SMC Corona Report
Dieser Report des Science Media Center Germany (SMC) fasst das aktuelle Corona-Geschehen anhand relevanter Kennzahlen zusammen und bietet neue Blickwinkel auf die verfügbaren Daten.
Das SMC verschafft Ihnen damit einen raschen Überblick über den Verlauf der gegenwärtigen Pandemie in Deutschland. Wir liefern nicht nur die nackten Zahlen, sondern ordnen die Statistiken und ihre zeitliche Entwicklung auch ein. So können Sie mit einem Blick die sich dynamisch verändernde aktuelle Situation erfassen.
Seit dem letzten SMC Corona Report am 02. Juni haben sich die gemeldeten Inzidenzen mehr als verdoppelt. Grund dafür ist vorwiegend die Variante BA.5, die auch in Deutschland jetzt den Großteil der Infektionen ausmacht. In der 24. Kalenderwoche, also vor zwei Wochen lag der Anteil dieser Variante bereits bei 65,7 Protent, der aktuelle Wert dürfte noch einmal deutlich höher liegen. Aktuell wächst die Inzidenz nur noch deutlich langsamer. Ob wir aktuell nahe am Peak der BA.5 Welle sind, lässt sich aber noch nicht sicher sagen. In der 25. Kalenderwoche waren die Labore laut ALM e.V. mit 30 Prozent Kapazität nicht ausgelastet. Betrachtet man die Testzahlen und Testpositivraten in den Altersgruppen sieht man, dass die Testpositivraten weiter steigen, die Zahl der durchgeführten Tests aber nur leicht steigt. Damit ist es wahrscheinlich, dass auch gerade die Dunkelzifer deutlich größer ist, als zum Beispiel während der BA.2-Welle im Frühjahr. Dies ist beim Vergleich von Meldeinzidenzen zu beachten. Aktuelle können demnach nicht ohne weiteres mit historischen Inzidenzen verglichen werden. Der ansteigende oder abfallende Trend der Infektionswelle ist aber weiterhin erkennbar. Auch deuten die niedrigen Testpositivraten verbunden mit der höheren Zahl der durchgeführten Tests pro 100 000 Personen in der Altersgruppe ab 80 Jahren darauf hin, dass insbesondere in dieser Altersgruppe mit hohem Risiko weiterhin getestet wird.
Trotz der wachsenden Unsicherheiten bei der Meldeinzidenz, kann die aktuelle Situation mit den Surveillance-Systemen des RKI gut eingeschätzt werden. Laut Situationsbericht des RKI sind die ARE-Raten (Abbildung 6 im RKI-Bericht), also der geschätzte Anteil der Bevölkerung, der in einer Woche eine Atemwegserkrankung aufweist, bei 5,4 Prozent und damit fast so hoch wie in der Spitze der BA.2-Welle. Aber schon bei den Arztkonsultationen (Abbildung 7 im RKI-Bericht) aufgrund von Atemwegserkrankungen liegt der aktuelle Wert deutlich unterhalb des Maximums der BA.2-Welle. Noch deutlicher wird dies bei den Arztkonsultationen mit COVI-19-Diagnose (Abbildung 8 im RKI-Bericht).
Im stationären Bereich zeigt sich, warum die aktuelle Lage nicht mit vorherigen Wellen vergleichbar ist. Die Krankenhausaufnahmen aufgrund von Atemwegserkrankungen (Abbildung 9 im RKI-Bericht) liegt trotz BA.5 auf einem unauffälligen Niveau und ist mit den vorpandemischen Jahren vergleichbar. Auf der Intensivstation (Abbildung 10 im RKI-Bericht) gibt es aufgrund der kleineren Fallzahlen größere wöchentliche Schwankungen, aber auch hier ist kein deutlich steigender Trend ersichtlich.
Vergleicht man diese Daten mit denen in diesem Report abgebildete Aufnahmedaten der DKG (Normalstation) und der DIVI (Intensivstationen), fällt ein vermeintlicher Widerspruch auf, denn diese Zeitreihen steigen an. In den Zeitreihen der DIVI und der DKG werden allerdings alle Fälle betrachtet, die mit einer SARS-CoV-2-Infektion im Krankenhaus liegen, also nicht dur diejenigen, bei denen die Infektion der Grund dafür ist. Mit steigender Inzidenz sind auch wieder zunehmend mehr Personen infiziert, die aus anderen Gründen ins Krankenhaus müssen. Auch das kann durch zusätzlich notwendige Isolationsmaßnahmen in den Krankenhäusern zu einer höheren Belastung führen. Aktuell sind aber auch hier die Zahlen nicht so hoch, wie in der Spitze der BA.2-Welle.
Das COVID-19 Scenario Modeling Hub, ein Zusammenschluss verschiedener US-amerikanischer Forschungsgruppen hat eine neue Projektion der Corona-Pandemie in den USA bis zum Frühjahr kommenden Jahres veröffentlicht. Dabei werden die Modelle der verschiedenen Projektgruppen auf die verschiedenen Szenarien angewendet, verglichen und zusammengefasst. Als Szenarien wurden verschiedene Situationen betrachtet, je nachdem ob Virusvarianten mit Immunflucht auftreten, oder der Schutz vor Infektion in der Bevölkerung schneller nachlässt.
Die einzelnen Modelle kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, wenn es um den Verlauf einzelner Wellen in den kommenden Monaten geht. Über die Anzahl und genaue Form zukünftiger Wellen gibt es also derzeit sehr viel Unsicherheit. Insgesamt kommen die Modellrechnungen für die Vereinigten Staaten zu dem Schluss, dass Hospitalisierungsinzidenz mit hoher Wahrscheinlichkeit die vergangene Winterwelle auch unter den pessimistischen Szenarien nicht deutlich überschreitet und wahrscheinlich sogar deutlich niedriger ausfallen wird.
Die Grafik zeigt die Inzidenzen einmal für alle Altersgruppen und einmal ab 60 Jahren. Die Inzidenzen steigen aktuell nur langsam, was aber auch an einer steigenden Dunkelziffer liegen könnte.
Die Grafik zeigt für jeden Tag das prozentuale Wachstum der geglätteten Fallzahlen im Vergleich zur Vorwoche. Dabei werden einmal alle gemeldeten Fälle berücksichtigt und einmal nur Fälle mit einem Alter von mindestens 60 Jahren. Das Wachstum hat sich deutlich verlangsamt.
Im Folgenden wird das Wachstum der Inzidenz vom 26.06.2022 im Vergleich zur Vorwoche betrachtet. In allen Bundesländern steigen die Inzidenzen.
Seit dem 01. Juni 2022 werden die Belegungszahlen in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr erhoben. Da dieses Bundesland eine sehr geringe Bevölkerungszahl aufweist, ändert sich die Zeitreihe dadurch nicht nennenswert. Die Zahl der mit COVID-19-Fällen belegten Betten auf den Normalstationen steigt, liegt aber noch deutlich unterhalb des Spitzenwertes der BA.2-Welle.
Die Zahl der COVID-19-Fälle auf den Intensivstationen steigt.
Einen besseren Eindruck von der aktuell beschleunigten Dynamik bekommt man – wie immer bei exponentiellem Wachstum –, wenn man auf das prozentuale Wachstum schaut. In der folgenden Grafik ist das prozentuale Wachstum der mit COVID-19-Fällen belegten Intensivbetten im Vergleich zur Vorwoche abgetragen. Zusätzlich ist auch das um eine Woche verschobene Wachstum der gemeldeten Fallzahlen der Altersgruppen ab 60 Jahren dargestellt. Da gemeldete Fälle in der Regel erst nach einigen Tagen intensivmedizinisch behandelt werden müssen – sofern sie diese Behandlung benötigen, sind durch diese Verschiebung die Wachstumsraten besser zu vergleichen.
Das Wachstum der Zahl der mit COVID-19-Fällen belegten Betten ist zuletzt deutlich gestiegen.
In fast allen Bundesländern steigt die Zahl der durch COVID-19-Fälle belegten Betten. Die absoluten Zahlen sind aber weiterhin niedrig.
Schaut man sich nach Bundesländern an, wie die Intensivstationen ausgelastet sind, lag im vergangenen Winter das jeweilige Maximum auf einem anderen relativen Niveau. Während Berlin und Sachsen in der Spitze eine Auslastung von etwa 40 Prozent erreichten, waren in Schleswig-Holstein nicht einmal 20 Prozent der gemeldeten Intensivbetten mit COVID-19-Fällen belegt. Die relative Grenze schwankt dabei über die Zeit, da nicht an jedem Tag gleich viele verfügbare Betten gemeldet werden. Um die relative Belastung vergleichen zu können, werden auf der Y-Achse unterschiedliche absolute Skalen verwendet. In allen Bundesländern liegt die durch COVID-19-Fälle verursachte Auslastung der Intensivbetten unter 20 Prozent.
Die Grafik zeigt die Inzidenzen in den Altersgruppen nach Kalenderwoche.
In allen Altersgruppen steigen die Inzidenzen. Absolut sind sie in den oberen Altersgruppen niedriger, obwohl dort mehr getestet wird.
Aktuell werden PCR-Tests insbesondere in den Altersgruppen durchgeführt, die aufgrund ihres Alters besonder gefährdet sind. In den Altersgruppen ab 60 Jahren sind die Testpositivraten im Vergleich zu den anderen Altersgruppen niedrig. Insgesamt steigen sie aber in allen Altersgruppen.
Da die Zahl der neu bestätigten Infektionsfälle (blaue Balken) im Wochenrhythmus schwankt, wird an dieser Stelle auch ein Mittelwert der jeweils vergangenen sieben Tage angegeben (blaue Linie). Da die vergangenen sieben Tage betrachtet werden, läuft dieser Wert den Meldezahlen immer etwas nach.
Die Tatsache, dass die Kreise in Deutschland sehr unterschiedliche Einwohnerzahlen haben, macht die Vergleichbarkeit schwer. Relative Maßzahlen können bei kleinen Kreisen dazu führen, dass Zufallsschwankungen großen Einfluss haben, große Kreise haben bei gleicher relativer Anzahl viel mehr Fälle, so dass sie bei absoluten Maßzahlen eher auffallen.
Die folgenden beiden Tabellen enthalten vier verschiedene Maßzahlen. Für den 28.06.2022 werden jeweils die für sieben Tage geglätteten Fallzahlen pro Tag und die Inzidenz angegeben. Darüber hinaus wird jeweils die Differenz der Maßzahl zu dem Wert vom 21.06.2022 angegeben, um eine Veränderung zur Vorwoche zu betrachten.
Die erste Tabelle zeigt die zehn Kreise mit den höchsten Differenzen der Fallzahlen zur Vorwoche, in der zweiten Tabelle werden die Kreise mit den höchsten Differenzen der Inzidenz zur Vorwoche angegeben. Während auf Grund der absoluten Maßzahl in der ersten Tabelle eher große Kreise enthalten sind, werden in der zweiten Tabelle tendenziell kleinere Kreise aufgezählt. Beide Tabellen geben keine Aussage darüber, ob hier steigende Fallzahlen im gesamten Kreis oder nur in einigen Einrichtungen vorliegen.
Landkreis | Differenz Fälle pro Tag | Fallzahlen pro Tag | Differenz Inzidenz | Inzidenz |
---|---|---|---|---|
SK München | 518.7 | 1354.4 | 244.0 | 637.1 |
SK Hamburg | 430.9 | 2309.3 | 162.8 | 872.6 |
LK Borken | 322.0 | 764.4 | 606.0 | 1438.8 |
SK Köln | 279.7 | 1282.6 | 180.7 | 828.6 |
SK Bochum | 259.6 | 429.1 | 498.5 | 824.2 |
SK Dortmund | 250.9 | 689.4 | 298.8 | 821.2 |
LK Märkischer Kreis | 222.3 | 694.3 | 380.7 | 1189.2 |
SK Düsseldorf | 205.4 | 771.3 | 231.8 | 870.1 |
SK Kiel | 203.9 | 532.9 | 578.7 | 1512.6 |
LK Rhein-Kreis Neuss | 199.6 | 722.6 | 309.0 | 1119.0 |
Landkreis | Differenz Fälle pro Tag | Fallzahlen pro Tag | Differenz Inzidenz | Inzidenz |
---|---|---|---|---|
LK Borken | 322.0 | 764.4 | 606.0 | 1438.8 |
SK Kiel | 203.9 | 532.9 | 578.7 | 1512.6 |
LK Verden | 108.7 | 318.7 | 553.2 | 1621.7 |
LK Rotenburg (Wümme) | 125.9 | 334.3 | 535.6 | 1422.6 |
SK Bochum | 259.6 | 429.1 | 498.5 | 824.2 |
SK Ansbach | 28.0 | 57.3 | 470.3 | 962.1 |
LK Rendsburg-Eckernförde | 182.0 | 579.4 | 463.7 | 1476.2 |
LK Plön | 84.1 | 246.9 | 455.4 | 1335.9 |
LK Stade | 129.3 | 462.3 | 440.7 | 1575.8 |
LK Heidekreis | 87.4 | 236.3 | 434.4 | 1174.0 |
Diesem Report liegen die Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) zu Grunde, die auf GitHub zur Verfügung gestellt werden. Da ein Teil der Daten erst Tage nach dem offiziellen Meldedatum vom RKI erfasst werden, können sich diese auch nachträglich ändern. Insbesondere die jüngsten Daten unterliegen in der Regel noch starken Veränderungen und werden in diesem Report deswegen grau hinterlegt. Der Datensatz ist nach den Landkreisen und kreisfreien Städten, Berlin zusätzlich in die Bezirke aufgeteilt. Die Zahl der nicht diagnostizierten Fälle ist unbekannt und daher nicht enthalten.
Weitere Datenquellen sind die SurvStat-Datenbank des RKI und das DIVI-Intensivregister. Bevölkerungsdaten stammen aus der Genesis-Datenbank des statistischen Bundesamts beziehungsweise des Landesamts Berlin-Brandenburg. Die Bettenbelegung der Normalstation wird von der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. zur Verfügung gestellt.
Der in diesem Bericht verwendete Begriff Inzidenz ist allgemein als die Häufigkeit der in einer Zeitspanne neu auftretenden Fälle einer Erkrankung innerhalb einer Population definiert. Hier sind damit immer die in den vergangenen sieben Tagen gemeldeten Fälle pro 100 000 Personen gemeint.
Seit Beginn des Jahres 2020 und verstärkt in Zeiten der Corona-Pandemie verfolgt und bewertet die Redaktion und das SMC Lab täglich alle zugänglichen Daten und Meldezahlen zu COVID-19. Doch Zahlen, Fakten und Grafiken reichen für sich allein nicht aus, das komplexe Geschehen angemessen zu beschreiben und zu verstehen, was relevant ist.
Für informierte Diskussionen hatte das SMC Lab, seine Programmierer, Software-Experten und unser Statistiker bereits zu Jahresbeginn Tools zur Verfügung gestellt, damit die Redaktion interaktiv Daten zu COVID-19 verfolgen, diese visuell leicht erfassbar darzustellen und um wichtige Maßzahlen in Zeitreihen beobachten zu können - für Deutschland, die Bundesländer, die Kreise und kreisfreien Städte sowie International.
Diese Tools stellen wir nun schrittweise in interaktiven Apps zur Verfügung, damit Nutzerinnen und Nutzer dort Daten anschauen und downloaden können, die für Sie relevant sind.
Die Meldezahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Corona-Epidemie in Deutschland finden Sie unter diesem Link.
Die internationalen Meldezahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO finden Sie unter diesem Link.
Wenn Sie Fragen zu diesen Daten haben oder Auswertungen für weitere Länder erhalten wollen, das SMC Lab kann Auswertungen erzeugen.
Lars Koppers, Datenwissenschaftler
Heinz Greuling, Leiter Innovation Digitale Medien
Telefon: +49 221 8888 25-0
E-Mail: redaktion@sciencemediacenter.de