Gasspeicher-Report
Dieser Report des Science Media Center Germany (SMC) fasst die Füllstände der Gasspeicher in Deutschland und Europa zusammen.
Die Heizperiode in diesem Winter nähert sich dem Ende. Bei den Gasspeichern wird inzwischen an vielen Tagen mehr Gas eingespeichert als entnommen. Darum werfen wir in diesem Report einen Blick auf den kommenden Sommer und vergleichen ihn mit dem Sommer 2022.
Anfang April 2023 sind die Gasspeicher in der EU deutlich stärker gefüllt als im April des vergangenen Jahres. Daher muss im Sommer nur etwa halb so viel Gas eingespeichert werden wie im Sommer 2022. Mit Ausnahme von Frankreich sind die Speicher der Länder mit den größten Speicherkapazitäten zu mehr als 40 Prozent gefüllt. Die deutschen und die österreichischen Speicher weisen sogar einen Füllstand von über 60 Prozent auf.
Die Einsparziele in Deutschland von 20 Prozent wurden von der Industrie erreicht. Haushalte und Gewerbe erreichten dieses Ziel im vergangenen Winter nicht ganz, die Einsparungen waren aber insgesamt ausreichend, um gut über diesen Winter zu kommen.
Um auch zu Beginn der kommenden Heizperiode gefüllte Speicher zu haben, sind die Einsparungsziele in diesem Sommer nicht mehr relevant. Wenn Gas in mit den vergangenen Monaten vergleichbarer Menge vorhanden ist, werden die Speicher zu Beginn des Winters 2023/24 gefüllt sein, unabhängig davon, wie viel Gas im Sommer gespart wurde. Steigt der Verbrauch im Herbst wieder an, können Sparmaßnahmen erneut dazu beitragen, die Versorgung sicherzustellen. Sparsamen Gasverbrauch aus finanziellen oder klimaschonenden Gründen betrachten wir dabei nicht.
Aufgrund der entspannten Lage bei der Gasversorgung werden wir in den kommenden Monaten keine regelmäßigen Reporte veröffentlichen. Mit der beginnenden Heizperiode im Herbst werden wir die Situation dann neu bewerten und bei Bedarf wieder regelmäßige Reporte anbieten. Auch die tagesaktuelle Entwicklung der Gasversorgung können Sie wie bisher online auf unserem Gasspeicher-Dashboard im Blick behalten. Wie die Gasversorgung bis zum Ende des Winters verlaufen könnte, können Sie anhand unserer aktualisierten Szenarien im Gasszenarien-Dashboard erkennen.
Seit dem 29.09.2022 liefert die Bundesnetzagentur (BNetzA) wöchentliche Verbrauchsdaten für Großverbraucher (vor allem Industrie und Stromerzeugung) und Kleinverbraucher (Haushalt, Gewerbe, Industrie mit geringem Gasverbrauch). Bislang lagen aktuelle Messdaten zum Verbrauch nur für die Großverbraucher vor.
Seitens der Gasversorger wird der Verbrauch für die Kleinverbraucher geschätzt und über sogenannte Standard-Lastprofile bilanziert. Diese basieren auf den Erfahrungen der vergangenen Jahre. Für die Einschätzung des tatsächlichen Verbrauchs im aktuellen Winter, der mit Blick auf die Gasversorgung ungewöhnlich ist, reichen diese Schätzungen jedoch nicht. Die BNetzA hat daher begonnen, den Verbrauch für die Kleinverbraucher aus den Messdaten am Eingang der Verteilnetze sowie weiteren Daten mit einem selbst entwickelten Verfahren zu berechnen.
Über den Winter hat sich das erwartbare Muster gezeigt, dass in Wochen mit unterdurchschnittlichen Temperaturen auch die Einsparungen geringer ausfielen.
Im Gesamtzeitraum seit der 25. Kalenderwoche 2022 sind die Einsparungen der Industrie konstant oberhalb der geforderte 20 Prozent geblieben. Haushalte und Gewerbe sparten in der Gesamtbetrachtung meist zwischen 15 und 20 Prozent ein.
Neben dem Verbrauch ist für die Beobachtung der Gasversorgungslage im Winter wichtig, wie viel Erdgas Deutschland importieren und wie viel es selbst fördern kann, außerdem wie viel es weiterleitet.
Die Netto-Einspeisung ergibt sich aus dem Gesamt-Import Deutschlands plus der Produktion beziehungsweise Förderung in Deutschland minus den Export. Deutschland leitet Gas an andere Länder weiter.
Die Netto-Einspeisungen liegen seit Anfang Februar zumeist oberhalb der 2,5 TWh pro Tag. Im Sommer wird der Wert zeitweise deutlich sinken, wenn der Verbrauch niedrig ist und die Gasspeicher bereits voll sind, oder langsamer gefüllt werden.
Betrachtet man die tägliche Durchschnittseinspeisung, sieht man, dass seit August in keinem Monat weniger als 2,3 TWh/d zur Verfügung standen. Im Dezember stieg dieser Wert sogar auf 2,7 TWh/d.
Die Grafik zeigt den Verlauf der Speicherstände seit Anfang 2022, sowie die Fortschreibung des aktuellen Trends der Speicherstände. Dafür wird der Verlauf der letzten sieben verfügbaren Tage genutzt. Mit den steigenden Temperaturen sinken die Speicherstände nicht mehr ab, in den kommenden Wochen werden sie voraussichtlich wieder steigen.
Die langfristige Entwicklung der Speicherstände hängt von Parametern ab, die aktuell noch nicht für den gesamten Winter vorhersehbar sind. Insbesondere das Wetter, die Sparsamkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher und die Importmengen sind unsicher. An dieser Stelle veröffentlichen wir eine Auswahl an Szenarien, um diese Unsicherheit abzubilden.
Wir versuchen, mit unseren Annahmen eine Abdeckung über einen breiten Teil der möglichen Entwicklungen zu erzielen. Zu berücksichtigen ist aber: Die Realität kann deutlich besser oder schlechter ausfallen, als in unseren Szenarien beschrieben – falls sich die hier getroffenen Annahmen als falsch herausstellen.
Der Verlauf der Speicherfüllstände hängt von zwei Faktoren ab: dem Gasverbrauch und der Gasbeschaffung. Wir haben dabei insgesamt vier Parameter als jene mit dem größten Einfluss identifiziert:
In den folgenden Grafiken betrachten wir jetzt wieder eine Phase des Wiederauffüllens der Speicher, bei gleichzeitig niedrigem Gasbedarf. Da der Zeitraum bis November größtenteils außerhalb der Heizperiode liegt, werden keine Szenarien mit unterschiedlichen Wettersituationen betrachtet. Neben den zuletzt immer recht zuverlässig erreichten 2,5 TWh Netto-Einspeisungen pro Tag wird noch je ein Szenario mit einer höheren und einer niedrigeren Einspeisung betrachtet.
Szenarien sollen zeigen, was passieren würde, wenn bestimmte Annahmen eintreffen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass zum Beispiel die Netto-Einspeisung deutlich höher war als hier und in anderen Szenarien angenommen wurde. Die hier betrachteten Szenarien sind nicht alle gleich wahrscheinlich. Aus der Berechnung lässt sich jedoch im Gegensatz zu einem statistischen Modell nicht entnehmen, wie wahrscheinlich das Eintreten eines bestimmten Szenarios ist. Aussagen über die Plausibilität der Szenarien müssen also extern getroffen werden.
Da die Gasspeicher auch über ihren Nominalwert gefüllt werden können und die Kapazität zudem schwankt, schneiden wir die Szenarien nicht direkt bei 249 TWh ab. Natürlich können nicht beliebig hohe Speicherwerte erreicht werden. Umgekehrt können negative Speicherstände nicht realisiert werden, diese sind gleichbedeutend mit einer Mangellage.
Die Speicher in Deutschland dienen zum Teil auch zur Versorgung anderer Länder. Andererseits sind beispielsweise Teile der österreichischen Speicher auch für die Versorgung von Deutschland (insbesondere Bayern) vorgesehen. Dies wird bei den betrachteten Szenarien implizit durch die verschiedenen Werte für die Netto-Einspeisung berücksichtigt. Der Speicherstand ist dabei nur der Startwert für die Berechnungen, denn das gespeicherte Gas kann nicht als Gasmenge angenommen werden, die vollständig im deutschen Gasnetz verbleibt. Würde mehr Gas aus deutschen Speichern in andere Länder exportiert und weniger importiert, würde dies letztlich die Netto-Einspeisung reduzieren.
Für die Szenarien legen wir jeweils eine prozentuale Verbrauchsveränderung gegenüber dem Mittel der Jahre 2018 - 2021 zu Grunde:
In unserem Gasszenarien-Dashboard können Sie auch eigene Szenarien berechnen.
Das Ergebnis: Selbst ohne weitere Einsparungen werden die Gasspeicher in allen betrachteten Szenarien rechtzeitig vor dem Herbst gefüllt. Bei sehr niedrigen Netto-Einspeisungen von 2,2 TWh/d würden sich die Speicher aber schon im Oktober zur beginnenden Heizperiode leeren. Ab dann müsste wieder Gas eingespart werden.
Das Ergebnis: Einsparungen von 10 Prozent führen im durchschnittlichen Szenario schon im Juli zu voll gefüllten Speichern. Dies könnte in der Realität dazu führen, dass weniger Gas eingekauft wird als vorhanden wäre, um den gesamten Sommer zum Einspeichern zu nutzen und so eventuelle preisliche Vorteile mitzunehmen.
Das Ergebnis: Bei 20 Prozent Einsparungen wären die Gasspeicher schon Anfang Juli rechnerisch voll. Auch hier gilt, dass dann wahrscheinlich marktwirtschaftliche Faktoren den realen Verlauf verändern werden, da der zeitliche Spielraum bis zum Herbst groß ist.
Zum Vergleich mit der Entwicklung 2022 hier die Speicherstände von Deutschland seit 2012. Der aktuelle Speicherstand ist der zweithöchste Speicherstand in diesem Zeitraum.
Die folgende Grafik zeigt, wie viel Gas aktuell (mit dem üblichen Meldeverzug von zwei Tagen) in den Ländern der EU, der Ukraine und des Vereinigten Königreichs gespeichert ist und wie weit die Speicher damit gefüllt werden. Die Speicher in der Ukraine sind ein Sonderfall. Sie werden nicht im vollen Umfang zur Sicherstellung der dortigen Versorgungslage benötigt.
Die sechs Ländern mit der größten Speicherkapazität verfügen zusammen über mehr als drei Viertel aller Speicherkapazitäten in der EU. Mit Ausnahme von Frankreich sind in diesen Ländern die Speicher im Frühjahr 2023 deutlich besser gefüllt als im Frühjahr 2022. Aber auch Frankreich weist einen im Vergleich zum Vorjahr leicht erhöhten Speicherstand auf. Während die Gasspeicher in der EU am 01.04.2022 zu rund 27 Prozent gefüllt waren, ist der Füllstand am 01.04.2023 mit fast 56 Prozent mehr als doppelt so hoch. Bei einem Füllstandsziel von 90 Prozent in der EU muss in diesem Sommer also nur etwas mehr als halb so viel Gas wie im Sommer 2022 eingespeichert werden.
Die Speicherstände der Gasspeicher entstammen dem Aggregated Gas Storage Inventory. Die Daten werden zwei Tage verzögert publiziert. Der aktuelle Wert ist also der Speicherstand für Vorgestern, bezogen auf das Erscheinungsdatum. Nicht alle Speicher melden an allen Tagen Daten. Nicht gemeldete Daten werden von Gas Infrastructure Europe (GIE) geschätzt und bei späteren Updates auf die gemeldeten Daten korrigiert. Dies kann insbesondere dazu führen, dass sich der aktuelle Trend der letzten Tage auch umdrehen kann. Insbesondere bei Trendwenden ist es deshalb ratsam, ein paar Tage abzuwarten, ob diese noch korrigiert werden. Auch eine Plausibilisierung mit anderen Informationsquellen ist empfehlenswert.
Insbesondere nach Wochenenden kann es auch zu fehlenden Werten kommen, was insbesondere an den spontan sinkenden Speicherkapazitäten ersichtlich ist. Vereinzelt existieren Füllstände, die etwas höher liegen als die angegebene Kapazität, wie zum Beispiel aktuell in Portugal.
Die Verbrauchsdaten werden von der Bundesnetzagentur bereitgestellt. Die Werte können sich zum Teil auch mit mehreren Wochen Verzögerung noch deutlich ändern.
Wenn Sie Fragen zu diesen Daten haben oder weitere Auswertungen erhalten wollen, das SMC Lab kann Auswertungen erzeugen.
Sönke Gäthke, Redakteur für Energie und Mobilität
Bernhard Armingeon, Software Entwickler
Lars Koppers, Datenwissenschaftler
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