Neue Altersgrenze für Mammographie-Screening
Erweiterung des bundesweiten Mammographie-Screening-Programms geplant
Nutzen könnte auch für Frauen über 70 und unter 50 Jahren gegeben sein
Risiko der Überdiagnose und falsch-positiver Befunde für Bewertung wichtig
Seit 2009 werden hierzulande Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren bundesweit alle zwei Jahre zu einer kostenlosen Mammographie-Untersuchung eingeladen. Ziel dieses Screenings ist es, Brustkrebs in einem frühen Stadium zu erkennen, wenn er noch nicht spürbar ist und die Heilungschancen am besten sind. Die Mammographie ist das einzige in Deutschland zugelassene Röntgenverfahren zur Früherkennung.
Direktor der Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen
„Ich halte das Mammographie-Screening für einen Erfolg, es hat laut Publikation im ,Deutschen Ärzteblatt‘ eine Reduktion der Sterblichkeit gezeigt [1]. Es wird noch nicht ausreichend genutzt, unklare Gegenargumente werden immer noch angeführt, sodass bei einer nicht vollständigen Teilnahmerate dieses trotzdem ein Erfolg ist. Somit wäre dies erst einmal ein positives Fazit.“
„Die Inzidenz des Mammakarzinoms nimmt ja nicht mit 70 Jahren ab, sondern bleibt weiterhin hoch. Somit ist es den Frauen nicht klarzumachen, dass man mit 69 Jahren noch ein Risiko hat, das mit 71 nicht mehr gegeben ist. Da diese scharfe Trennung in der Inzidenz nicht geführt werden kann und das Populationsalter jedes Jahr steigt, ist es aus meiner Sicht gerechtfertigt, hier das Screening zu erweitern. Ich persönlich würde es bis 76 Jahren anbieten und ab dann auf freiwilliger Teilnahme oder auf Wunsch weiterführen.“
„Die Altersgrenze nach unten zu schieben, ist aufgrund der anatomischen und physiologischen Gegebenheiten schwierig. Da primär prämenopausale Frauen eine deutlich höhere mammographische Dichte haben (je ,weißer‘ das Mammographiebild, desto höher die Brustdichte; Anm. d. Red.), ist die Sensitivität und Spezifität einer alleinigen Mammographie nicht ausreichend. Wenn ein Screening in dieser Altersklasse eingeführt werden sollte, dann müsste dieses aus meiner Sicht ein Kombinationsverfahren beinhalten, es wäre der Einsatz von Mammographie und Mama-Ultraschall als Kombination durchzuführen. Was aber bei diesem Alter diskutiert werden muss, ist die risikoadaptierte Früherkennung. Das heißt, nicht alle Frauen bekommen das gleiche Verfahren oder überhaupt ein Verfahren, sondern es wird risikoadaptiert zum Screening eingeladen. Dies ist im Strategiepapier der nationalen Dekade nach Krebs so auch diskutiert.
„Die Inzidenzrate bei Männern ist so gering, dass keine Screening-Maßnahmen durchzuführen sind. Hier wäre die risikoadaptierte Früherkennung bei Männern aus Familien mit vermehrten Brust- oder Eierstock-Krebsfällen wünschenswert.“
Auf die Frage, wie die Rate der falsch positiven Befunde bei der Abtastuntersuchung im Vergleich zur Mammographie zu bewerten ist:
„Die Abtastuntersuchung ist keine Screening-Untersuchung und sollte erstmal zu keinen weiteren direkten Maßnahmen führen. Zyklusbedingte Veränderungen, hormontherapiebedingte Veränderungen, etc. sind erst sekundär abzuklären. Bei einer postmenopausalen Frau, die einen neuen Tastbefund hat, sollte auf jeden Fall eine Abklärung erfolgen. Alle anderen Veränderungen sind erstmals als unspezifisch zu werten und sollten dann bei Persistenz (vier bis sechs Wochen) oder Größenveränderung abgeklärt werden.“
Stellvertretender Direktor des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin sowie Leiter der Klinischen Epidemiologie, Universitätsklinikum Münster
„Man muss unterscheiden zwischen der grundsätzlichen Frage, wie und in welcher Weise Mammographie-Screening wirkt und welche Effekte das 2009 flächendeckend in Deutschland eingeführte Mammographie-Screening-Programm (MSP) hat. Grundsätzlich konnte auf Basis randomisiert-kontrollierter Studien in den 70er- und 80er-Jahren gezeigt werden, dass Mammographie-Screening in der Altersgruppe von 50 bis 69 Jahren die Wahrscheinlichkeit erhöht, eine Brustkrebserkrankung frühzeitig zu identifizieren und als Folge davon die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu versterben, vermindert. Damalige Studien haben dabei gezeigt, dass circa 20 Prozent der Brustkrebstodesfälle in dieser Altersgruppe durch das Screening verhindert werden konnten. Demgegenüber stehen potenzielle Risiken, die durch das Screening entstehen. Dies betrifft einerseits die Strahlenbelastung, andererseits mögliche Überdiagnosen. Überdiagnosen liegen dann vor, wenn Tumore oder Vorstadien entdeckt und behandelt werden, die ohne Screening für die betroffenen Frauen keine negativen Gesundheitsfolgen gehabt hätten. Die Nutzen-Risiko-Abwägung wurde in den meisten High Income Countries als positiv eingestuft, sodass es zu einer breiten Einführung von Mammographie-Screening-Programmen in den 90er- und 00er-Jahren gekommen ist.“
„In der Zwischenzeit haben sich jedoch sowohl Screeningverfahren selbst als auch die Behandlung und Prognose fortgeschrittener Brustkrebstumorstadien verbessert, sodass eine einfache Übertragung früherer Ergebnisse auf heutige Verhältnisse nicht so einfach möglich ist. Deshalb wird das deutsche MSP seit seiner Einführung auf unterschiedlichen Wegen fortwährend evaluiert, unter anderem auch in Bezug auf seinen Effekt auf die brustkrebsspezifische Mortalität. Hier sind erste Ergebnisse im Jahr 2025 zu erwarten, da ein solcher Effekt verzögert auftritt und erst dann beurteilt werden kann. Die bei einem erfolgreichen Screening-Programm zu erwartenden Veränderungen (zunächst Anstieg der beobachteten Inzidenz, dann Abnahme des Auftretens prognostisch ungünstiger Tumorstadien) sind in Deutschland bis jetzt alle zu den jeweils angenommenen Zeitpunkten eingetreten. Das bedeutet leider noch nicht, dass auch der Effekt auf die brustkrebsspezifische Mortalität wie erhofft vorliegen wird, da ja erst am Übergang von fortgeschrittenen Tumoren zu einem möglicherweise verbesserten Überleben der Effekt besserer Therapien sichtbar wird. Die Evaluation des Effekts des MSP auf die Brustkrebsmortalität ist zudem methodisch sehr komplex, da das MSP in Deutschland nicht randomisiert eingeführt wurde und sich gescreente und nicht gescreente Frauen dadurch systematisch voneinander unterscheiden. Wir nutzen ein sehr umfassendes Studienkonzept mit unterschiedlichsten Datenquellen und einem sogenannten Emulated-Target-Trial-Ansatz, bei dem eine randomisiert-kontrollierte Studie imitiert wird, um bestmögliche Aussagen zur Wirksamkeit des MSP in Deutschland ableiten zu können.“
Auf die Frage, inwieweit eine Erweiterung der Altersgrenze über 70 für das Mammographie-Programm gerechtfertigt ist:
„Das ist tatsächlich eine schwierige Entscheidung, wie auch schon der Abschlussbericht des IQWiG zur Überprüfung der Altersgrenzen im Mammographie-Screening-Programm zeigt, auf den sich die aktuellen Entscheidungen beziehen. Leider gibt es keine gute direkte Evidenz dazu, ob in dieser Altersgruppe ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis vorliegt. Was einen möglichen Überlebensvorteil angeht, so wird aktuell in Großbritannien eine cluster-randomiserte Studie durchgeführt (AgeX), deren Ergebnisse aber noch nicht vorliegen. Bei Fehlen direkter Evidenz muss man deshalb auf indirekte Evidenz zurückgreifen. Dabei wird im Wesentlichen argumentiert, dass es viele Hinweise darauf gibt, dass in der Altersgruppe 70 bis 74 Jahre sowohl der relative Nutzen als auch die Risiken sich nicht relevant von den 50- bis 69-Jährigen unterscheiden, gleichzeitig die Mortalität bei den über 70-Jährigen deutlich höher und in den letzten Jahren sogar zunehmend ansteigend ist. Dieser Argumentation kann man folgen, muss man aber nicht. Wichtig erscheint dabei, die aktuelle Entscheidung sofort an neue zu erwartende Evidenz (sowohl aus der AgeX-Studie als auch aus der Mortalitätsevaluation des deutschen MSP) anzupassen.“
Auf die Frage, inwieweit auch eine Erweiterung der Altersgrenze nach unten, also unter 50 Jahre, ratsam ist:
„Anders als für die über 70-Jährigen gibt es für die Altersgruppe 45 bis 49 qualitativ hochwertige randomisierte Studien, die auf einen Überlebensvorteil von gescreenten Frauen hindeuten. Die Evidenz ist ebenfalls im entsprechenden Abschlussbericht des IQWiG zur Überprüfung der Altersgrenzen im Mammographie-Screening-Programm schön aufbereitet dargestellt. Der angenommene Effekt ist dabei relativ gering, vor allem wenn man ihn auf einer absoluten Skala betrachtet, da die Brustkrebs-spezifische Mortalität in der Altersgruppe insgesamt kleiner ist als in älteren Altersgruppen. Zudem muss man anmerken, dass alle im IQWiG-Bericht berücksichtigten Studien aus den 70er-, 80er- oder frühen 90er-Jahren stammen. Inwiefern die Ergebnisse wirklich auf die aktuelle Situation in Deutschland übertragbar sind, ist schwierig einzuschätzen. Wie zuvor ausgeführt, hat sich die Therapie und Prognose auch von fortgeschrittenen Tumorstadien in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert, was dafürsprechen könnte, dass sich die in früheren Studien gezeigten Überlebensvorteile heute nicht mehr in gleichem Ausmaß wiederfinden. Deshalb ist eine begleitende Evaluation der Erweiterung der Altersgrenzen unbedingt notwendig.“
Direktor der Frauenklinik und Leiter des Brustzentrums sowie des Genitalkrebszentrums, Universitätsklinikum Würzburg
„Das Mammographie-Screening ist ein absolut relevantes Screening-Verfahren, um potenziell gefährliche Tumore im Frühstadium zu erkennen und die Heilungschancen dramatisch zu verbessern. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten gesehen, dass sich durch das Screening der Anteil von Brustkrebs im Frühstadium häuft, deshalb war es vollkommen richtig, dieses Screening-Programm aufzusetzen, damit prognostisch günstige Frühstadien schneller therapiert werden. Der Effekt ist mittlerweile auch für die Altersgruppe 50 bis 70, die alle zwei Jahre kostenlosen Anspruch auf das Screening hat, eindeutig nachgewiesen. Vier bis sechs Frauen von 1000 können durch das Screening vor einer potenziell tödlichen Brustkrebserkrankung bewahrt werden. Man spricht hierbei von der Senkung der brustkrebsspezifischen Mortalität. Einräumen muss man aber auch, dass uns Daten fehlen, die den Nutzen über einen längeren Zeitraum, also über Dekaden, zeigen. Aber man geht stark davon aus, dass er da ist. Diesbezüglich war die Pandemie ein trauriger Dämpfer: Die Frauen nahmen seltener am Screening-Programm teil. Die Daten sind hier nicht ganz valide. Diesen Pandemieeffekt aus dem langfristigen Nutzen des Programms herauszurechnen, wird sicherlich wichtig sein, um letztlich ein genaues Bild über den Erfolg zu bekommen.“
„Wichtig bei diesem einzigartigen Screening war stets die Kommunikation, Stichwort Überdiagnostik. Diese Gefahr musste Ärzten wie Patienten stets bekannt sein. Mögliche notwendige Nachuntersuchungen aufgrund eines zunächst auffälligen Befunds bringen viel Unruhe, auch wenn es am Ende einen negativen Befund gibt. Die Rate der falsch-positiven Befunde liegt beim Mammographie-Screening mitunter im hohen einstelligen Prozentbereich, das ist nicht von der Hand zu weisen. Vor allem deshalb stand das Screening-Programm lange in der Kritik. Doch der Nutzen hat sich klar gezeigt.“
„Zum Start wurde das Programm für Frauen zwischen 50 und 70 Jahren ausgerollt. Einfach deshalb, weil in dieser Altersgruppe der kalkuliert größte Brustkrebs-Anteil zu finden ist. Jedoch: Krebs ist auch eine Erkrankung des höheren Lebensalters. Durch die Altersbegrenzung 50 bis 70 dachten viele Frauen über 70, sie könnten jetzt keinen Brustkrebs mehr bekommen, was natürlich ein Trugschluss ist. Auch deshalb ist die Ausweitung des Screening-Programms auf über 70 Jahre sinnvoll.“
„Es gibt zudem einige Daten, die dafürsprechen, auch unter 50 Jahren ein Screening zu etablieren. In Österreich ist dies zum Beispiel der Fall. Dort können sozialversicherte Frauen zwischen 45 und 69 Jahren das Mammographie-Screening alle zwei Jahre kostenlos in Anspruch nehmen. Die Senkung der brustkrebsspezifischen Mortalität ist bei den Jüngeren aber nicht so gut wie in höheren Altersgruppen. Es werden also im Vergleich zu älteren Jahrgängen weniger Frauen durch das Screening vor tödlichem Brustkrebs bewahrt. Aber weniger heißt hier nicht, dass es keinen Effekt gibt. Der Effekt ist auch hier positiv, nur eben schwächer. So spielt bei jüngeren Frauen ja auch die Strahlenbelastung eine größere Rolle.“
Oberärztin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie Leiterin des Brustzentrums, Universitätsklinikum Marburg
„Das Mammographie-Screening ist alles in allem sehr praktikabel und die Untersuchung qualitativ überdurchschnittlich. Die Erweiterung auf über 70 Jahre zumindest bis 75 Jahre ist sinnvoll, die kurativen Stellen sind in vielen Regionen nicht in der Lage, diese Patientinnen adäquat zu versorgen, was dazu führt, dass meistens ab 70 keine Untersuchung mehr erfolgt. Die Absenkung auf ein Alter ab 45 Jahre wäre sicherlich mit Blick auf die Erkrankungshäufigkeit sinnvoll, allerdings ist die alleinige Mammographie bei einer prämenopausalen Patientin aufgrund der meist höheren Gewebedichte oft unzureichend und sollte mit einer Ultraschalluntersuchung kombiniert werden. Männer benötigen aufgrund der seltenen Erkrankung und der fast immer tastbaren Befunde kein Screening. Die Rate der falsch-positiven (und leider auch der falsch-negativen) Befunde bei der Tastuntersuchung sind erheblich höher als bei der Mammographie.“
Direktorin der Frauenklinik, Universitätsklinikum Düsseldorf
„Der Nutzen des Mammographie-Screenings besteht darin, Brustkrebs frühzeitig zu erkennen und dann besser behandeln zu können und somit die Sterblichkeit zu reduzieren. Der mögliche ,Schaden‘ sind falsch-positive Befunde, die unnötige Ängste auslösen und zur Kontrolle meist eine Biopsie benötigen, die nicht risikofrei ist. Zudem könnte man Brustkrebserkrankungen detektieren, die möglicherweise nie klinisch relevant geworden wären. Drittes Problem: die Aussagekraft der Mammographie an sich. Mit zunehmendem Alter haben Frauen eine geringere Brustdichte, wodurch die Mammographie besser beurteilbar ist. Bei einer 70-Jährigen ist das Brustdrüsengewebe meist in Fettgewebe umgewandelt. Bei einer 40-Jährigen ist das aber nicht so. Bei einem höheren Anteil Drüsengewebe sind Tumore schwerer zu erkennen. Deshalb hat man sich jetzt auch eher leichtgetan, die Erweiterung der Altersgrenze für das Screening nach oben in Angriff zu nehmen, statt die Grenze zu senken, wobei auch das aktuell in der Debatte ist. Viele Frauen sind biologisch betrachtet zudem unheimlich fit und werden 80, 90 oder 100 Jahre alt. Ein Screening kann hier also auch im Alter eine hohe Relevanz haben. Die Rate falsch-positiver Befunde ist außerdem deutlich geringer. Eine Mortalitätsreduktion ist klar nachgewiesen. Es sterben also auch in der Altersgruppe 70 bis 75 weniger Frauen an Brustkrebs, wenn sie an dem Screening teilnehmen.“
„Bei jungen Patientinnen ist es ein bisschen komplizierter, weil die Mammographie als solche eben nicht so aussagekräftig ist und sich dadurch Zusatzuntersuchungen häufen. Trotzdem ist auch zwischen 45 und 50 Jahren eine Reduktion der Mortalität erkennbar. In den USA wird ein Mammographie-Screening deshalb zum Beispiel sogar schon ab 40 empfohlen, die EU empfiehlt es ab 45. Die Kosten-Nutzen-Bewertung der Daten, die für alle Länder ja eigentlich gleich ist, wird allerdings unterschiedlich interpretiert, sodass es zu unterschiedlichen Empfehlungen kommt. Dass die zugrundeliegenden Daten für die neuen Altersgruppen vergleichsweise alt sind, liegt in der Natur der Sache und ist nicht zwingend als Nachteil zu werden. Es dauert eine Zeit, bis der Nutzen erkennbar ist. Um eine Mortalitätsreduktion durch ein Screening-Programm nachzuweisen, braucht es schon mal eine Begutachtung von 10 bis 20 Jahren.“
„Grundsätzlich ist es ja so, dass die Krebsfrüherkennung bei Risikopatientinnen heute schon ab dem 25. Lebensjahr regelmäßig möglich ist. In der Regel erfolgt, neben der Tastuntersuchung, eine Mammasonografie und ein MRT, ab dem 40. Lebensjahr zudem eine Mammographie. Bei gesunden, jüngeren Frauen ist die Abtastuntersuchung – selbst unter der Dusche durchgeführt oder im Rahmen eines Routinebesuchs beim Frauenarzt – state of the art. Wobei man hier klar sagen muss: Abtasten ist keine Früherkennung. Potenziell gefährliche Gewebeveränderungen sind meist erst ab einer Größe von ein bis zwei Zentimetern ertastbar. Und abhängig von ihrer Periode ertasten sich bei Frauen die Brustdrüsen auch anders. Deshalb gehört die Abtastuntersuchung zwar auf jeden Fall dazu, sie stellt aber keine klassische Krebsfrüherkennung dar.“
„Die Strahlenbelastung einer Mammographie entspricht ungefähr der eines Transatlantikflugs. Sie stellt also eine potenzielle Belastung dar, denn Röntgenstrahlen können selbst auch Krebs auslösen. Trotzdem ist die Nutzen-Risiko-Bewertung bei der Mammographie diesbezüglich positiv.“
Direktor des Instituts für Klinische Radiologie und Leiter des Referenzzentrums Mammographie, Universitätsklinikum Münster
„Brustkrebs ist inzwischen weltweit die häufigste Tumorerkrankung. Allein in Deutschland sterben nach Angaben des Robert-Koch-Instituts jedes Jahr mehr als 18.500 Frauen am Mammakarzinom. Das Mammographie-Screening ist ein effektives Verfahren zur Früherkennung von Brustkrebs und zur Senkung der Sterblichkeit an dieser Erkrankung. Eine Metaanalyse fand eine Senkung der Sterblichkeit um 21 Prozent bei allen Frauen, die zum Screening eingeladen wurden, und um 33 Prozent bei den Frauen, die an der Screening-Untersuchung teilnahmen.“
„Seit 2009 ist diese systematische Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland flächendeckend etabliert. Seitdem werden alle Frauen in der Altersgruppe zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre zu einer Röntgenuntersuchung der Brust eingeladen. Das Einladungssystem, die konsequente technische und medizinische Qualitätssicherung sowie die regelmäßige Überprüfung der Ergebnisqualität haben das Mammographie-Screening-Programm zu einem Vorzeigeprojekt der Krebsfrüherkennung in Deutschland und Europa entwickelt.“
„Das deutsche Mammographie-Screening erfüllt alle wesentlichen Qualitätsanforderungen der EU-Guidelines (zum Beispiel Brustkrebsentdeckungsrate, Rate der Intervallkarzinome). Dementsprechend fiel auch das Feedback der Vertreter der European Reference Organisation for Quality Assured Breast Screening and Diagnostic Services (EUREF) anlässlich ihrer Visitation der nationalen Referenzzentren für Mammographie aus: Sie lobten die Struktur des deutschen Mammographie-Screening-Programms; aufgrund seiner exzellenten Qualität und seines Qualitätsmanagements wurde es als eines der besten in Europa eingestuft.“
„Ähnlich wichtig wie die angestrebte Senkung der Sterblichkeit wird heute die geringere therapeutische Belastung der Frauen bewertet, bei denen im Screening Brustkrebs diagnostiziert wurde. Mehr als ein Drittel der im Screening entdeckten Mammakarzinome in Deutschland haben einen Durchmesser von unter einem Zentimeter und bei mehr als vier von fünf Frauen mit entdeckter Brustkrebserkrankung sind die sogenannte Wächterlymphknoten in der Achselhöhle tumorfrei. Vergleichsstudien in zertifizierten Brustzentren zeigen, dass deswegen Frauen nach Tumordiagnose im Screening-Programm häufiger brusterhaltend operiert werden können und seltener mit einer zusätzlichen Chemotherapie behandelt werden müssen.“
„Trotz dieser Erfolge sind weitere Verbesserungen möglich und erstrebenswert. Die Teilnahmerate am Mammographie-Screening weist in Deutschland seit Beginn ein Ost-West- und ein Land-Stadt-Gefälle auf: Frauen aus dem Osten Deutschlands und Frauen, die in ländlichen Regionen leben, nehmen das Angebot der Brustkrebsfrüherkennung deutlich häufiger und regelmäßiger wahr. Inzwischen hat es sich bei knapp über 50 Prozent der teilnahmeberechtigten Frauen eingependelt. Eine insgesamt erhöhte Teilnahmerate würde die Effektivität maßgeblich verbessern. Hierzu kann ein gesteigertes Bewusstsein der Bedeutung von Brustkrebs in der Bevölkerung beitragen – anders ausgedrückt: eine Erhöhung der sogenannten Breast Cancer Awareness.“
„Unsere westliche Gesellschaft wird immer älter; Brustkrebs ist eine Erkrankung des Alters. Aus den Screening-Analysen wird noch einmal deutlich, dass Brustkrebs in der Altersgruppe zwischen 60 und 69 Jahren häufiger auftritt als zwischen 50 und 59 Jahren. Über 70 Jahre nimmt die Erkrankungshäufigkeit keineswegs ab. Zudem leben Frauen heute im Durchschnitt länger als 80 Jahre. Gleichzeitig wird mit zunehmendem Lebensalter das Brustdrüsengewebe immer unempfindlicher für ionisierende Röntgenstrahlung. Deshalb erscheint eine Ausweitung des Screening-Programms, die Landfrauen aus Friesland angestoßen haben, gerechtfertigt. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat Ende letzten Jahres für eine Alterserweiterung bis zum 75. Lebensjahr eine positive Nutzen-Schaden-Abwägung veröffentlicht.“
„In vielen europäischen Ländern wird bereits heute Frauen ab 45 Jahren das Angebot einer Screening-Mammographie gemacht. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheits-wesen (IQWiG) hat für eine Alterserweiterung ebenfalls einen positiven Effekt ermittelt: Demnach bewahrt das Mammographie-Screening in dieser Altersgruppe etwa fünf von 10.000 zum Screening eingeladene Frauen innerhalb von zehn Jahren davor, an Brustkrebs zu versterben. Die Bewertung des Bundesamtes für Strahlenschutz für diese Altersgruppe ist unter Bearbeitung. Das Strahlenrisiko von Frauen unter 50 Jahren ist höher einzuschätzen als das von Frauen über 70 Jahre. Zudem ist die Erkrankungswahrscheinlichkeit geringer, das heißt, die Wahrscheinlichkeit für Zusatzuntersuchungen steigt.“
„Ich bin einer der Koordinatoren eines Projekts zur Mortalitätsevaluation des deutschen Mammographie-Screening-Programms, welches vom Bundesamt für Strahlenschutz über Mittel des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, des Bundesministeriums für Gesundheit sowie der Kooperationsgemeinschaft Mammographie gefördert wird.“
„Ich leite das Referenzzentrum Mammographie Münster, ein Drittmittel-Projekt der Universität Münster, und die zugehörige Referenz-Screening-Einheit. Ich gestalte und bin Teil des Fortbildungsprogramms des RZ Münster und halte Referate und Vorträge.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Waldmann et al. (2021): Zeitliche Trends der brustkrebsspezifischen Mortalität in Deutschland. Deutsches Ärzteblatt. DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0182.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Bundesamt für Strahlenschutz (13.12.2022): Mammografie-Screening-Programm: Auch für Frauen ab 70 Jahren von Nutzen. Pressemitteilung.
[II] Bundesamt für Strahlenschutz (2022): Brustkrebsfrüherkennung mittels Röntgenmammografie bei Frauen ab 70 Jahren. Wissenschaftliche Bewertung.
[III] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (2022): Überprüfung der Altersgrenzen im Mammografie-Screening-Programm. Abschlussbericht.
[IV] European Commission (2023): European guidelines on breast cancer screening and diagnosis – Screening ages and frequencies.
[V] Gemeinsamer Bundesausschuss (27.04.2023): Einleitung des Stellungnahmeverfahrens – Krebsfrüherkennungs-Richtlinie: Erweiterung der oberen Altersgrenzen im Mammographie-Screening-Programm sowie weitere Änderungen.
Prof. Dr. Matthias Beckmann
Direktor der Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen
Prof. Dr. André Karch
Stellvertretender Direktor des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin sowie Leiter der Klinischen Epidemiologie, Universitätsklinikum Münster
Prof. Dr. Achim Wöckel
Direktor der Frauenklinik und Leiter des Brustzentrums sowie des Genitalkrebszentrums, Universitätsklinikum Würzburg
Dr. Christine Köhler
Oberärztin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie Leiterin des Brustzentrums, Universitätsklinikum Marburg
Prof. Dr. Tanja Fehm
Direktorin der Frauenklinik, Universitätsklinikum Düsseldorf
Prof. Dr. Walter Heindel
Direktor des Instituts für Klinische Radiologie und Leiter des Referenzzentrums Mammographie, Universitätsklinikum Münster