Verkehrswende: Wie kann Deutschland die Klimaziele einhalten?
Gesellschaft diskutiert über mehr Klimaschutz im Verkehrssektor
Forschende: umfassendes Maßnahmenpaket nötig, um Emissionsziele einzuhalten
Ausgleich höherer Verkehrsemissionen durch andere Sektoren unrealistisch
In Politik und Gesellschaft wird derzeit intensiv darum gerungen, wie der Verkehrssektor in den kommenden Jahren Treibhausgasemissionen einsparen kann. Kaum hat sich der Koalitionsausschuss geeinigt, die Emissionsziele im Klimaschutzgesetz zukünftig sektorübergreifend zu bewerten [I] und so womöglich Druck vom Verkehrssektor zu nehmen, weitet die „Letzte Generation“ ihre Straßenblockaden in Berlin auf unbestimmte Zeit aus, um die Regierung zu mehr Maßnahmen zu bewegen. Obgleich viele Vorschläge für Maßnahmen existieren, ist es bisher nicht gelungen, die Emissionen des Verkehrssektors zu senken – Effizienzgewinne wurden immer wieder durch Rebound-Effekte neutralisiert [II]. Politische Maßnahmen wie das Sofortprogramm des vergangenen Jahres reichen bislang nicht aus, um Deutschlands Verkehr auf den Zielpfad bis 2030 zu bringen [III] [IV]. Statt zu diskutieren, mit welchen Maßnahmenpaketen sich die Emissionsziele des Verkehrs noch erreichen ließen, fokussiert sich die momentane öffentliche Debatte meist auf einzelne Vorschläge. So wird über das 49-Euro-Ticket diskutiert [V] oder darüber, wie sinnvoll ein Tempolimit wäre [VI].
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Weiterführende Recherchequellen
Agora Verkehrswende (2018): Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030.
Ältere Studie, die daher neue Entwicklungen, etwa der EU-Klimapolitik, noch nicht abbildet. Die Studie zeigt jedoch übersichtlich, wie stark die Emissionsminderungen nicht nur vom Typ, sondern auch von der konkreten Ausgestaltung der gewählten Maßnahmen abhängt.
Axen J et al. (2020): Crafting strong, integrated policy mixes for deep CO2 mitigation in road transport. Nature Climate Change. DOI: 10.1038/s41558-020-0877-y.
Zusammenfassung der Evidenz für verschiedene Maßnahmen zur Minderung von Emissionen im Verkehrssektor. Als wichtigste Maßnahmen werden Emissionsstandards für Treibstoffe und Flotten sowie Förderung von Null-Emissions-Fahrzeugen identifiziert. Eine Kombination mit Preismechanismen wie CO2-Preisen und Maßnahmen zur Minderung des Verkehrsaufkommens wird empfohlen. Das SMC hat die Studie bei Veröffentlichung als Research in Context von Expertinnen und Experten einschätzen lassen.
Koch N et al. (2022): Attributing agnostically detected large reductions in road CO2 emissions to policy mixes. Nature Energy. DOI:10.1038/s41560-022-01095-6.
Empirische Analyse von Maßnahmenpaketen, um Emissionen im Verkehr zu mindern. Ergebnis: Erfolgreiche Maßnahmenpakete erhöhen einerseits die Kosten des Autofahrens, etwa über CO2-Steuern, was das Fahrverhalten beeinflusst, und ändern andererseits über Steuern oder Subventionen die Investitionsentscheidung beim Autokauf.
Levi S et al. (2021): Analyse: Klimaschutz und Verkehr – Zielerreichung nur mit unbequemen Maßnahmen möglich.
Analyse in Rahmen des vom BMBF-geförderten Ariadne-Projekts, welche Maßnahmen wie viel bringen, welches Maßnahmenpaket notwendig für erfolgreichen Klimaschutz im Verkehr wäre und wie stark die öffentliche Zustimmung – auch nach Parteipräferenzen differenziert – zu den verschiedenen Maßnahmen ist. Ergebnis: Unabhängig von der Verteilungswirkung haben die wirkungsstärksten Maßnahmen geringere Zustimmung. Nur diejenigen Maßnahmen mit mehrheitlicher Zustimmung umzusetzen, senkt die Emissionen nicht genug.
Umweltbundesamt (23.03.2023): Klimaschutz im Verkehr.
Vorschlag für ein Maßnahmenpaket, mit dem sich die Klimaziele im Verkehr erreichen lassen könnten. Wechselwirkungen zwischen den Maßnahmen werden explizit gemacht und Schätzwerte für die Minderungspotentiale einzelner Bausteine werden genannt. Eine Linkliste unter dem Text verweist auf detailliertere Dokumente zu den einzelnen Maßnahmen.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Koalitionsausschuss (28.03.2023): Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung.
[II] Expertenrat für Klimafragen (04.11.2022): Zweijahresgutachten 2022.
Abbildung 49 zeigt, dass Effizienzgewinne im Verkehr durch mehr Fahrten neutralisiert wurden. Rückgang der Emissionen in den Zahlen seit 2000 liegt nur am vermehrten Tanken im Ausland.
[III] Expertenrat für Klimafragen (25.08.2022): Prüfbericht zu den Sofortprogrammen 2022 für den Gebäude- und Verkehrssektor.
Fazit für den Verkehrssektor auf Seite 83.
[IV] Umweltbundesamt (11.02.2022): Projektionsbericht 2021 für Deutschland.
Fazit zur projizierten Entwicklung der Treibhausgasemissionen des Verkehrs auf Seite 270.
[V] Science Media Center (2023): Klimaschutz beim Verkehr: Welche Rolle kann das Deutschlandticket spielen?. Science Response. Stand: 03.02.2023.
[VI] Science Media Center (2023): Tempolimit: 130 km/h könnte großen ökonomischen Nutzen entfalten. Research in Context. Stand: 20.04.2023.
[VII] Bundesministerium der Justiz (18.08.2021): Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG).
Spezifizierung der jeweiligen Sektoren in Anlage 1.
[VIII] Umweltbundesamt (15.03.2023): Berechnung der Treibhausgasemissionsdaten für das Jahr 2022 gemäß Bundesklimaschutzgesetz. Begleitender Bericht.
Anteil des Straßenverkehrs an den Verkehrsemissionen ersichtlich aus Abbildung 5.
Thorsten Koska
Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH
Dr. Patrick Plötz
Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
Prof. Dr. Meike Jipp
Direktorin des Instituts für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Berlin