Energie & Mobilität

10. August 2023

Supraleiter: Wie lassen sich möglicherweise vielversprechende Paper schnell erkennen?

Supraleiter haben eine besondere Eigenschaft: Sie leiten Strom ohne jeglichen Widerstand. Bei den bekannten Supraleitern tritt der Effekt allerdings erst bei sehr tiefen Temperaturen auf. Gelingt es, ein Material zu finden, das diesen Effekt bei Raumtemperatur zeigt, hätte das einen umwälzenden Effekt für Stromnetze oder Computertechnik.

Wissenschaftliche Paper, die einen solchen Hochtemperatur-Supraleiter beschreiben, erzielen daher eine große Aufmerksamkeit. Nach einem ersten Bericht über eine Entdeckung kann es dazu kommen, dass viele Forschungsgruppen die Ergebnisse schnell reproduzieren wollen und in kurzer Folge eigene Paper hochladen, die noch nicht durch ein Peer-Review gelaufen sind – wie zum Beispiel im Spätsommer 2023, nachdem zwei Preprints über Supraleitung in LK-99 erschienen.

Dieses Fact Sheet zeigt nun, welche der zwei wichtigsten Eigenschaften dabei im Experiment untersucht und schnell zu finden sein sollten. Es ermöglicht so, Paper schnell zu sortieren und sich auf vielversprechende zu konzentrieren. Wir haben es nach Gesprächen mit einer Reihe von Physikern und Chemikern entwickelt. Supraleitung selbst wird nicht erklärt.

Dieses Fact Sheet kann hier als pdf heruntergeladen werden.

Übersicht

  • Welche Art von Studie kann einen Nachweis über Supraleiter liefern?
  • Welche Eigenschaften, die getestet werden, hat ein Supraleiter?
  • Was gehört zum Nachweis eines Hochtemperatur-Supraleiters?
  • Weiteres Vorgehen, falls das Paper vielversprechend aussieht
  • Weitere Recherchequellen

Welche Art von Studie kann einen Nachweis über Supraleiter liefern?

  • Die Eigenschaften müssen in einem Experiment nachgewiesen werden.
  • Berechnung aufgrund von Modellen kann Effekte und Beobachtungen erklären, ist aber kein Nachweis.

Welche Eigenschaften, die getestet werden, hat ein Supraleiter?

  • Supraleiter leiten Strom ohne Widerstand.
  • Supraleiter sind diamagnetisch: Magnetfelder werden aus dem Material verdrängt.

Was gehört zum Nachweis eines Hochtemperatur-Supraleiters?

Elektrische Leitfähigkeit:

  • Gezeigt werden sollte eine Sprungtemperatur Tc, unterhalb derer der Widerstand 0 wird.
  • Es sollte leicht zu finden sein:
    • die Temperatur bei der Messung (Kelvin, K, ab Tc über77 K ist Hochtemperatur, Raumtemperatur beträgt rund 20° Celsius, ca. 293 K)
    • der spezifische elektrische Widerstand: Widerstand in Bezug auf Länge und Querschnitt (resistivity, ρ, Einheit Ohm mal Meter, Ωm), innerhalb von Messungenauigkeiten 0 Ωm
    • ob unter Atmosphärendruck (keine Angabe nötig) oder höherem Druck (Angabe erforderlich) experimentiert wurde

Diamagnetismus:

  • Gezeigt werden sollte, dass bei Sprungtemperatur Tc ein Magnetfeld aus der Probe herausgedrängt wird (Meissner Effekt).
  • Es sollte leicht zu finden sein:
    • Erwähnung oder Beschreibung diamagnetischen Verhaltens bei der Sprungtemperatur Tc
    • Messwerte und Grafiken zu Magnetisierbarkeit einer Probe im Magnetfeld (magnetische Suszeptibilität, muss nach der Sprungtemperatur negativ sein). Messungen können in verschiedenen Einheiten erfolgen.
    • Ein „Schwebeexperiment“ (Video, Bild) allein reicht nicht.

Weitere mögliche Kriterien:

  • Wurde die Probe genau beschrieben?
  • Wurde eine Wärmekapazität (Cp) gemessen?
  • Wurde die supraleitende Probe in verschieden starken Magnetfeldern untersucht? (stärkere Felder verringern die Sprungtemperatur)
  • Handelt es sich bei der Forschergruppe um bekannte Experten oder Expertinnen im Bereich der Supraleitungsforschung?

Weiteres Vorgehen, falls das Paper vielversprechend aussieht

  • Sinnvoll: Zur weiteren Recherche Paper Experimentalphysikerin oder -physiker mit Expertise zu Supraleitern (Veröffentlichung, Orientierung des Instituts) vorlegen zum Prüfen. Viele Probleme können in Details des Experiments stecken.
  • Anwendbarkeit: Wenn Nachweis tatsächlich geführt, wäre Proof of Concept, TRL 3 (Technology Readiness Level), erreicht.
  • Bis zur Anwendung müsste noch viel geklärt werden, zum Beispiel:
    • Welche maximale Stromstärke trägt der Supraleiter?
    • Bis zu welcher Magnetfeldstärke bleibt Supraleitung bestehen?
    • Lassen sich im Labor Drähte oder Leiterbahnen bauen?
    • Funktionieren Drähte oder Leiterbahnen auch außerhalb des Labors?
    • Lässt sich das Material industriell fertigen?
    • Wie teuer ist das Material in der Produktion?
  • Klärung der technischen Anwendbarkeit (TRL 9) kann Jahre bis Jahrzehnte dauern.

Fazit

  • Wenn ein Supraleiter gefunden wird, der weniger stark gekühlt werden muss als die bisher bekannten – oder sogar gar nicht (Raumtemperatur) –, wäre es für die Forschung ein Durchbruch, das technische Potenzial für Stromtransport oder Computer wäre umwälzend. Vom Nachweis bis zur Einsatzreife können jedoch Jahrzehnte vergehen.

Weitere Recherchequellen

Anlaufpunkt für Preprints zu Supraleitung bei Arxiv:
Kategorie Condensed Matter – Superconductivity.

Die Originalpaper zu LK-99:
Lee S et al (2023): The First Room-Temperature Ambient-Pressure Superconductor. Arxiv. 22.07.2023.

Hinweis der Redaktion: Es handelt sich bei auf Arxiv hochgeladenen Arbeiten um Vorabpublikationen, die noch keinem Peer-Review-Verfahren unterzogen und damit noch nicht von unabhängigen Experten und Expertinnen begutachtet wurden.