Medizin & Lebenswissenschaften

3. Februar 2022

SMC Corona Report

Dieser wöchentliche Report des Science Media Center Germany (SMC) fasst das aktuelle Corona-Geschehen anhand relevanter Kennzahlen zusammen und bietet neue Blickwinkel auf die verfügbaren Daten.

Das SMC verschafft Ihnen damit einen raschen Überblick über den Verlauf der gegenwärtigen Pandemie in Deutschland. Wir liefern nicht nur die nackten Zahlen, sondern ordnen die Statistiken und ihre zeitliche Entwicklung auch ein. So können Sie mit einem Blick die sich dynamisch verändernde aktuelle Situation erfassen.

Überblick

  • Die aktuelle Lage
  • Fallzahlen in Deutschland und den Bundesländern
  • Fallzahlen auf den Intensivstationen
  • Fallzahlen in den Altersgruppen
  • Fälle nach Meldedatum
  • Auffällige Kreise
  • Die Datenbasis
  • Corona Zeitreihen – die SMC Apps

Die aktuelle Lage

  • Peak bei den Schulkindern jederzeit zu erwarten
  • Bettenbelegung auf den Intensivstationen steigt leicht
  • Neue RKI-Studie zeigt Szenarien für die kommenden Wochen auf

In der vergangenen Woche ist die Positivrate im Laborverband ALM e.V. auf 41,1 Prozent angestiegen und liegt damit fast 10 Prozentpunkte höher als in der dritten Kalenderwoche. Die Auslastung liegt weiterhin bei 95 Prozent, was darauf hindeutet, dass die Kapazitätsgrenze vielerorts erreicht ist. Für die laufende Woche ist nur eine kleine Steigerung der Kapazität angekündigt. In der aktuellen Situation eines überlasteten Meldewesens ist zu erwarten, dass die Meldeinzidenzen nicht mehr stark steigen, dafür werden aber die Untererfassung und damit die Dunkelziffer steigen.

Dass aber auch der tatsächliche Scheitel der aktuellen Omikron-Welle kurz bevorstehen muss, lässt sich über ein kleines Gedankenexperiment nachvollziehen. Geht man von einer moderaten Dunkelziffer aus, haben sich in den vergangenen drei Monaten rund 20 Prozent der 5- bis 14-Jährigen Infiziert. Allein in der vergangenen Woche waren es über 3 Prozent. Setzt man in dieser Woche ein Wachstum von 60 Prozent an, so wie es in den vergangenen Wochen im Bevölkerungsschnitt beobachtet wurde, würden in dieser Woche etwa 5 Prozentpunkte zum Anteil der in diesem Winter infizierten Kinder hinzukommen. Selbst wenn man diesen Anteil von 5 Prozent für die kommenden Wochen beibehält und nicht weiter wachsen lässt, wären wir bis Mitte Februar bei 30 bis 35 Prozent Infizierter im aktuellen Winter. Bei einer symmetrischen Welle hätten bis zum Peak exakt die Hälfte der Infektionen stattgefunden. Erfahrungsgemäß sind die Wellen in dieser Pandemie nicht ganz symmetrisch, sodass sich nach einem Peak sogar mehr Menschen infizieren als vorher. Mit den oben genannten Werten würde ein Peak Mitte Februar für die Altersgruppe der 5- bis 14-Jährigen bedeuten, dass über 60 bis 70 Prozent in diesem Winter eine Infektion durchmachen werden. Eine höhere Dunkelziffer, weiterer Infektionsschutz durch vorherige Infektionen oder Impfungen und ein Inzidenzwachstum über diese Woche hinaus, wie er ja eigentlich eintreten müsste, wenn der Peak noch nicht erreicht ist, erhöhen diese Anteile weiter. Diese Überlegungen lassen vermuten, dass der Peak der Welle für die 5- bis 14-Jährigen in den nächsten Tagen zu erwarten ist. Der Rückgang im Wachstum der Meldeinzidenzen kann also nur zum Teil auf die geänderte Teststrategie zurückgeführt werden. Wachstumsraten von über 50 Prozent pro Woche sind jetzt schon eher unwahrscheinlich. Der Anteil der Erwachsenen, die laut Meldeinzidenz in diesem Winter bereits infiziert waren, liegt zwar niedriger, hier muss aber aufgrund der fehlenden Reihentestungen von einer höheren Dunkelziffer ausgegangen werden. Auch ist von einem höheren Infektionsschutz durch die Impfung zu auszugehen, da viele Booster-Impfungen erst in den vergangenen Wochen durchgeführt wurden. Bei den 5- bis 11-Jährigen liegt die Erstimpfquote hingegen gerade einmal bei 18,3 Prozent, hier ist also von einem kleineren Effekt auszugehen.

Die Zahl der mit COVID-19-Fällen belegten Intensivbetten steigt wieder leicht. In einigen Bundesländern sind leichte Anstiege zu vermerken. Insgesamt gibt es aber keinen starken Anstieg und der erwartbare Inzidenz-Peak lässt vermuten, dass ein starker Anstieg weiterhin ausbleiben könnte. Der Trend des Nowcast der Hospitalisierungsinzidenz zeigt für das besonders früh getroffene Bremen sogar wieder nach unten. In anderen früh betroffenen Bundesländern steigt die Hospitalisierungsinzidenz zumindest nicht mehr an. Die Unsicherheiten im Modell müssen hier aber berücksichtigt werden.

Eine geringere Belastung des Gesundheitssystems erwartet auch eine Modellierungsstudie des RKI. Sie ist soeben als Preprint erschienen. Über verschiedene Szenarien wird der Effekt von plausiblen Einflussparametern untersucht. Insbesondere für den Fortschritt der Booster-Impfungen und der Effektstärke des kurzfristigen Schutzes der Impfungen vor Infektion werden verschiedene Werte angenommen. Das Modell wurde mit den Daten bis zum Jahreswechsel kalibriert, sodass es schon möglich ist, einzelne Szenarien mit dem aktuellen Stand zu vergleichen. Die Szenarien sind allerdings nicht als exakte Vorhersage gedacht. Vielmehr dienen sie als qualitative Entscheidungshilfe. Auffällig ist, dass in vielen Szenarien ein Anstieg der Hospitalisierungsinzidenz oder der Intensivstationsbelastung auf neue Höchstwerte ausbleibt. Der Inzidenzpeak wird oft für Mitte Februar erwartet, etwas, was auch die Überlegungen in diesem Report plausibel erscheinen lassen. Die jeweilige exakte Höhe der Maßzahlen in den einzelnen Peaks ist eher nicht interpretierbar. Zum einen überschätzt das Modell, wie die Autorinnen und Autoren schreiben, die Werte im Peak systematisch, zum anderen wird die Meldeinzidenz durch die Engpässe im Test- und Meldesystem aktuell nach oben abgeschnitten. Eine weitere große Einschränkung dieser Szenarien ist, dass die unterschiedliche epidemiologische Lage in den Altersgruppen nicht betrachtet wird. Vergleicht man die aktuellen Werte für die adjustierte Hospitalisierungsinzidenz oder die Belastung der Intensivstation mit den Werten der Szenarien, liegen die beobachteten Werte oft niedriger. Dies liegt daran, wie auch die Autorinnen und Autoren selbst schreiben, dass aktuell besonders Jüngere infiziert werden. Weitere Details und auch Einschränkungen sind im Preprint beschrieben. Abschließend lässt sich sagen, dass die Szenarien einen interessanten Überblick über mögliche zukünftige Verläufe bieten und auch die Abschätzung, dass das Gesundheitssystem durch Krankenhauseinweisungen aufgrund von Sars-CoV2-Infektionen voraussichtlich nicht überlastet wird, stützen die Szenarien. Ein möglicher Personalmangel im Gesundheitssystem und auch die Zahl der Personen, die zwar mit, aber nicht aufgrund einer Sars-CoV2-Infektionen in den Krankenhäusern liegen, wird nicht betrachtet. Auch eine Prognose wie “der Peak wird bei etwa 400 000 Infektionen pro Tag liegen”, lässt sich aus diesen Szenarien nicht machen, da diese, wie oben erklärt die wirklich eintretenden Werte systematisch überschätzen.

Fallzahlen in Deutschland und den Bundesländern

Die Grafik zeigt die Inzidenzen einmal für alle Altersgruppen und einmal ab 60 Jahren. Die Inzidenzen steigen langsamer. Gründe werden auch das Erreichen der Testkapazität und Änderungen in der Teststrategie sein.

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Die Grafik zeigt für jeden Tag das prozentuale Wachstum der geglätteten Fallzahlen im Vergleich zur Vorwoche. Dabei werden einmal alle gemeldeten Fälle berücksichtigt und einmal nur Fälle mit einem Alter von mindestens 60 Jahren. Das Wachstum sinkt, was aber auch mit den Kapazitätsgrenzen und der Teststrategie zusammenhängt.

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Im Folgenden wird das Wachstum der Inzidenz vom 29.01.2022 im Vergleich zur Vorwoche betrachtet. In Hamburg, Schleswig-Holstein und Berlin zeichnet sich eine Trendwende ab. Ob diese auch einen wirklichen Rückgang der Fallzahlen in der Bevölkerung bedeutet oder auf die Meldekette zurückzuführen sind, werden erst die nächsten Tage zeigen. Zeitlich würde ein echter Rückgang aber zu Beobachtungen aus anderen Weltregionen passen.

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Fallzahlen auf den Intensivstationen

Die Zahl der COVID-19-Fälle auf den Intensivstationen sinkt nicht mehr.

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Einen besseren Eindruck von der aktuell beschleunigten Dynamik bekommt man – wie immer bei exponentiellem Wachstum –, wenn man auf das prozentuale Wachstum schaut. In der folgenden Grafik ist das prozentuale Wachstum der mit COVID-19-Fällen belegten Intensivbetten im Vergleich zur Vorwoche abgetragen. Zusätzlich ist auch das um eine Woche verschobene Wachstum der gemeldeten Fallzahlen der Altersgruppen ab 60 Jahren dargestellt. Da gemeldete Fälle in der Regel erst nach einigen Tagen intensivmedizinisch behandelt werden müssen – sofern sie diese Behandlung benötigen, sind durch diese Verschiebung die Wachstumsraten besser zu vergleichen.

Der Rückgang der Zahl der mit COVID-19-Fällen belegten Betten auf den Intensivstationen hat sich weiter verlangsamt und kann in den kommenden Tagen zu einem erneuten Anstieg umschwenken.

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In einigen Bundesländern gibt es im Vergleich zur Vorwoche steigende Zahlen der COVID-19-Fälle auf den Intensivstationen. Der Trend ist aber in keinem Bundesland besonders stark.

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Schaut man sich nach Bundesländern an, wie die Intensivstationen ausgelastet sind, lag im vergangenen Winter das jeweilige Maximum auf einem anderen relativen Niveau. Während Berlin und Sachsen in der Spitze eine Auslastung von etwa 40 Prozent erreichten, waren in Schleswig-Holstein nicht einmal 20 Prozent der gemeldeten Intensivbetten mit COVID-19-Fällen belegt. Die relative Grenze schwankt dabei über die Zeit, da nicht an jedem Tag gleich viele verfügbare Betten gemeldet werden. Um die relative Belastung vergleichen zu können, werden auf der Y-Achse unterschiedliche absolute Skalen verwendet. Kein Bundesland verzeichnet mehr eine durch COVID-19-Fälle verursachte Auslastung der Intensivbetten von über 20 Prozent.

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Fallzahlen in den Altersgruppen

Die Grafik zeigt die Inzidenzen in den Altersgruppen nach Kalenderwoche.

Bei den 5- bis 14-Jährigen liegt die Meldeinzidenz der vergangenen Woche deutlich oberhalb von 3000. Das Erreichen des Peaks ist in diesen Altersgruppen kurzfristig zu erwarten.

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Der Vergleich zwischen den Altersgruppen ist aktuell nur schwer möglich. In den unteren Altersgruppen wurde die Zahl der Tests stark erhöht, die Positivrate ist aber bisher nicht nennenswert gesunken, was darauf hindeutet, dass das Infektionsgeschehen durch die Screeningtests nicht reduziert wird. Die Testpositivrate steigt in allen Altersgruppen.

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Fälle nach Meldedatum

Da die Zahl der neu bestätigten Infektionsfälle (blaue Balken) im Wochenrhythmus schwankt, wird an dieser Stelle auch ein Mittelwert der jeweils vergangenen sieben Tage angegeben (blaue Linie). Da die vergangenen sieben Tage betrachtet werden, läuft dieser Wert den Meldezahlen immer etwas nach.

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Auffällige Kreise

Die Tatsache, dass die Kreise in Deutschland sehr unterschiedliche Einwohnerzahlen haben, macht die Vergleichbarkeit schwer. Relative Maßzahlen können bei kleinen Kreisen dazu führen, dass Zufallsschwankungen großen Einfluss haben, große Kreise haben bei gleicher relativer Anzahl viel mehr Fälle, so dass sie bei absoluten Maßzahlen eher auffallen.

Die folgenden beiden Tabellen enthalten vier verschiedene Maßzahlen. Für den 31.01.2022 werden jeweils die für sieben Tage geglätteten Fallzahlen pro Tag und die Inzidenz angegeben. Darüber hinaus wird jeweils die Differenz der Maßzahl zu dem Wert vom 24.01.2022 angegeben, um eine Veränderung zur Vorwoche zu betrachten.

Die erste Tabelle zeigt die zehn Kreise mit den höchsten Differenzen der Fallzahlen zur Vorwoche, in der zweiten Tabelle werden die Kreise mit den höchsten Differenzen der Inzidenz zur Vorwoche angegeben. Während auf Grund der absoluten Maßzahl in der ersten Tabelle eher große Kreise enthalten sind, werden in der zweiten Tabelle tendenziell kleinere Kreise aufgezählt. Beide Tabellen geben keine Aussage darüber, ob hier steigende Fallzahlen im gesamten Kreis oder nur in einigen Einrichtungen vorliegen.

LandkreisDifferenz Fälle pro TagFallzahlen pro TagDifferenz InzidenzInzidenz
SK Frankfurt am Main1067.62487.0978.12278.4
SK Dortmund645.41660.3768.81977.6
Region Hannover632.62210.3383.31339.2
LK Starnberg526.1615.02696.03151.3
LK Hochsauerlandkreis499.1683.01348.81845.7
LK Main-Kinzig-Kreis458.91047.4761.71738.7
SK Nürnberg454.91370.7617.61861.1
LK Fulda450.4594.71413.71866.6
LK Borken445.11142.7837.92150.9
SK Bochum432.0833.4829.81600.8
LandkreisDifferenz Fälle pro TagFallzahlen pro TagDifferenz InzidenzInzidenz
LK Starnberg526.1615.02696.03151.3
LK Fulda450.4594.71413.71866.6
SK Remscheid225.0442.71412.42779.0
LK Hochsauerlandkreis499.1683.01348.81845.7
LK Aschaffenburg317.7413.31273.41656.4
SK Aschaffenburg123.9171.11223.61690.7
LK Erding199.4509.41005.12567.5
LK Olpe187.0321.7981.51688.6
SK Frankfurt am Main1067.62487.0978.12278.4
SK Frankfurt (Oder)72.3161.0887.51976.7

Die Datenbasis

Diesem Report liegen die Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) zu Grunde, die auf GitHub zur Verfügung gestellt werden. Da ein Teil der Daten erst Tage nach dem offiziellen Meldedatum vom RKI erfasst werden, können sich diese auch nachträglich ändern. Insbesondere die jüngsten Daten unterliegen in der Regel noch starken Veränderungen und werden in diesem Report deswegen grau hinterlegt. Der Datensatz ist nach den Landkreisen und kreisfreien Städten, Berlin zusätzlich in die Bezirke aufgeteilt. Die Zahl der nicht diagnostizierten Fälle ist unbekannt und daher nicht enthalten.

Weitere Datenquellen sind die SurvStat-Datenbank des RKI und das DIVI-Intensivregister. Bevölkerungsdaten stammen aus der Genesis-Datenbank des statistischen Bundesamts beziehungsweise des Landesamts Berlin-Brandenburg.

Der in diesem Bericht verwendete Begriff Inzidenz ist allgemein als die Häufigkeit der in einer Zeitspanne neu auftretenden Fälle einer Erkrankung innerhalb einer Population definiert. Hier sind damit immer die in den vergangenen sieben Tagen gemeldeten Fälle pro 100 000 Personen gemeint.

Corona Zeitreihen – die SMC Apps

Seit Beginn des Jahres 2020 und verstärkt in Zeiten der Corona-Pandemie verfolgt und bewertet die Redaktion und das SMC Lab täglich alle zugänglichen Daten und Meldezahlen zu COVID-19. Doch Zahlen, Fakten und Grafiken reichen für sich allein nicht aus, das komplexe Geschehen angemessen zu beschreiben und zu verstehen, was relevant ist.

Für informierte Diskussionen hatte das SMC Lab, seine Programmierer, Software-Experten und unser Statistiker bereits zu Jahresbeginn Tools zur Verfügung gestellt, damit die Redaktion interaktiv Daten zu COVID-19 verfolgen, diese visuell leicht erfassbar darzustellen und um wichtige Maßzahlen in Zeitreihen beobachten zu können - für Deutschland, die Bundesländer, die Kreise und kreisfreien Städte sowie International.

Diese Tools stellen wir nun schrittweise in interaktiven Apps zur Verfügung, damit Nutzerinnen und Nutzer dort Daten anschauen und downloaden können, die für Sie relevant sind.

Die Meldezahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Corona-Epidemie in Deutschland finden Sie unter diesem Link.

Die internationalen Meldezahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO finden Sie unter diesem Link.

Ihre Ansprechpartner in Redaktion und SMC Lab

Wenn Sie Fragen zu diesen Daten haben oder Auswertungen für weitere Länder erhalten wollen, das SMC Lab kann Auswertungen erzeugen.

Lars Koppers, Gastwissenschaftler am SMC Lab

Heinz Greuling, Leiter Innovation Digitale Medien

Telefon: +49 221 8888 25-0
E-Mail: redaktion@sciencemediacenter.de