Energie & Mobilität

24. Januar 2024

Perowskit-Solarzellen: Potenziale und Herausforderungen

Die Forschung an Perowskit-Solarzellen erzielt immer wieder neue Erfolge. Erst im Jahr 2009 entdeckte eine japanische Forschungsgruppe um Tsutomu Miyasaka, dass Materialien, die zur Klasse der Perowskite gehören, gute Halbleiter sind und Strom aus Sonnenlicht erzeugen können [1]. Die ersten Solarzellen erreichten noch einen Wirkungsgrad von 3,8 Prozent – nicht nennenswert in der Landschaft der Solarzellen-Technologien. Seitdem stieg die Effizienz der Perowskit-Solarzellen rasant: Im August 2023 erreichten Forschende bereits einen Wirkungsgrad von 26,1 Prozent [2]. Wegen der schnellen Fortschritte der Perowskite beschäftigen sich mehr und mehr Forschungsinstitute und zunehmend auch die Industrie mit den Stärken und Schwächen der kristallinen Materialien.

Von einem großflächigen Einsatz sind die Solarzellen allerdings noch entfernt. Der Hauptgrund: Sie sind nicht ausreichend stabil, ihre Leistung lässt zu schnell nach [3]. Auch hier entwickeln sich die Zellen zwar schnell weiter, aber an eine Stromerzeugung, die 25 Jahre lang auch unter harschen Witterungsbedingungen auf einem stabilen Niveau liegt – üblich für die herkömmlichen Silizium-Solarzellen – kommen die Newcomer noch nicht ran.

Dieses Fact Sheet benennt die Vor- und Nachteile der Perowskit-Solarzellen, ordnet den Stand der Forschung ein und listet am Ende wichtige Forschungsgruppen im deutschsprachigen Raum mit ihren Schwerpunkten auf.

Dieses Fact Sheet kann hier als pdf heruntergeladen werden.

Was sind Perowskite?

Schematische Darstellung der Perowskit-Kristallstruktur

  • Perowskite sind kein bestimmter chemischer Stoff, sondern eine Materialklasse mit spezifischer Kristallstruktur.
  • Für die Kristalle braucht es drei Arten von Atomen oder Molekülen, die mit A, B und X bezeichnet werden:
    • A: einfach (positiv) geladene Kationen, zum Beispiel Methylammonium (CH3NH3), Formamidinium (CH(NH2)2) oder Cäsium (Cs)
    • B: zweifach (positiv) geladene Kationen, zum Beispiel Blei (Pb) oder Zinn (Sn)
    • X: einfach (negativ) geladene Anionen, zum Beispiel Iod (I), Brom (Br) oder Chlor (Cl)
  • Weil Element X in den Kristallen dreimal so häufig vorkommt wie A und B, wird die Struktur auch ABX3-Struktur genannt.
  • Einige Untergruppen der Perowskit-Materialien besitzen sehr gute Halbleitereigenschaften.

Warum bekommen Perowskit-Solarzellen in der Wissenschaft so viel Aufmerksamkeit?

Der Wirkungsgrad verbessert sich schnell

  • Der Wirkungsgrad oder die Effizienz gibt an, welcher Anteil der Sonnenenergie pro Fläche später als Strom genutzt werden kann, also wie effizient die Solarzelle arbeitet (100 Prozent: die gesamte Sonnenenergie eines Referenzspektrums, die auf die Solarzelle trifft).
  • Perowskit-Solarzellen liegen im Labor mit 26,1 Prozent etwa gleichauf mit herkömmlichen Silizium-Zellen (26,8 Prozent), allerdings auf wesentlich kleineren Flächen, da es sich noch um Laborzellen handelt [2].
  • Forschende konnten diesen Wirkungsgrad in deutlich kürzerer Zeit erreichen als bei Silizium-Solarzellen.
  • Perowskit-Halbleiter können zu Tandem-Solarzellen mit mehreren Schichten kombiniert werden und dann noch höhere Wirkungsgrade erreichen. Eine Kombination mit herkömmlichen Silizium-Solarzellen, weiteren Perowskit-Schichten, oder anderen Dünnschicht-Solarzellen (zum Beispiel Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid-Solarzellen) ist möglich.

Abbildung 2. Erreichte Wirkungsgrade von Perowskit-Solarzellen und Perowskit-Silizium-Tandems im Vergleich zu den zwei herkömmlichen Silizium-Solarzellen (HIT und TOPCon), weitere Informationen zur Abbildung. Quelle: Eigene Darstellung. Datenquelle: NREL.

Vorteile beim verwertbaren Lichtspektrum

  • Solarzellen können nur einen Teil des Sonnenlichts effizient in Strom umwandeln.
  • Welcher Teil (Wellenlängenbereich) das ist – also zum Beispiel rot, blau, grün oder infrarot – hängt von der Bandlücke des Materials ab.
  • Mit der Bandlücke wird die mindestens nötige Energiemenge bezeichnet, die ein Photon (Lichtteilchen) auf ein Elektron im Material übertragen muss, um es in das sogenannte Leitungsband zu heben und damit als freien Ladungsträger für die Stromerzeugung nutzbar zu machen.
  • Kein einzelnes Material kann einen Wirkungsgrad von mehr als 33,2 Prozent erreichen, das besagt die Shockley-Queisser-Grenze [5].
  • Kristallines Silizium – wie es in herkömmlichen Solarzellen verwendet wird – hat eine feste Bandlücke von 1,12 eV und kann damit nur rotes und infrarotes Licht effizient, also zu einem großen Anteil, in Strom umwandeln.
    • Mit dieser Bandlücke kann Silizium physikalisch maximal etwa 29 Prozent des Sonnenlichts in Strom umwandeln [4], das technisch mögliche Maximum der Zellen liegt bei etwa 27 Prozent, die effizientesten erhältlichen Module liegen mit etwa 25 Prozent noch einmal zwei Prozentpunkte darunter.
    • Silizium-Solarzellen sind bereits so stark optimiert, dass eine signifikante Steigerung der Wirkungsgrade immer aufwendiger und teurer wird.
  • Auch jedes Perowskit-Material hat eine feste Bandlücke und damit einen definierten Lichtbereich, der effizient zur Stromerzeugung genutzt werden kann.
    • Der Vorteil: Es können verschiedene Komponenten für die ABX3-Struktur gemischt werden, wodurch sich die Bandlücke sehr genau einstellen lässt.
    • Perowskite können dann genau den Wellenlängenbereich effizient nutzen, der von Silizium schlechter ausgenutzt wird: den kurzwelligeren Sonnenlichtanteil.
    • So können Tandem-Solarzellen mit einer Siliziumbasis und einer zusätzlichen Perowskit-Schicht konstruiert werden, die mehr Lichtenergie in Strom umwandeln können.
    • Im Labor erreichen Tandem-Solarzellen heute Wirkungsgrade von 33,9 Prozent [2].
    • Sie liegen damit deutlich über dem theoretisch möglichen Wirkungsgrad von Silizium-Solarzellen und werden deshalb häufig als Nachfolgetechnologie von Silizium-Solarzellen angesehen.
  • Denkbar sind auch Tandem-Solarzellen aus zwei verschiedenen Perowskit-Materialien, hier sind die Herausforderungen der Instabilität (s.u.) aber größer als bei einfachen Perowskit-Schichten.

Vorteile bei der Herstellung und Anwendung

  • Energiebedarf
    • Silizium für Solarzellen braucht bei der Herstellung Temperaturen von über 1.000 Grad Celsius, was mit einem hohen Energiebedarf einhergeht [6].
    • Bis eine installierte Solarzelle aus Silizium so viel Energie produziert hat, wie sie für ihre Herstellung verbraucht hat (Energy Pay-Back), dauert es in Deutschland im Schnitt etwa 1 bis 2 Jahre [7].
    • Für die Perowskit-Herstellung sind deutlich geringere Temperaturen und damit weniger Energie nötig.
    • Die Energy Pay-Back Dauer ist wegen fehlender industrieller Produktion noch unbekannt, könnte aber deutlich niedriger liegen [8].
  • Materialeigenschaften
    • Perowskit-Solarzellen gehören zu den Dünnschicht-Solarzellen. Der Materialverbrauch der aktiven Schicht (nicht der Module, denn dafür kommen beispielsweise das Modulglas und Verkapselungsfolien hinzu) liegt im Vergleich mit der aktiven Siliziumschicht mehr als 100-mal niedriger, weil sie viel dünner ist.
    • Perowskit-Solarzellen können auf flexiblen und leichten Substraten und in verschiedenen Farben hergestellt werden und außerdem semitransparent sein [6], [9].
    • Sie könnten daher:
      • auf flexiblen Folien aufgebracht werden
      • als Fassadenmodul für Hauswände dienen
      • auf Dächern installiert werden, die Silizium-Solarzellen aus statischen Gründen nicht tragen können

Was fehlt bis zur Marktreife?

Eine lange Lebensdauer

  • Solarzellen müssen einige Jahrzehnte lang zuverlässig Strom liefern.
  • Silizium-Solarzellen setzen einen hohen Maßstab: Fast alle Hersteller garantieren nach 25 bis 35 Jahren noch 80 Prozent des ursprünglichen Wirkungsgrades.
  • Perowskit-Solarzellen erreichen diese Lebensdauer noch nicht.
    • Sie wurden bisher vor allem im Labor entwickelt.
    • Die Outdoor-Lebensdauer ist daher noch sehr schwer zu beurteilen.
    • Die geschätzte Lebensdauer unter Outdoor-Bedingungen liegt im Bereich von Monaten oder wenigen Jahren. Die im Labor erreichte Lebensdauer hat sich allerdings in den letzten Jahren deutlich erhöht.
  • Wie wird die Lebensdauer gemessen?
    • Standardisierte Tests beschleunigen durch besonders harte Bedingungen (zum Beispiel hohe Temperatur, hohe Luftfeuchtigkeit oder starke UV-Strahlung) den Alterungsprozess.
    • Bisher werden in Studien oft die für Silizium-Solarzellen entwickelten Tests genutzt (Standard: IEC 61215).
    • Aber: Für Perowskit-Solarzellen sind sie nur begrenzt geeignet. Denn für Perowskite sind andere Bedingungen – zum Beispiel die häufige Änderung der Einstrahlungsbedingungen – potenziell besonders schädlich.
    • Eine Anpassung der Teststandards für Perowskit-Solarzellen wird aktuell diskutiert [10], [11].
    • Ein offenes Forschungsfeld ist: Welche Bedingungen im Labor entsprechen welcher Lebensdauer draußen [12]?

Eine größere Stabilität durch:

  • Weniger Beweglichkeit von Ionen (geladenen Teilchen)
    • Die Beweglichkeit von Ionen wird durch häufige Schwankungen von Temperatur und Lichtintensität ausgelöst.
    • Dadurch können sich Gebiete mit Ionen-Ansammlungen im Kristall bilden.
    • Das kann den Ladungstransport (fließenden Strom) behindern, weil die entstehenden Felder die Elektronen beeinflussen.
    • Ladungen und Ionen können außerdem reagieren und zu Defekten werden, die die Perowskite zersetzen (zum Beispiel zu ungeladenem Iod (I0) oder Blei (Pb0)).
    • Viele Forschungsgruppen versuchen, Ionenbeweglichkeit zu verhindern, aber noch gibt es keinen großen Durchbruch.
  • Eine höhere Resilienz gegen chemische Reaktionen
    • Wasser und Sauerstoff können mit Perowskiten chemisch reagieren und die Kristallstruktur zerstören.
    • Eine Verkapselung kann das effektiv verhindern, sie ist nach aktuellem Stand vor allem eine Kostenfrage.
  • Robustere Grenzschichten
    • An den Grenzflächen zwischen den eigentlichen Perowskit-Schichten und den angrenzenden Schichten zum Ladungstransport kann es zu Problemen kommen.
    • Denn an der Oberfläche der Perowskit-Schicht entstehen Defekte, weil dort die periodische Anordnung der Kristalle nicht fortgeführt wird.
    • Außerdem können Spannungen durch unterschiedliche thermische Ausdehnung der Schichten entstehen.

Ein sicherer Umgang mit dem Bleigehalt oder bleifreie Alternativen

  • Die Perowskite mit den höchsten Wirkungsgraden enthalten geringe Mengen giftiges Blei, in der Größenordnung von 0,5 bis 2 g/m2 [13], [14].
  • Das Blei in der Kristallstruktur ist wasserlöslich, bei schwer beschädigten Solarmodulen könnte es prinzipiell in die Umwelt gelangen [6].
  • Der Austritt einer Bleikonzentration, die groß genug ist, um schädliche Auswirkungen für Umwelt oder menschliche Gesundheit zu verursachen, ist in der Anwendung jedoch sehr unwahrscheinlich.
  • Wichtig für einen sicheren Umgang mit dem Bleigehalt sind: eine gute Verkapselung der Materialien, ein schneller Rückbau von Solarzellen im Fall von Beschädigungen, frühzeitige Planung von Recyclingprozessen [6].
  • Auch an Alternativen wird geforscht: Blei kann durch Zinn ersetzt werden, dann sinkt der Wirkungsgrad aber sehr stark (Rekord liegt bei knapp 15 Prozent, statt 26 Prozent) und die Stabilität verschlechtert sich [15].

Ein skalierbares und günstiges Produktionsverfahren

  • Es gibt zwei Möglichkeiten für die Herstellung: Nass-Chemie und Vakuumverfahren [16].
  • Beide Verfahren werden von der Industrie getestet, bisher ist unklar, welches sich durchsetzt.
  • Herausforderungen sind:
    • Die Produktion von Silizium-Solarzellen ist stark optimiert und günstig.
    • Der Markt für Solarzellen ist daher sehr kompetitiv, mit hohen Absätzen und kleiner Gewinnmarge.
    • Für einen Markteintritt muss die Produktion (vor allem von Silizium-Perowskit-Tandems) einwandfrei funktionieren, es darf wenig Ausschuss durch fehlerhafte Module geben.

Informationen zu Abbildung 2

  • Die Daten zu bestätigten Wirkungsgraden von Solarzellen werden vom National Renewable Energy Laboratory (NREL) zusammengestellt und können hier heruntergeladen werden.
    Hier gibt es weiterführende Informationen zu den Daten. Für die Darstellung hat das SMC die folgenden Kategorien ausgewählt:
    • "Single crystal (non-concentrator)" Silizium-Solarzellen (TOPCon)
    • "Silicon heterostructures (HIT)" Silizium-Solarzellen (HIT)
    • "Perovskite cells" Perowskit-Solarzellen
    • "Perovskite/Si tandem (monolithic)" Perowskit-Silizium-Tandems
  • In der Grafik werden nur neue Rekorde dargestellt. Effizienzwerte, die niedriger sind als vorangegangene Werte in der jeweiligen Kategorie wurden für die Darstellung ausgeschlossen.

Literaturstellen, die zitiert wurden

[1] Kojima A et al. (2009). Organometal Halide Perovskites as Visible-Light Sensitizers for Photovoltaic Cells. Journal of the American Chemical Society. DOI: 10.1021/ja809598r.

[2] National Renewable Energy Laboratory (10.01.2024): Interactive Best Research-Cell Efficiency Chart.

[3] Sharma R et al. (2022): Stability and efficiency issues, solutions and advancements in perovskite solar cells: A review. Solar Energy. DOI: 10.1016/j.solener.2022.08.001.

[4] Richter A et al. (2013): Reassessment of the Limiting Efficiency for Crystalline Silicon Solar Cells. IEEE Journal of Photovoltaics. DOI: 10.1109/JPHOTOV.2013.2270351.

[5] Rühle S (2016): Tabulated values of the Shockley–Queisser limit for single junction solar cells. Solar Energy. DOI: 10.1016/j.solener.2016.02.015.

[6] Bati A et al. (2023): Next-generation applications for integrated perovskite solar cells. Communications Materials. DOI: https://doi.org/10.1038/s43246-022-00325-4.

[7] Fraunhofer ISE (2023): Photovoltaics Report.

[8] Tian X et al. (2020): Life cycle energy use and environmental implications of high-performance perovskite tandem solar cells. Science Advances. DOI: 10.1126/sciadv.abb0055.

[9] Holzhey P et al. (2023): Toward commercialization with lightweight, flexible perovskite solar cells for residential photovoltaics. Joule. DOI: 10.1016/j.joule.2022.12.012.

[10] Khenkin M et al. (2020): Consensus statement for stability assessment and reporting for perovskite photovoltaics based on ISOS procedures. Nature Energy. DOI: 10.1038/s41560-019-0529-5.

[11] Aydin E et al. (2024): Pathways toward commercial perovskite/silicon tandem photovoltaics. Science. DOI: 10.1126/science.adh3849.

[12] Khenkin M et al. (2023): Light cycling as a key to understanding the outdoor behaviour of perovskite solar cells. Energy and Environmental Science. DOI: 10.1039/d3ee03508e.

[13] Schmidt F et al. (2022): Rapid sequestration of perovskite solar cell-derived lead in soil. Journal of Hazardous Materials. DOI: 10.1016/j.jhazmat.2022.128995.

[14] Bing J et al. (2022): Perovskite solar cells for building integrated photovoltaics - glazing applications. Joule. DOI: 10.1016/j.joule.2022.06.003.

[15] Yu, B et al. (2021): Heterogeneous 2D/3D tin-halides perovskite solar cells with certified conversion efficiency breaking 14%. Advanced Materials. DOI: 10.1002/adma.202102055.

[16] Kajal P et al. (2018): Manufacturing Techniques of Perovskite Solar Cells. In: Tyagi H et al. Applications of Solar Energy. Energy, Environment, and Sustainability. DOI: 10.1007/978-981-10-7206-2_16.

Weiterführende Recherchequellen

Zhang D et al. (2022): Degradation pathways in perovskite solar cells and how to meet international standards. Communications Materials. DOI: 10.1038/s43246-022-00281-z.

Li G et al. (2023): Highly efficient p-i-n perovskite solar cells that endure temperature variations. Science. DOI: 10.1126/science.add7331.

Park S et al. (2023): Low-loss contacts on textured substrates for inverted perovskite solar cells. Nature. DOI: 10.1038/s41586-023-06745-7.