte regional in trockeneren Tieflagen auch für den Hoffnungsträger der Forstwirtschaft – die Douglasie – gelten. Die Eichen dürften noch am ehesten mit der Erwärmung zurückkommen. Aber auch hier gibt es erhebliche Risiken, zum Beispiel durch zunehmende Schädlings- und Pestereignisse. Dadurch wird zweifellos die Zahl der infrage kommenden Baumarten abnehmen, mehr in den wärmeren Tieflagen als in den kühleren Berglagen. Von den verschiedenen Emissionsszenarien ist nach heutiger Lage aus meiner Perspektive eher RCP8.5 oder 6.5 realistisch als RCP4.5 oder niedriger. Die Erwärmung wird also so drastisch sein, dass tatsächlich nur wenige Baumarten, die heute gepflanzt werden, eine Umtriebszeit von 60 bis 100 Jahren im Tiefland vital überstehen dürften. In den kühleren Berglagen ist das günstiger. Was die Szenarien gar nicht berücksichtigen, sind mögliche Kalamitäten von Schadorganismen – Insekten, Pilze und so weiter – die immer stärker eingeführt werden und oft durch Hitze begünstigt werden. Gravierende Schäden wie heute bei der Esche, Schwarzerle oder auch Bergahorn können auch andere Arten treffen, die heute noch die Leistungsträger sind.“
„Wenn die Förster von den Mischwäldern der Zukunft sprechen, meinen sie fast immer Zwei-Art-Mischungen, in der Regel eine produktive Konifere – wie die Douglasie – mit einem Laubbaum, zum Beispiel die Buche. Artenreiche Mischwälder, wie sie zum Beispiel von Natur aus in Mitteldeutschland – mit fünf bis acht Arten – vorkommen oder eher vorkamen, sind fast nirgends geplant.“
Konsequenzen für den Waldumbau
„Daraus ergeben sich Folgerungen für die Forstplanung. Mehr Arten im Bestand erhöhen die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) gegen den Klimawandel. Daher sollte man besser auf mehr als zwei Arten pro Bestand setzen. Das muss dann auch heute wirtschaftlich wenig attraktive Baumarten wie Spitzahorn, Hainbuche, Winterlinde und Elsbeere einschließen, die deutlich trockenstresstoleranter als die Hauptbaumarten sind. Diese etwa fünf bis zehn heimischen stresstoleranten Laubbaumarten fehlen in der heutigen Waldbauplanung weitestgehend, weil unsere Holzindustrie komplett auf Nadelholz eingestellt ist. Hier müsste eine wahre Waldwende ansetzten und die stoffliche Holznutzung auf Laubholz umstellen. Die gepflanzten Nadelbäume sind fast alle recht trocken- und hitzestressempfindlich – aber rentabler – und sie werden vermutlich früher ausfallen als die toleranteren Arten unter den heimischen Laubbäumen.“
Leiter Forschungsprogramm Walddynamik Waldwachstum und Klima, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), Birmensdorf, Schweiz
Methodik
„Die Studie nutzt sogenannte Species Distribution Models (SDM) – Artverbreitungsmodelle. Dieser Modellansatz beschreibt statistisch die realisierte klimatische Nische einer Art auf der Grundlage ihrer aktuellen Verbreitung und ermöglicht die Bewertung der Klimaeignung einer Art unter zukünftigen Klimaszenarien, wobei davon ausgegangen wird, dass die Nischenanforderungen einer Art konstant bleiben. Dies ist eine bewährte Methode, um Veränderungen der Verbreitung von Pflanzenarten und Pflanzengesellschaften vorherzusagen.“
„Neu an dieser Arbeit ist nun, dass nicht nur die heutige und die zukünftige Arealeignung für Baumarten bestimmt wurde, sondern dass die Dynamik des Klimawandels mit den langen Umtriebszeiten, wie sie in der Forstwirtschaft üblich sind, in Bezug gesetzt wurde. Deswegen bietet die Studie wichtige Information, welches Artenportfolio für heutige waldbauliche Maßnahmen zur Verfügung steht und welches auch noch zum Ende des Jahrhunderts für einen gegebenen Standort geeignet ist. Meines Wissens ist dies die erste Studie dieser Art und sehr bedeutsam. Zum einen für die größer-skalige Planung in der Forstwirtschaft und zum anderen als Basis für weitere Untersuchungen, die die mögliche Resilienz von Wäldern gegenüber Extremereignissen untersucht – diese Resilienz ist stark von der Mischung einzelner Arten abhängig. Die Ergebnisse sind zwar nicht wirklich überraschend, bieten aber zum ersten Mal eine quantitative Analyse des Bottlenecks, der sich für die Forstwirtschaft ergeben wird.“
„Die Bestandsdatenbasis (ICP Forests und National Forest Inventories) der europäischen Wälder gehört zum Besten, das verfügbar ist und ist sicher eine sehr gute Grundlage für die Modellierung. Es wurden zudem SDM-Ensembles – gewichtete Ergebnisse unterschiedlicher Modellierungsansätze – verwendet, was auch die Modellergebnisse robust macht. Die Autoren diskutieren auch klar die Limitierungen der Methode – aber unter Berücksichtigung dieser Limitierungen ist die Gesamtmethode sehr robust und die Ergebnisse belastbar.“
„Für kleinräumige Planungen von Waldbesitzern ist die Auflösung sicher zu grob, da kleinstandörtliche Bedingungen nicht abgebildet werden. Aber auch hier weisen die Autoren auf den Umwelt-Kontext hin, den sie nicht einbezogen haben. In Zukunft kann man sicher die neuen Analysen und Befunde der aktuellen Studie in kleinstandräumliche Modellierungen einpflegen, wie sie beispielweise in der Schweiz über die TreeApp für die Praxis zur Verfügung gestellt werden. Dies macht auch diese Werkzeuge genauer, da sie die Dynamik des Klimawandels dann besser abbilden können.“
„Es ist sehr begrüßenswert, dass drei unterschiedliche Emissionsszenarien genutzt wurden, da erstens abgebildet werden kann, wie die gesamte Bandbreite der möglichen Veränderungen sein wird und es zweitens deutlich wird, dass eine Verringerung der CO2-Emissionen zu weniger drastischen Einschränkungen führen wird. Dies ist insbesondere wichtig, da dem Wald bei der CO2-Sequestrierung auch in Zukunft eine wichtige Rolle zukommen wird – und, wie die Studie zeigt, Einschränkungen in der Wahl der Arten bestehen werden, die hier ein besonders großes Potenzial haben. Andere Faktoren werden neben dem Klimawandel sicher auch eine Rolle spielen. Sie werden aber vor dem Hintergrund der drastischen Veränderungen von Temperatur und Niederschlag untergeordnet bleiben. Gerade Schadorganismen werden bei der Modellierung der klimatischen Nische auch recht gut abgebildet. Beispiel Borkenkäfer: Hier spielt vor allem die Anzahl der Generationen pro Jahr eine entscheidende Rolle für das Schadpotenzial, und diese ist vor allem von der Temperatur abhängig – und diese ist in der Habitatmodellierung für die Bäume ja inkludiert.“
Konsequenzen für den Waldumbau
„Der Bottleneck-Effekt ist für die Forstpraxis von sehr großer Bedeutung, da Transformationen der Baumartenzusammensetzung ja sehr langfristig geplant werden müssen. Durch die eiszeitliche Historie – zusammen mit der Ost-West-Ausrichtung der Gebirgszüge – ist das aktuelle Baumartenspektrum in Europa klein und auch durch neue Krankheiten – zum Beispiel die Eschenwelke – gibt es weitere Einschränkungen. Die Einteilung in Baumarten mit unterschiedlichen Funktionen aufgrund objektivierbarer Eigenschaften und mit zusätzlichen qualitativen Informationen, wie sie in der Studie gemacht wurde, macht meines Erachtens sehr viel Sinn, um deutlich zu machen, welche spezifischen Probleme die Forstwirtschaft in Zukunft in welchen Gebieten haben wird.“
„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Studie die wissenschaftliche Grundlage legt, die es der Forstwirtschaft, aber auch politischen Entscheidungsträgern ermöglicht, noch besser die nötigen Maßnahmen für eine zukunftssichere Baumartenwahl zu treffen. Die Ergebnisse der Studie sind nicht völlig überraschend, aber sie ist die erste ihrer Art, die wirklich die Dynamik des Klimawandels und die langen Umtriebszeiten in der Forstwirtschaft mit einbezieht und so darstellt, welche Baumarten jetzt und am Ende des Jahrhunderts an einem Standort geeignet sind und bleiben. Dies erlaubt passgenauere Maßnahmen.“
„Die Studie zeigt aber auch, dass wir über nicht-heimische Baumarten reden müssen. Dies wird von den Autoren angesprochen und die Vor- und Nachteile werden auch andiskutiert. Ihr Einsatz könnte das Artenportfolio deutlich erhöhen – aber es muss intensiv abgewogen werden, welche Vor- und welche Nachteile jede neue Baumart mit sich bringt.“
Leiter des Instituts für Waldschutz, Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Quedlinburg
Methodik
„Diese Studie ist solide und mit notwendiger Sorgfalt durchgeführt worden. Das ist bei Nature-Veröffentlichungen leider nicht immer so. Natürlich sind bei einigen Punkten Vereinfachungen notwendig geworden, wie zum Beispiel die Verwendung der Anzahl von assoziierten Schmetterlingsarten als Zeigewert für den Nutzen von Baumarten für die Biodiversität. Das lässt sich bei einer Studie auf einer so übergeordneten Skala nicht vermeiden.“
„Ich würde die Ergebnisse und deren Auslegungen hingegen als eher konservativ einstufen. Die zukünftige Eignung der Baumarten wird in der Studie nur durch die klimatischen Bedingungen ermittelt (‚…species interactions were not considered explicitly here‘) – das kann man sicherlich mit einem großen Fragezeichen versehen. Die vergangenen Jahre haben uns doch mehr als deutlich gezeigt, dass klimatischer Stress in vielen Fällen zu einer verstärkten Anfälligkeit gegenüber biotischen Störungsfaktoren führt. Der Borkenkäfer ist vielleicht das offensichtlichste Beispiel, aber Rußrindenkrankheit beim Ahorn, Eichenprachtkäfer bei der Eiche, oder Komplexkrankheiten bei der Buche belegen dies ebenso, um nur von ‚heimischen‘ Insekten oder Krankheiten zu sprechen. ‚Globaler Wandel‘ bedeutet ja auch, dass neue Arten eingeschleppt werden – zum Beispiel Eschentriebsterben, Eichennetzwanze –, mit oft verheerenden Konsequenzen für bestehende Waldgemeinschaften. Meines Erachtens kann durch diese biotischen Einflüsse die Bandbreite geeigneter Baumarten weiter und deutlich reduziert werden.“
Debatte um den Wald der Zukunft
„Trotzdem erwarte ich von der aktuellen Studie einen positiven Einfluss auf die derzeitigen Debatten um die zukünftige Eignung von Baumarten. Immer noch werden dabei Begriffe wie heimisch oder standortsgerecht verwendet, ohne dabei zu berücksichtigen, dass Arten, die heute heimisch und standortgerecht sind, es in Zukunft nicht unbedingt sein müssen. Die vorliegende Arbeit bietet hierfür eine erste, wenn auch mit Unsicherheiten behaftete, empirische Basis. Es bleibt nun zu hoffen, dass diese Botschaft auch ankommt und in die Debatten einfließt.“
„Es ist schon erstaunlich, dass viele immer noch davon ausgehen, den Wald in seiner jetzigen Form und Zusammenstellung bei sich gleichzeitig rasch und dramatisch veränderten klimatischen Bedingungen erhalten zu können oder zu wollen. Wälder sind dynamische Systeme, die sich verändern müssen (!), um unter veränderten Rahmenbedingungen bestehen zu können. Dazu gehört dann auch eine Umschichtung und eventuell eine Neuzusammenstellung der darin enthaltenen Baumarten. Die Studie zeigt in aller Deutlichkeit, dass einige der für uns heimischen Baumarten es in Zukunft nicht mehr sein werden.“
Professor für Naturschutz, Centre for Econics and Ecosystem Management, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
Methodik
„Die aktuelle Studie hat mich etwas überrascht, da sie methodisch und konzeptionell nicht angemessen die Grenzen der Modellierbarkeit des Klimawandels und der Reaktionen von komplexen Ökosystemen berücksichtigt. Ich dachte, wir wären schon weiter, als einfach solche ‚bioklimatischen Hüllen‘ zur Vorhersage der Verbreitung von Baumarten herzunehmen. Wissenschaftlich kann man das machen, das ist klar. Aber wenn diese Ergebnisse von der Praxis als gesichertes Wissen akzeptiert werden, um Baumpflanzaktionen zu begründen, wird es problematisch.“
„Was sind die methodischen Probleme? Zum einen ist da der Klimawandel, der uns regelmäßig unangenehm überrascht. Damit meine ich nicht nur die aktuellen Temperaturanomalien und die Rekorde seit 2023, die so nicht projiziert worden sind. Vielmehr zeigen Studien, dass bestimmte Folgen der Erwärmung – wie etwa das Ausmaß von Dürren in Europa – schneller voranschreiten als modelliert. Außerdem kann die Kombination von mehreren extremen Witterungen – wie die Verkettung von heißen und außergewöhnlich trockenen Sommern – zu regelrechten ökologischen Kipppunkten führen, wie uns gerade das Forststerben seit 2018 lehrt. Die Mittelwerte und die Zunahme von Temperatur- und Niederschlagsschwankungen, die die Autoren berücksichtigt haben, reichen nicht aus, um die Wirkungen von solchen kombinierten Ereignissen sowie auch von kritischen Extremen zu berücksichtigen. Es spricht einiges dafür, dass das Verschwinden des arktischen Eises und die Abschwächung der atlantischen Meeresströmungen in näherer Zukunft zu noch weitaus heftigeren Achterbahnfahrten des Wetters führen werden. Zu simple Klima- und Baumwuchsvorhersagen bereiten uns nicht gut darauf vor.“
Weitere wichtige Faktoren
„Wirklich problematisch ist auch, dass die Lebens- und Anpassungsfähigkeit von Bäumen beziehungsweise Wäldern lokal und regional ganz erheblich auch von den Böden, dem Mikroklima, der Landnutzung und der Forstwirtschaft abhängen. Die Schädigung von Mikroorganismen, Pilzen und anderen Bodenorganismen durch Klimakrise und Waldnutzung kann für Wälder sehr ungünstige Konsequenzen haben. Das fällt in dieser Studie alles unter den Tisch. In Zukunft werden auch Feuer und biologische Faktoren wie Krankheiten, Schädlinge oder menschliche Reaktionen auf Waldschädigungen das langfristige Funktionieren von Ökosystemen auf sehr ungünstige Entwicklungspfade bringen. Darauf wurde schon vor anderthalb Jahrzehnten hingewiesen – nur, dass wir diese komplexen Wirkungen inzwischen auch erleben können. Umgekehrt gilt auch, dass wir die Gesundheit von Waldökosystemen durch eine Vielzahl von Maßnahmen unterstützen können, die nicht mit der Wahl von zu pflanzenden Baumarten zusammenhängen.“
Mögliche Fehlschlüsse
„Ich fürchte, diese Studie fördert die Unterschätzung sowohl der Klimakrise als auch des ökosystemaren Geschehens mit den vielen Wechselwirkungen. Und sie könnte die Suche nach vermeintlichen Wunderbäumen antreiben. Die forstliche ‚Baumhuberei‘ in Kombination mit einer zu vereinfachenden Sicht auf den Klimawandel kann uns in die Irre führen und sogar zu konkreten Managementfehlern verleiten. Überall in Deutschland werden derzeitig schon Bäume aus aller Welt wegen ihrer vermeintlichen günstigen klimatischen Eignung gepflanzt, während gleichzeitig Böden, Mikro- und Lokalklima sowie der Landschaftswasserhaushalt beschädigt werden. Das führt kurzfristig nicht nur zu ökologischen, sondern auch zu ökonomischen Risiken.“
„Die Autoren diskutieren ihre Ergebnisse am Ende durchaus auch kritisch und kommen zur Schlussfolgerung, dass der Klimawandel die von Wäldern erbrachten Ökosystemleistungen gefährdet und deshalb die Notwendigkeit eines effektiven Klimaschutzes zu betonen sei. Dem ist vollauf zuzustimmen.“
Leiter Institut für Waldökosysteme, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Eberswalde
Methodik
„Die Autoren verwenden für die Studie meines Erachtens Modellierungsmethoden, die State of the Art bei den Artverbreitungsmodellen (Species Distribution Modeling (SDM)) sind, und die umfassende Modellierung des gesamten Portfolios von Baumarten in Europa ist innovativ. Ganz wichtig ist aber, dass wir es nicht mit einer Prognose der Entwicklung zu tun haben, weil Bäume nicht einfach verschwinden oder auftauchen, sondern sich in einem dauernden Konkurrenzprozess gegen die schon vor Ort wachsenden Baumarten befinden. Außerdem müssen sie sich unter den lokal herrschenden Wuchsbedingungen – unter anderem mit lokaler Risiko- und Schadsymptomatik – etablieren. Von daher sind die angewandten Species Distribution Models stark vereinfachte theoretische Betrachtungen, welche die heutigen Verhältnisse zwischen Klima und Vorkommen in die Zukunft projizieren. Zukünftige Anpassungsprozesse der Arten werden nicht betrachtet und Baumartenpotenziale werden überwiegend nach dem heutigen Auftreten beziehungsweise deren Fehlen beurteilt, das aber natürlich stark vom menschlichen Einfluss geprägt wird. Wirtschaftlich weniger interessante Baumarten, die aus ihrem Potenzialgebiet verdrängt wurden, sind so nicht leicht einschätzbar. Dies ist aber kein derzeit lösbares Problem, sodass der Ansatz das derzeit Mögliche darstellt.“
„Die verwendeten Klimaszenarien bilden die Standardszenarien des IPCC ab und sind daher meines Erachtens für die Wälder der Zukunft sinnvoll. Natürlich gibt es neben den Klimafaktoren noch weitere Faktoren für das zukünftige Vorkommen oder Fehlen von Arten. Die von mir unterstützte Annahme ist aber, dass der Klimawandel mit seiner Verschärfung von Extremwitterung und -wetterlagen so prägend ist, dass andere Faktoren zumeist in den Hintergrund treten und dadurch Zusatz- oder Folgefaktoren sind. Schadorganismen befallen zum Beispiel auch meist vorher durch Witterungsextreme geschwächte Bäume – wie bei den Schäden von 2018 bis 2021 und von 2023.“
„Der wichtigste Verdienst des Artikels ist, dass dieser ‚Bottleneck-Effekt‘ mit dieser (theoretischen) Studie untermauert in die wissenschaftliche und gegebenenfalls öffentliche Diskussion eingebracht wird. Damit wird auf die Gefahr hingewiesen, dass uns für ein adaptives Waldmanagement mit Mischbeständen gebietsweise die Arten aus dem heimischen Baumartenportfolio knapp werden könnten. Vielfach wird die Annahme propagiert, dass wir nur auf Basis der natürlichen Waldentwicklung ohne die Nutzung bekannter oder neu betrachteter, (noch) nicht-heimischer Baumarten die Waldanpassung in Europe bewältigen können. Dies ist nun durch die Studie infrage gestellt.“
Konsequenzen für den Waldumbau
„Die genannten methodischen Ansätze auf gesamteuropäischer Ebene bieten keine direkte Basis zur Ableitung von spezifischen Baumarten- oder Mischungsempfehlungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das war auch nicht Ziel der Studie, sondern der Hinweis auf das Risiko bei der Nutzung unseres bisherigen Baumarten-Portfolios. Mischwälder sind und bleiben meines Erachtens der beste Anpassungsansatz. Ich sehe es auch nicht so, dass wir zum Beispiel dort, wo die Buche aus der Eignung zum Ende des Jahrhunderts beziehungsweise bei einem stärkeren Szenario hinausrutscht, wir keine Buchen (in Mischung!) mehr verjüngen oder anpflanzen sollten. Man sollte sich aber klarmachen, dass wir zukünftig zum Beispiel mehr sogenannte Zeitmischungen haben, also über einen Zeitraum von 100 bis 150 Jahren gegebenenfalls mehrere Wechsel von Baumartenbeteiligungen, auch zunehmend heute nicht-heimischer Arten. Das Ganze funktioniert aber nur mit einem adaptiven Waldmanagement, das alle 10 bis 20 Jahre die Änderungen der Rahmenbedingungen prüft und gegebenenfalls eingreift. Mit einer groß angelegten Extensivierung der Waldwirtschaft steht dies aber möglicherweise in Konflikt, was auch diskutiert werden muss.“
Professor am Institut für Terrestrische Ökosysteme, Departement Umweltsystemwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, Schweiz
Methodik
„Die Studie ist sorgfältig gemacht, ihre Ergebnisse sind im Rahmen ihrer Annahmen robust. Die größte Einschränkung ist, dass die Studie auf Artverbreitungsmodellen (SDMs) beruht, die nicht in der Lage sind, die Walddynamik abzubilden. Das heißt, sie geben die Verbreitung der Arten in einem Gleichgewicht mit dem Klima wieder; das Klima ist aber weder heute noch im Lauf des 21. Jahrhunderts in einem Gleichgewicht. Dass SDMs in der Studie auf der Ebene von Jahrzehnten angewendet werden, ist deshalb etwas gewagt, und die effektiv zu erwartenden Effekte dürften auf eine schwer vorhersagbare Weise anders sein als in der Arbeit dargestellt. Beispielsweise ist oft die Verjüngung der entscheidende Faktor für das Vorkommen einer Baumart. Wenn nun das Klima für eine bestimmte Baumart nicht mehr geeignet ist gemäß eines SDM, so heißt das noch lange nicht, dass die vorhandenen adulten Bäume absterben müssten. In diesem Sinn sind die Ergebnisse eher zu pessimistisch, weil sie die Dynamik vernachlässigen.“
„Die Studie bestätigt ganz grundsätzlich, dass der anthropogene Klimawandel zu massiven Veränderungen in der Artengarnitur der europäischen Wälder führen wird. Dies ist bereits durch eine Vielzahl anderer Studien erarbeitet worden. Das heißt, dass diese Aussage robust ist, weil die Wissenschaft trotz der Anwendung unterschiedlichster Methoden immer zu ähnlichen Ergebnissen gekommen ist: Der Klimawandel betrifft den Wald sehr direkt und in einer oft negativen Art und Weise.“
„Die drei verwendeten Klimaszenarien bilden die Bandbreite der möglichen Klimaveränderungen gut ab. Selbstverständlich spielen auch andere Faktoren eine Rolle für den Wald. Schadorganismen beispielsweise werden immer wichtiger – wie bei den Buchdrucker-Massenvermehrungen auf der Fichte in den vergangenen Jahren. Diese werden in der Studie nicht berücksichtigt. Wenn man sie berücksichtigen würde, so würde ein eher negativeres Bild resultieren, das heißt, es gibt Baumarten, die klimatisch zwar heute noch geeignet sind, die man aber trotzdem wegen der Schadorganismen-Problematik an vielen Orten nicht mehr verwenden würde.“
Konsequenzen für den Waldumbau
„Wenn viele heute geeignete Baumarten in den kommenden Jahrzehnten klimatisch nicht mehr geeignet sein werden, während ans neue Klima adaptierte Baumarten noch nicht geeignet sind, so bedeutet dies, dass die Forstwirtschaft mit einem stark reduzierten Satz an Baumarten arbeiten muss. Das schränkt die forstwirtschaftlichen Optionen ein und führt gegebenenfalls zu einer Reduktion der Leistungen des Waldes, die von der Gesellschaft sehr stark nachgefragt werden – zum Beispiel Erholung, aber auch Holzproduktion, Kohlenstoffspeicherung oder im Gebirge der Schutz vor Naturgefahren wie Lawinen und Steinschlag. Außerdem ist unter diesen Umständen entscheidend, dass die klimatisch zur Verfügung stehenden Baumarten auch eine Chance haben, aufzukommen. Aufgrund der vielerorts überhöhten Wildbestände ist das aber bereits heute ein großes Problem, das die Situation zusätzlich verschärfen könnte.“
„Die in der Studie verwendeten Methoden sind in erster Linie geeignet, einen europaweiten Überblick herzustellen, und auf dieser Ebene leisten sie einen sehr guten Beitrag. Ob ihre Robustheit groß genug ist, sodass damit auf regionaler Ebene oder gar auf Ebene eines Forstbetriebs Entscheide zur Baumartenwahl getroffen werden können, würde ich aber eher bezweifeln; dafür sind andere Methoden geeigneter. Was sich aber für die Forstwirtschaft ableiten lässt, ist, dass ein sehr bewusster Umgang mit den heute und zukünftig geeigneten Baumarten nötig ist und dass in Anbetracht der großen Wahrscheinlichkeit eines ‚Flaschenhalses‘ andere, nicht-klimatische Hindernisse für das Aufkommen von Bäumen unter Kontrolle gebracht werden müssen, wie der große Wilddruck.“
„Letztlich unterstreicht der Artikel, dass wir der Reduktion der Treibhausgasemissionen größtes Gewicht geben sollten, damit die im Artikel errechneten Effekte möglichst gering ausfallen. Dann ist eine Waldwirtschaft möglich, welche die Ansprüche der Gesellschaft an den Wald bestmöglich zu befriedigen vermag.“
Professur für Forstliche Biometrie und Systemanalyse, Institut für Waldwachstum und forstliche Informatik, Fachrichtung Forstwissenschaften, Technische Universität Dresden
Methodik
„Artverbreitungsmodelle – Species Distribution Modelle (SDMs) – haben sich etabliert, um den Einfluss von Umweltänderungen auf das potenzielle Vorkommen von Arten in Landschaftsräumen vorherzusagen. Dies ist möglich, weil sich aus der Beobachtung des Auftretens von Organismen und den jeweiligen Umweltbedingungen Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten beziehungsweise Nichtauftreten von Tier- und Pflanzenarten ableiten lassen. Obwohl SDMs nur grobe Abschätzungen erlauben, da sie zum Beispiel Anpassungen der Arten an zukünftige Bedingungen und ihr tatsächliches Migrationsverhalten nicht berücksichtigen, haben sie sich in der Biodiversitätsforschung und als Unterstützung für das Naturschutzmanagement bewährt, da sie wichtige Fragen beantworten können – zum Beispiel, welche Habitate besonders wertvoll für das Überleben von Schlüsselarten sind.“
„Obwohl die Studie SDMs mit ihren üblichen Vereinfachungen verwendet, hat sie einen neuen, überraschenden Aspekt: Sie bewertet die Fitness der Baumarten auch zwischen den sonst üblichen zwei Betrachtungsmomenten Ausgangs- und Endsituation. Dadurch verdeutlicht sie, dass der Verlust vorhandener, aber an die zukünftigen Bedingungen weniger gut angepassten Baumarten nicht einfach durch Anbau oder Förderung zukünftig besser geeigneter Arten ausgeglichen werden kann, da letztere unter den Anfangsbedingungen der Umbauperiode unter Umständen schlecht etablierbar sind. Damit verändert die Studie den bisherigen Blickwinkel und regt die Diskussion an, dass der Waldumbau die Herausforderung meistern muss, in kurzen dynamischen Zeitfenstern zu operieren, damit die Performanz der Baumartenmischungen der Dynamik der Umweltveränderungen ausreichend schnell folgen kann.“
Konsequenzen für den Waldumbau
„Wie alle Modellstudien vereinfacht auch diese die Komplexität des Systems. Neben den Klimaszenarien werden keine anderen Faktoren – Nährstoffverfügbarkeit, Schadorganismen, Extremereignisse und so weiter – berücksichtigt. Dies würde die Unsicherheiten in den Aussagen der Prognose nur weiter erhöhen. Dass keine praktischen Empfehlungen über die Baumarten für die Wiederaufforstung gegeben werden, ist ebenfalls sinnvoll, da es keine generelle Lösung für alle Waldsysteme und spezifischen Situationen gibt. Der Mehrwert der Studie besteht im Hinweis auf einen möglichen Bottleneck-Effekt bei der Klimaanpassung der Wälder, und die Anregung, diesen durch die Synchronisation von Planungshorizont und Geschwindigkeit der Umweltveränderungen zu mildern. Die Studie ist damit ein wichtiger Beitrag für die Theorieentwicklung einer Waldbewirtschaftung unter der Bedingung beschleunigter Umweltveränderungen, für die ein prozessbasiertes Systemverständnis immer wichtiger wird.“
Leiter der Arbeitsgruppe Wald- und Ökosystemresilienz, Forschungsbereich II – Klimafolgen und Anpassung, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam
„Die Studie zeigt eindrücklich, dass die Waldbewirtschaftung vor der großen Herausforderung steht, europäische Wälder an den Klimawandel anzupassen. Die Möglichkeiten der Anpassung mittels Baumartenauswahl werden allerdings auch durch den Klimawandel beschränkt. Selbst wenn die genutzten Baumartenverteilungsmodelle nur einen Teil der Klimafolgen auf Wälder abdecken, sind die Ergebnisse sehr relevant, da bereits Engpässe für die Verfügbarkeit von Baumarten unter den niedrigen bis mittleren Szenarien für die Treibhausgasemissionen gefunden werden und nicht nur unter dem unrealistischeren Hochemissionsszenario RCP8.5. Die Ergebnisse zeigen, dass mehr evidenzbasierte Unterstützung bei der Managementplanung und Baumartenauswahl erforderlich ist.“
„Ich kenne den Letztautor und seine Arbeiten sehr gut, habe aber keine Interessenkonflikte.“
„Keine Interessenkonflikte.“
„Interessenkonflikte sehe ich keine. Ich kenne drei der Co-Autoren persönlich: Dullinger, Rammer und Seidl.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
Wessely J et al. (2024): A climate-induced tree species bottleneck for forest management in Europe. Nature Ecology & Evolution. DOI: 10.1038/s41559-024-02406-8.
Prof. Dr. Christoph Leuschner
Abteilung Pflanzenökologie und Ökosystemforschung, Georg-August-Universität Göttingen
Prof. Dr. Arthur Gessler
Leiter Forschungsprogramm Walddynamik Waldwachstum und Klima, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), Birmensdorf, Schweiz
Prof. Dr. Henrik Hartmann
Leiter des Instituts für Waldschutz, Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Quedlinburg
Prof. Dr. Pierre Ibisch
Professor für Naturschutz, Centre for Econics and Ecosystem Management, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
Prof. Dr. Andreas Bolte
Leiter Institut für Waldökosysteme, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Eberswalde
Prof. Dr. Harald Bugmann
Professor am Institut für Terrestrische Ökosysteme, Departement Umweltsystemwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, Schweiz
Prof. Dr. Uta Berger
Professur für Forstliche Biometrie und Systemanalyse, Institut für Waldwachstum und forstliche Informatik, Fachrichtung Forstwissenschaften, Technische Universität Dresden
Dr. Christopher Reyer
Leiter der Arbeitsgruppe Wald- und Ökosystemresilienz, Forschungsbereich II – Klimafolgen und Anpassung, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam