SMC Corona Report
Dieser wöchentliche Report des Science Media Center Germany (SMC) fasst das aktuelle Corona-Geschehen anhand relevanter Kennzahlen zusammen und bietet neue Blickwinkel auf die verfügbaren Daten.
Das SMC verschafft Ihnen damit einen raschen Überblick über den Verlauf der gegenwärtigen Pandemie in Deutschland. Wir liefern nicht nur die nackten Zahlen, sondern ordnen die Statistiken und ihre zeitliche Entwicklung auch ein. So können Sie mit einem Blick die sich dynamisch verändernde aktuelle Situation erfassen.
Die Testpositivrate ist laut ALM e.V. in der vergangenen Woche auf 56,4 Prozent gestiegen. Aus den Daten der laborbasierten SARS-CoV-2-Surveillance des RKI geht hervor, dass die Testpositivrate in den Altersgruppen ab 35 Jahren angestiegen ist. In den unteren Altersgruppen stagniert sie. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass die Dunkelziffer gerade eher in den oberen Altersgruppen wächst. Insgesamt befinden wir uns weiterhin in einer Situation, in der die Inzidenzen aufgrund von Engpässen bei den Laboren oder im Meldewesen nach oben begrenzt sein können. Die Zahlen aus den Intensivstationen zeigen, dass es bei den besonders schweren Fällen aktuell keinen steigenden Trend gibt. Die Zahl der mit COVID-19-Fällen belegten Intensivbetten liegt seit Mitte Januar mit leichten Schwankungen auf ähnlichem Niveau. Auf der Normalstation gibt es zwar einen Anstieg der Hospitalisierungsinzidenz, ein starker Anstieg oder exponentielle Entwicklungen sind hier aber nicht zu beobachten.
Da die geplanten Lockerungen in vielen Bundesländern auf Anfang April verschoben wurden, stellt sich die Frage, wie sich die epidemiologische Lage im April entwickeln wird. Da die Zahl der Infektionen stark vom Verhalten der Bevölkerung abhängt, ist eine genaue Prognose nicht möglich. Mit verschiedenen Annahmen lässt sich allerdings abschätzen, welche Szenarien plausibel und welche unplausibel erscheinen. Best Case Szenarien lassen sich nur schwer definieren, da insbesondere die Höhe der Dunkelziffer und der Einfluss des Frühlingsanfangs schwer abzuschätzen ist. Bei den worst case Szenarien lässt sich etwas mehr aussagen. Unter der Annahme, dass Reinfektionen in einem überschaubaren Zeitraum von 12 Wochen eher die Ausnahme sind, kann man die Zahl der potenziell infizierbaren Menschen abschätzen. Bei einer geschätzten Dunkelziffer, die im Schnitt eben so hoch ist wie die gemeldeten Fälle, sind bei den Schulkindern in den vergangenen 12 Wochen bis zum Anfang dieser Woche etwa 55 Prozent infiziert gewesen, in den mittleren Altersgruppe sind es fast 40 Prozent. Inklusive angenommener Dunkelziffer infizieren sich in diesen Altersgruppen etwa 5 Prozent der Bevölkerung pro Woche. Unter Fortschreibung dieser Zahlen hätten zum Zeitpunkt der Lockerungen Anfang April etwa 65 Prozent der Schulkinder und etwa 50 Prozent der mittleren Altersgruppen eine Infektion erst kürzlich durchgemacht. Mit diesen Zahlen im Hinterkopf erscheint es plausibel, dass schon eine Verdopplung der wöchentlichen Infektionen über einen längeren Zeitraum eher unwahrscheinlich ist, denn schon zwei Wochen mit einer doppelt so hohen Inzidenz würden zu 20 Prozentpunkten zusätzlichen Infektionen in den Altersgruppen führen. Da erfahrungsgemäß Infektionswellen nicht abrupt abbrechen, sondern auslaufen, wären insbesondere bei Schulkindern in so einem Szenario kaum noch ausreichend ansteckbare Personen übrig. Ein Anstieg der Zahl der Infektionen in den kommenden Wochen ist also möglich, eine längere Verdopplung aber eher unwahrscheinlich.
Anders sieht die Situation in den oberen Altersgruppen aus. Hier sind unter den oben getroffenen Annahmen noch größere Anteile potentiell infizierbar. Auch das Inzidenzwachstum war in der vergangenen Woche in diesen Altersgruppen am höchsten. In diesen Altersgruppen ist der Anteil der Personen mit Auffrischimpfungen aber am höchsten und der Infektionsdruck könnte auch hier nachlassen, wenn in den unteren und mittleren Altersgruppen die Inzidenzen sinken.
Die Grafik zeigt die Inzidenzen einmal für alle Altersgruppen und einmal ab 60 Jahren. Die Inzidenz steigt in der Gesamtbevölkerung. In der Altersgruppe ab 60 Jahren steigt die Inzidenz seit Jahresanfang.
Die Grafik zeigt für jeden Tag das prozentuale Wachstum der geglätteten Fallzahlen im Vergleich zur Vorwoche. Dabei werden einmal alle gemeldeten Fälle berücksichtigt und einmal nur Fälle mit einem Alter von mindestens 60 Jahren. Das Wachstum in der Altersgruppe ab 60 Jahren ist aktuell wieder größer als das Gesamtwachstum. Das aktuelle Absinken des Wachstums kann auch in Zusammenhang zu den begrenzten Kapazitäten in den Laboren stehen.
Im Folgenden wird das Wachstum der Inzidenz vom 19.03.2022 im Vergleich zur Vorwoche betrachtet. In fast allen Bundesländern steigen die Inzidenzen.
Die Zahl der COVID-19-Fälle auf den Intensivstationen liegt bisher in diesem Jahr auf gleichem Niveau, zuletzt gab es wieder einen Anstieg, insgesamt bleibt das Niveau aber stabil.
Einen besseren Eindruck von der aktuell beschleunigten Dynamik bekommt man – wie immer bei exponentiellem Wachstum –, wenn man auf das prozentuale Wachstum schaut. In der folgenden Grafik ist das prozentuale Wachstum der mit COVID-19-Fällen belegten Intensivbetten im Vergleich zur Vorwoche abgetragen. Zusätzlich ist auch das um eine Woche verschobene Wachstum der gemeldeten Fallzahlen der Altersgruppen ab 60 Jahren dargestellt. Da gemeldete Fälle in der Regel erst nach einigen Tagen intensivmedizinisch behandelt werden müssen – sofern sie diese Behandlung benötigen, sind durch diese Verschiebung die Wachstumsraten besser zu vergleichen.
Die Zahl der mit COVID-19-Fällen belegten Betten wächst nur langsam.
Der Trend der Belegung auf den Intensivstationen ist für die meisten Bundesländer steigend. Hohes Wachstum verzeichnen aktuell nur kleine Bundesländer.
Schaut man sich nach Bundesländern an, wie die Intensivstationen ausgelastet sind, lag im vergangenen Winter das jeweilige Maximum auf einem anderen relativen Niveau. Während Berlin und Sachsen in der Spitze eine Auslastung von etwa 40 Prozent erreichten, waren in Schleswig-Holstein nicht einmal 20 Prozent der gemeldeten Intensivbetten mit COVID-19-Fällen belegt. Die relative Grenze schwankt dabei über die Zeit, da nicht an jedem Tag gleich viele verfügbare Betten gemeldet werden. Um die relative Belastung vergleichen zu können, werden auf der Y-Achse unterschiedliche absolute Skalen verwendet. In allen Bundesländern liegt die durch COVID-19-Fälle verursachte Auslastung der Intensivbetten unter 20 Prozent.
Die Grafik zeigt die Inzidenzen in den Altersgruppen nach Kalenderwoche.
Die Inzidenzen steigen in allen Altersgruppen. Das höchste Wachstum verzeichnen die oberen Altersgruppen.
Die Testpositivrate steigt in den Altersgruppen ab 35 Jahren, darunter stagniert sie.
Da die Zahl der neu bestätigten Infektionsfälle (blaue Balken) im Wochenrhythmus schwankt, wird an dieser Stelle auch ein Mittelwert der jeweils vergangenen sieben Tage angegeben (blaue Linie). Da die vergangenen sieben Tage betrachtet werden, läuft dieser Wert den Meldezahlen immer etwas nach.
Die Tatsache, dass die Kreise in Deutschland sehr unterschiedliche Einwohnerzahlen haben, macht die Vergleichbarkeit schwer. Relative Maßzahlen können bei kleinen Kreisen dazu führen, dass Zufallsschwankungen großen Einfluss haben, große Kreise haben bei gleicher relativer Anzahl viel mehr Fälle, so dass sie bei absoluten Maßzahlen eher auffallen.
Die folgenden beiden Tabellen enthalten vier verschiedene Maßzahlen. Für den 21.03.2022 werden jeweils die für sieben Tage geglätteten Fallzahlen pro Tag und die Inzidenz angegeben. Darüber hinaus wird jeweils die Differenz der Maßzahl zu dem Wert vom 14.03.2022 angegeben, um eine Veränderung zur Vorwoche zu betrachten.
Die erste Tabelle zeigt die zehn Kreise mit den höchsten Differenzen der Fallzahlen zur Vorwoche, in der zweiten Tabelle werden die Kreise mit den höchsten Differenzen der Inzidenz zur Vorwoche angegeben. Während auf Grund der absoluten Maßzahl in der ersten Tabelle eher große Kreise enthalten sind, werden in der zweiten Tabelle tendenziell kleinere Kreise aufgezählt. Beide Tabellen geben keine Aussage darüber, ob hier steigende Fallzahlen im gesamten Kreis oder nur in einigen Einrichtungen vorliegen.
Landkreis | Differenz Fälle pro Tag | Fallzahlen pro Tag | Differenz Inzidenz | Inzidenz |
---|---|---|---|---|
Region Hannover | 635.9 | 3774.3 | 385.3 | 2286.8 |
LK Rosenheim | 548.4 | 1006.6 | 1466.8 | 2692.2 |
SK Hamburg | 516.0 | 3316.0 | 195.0 | 1253.0 |
SK Leipzig | 351.0 | 2255.1 | 411.2 | 2642.0 |
SK Frankfurt am Main | 331.9 | 1455.0 | 304.0 | 1332.9 |
LK Emsland | 319.9 | 1573.9 | 680.6 | 3349.3 |
SK Münster | 308.3 | 1038.4 | 682.1 | 2297.4 |
SK Dresden | 276.0 | 2024.1 | 347.3 | 2547.3 |
LK Rostock | 262.9 | 1082.4 | 847.6 | 3490.5 |
LK Esslingen | 259.9 | 1602.4 | 340.9 | 2102.1 |
Landkreis | Differenz Fälle pro Tag | Fallzahlen pro Tag | Differenz Inzidenz | Inzidenz |
---|---|---|---|---|
SK Suhl | 78.1 | 112.0 | 1502.9 | 2154.1 |
SK Rosenheim | 134.7 | 242.3 | 1482.9 | 2667.0 |
LK Rosenheim | 548.4 | 1006.6 | 1466.8 | 2692.2 |
LK Altmarkkreis Salzwedel | 142.3 | 381.9 | 1204.6 | 3232.7 |
LK Forchheim | 196.3 | 636.4 | 1178.4 | 3820.8 |
LK Ilm-Kreis | 169.9 | 372.7 | 1125.9 | 2470.5 |
LK Kusel | 108.6 | 219.0 | 1084.1 | 2186.7 |
LK Cham | 171.9 | 566.7 | 939.1 | 3096.9 |
LK Kyffhäuserkreis | 96.4 | 320.1 | 918.1 | 3048.1 |
LK Rostock | 262.9 | 1082.4 | 847.6 | 3490.5 |
Diesem Report liegen die Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) zu Grunde, die auf GitHub zur Verfügung gestellt werden. Da ein Teil der Daten erst Tage nach dem offiziellen Meldedatum vom RKI erfasst werden, können sich diese auch nachträglich ändern. Insbesondere die jüngsten Daten unterliegen in der Regel noch starken Veränderungen und werden in diesem Report deswegen grau hinterlegt. Der Datensatz ist nach den Landkreisen und kreisfreien Städten, Berlin zusätzlich in die Bezirke aufgeteilt. Die Zahl der nicht diagnostizierten Fälle ist unbekannt und daher nicht enthalten.
Weitere Datenquellen sind die SurvStat-Datenbank des RKI und das DIVI-Intensivregister. Bevölkerungsdaten stammen aus der Genesis-Datenbank des statistischen Bundesamts beziehungsweise des Landesamts Berlin-Brandenburg.
Der in diesem Bericht verwendete Begriff Inzidenz ist allgemein als die Häufigkeit der in einer Zeitspanne neu auftretenden Fälle einer Erkrankung innerhalb einer Population definiert. Hier sind damit immer die in den vergangenen sieben Tagen gemeldeten Fälle pro 100 000 Personen gemeint.
Seit Beginn des Jahres 2020 und verstärkt in Zeiten der Corona-Pandemie verfolgt und bewertet die Redaktion und das SMC Lab täglich alle zugänglichen Daten und Meldezahlen zu COVID-19. Doch Zahlen, Fakten und Grafiken reichen für sich allein nicht aus, das komplexe Geschehen angemessen zu beschreiben und zu verstehen, was relevant ist.
Für informierte Diskussionen hatte das SMC Lab, seine Programmierer, Software-Experten und unser Statistiker bereits zu Jahresbeginn Tools zur Verfügung gestellt, damit die Redaktion interaktiv Daten zu COVID-19 verfolgen, diese visuell leicht erfassbar darzustellen und um wichtige Maßzahlen in Zeitreihen beobachten zu können - für Deutschland, die Bundesländer, die Kreise und kreisfreien Städte sowie International.
Diese Tools stellen wir nun schrittweise in interaktiven Apps zur Verfügung, damit Nutzerinnen und Nutzer dort Daten anschauen und downloaden können, die für Sie relevant sind.
Die Meldezahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Corona-Epidemie in Deutschland finden Sie unter diesem Link.
Die internationalen Meldezahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO finden Sie unter diesem Link.
Wenn Sie Fragen zu diesen Daten haben oder Auswertungen für weitere Länder erhalten wollen, das SMC Lab kann Auswertungen erzeugen.
Lars Koppers, Datenwissenschaftler
Heinz Greuling, Leiter Innovation Digitale Medien
Telefon: +49 221 8888 25-0
E-Mail: redaktion@sciencemediacenter.de