COP15: Umweltschädliche Subventionen in Naturschutz umlenken
Finanzierung von Naturschutz wird einer der Kernpunkte auf der COP15
Entwurf für neue Biodiversitätsziele sieht vor, jährliche umweltschädliche Anreize um 500 Milliarden US-Dollar abzubauen
Forschende: schädliche Subventionen lassen sich ökologisch sinnvoll und sozial verträglich reformieren
Auf der UN-Biodiversitätskonferenz COP15 will die Weltgemeinschaft ambitionierte Ziele festlegen, um den Verlust von Artenvielfalt und Ökosystemen zu stoppen. Die Finanzierung von Naturschutz ist dabei einer der Knackpunkte: Die Summen, die jährlich in umweltschädliche Anreize fließen, sollen weltweit um 500 Milliarden US-Dollar verringert werden. Unter anderem geht es dabei um Subventionen für fossile Energien. 200 Milliarden US-Dollar sollen stattdessen jährlich dem Naturschutz zugutekommen, so der Entwurf der sogenannten post-2020-Ziele [I]. Die COP15 startet am 7. Dezember in Montréal, Kanada.
Leiter Energie- und Agrarpolitik, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, Berlin
„Die Schätzungen zum Umfang der umweltschädlichen Subventionen gehen auseinander. Sie hängen davon ab, wie umweltschädliche Subventionen definiert werden. Der Internationale Währungsfonds geht weltweit von Subventionen allein für fossile Energien in Höhe von 5,2 Billionen US-Dollar im Jahr 2017 aus, wenn alle externen Kosten einbezogen werden [1]. Das heißt konkret: Wie hoch müsste die Bepreisung sein, wenn alle Klimakosten, Gesundheitskosten, Umweltkosten enthalten wären? Und wie hoch ist die Steuer effektiv? Die Differenz ist dann die Subvention.“
„Andere Berechnungen basieren auf einer Addition von Finanzhilfen, Steuervergünstigungen und Regelungen mit Subventionswirkung, ohne die unvollständige Internalisierung (die Berücksichtigung negativer Externalitäten wie den Folgen für Klima, Umwelt, Gesundheit; Anm. d. Red.) einzubeziehen. Die OECD taxiert damit die biodiversitätsschädlichen Subventionen auf 500 Milliarden US-Dollar pro Jahr – fünf bis sechsmal so viel, wie die OECD-Staaten für ihren Schutz ausgeben [2].“
„In Deutschland betragen die umweltschädlichen Subventionen nach Zahlen des Umweltbundesamt mehr als 65 Milliarden Euro im Jahr [3]. Deutschland ist vergleichsweise transparent, was die Berichterstattung zu Subventionen angeht. Neben dem Bericht des Umweltbundesamt gibt es auch den Subventionsbericht der Bundesregierung, der federführend vom Bundesfinanzministerium erstellt wird [4]. Dort sind allerdings nur die Finanzhilfen und Steuervergünstigungen enthalten, weshalb das umweltschädliche Subventionsvolumen geringer ausfällt. Das Problem in Deutschland ist weniger die Transparenz, sondern dass der Abbau umweltschädlicher Subventionen nicht entschlossen angegangen wird.“
Auf die Frage, was mit umweltschädlichen Anreizen gemeint ist, in welchen Bereichen diese prioritär abgebaut werden sollten und wo es Zielkonflikte gibt:
„Besonders bedeutend sind die Subventionen für fossile Energien. Der Klimawandel wirkt sich direkt negativ auf die Biodiversität aus. Neben den finanziellen Anreizen für Kohle, Öl und Gas geht es um Subventionen in der Landwirtschaft und der Fischerei. Ein Beispiel sind die EU-Agrarsubventionen. Nach wie vor wird der Großteil der Gelder nach Fläche verteilt und das fördert intensive Landwirtschaft, was wiederum dramatische Folgen für die Artenvielfalt hat. In Deutschland sind auch noch Subventionen wie Entfernungspauschale oder das – jetzt ausgelaufene – Baukindergeld von Bedeutung [5]. Damit fördert man Zersiedelung und Flächenverbrauch. Die Natur wird zurückgedrängt.“
„Ein häufiges Argument gegen den Subventionsabbau ist, dass er unsozial sei. Das Gegenteil ist der Fall. Umweltschädliche Subventionen sind selten zielgenau und von vielen Subventionen in Deutschland profitieren vor allem Menschen mit höherem Einkommen oder die Mittelschicht [6]. Auch in weniger entwickelten Ländern kommen zum Beispiel die Kraftstoffsubventionen denen zugute, die sich überhaupt ein Auto leisten können. Wir brauchen in allen Sektoren eine schnelle Reform der umweltschädlichen Subventionen. Es geht dabei nicht immer darum, die Subventionen vollständig abzuschaffen, sondern vor allem darum, sie so umzugestalten, dass die ökologischen Fehlanreize vermindert werden. Der positive Nebeneffekt: Gelder werden dadurch frei, die direkt in Umwelt- und Naturschutz fließen können. Zum Beispiel bei den Agrarsubventionen: Statt intensiver Landwirtschaft sollten Umweltleistungen oder Ökolandbau stärker gefördert werden.“
Auf die Frage, wie sinnvoll und realistisch die Ziele sind, auch mit Blick auf die verfehlten Aichi-Ziele:
„Ziele sind wichtig, weil sie eine klare Orientierung geben, wo man hinwill. Entscheidend ist dann aber, auch einen Weg zu vereinbaren, wie die Ziele erreicht werden können. Das wurde beim Aichi-Ziel versäumt. Ziel 18 der post-2020-Biodiversitätsziele zum Subventionsabbau muss daher in die Prozesse zur Umsetzung und Überprüfung des Biodiversitätsabkommens integriert werden. Transparente und messbare Indikatoren und eine kontinuierliche Überwachung der Zielerreichung sind zentral. Außerdem braucht es Kapazitätsaufbau für Länder, die wenig Erfahrung mit der Berichterstattung über und dem Abbau von umweltschädlichen Subventionen haben.“
Forschungsgruppenleiter Biodiversitätsökonomik, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig, und Professor für Bioökonomie, Universität Leipzig
„Das Umweltbundesamt hat für das Jahr 2018 umweltschädliche Subventionen in Deutschland auf insgesamt 65 Milliarden Euro beziffert [3]. Die Umweltschädlichkeit dieser Subventionen variiert dabei. Nicht jeder Euro dieser Subventionen hat eine gleichermaßen umweltschädliche Wirkung. Für Biodiversität besonders schädlich sind die Pendlerpauschale mit sechs Milliarden Euro, die Anreize für Flächenverbrauch setzt, die Mehrwertsteuerermäßigung für Milchprodukte und Fleisch mit circa fünf Milliarden Euro, die Förderung von Biokraftstoffen mit einer Milliarde Euro, die Begünstigungen der Braunkohlewirtschaft mit 300 Millionen Euro sowie die Steuerermäßigung für Agrardiesel und Schiffsdiesel in der Fischerei mit 500 Millionen Euro. Letztere begünstigt den Einsatz großer Motoren, die massive Eingriffe in natürliche Habitate ermöglichen, etwa durch Grundschleppnetze.“
Auf die Frage, was mit umweltschädlichen Anreizen gemeint ist, in welchen Bereichen diese prioritär abgebaut werden sollten und wo es Zielkonflikte gibt:
„Umweltschädliche Anreize liegen vor, wenn es sich für einzelne Wirtschaftsakteure lohnt, auf Kosten der natürlichen Umwelt zu wirtschaften – zum Beispiel Herbizide einzusetzen, statt zu jäten. Umsteuern lassen sich die Anreize, indem Marktpreise für umweltschädliche Güter im Vergleich zu umweltfreundlichen Gütern erhöht werden. Ein wichtiges Instrument für diesen Zweck ist, umweltschädliche Güter zu besteuern. Zum Beispiel schlagen Umweltökonominnen und Umweltökonomen vor, den Konsum von Fleisch mit einer Steuer in Höhe von 20 bis 60 Prozent des aktuellen Marktpreises zu belegen [7].“
„Zielkonflikte werden anhand von Beispielen unmittelbar deutlich. Zielkonflikte bestehen zunächst zwischen wirtschaftlichen Partikularinteressen der Subventionsempfänger und dem Umweltschutz. Zum Beispiel entspricht die Streichung der Steuerermäßigung auf Agrar- und Schiffsdiesel in der Fischerei nicht den Interessen von Landwirtinnen und Fischern. Zielkonflikte gibt es auch zwischen Umweltschutz und anderen wichtigen gesellschaftlichen Zielen, zum Beispiel dem sozialen Ausgleich oder der Ernährungssicherheit. Die Besteuerung von Fleischprodukten steht im Zielkonflikt mit dem Wunsch, dass alle Einkommensgruppen sich regelmäßig Fleischkonsum leisten können. Angesichts solcher Zielkonflikte ist in der Vergangenheit zu oft gegen Umweltschutz entschieden worden.“
Auf die Frage, wofür die Gelder für Naturschutz prioritär ausgegeben werden sollten:
„Ein Dollar Finanzmittel für den Naturschutz kann in einem Land mit geringeren Einkommen eine größere Hebelwirkung entfalten als in reichen Ländern wie Deutschland. Vorausgesetzt, die Mittel kommen auch tatsächlich im Naturschutz an, sollten sie vor allem in Ländern mit geringen Einkommen eingesetzt werden.“
„Ein oftmals sehr wirkungsvolles Mittel sind zudem Zahlungen für die Bereitstellung von Ökosystemdienstleistungen. Bei manchen Standorten bringt eine intensive Nutzung für Landwirte nur einen geringen Mehrwert. Eine relativ geringe Zahlung kann dann ausreichen, damit es für den Landwirt profitabler ist, Naturschutz zu betreiben als umweltschädlich zu wirtschaften. Ein solches Verfahren wird zum Beispiel in Bolivien und Peru eingesetzt, damit die Landwirte dort vermehrt mit der Biodiversität wirtschaften statt dagegen [8].“
Auf die Frage, wie sinnvoll und realistisch die Ziele sind, auch mit Blick auf die verfehlten Aichi-Ziele:
„Diese Ziele sind und bleiben sinnvoll. Dass das Aichi Ziel 3 verfehlt worden ist, kann kein Grund sein, die Ambitionen in dieser Richtung herunterzuschrauben.“
Fachgebietsleiter Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fragen des Umweltschutzes, nachhaltiger Konsum, Umweltbundesamt (UBA), Dessau-Roßlau
„Für Deutschland stuft das Umweltbundesamt für das Jahr 2018 Subventionen im Umfang von 65,4 Milliarden Euro als umweltschädlich ein [3]. Diese Summe ist als Untergrenze zu verstehen, weil die Studie in erster Linie nur Subventionen des Bundes betrachtet und darum umweltschädlichen Subventionen auf Länder- und kommunaler Ebene nicht voll erfasst. Zudem sind die umweltschädlichen Anteile mancher Subventionen nicht quantifizierbar, etwa weil aussagekräftige Daten zur Verteilung von Fördergeldern fehlen. Für einige umweltschädliche Subventionen liegen aktuellere Daten oder Schätzungen vor. Sie deuten darauf hin, dass das Volumen der umweltschädlichen Subventionen in den letzten Jahren nicht zurückgegangen ist. Im Zuge der aktuellen Energiekrise kam es sogar zu einem temporären Anstieg umweltschädlicher Subventionen, zum Beispiel durch den so genannten Tankrabatt, also eine befristete Ermäßigung der Energiesteuer auf Kraftstoffe.“
„Das Umweltbundesamt verwendet einen breiten Subventionsbegriff, in Anlehnung an entsprechende Begriffsdefinitionen auf internationaler Ebene. So stellt zum Beispiel der Subventionsbegriff auf Grundlage von Artikel 1 des ,Agreement on Subsidies and Countervailing Measures‘ der Welthandelsorganisation seit Jahren eine gute und etablierte Grundlage dar. Der Subventionsbericht der Bundesregierung fußt dagegen auf einem engeren Subventionsbegriff. So sind etwa Steuervergünstigungen durch eine begünstigende Festlegung von Steuertarifen nicht im Subventionsbericht der Bundesregierung enthalten. Das betrifft etwa die Energiebesteuerung von Dieselkraftstoffen oder Steuervergünstigungen im Kleid einer steuerlichen Pauschalierungsregel, wie bei der Besteuerung von Dienstwagen.“
„Insbesondere bei Finanzhilfen kann die Umweltschädlichkeit stark variieren, je nachdem, welche Aktivitäten gefördert werden und welche ökologischen Bedingungen an die Gewährung von Finanzhilfen gestellt werden. Hinzu kommt, dass sich beides im Zeitablauf oft verändert. Das ist eine Herausforderung bei der Bewertung der Umweltschädlichkeit von Subventionen, zum Beispiel im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik. Aus diesem Grund haben wir in diesem Fall auf eine Quantifizierung verzichtet.“
Auf die Frage, was mit umweltschädlichen Anreizen gemeint ist, in welchen Bereichen diese prioritär abgebaut werden sollten und wo es Zielkonflikte gibt:
„Umweltschädliche Subventionen geben ökonomische Anreize, die oft mehrfach negativ auf die Umwelt wirken. In unserem Bericht ,Umweltschädliche Subventionen in Deutschland‘ [3] geben wir einen qualitativen Überblick über die negativen Wirkungen auf die Umweltgüter Klima, Luft, Wasser, Boden sowie Artenvielfalt und Landschaft. Außerdem sind die Wirkungen auf Gesundheit und Rohstoffverbrauch ausgewiesen. Daraus wird ersichtlich, dass zahlreiche Subventionen in Deutschland unmittelbar negativ auf die Biodiversität wirken. Dazu gehören zum Beispiel Begünstigungen für die Braunkohlewirtschaft und für Biokraftstoffe, die Subventionen im Bau- und Wohnungswesen, die Agrar- und die Fischereiförderung der EU sowie die Mehrwertsteuerermäßigung für tierische Produkte. Von vielen anderen Subventionen gehen indirekt negative Effekte aus, etwa weil sie zur Erderhitzung beitragen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der Abbau umweltschädlicher Subventionen meist positiv auf mehrere Umweltgüter wirkt sowie vielfach auch auf Gesundheit und Rohstoffverbrauch.“
„Zielkonflikte können zum Beispiel bestehen, wenn eine Subvention dazu dient, die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu sichern oder Subventionen aus sozialen Gründen gewährt werden. In diesen Fällen ist es nötig, Zielkonflikte zu lösen oder abzuschwächen. Dies kann auf verschiedenen Weisen geschehen. So ist es zum Beispiel möglich, umweltschädliche Subventionen für Energie – beispielsweise Agrardiesel – abzuschaffen und die zusätzlichen Steuereinnahmen zu nutzen, um auf andere Weise das Einkommen zu erhöhen, etwa durch direkte Einkommenshilfen oder die Honorierung ökologischer Leistungen. Einkommens- und verteilungspolitisch kann dies sogar zu einer Win-win-Situation führen. Eine weitere Strategie besteht darin, ökologische Gegenleistungen zu fordern, so dass die umweltschädlichen Anreize der Subvention verringert werden, zum Beispiel die verpflichtende Umsetzung von Energiesparmaßnahmen.“
Auf die Frage, wofür die Gelder für Naturschutz prioritär ausgegeben werden sollten:
„Hilfreich sind Investitionen in den natürlichen Klimaschutz, in den Naturschutz und in Klimaanpassungsmaßnahmen. Besonders effizient ist es, wenn mehrere dieser ökologischen Ziele mit einer Maßnahme zugleich adressiert werden können. Dies kann zum Beispiel bei verschiedenen naturbasierten Lösungen der Fall sein. Beispiele für naturbasierte Lösungen sind (Wieder-)Aufforstung und Waldschutz sowie der Schutz und die Wiederherstellung von Feuchtgebieten.“
Senior Fellow am Ecologic Institute, und Senior Researcher am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, Berlin
„Das Umweltbundesamt schätzt, dass im Jahr 2021 in Deutschland mehr als 65 Milliarden Euro für umweltschädliche Subventionen aufgewandt wurden, beispielsweise im Verkehr, der Energiewirtschaft und der Landwirtschaft [3]. Weltweit wird allein die Nutzung fossiler Rohstoffe pro Jahr mit etwa 500 Milliarden US-Dollar gefördert. Dies beinhaltet zahlreiche Formen der staatlichen Unterstützung für Konsument:innen – zum Beispiel Preisdeckel für Gas, Öl und Strom – und für Produzenten – wie Steuererleichterungen für Kohleminen. Diese Subventionen setzen finanzielle Anreize für umweltschädliches Verhalten. Gleichzeitig sind sie sozial unausgewogen, da reichere Menschen tendenziell mehr von ihnen profitieren.“
„Eine Umlenkung dieser Subventionen auf nachhaltige Wirtschaftsformen kann die dringend notwendige Transformation zu einer ,grünen‘ Weltwirtschaft beschleunigen und gleichzeitig zur Minderung von Armut und Ungleichheit beitragen.“
„Subventionsreformen sind ein heikles Thema, da sie die Interessen einflussreicher Wirtschaftszweige beeinflussen. Daher ist verstärkte Information über das Ausmaß und die Wirkung solcher Subventionen notwendig. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich unter anderem im Glasgow Climate Pact (dem Abschlussdokument der UN-Weltklimakonferenz COP27 im Jahr 2021; Anm. d. Red.) zum Subventionsabbau bekannt, auch im Rahmen der G7 und G20 wurden ähnliche Ankündigungen gemacht. Nun ist es an der Zeit, diese auch umzusetzen."
Leiter des Themenbereichs Umwelt & Gesellschaft und des Departments Ökonomie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig
„Umweltschädliche Subventionen umfassen Ausgaben öffentlicher Haushalte, die sich in direkter oder indirekter Form negativ auf die Umwelt auswirken. Die Höhe umweltschädlicher Subventionen ist nicht genau bezifferbar, da ihre Wirkungen sich ja oft nicht direkt einstellen, sondern erst mittels Verhaltensänderungen der durch die Zahlungen Begünstigten. Somit sind die Effekte auf die Umwelt oft nicht bekannt. Sollen steuerliche Anreize für den Wohnungsbau etwa zu Verhaltensänderungen bei den Bürgern oder Unternehmen führen, so ist unklar, ob und inwieweit die Besteuerten diesen steuerlichen Anreizen folgen und inwieweit dies zu Lasten der Umwelt geht, etwa über Versiegelung.“
„Global werden zu den umweltschädlichen Subventionen insbesondere Zahlungen betrachtet, die zu einem Verlust von Waldflächen – etwa im Amazonasgebiet – oder zum Anbau von Monokulturen führen – etwa Sojapflanzen – oder eine Überfischung der Weltmeere befördern. In Deutschland zählen zu den umweltschädlichen Subventionen insbesondere die Ausgaben für Verkehr, Energie, Forstwirtschaft oder den Bau von Sozialwohnungen. Vom Umweltbundesamt werden die umweltschädlichen Subventionen in Deutschland im Jahr 2018 mit über 65 Milliarden Euro angegeben [3]. Dabei werden jedoch nur die Ausgaben des Bundes, nicht jedoch die der Länder und Gemeinden in den Blick genommen. Von daher sind alle Schätzungen zum Subventionsvolumen mit großen Unsicherheiten behaftet.“
„Die Ausgaben der öffentlichen Hand für den Naturschutz sind demgegenüber national wie auch in Deutschland viel geringer. Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz betragen die Ausgaben für Flora-Fauna-Habitat-Gebiete in Deutschland etwa 1,4 Milliarden Euro, also nur einen Bruchteil der oben genannten umweltschädlichen Subventionen. Doch auch diese Zahlen sind mit Unsicherheiten zu interpretieren: Denn es ist fraglich, ob und inwieweit Zahlungen der öffentlichen Haushalte für Gewässerschutz, Luftreinhaltung oder Klimaschutz nicht auch der Biodiversität und dem Schutz von Ökosystemleistungen zugutekommen. Global geht es bei den gegenwärtigen COP-Verhandlungen zum Biodiversitätsschutz vor allem um Zahlungen an Entwicklungsländer.“
Auf die Frage, was mit umweltschädlichen Anreizen gemeint ist, in welchen Bereichen diese prioritär abgebaut werden sollten und wo es Zielkonflikte gibt:
„Umweltschädliche Anreize sind Anreize, vermehrt in den Energieverbrauch, in die Nutzung von Agrarrohstoffen oder in forstwirtschaftliche Produkte – und damit die Rodung von Waldflächen – zu investieren. Auch Investitionen in die Fischerei werden zu den umweltschädlichen Anreizen gezählt. Der Abbau umweltschädlicher Anreize gestaltet sich insbesondere deshalb als schwierig, weil diese Zahlungen bestimmten Bevölkerungsgruppen zugutekommen, die nun Verluste erleiden. Dies kann auch sozialpolitisch unerwünscht sein, wenn die Zahlungen etwa an (arme) Landwirte oder Fischereibetriebe erfolgen.“
Auf die Frage, wofür die Gelder für Naturschutz prioritär ausgegeben werden sollten:
„Bei den Finanzmitteln für den Naturschutz geht es insbesondere um Kompensationszahlungen, die beim Verzicht auf die Nutzung von Naturressourcen gezahlt werden, zum Beispiel beim Verzicht auf die Abholzung von Wald oder beim Verzicht auf den Anbau von Monokulturen in der Landwirtschaft. Prioritär müssen diese Zahlungen in die globalen Länder des Südens geleitet werden, denn hier sind erstens die Notwendigkeiten für den Biodiversitätsschutz besonders dringlich, da es sich oft um Hotspots der Biodiversität handelt. Zweitens sind die positiven Effekte für den Biodiversitätserhalt, die man durch Naturschutz erreichen kann, hier besonders groß. Drittens sind die Nutzungskonflikte mit den oft in Armut lebenden Anwohnern im globalen Süden besonders ausgeprägt. Fraglich ist jedoch, inwieweit die finanziellen Mittel effektiv, kostengünstig und vor allem dauerhaft in den Zielländern ausgegeben werden. In vielen Ländern fehlen die strukturellen Voraussetzungen, um einen nachhaltigen Biodiversitätsschutz zu gewährleisten, wie Gesetze, Normen, Überwachungen oder alternative Nutzungen.“
Auf die Frage, wie sinnvoll und realistisch die Ziele sind, auch mit Blick auf die verfehlten Aichi-Ziele:
„Die Zielsetzungen sind absolut sinnvoll, denn ohne ambitionierte Zielsetzungen lassen sich die zentralen Fragen des Biodiversitätsschutzes und damit der Sicherung der Lebensgrundlagen für uns Menschen auf der Erde nicht lösen. Die Zielsetzungen sind angesichts der Widerstände gegen höhere Zahlungen in der Vergangenheit auch als ambitioniert anzusehen. Ob sie realistisch sind, wird sich in den Verhandlungen zum Biodiversitätsschutz sowie bei den weiteren Maßnahmen zeigen. In jedem Fall muss auch betont werden, dass es nicht ausreicht, Geldmittel zur Verfügung zu stellen, um den Biodiversitätsschutz dauerhaft zu gewährleisten. Entscheidend sind darüber hinaus auch die Anreizkonstellationen in den Zielländern. Nur wenn es gelingt, dauerhaft alternative Einkommenspfade zu schaffen und so zu einer nachhaltigeren Landnutzung zu gelangen, können die Biodiversitätsziele erreicht werden.“
„Es bestehen keine Interessenkonflikte.“
„Nach meiner Einschätzung liegen keine Interessenkonflikte vor.“
„Es bestehen keinerlei Interessenkonflikte.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Weiterführende Recherchequellen
Riffreporter: Countdown Natur.
Das journalistische Projekt enthält diverse Berichte und Analysen rund um die COP15.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Coady D et al. (2019): Global Fossil Fuel Subsidies Remain Large: An Update Based on Country-Level Estimates. International Monetary Fund Working Papers.
[2] OECD (2020): A Comprehensive Overview of Global Biodiversity Finance.
[3] Burger A et al. (2021): Umweltschädliche Subventionen in Deutschland. Umweltbundesamt.
Den von Andreas Burger erwähnten qualitativen Überblick finden Sie in Tabelle 2, Seite 101 bis 103.
[4] Bundesministerium der Finanzen (18.08.2021): 28. Subventionsbericht des Bundes.
[5] Zerzawy F et al. (2021): Umweltschädliche Subventionen in Deutschland: Fokus Biodiversität. Forum Ökologische Marktwirtschaft.
Studie im Auftrag vom Deutschen Naturschutzring.
[6] Beermann A et al. (2021): Zehn klimaschädliche Subventionen sozial gerecht abbauen – ein Zeitplan. Forum Ökologische Marktwirtschaft.
Studie im Auftrag von Greenpeace.
[7] Funke F et al. (2022): Toward optimal meat pricing: Is it time to tax meat consumption? Review of Environmental Economics and Policy. DOI:10.1086/721078.
[8] Narloch U et al. (2013): How to achieve fairness in payments for ecosystem services? Insights from agrobiodiversity conservation auctions. Land Use Policy. DOI: 10.1016/j.landusepol.2013.05.002.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Convention on Biological Diversity (05.07.2021): First Draft of the post-2020 Global Biodiversity Framework.
[II] Convention on Biological Diversity: Aichi Biodiversity Targets.
Ziele 18 und 19 (auf Seite 7) beziehen sich auf den Abbau der umweltschädlichen Anreize und die Finanzierung von Naturschutz.
Florian Zerzawy
Leiter Energie- und Agrarpolitik, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, Berlin
Prof. Dr. Martin Quaas
Forschungsgruppenleiter Biodiversitätsökonomik, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig, und Professor für Bioökonomie, Universität Leipzig
Dr. Andreas Burger
Fachgebietsleiter Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fragen des Umweltschutzes, nachhaltiger Konsum, Umweltbundesamt (UBA), Dessau-Roßlau
Dr. Michael Jakob
Senior Fellow am Ecologic Institute, und Senior Researcher am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, Berlin
Prof. Dr. Bernd Hansjürgens
Leiter des Themenbereichs Umwelt & Gesellschaft und des Departments Ökonomie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig