Wie entwickeln sich La Niña und El Niño im Klimawandel?
dritter La-Niña-Winter in Folge, regional dramatische Auswirkungen möglich
begünstigt aktuelle Überschwemmungen in Australien, ebenso wie Dürren in Ostafrika und dem Südwesten der USA
unter Forschenden umstritten, ob La Niña und El Niño durch den Klimawandel häufiger/stärker werden
Zum fünften Mal innerhalb von zwei Jahren sind einige Regionen Australiens überflutet. Ein Grund dafür ist das Wetterphänomen La Niña, das im Winter 2022/23 zum dritten Mal in Folge auftritt. Das aktuelle La-Niña-Ereignis wird sehr wahrscheinlich mindestens bis Ende dieses Jahres anhalten, so ein aktueller Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) [I]. Dies könnte dramatische Folgen für verschiedene Regionen haben, in denen La Niña die Wetterverhältnisse beeinflusst. Während das Phänomen in Australien Überflutungen wahrscheinlicher macht, begünstigt es ebenfalls die schweren Dürren, die an der Westküste Nordamerikas sowie am Horn von Afrika herrschen. Von 1974 bis 1976 und von 1999 bis 2001 gab es schon einmal La-Niña-Ereignisse, die drei Jahre in Folge auftraten.
Als La Niña und El Niño bezeichnet man Veränderungen im System von Meeres- und Luftströmungen im äquatorialen Pazifik, dem sogenannten ENSO-System („El Niño and Southern Oscillation“). In „normalen“ Jahren wehen Passatwinde entlang des Äquators über dem Pazifik von Ost nach West – von Südamerika nach Südostasien. Diese Winde schieben das warme Wasser an der Oberfläche des Pazifiks vor sich her. Dadurch sammeln sich warme Wassermassen vor der Küste Südostasiens, während vor der Küste Südamerikas kaltes Wasser aus tiefen Meeresschichten von Süden her nachströmt. Somit ist der westliche Pazifik einige Grad wärmer als der östliche. In El-Niño-Jahren werden die äquatorialen Passatwinde schwächer oder fallen ganz aus – normalerweise passiert das im Herbst/Winter der nördlichen Hemisphäre. In Folge erwärmt sich der Pazifik vor Südamerika und kühlt vor Südostasien ab. In La-Niña-Jahren wehen die Passatwinde stärker als normal und es passiert das Gegenteil.
Sowohl El Niño als auch La Niña verändern das Wetter vor allem in Regionen nahe des tropischen Pazifiks [II]: In El-Niño-Jahren wird es an der Pazifikküste in Süd- und Nordamerika tendenziell nasser – da mehr Wasser aus dem wärmeren Pazifik verdunstet –, in La-Niña-Jahren trockener. In Südostasien und Australien dagegen kommt es in El-Niño-Jahren vermehrt zu Dürren, während La Niña Starkregen und Überflutungen begünstigt – etwa den starken Monsunregen in Pakistan im Sommer 2022 oder das wiederholte Hochwasser in Australien in den vergangenen Jahren. Über sogenannte Fernwirkungen hat das ENSO-System aber auch Auswirkungen auf das Wetter in Regionen fernab des äquatorialen Pazifiks: Am Horn von Afrika etwa kommt es in La-Niña-Jahren eher zu Dürren, wie es in den vergangenen Jahren der Fall war. Auswirkungen auf das Wetter in Europa sind nicht bekannt.
Obwohl oft von La-Niña- und El-Niño-Ereignissen die Rede ist, handelt es sich eigentlich nicht um klar abgegrenzte Ereignisse. Vielmehr ist das ENSO-System stets in einem Zustand, der eher La-Niña-ähnlich oder eher El-Niño-ähnlich ist (eine Abbildung dazu finden Sie hier [III]). Dieser Zustand kann über verschiedene Indizes gemessen werden, die die Unterschiede in der Wassertemperatur, der Lufttemperatur oder dem Luftdruck über dem Ost- und Westpazifik angeben [IV]. Übersteigt ein solcher Index einen bestimmten Schwellenwert, spricht man von einem La-Niña- beziehungsweise einem El-Niño-Ereignis. Aktuell – im Herbst 2022 – befindet sich das ENSO-System seit dem Sommer 2020 in einem eher La-Niña-ähnlichen Zustand, auch wenn nicht durchgängig der Schwellenwert für ein La-Niña-Ereignis überschritten war [IV].
„Ich erkläre hiermit, dass keine Interessenkonflikte bestehen.“
„Interessenkonflikte habe ich keine.“
„Keine.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] McGregor S et al. (2010): A unified proxy for ENSO and PDO variability since 1650. Climate of the Past. DOI: 10.5194/cp-6-1-2010.
[2] Grothe PR et al. (2019): Enhanced El Niño–Southern Oscillation Variability in Recent Decades. Geophysical Research Letters. DOI: 10.1029/2019GL083906.
[3] Cai W et al. (2014): Increasing frequency of extreme El Niño events due to greenhouse warming. Nature Climate Change. DOI: 10.1038/nclimate2100.
[4] Cai W et al. (2021): Changing El Niño–Southern Oscillation in a warming climate. Nature Reviews Earth & Environment. DOI: 10.1038/s43017-021-00199-z.
[5] Cai W et al. (2015): ENSO and greenhouse warming. Nature Climate Change. DOI: 10.1038/nclimate2743.
[6] Cai W et al. (2015): Increased frequency of extreme La Niña events under greenhouse warming. Nature Climate Change. DOI: 10.1038/nclimate2492
[7] Latif M et al. (2015). Super El Niños in response to global warming in a climate model. Climatic Change. DOI: 10.1007/s10584-015-1439-6.
[8] Jeong H et al. (2022): Distinct impacts of major El Niño events on Arctic temperatures due to differences in eastern tropical Pacific sea surface temperatures. Science Advances. DOI: 10.1126/sciadv.abl8278.
[9] Stuecker MF et al. (2017): Conditions leading to the unprecedented low Antarctic sea ice extent during the 2016 austral spring season. Geophysical Research Letters. DOI: 10.1002/2017GL074691.
[10] Stuecker MF et al. (2018): Polar amplification dominated by local forcing and feedbacks. Nature Climate Change. DOI: 10.1038/s41558-018-0339-y.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Weltorganisation für Meteorologie (31.08.2022): El Niño/La Niña Update August 2022.
[II] Helmholtz-Zentrum Potsdam: Auswirkungen des El Niño-Phänomens.
Einfache Erklärung des El Niño Phänomens und von dessen Auswirkungen auf der Wissensplattform des Forschungsbereichs Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft.
[III] NASA: ENSO Index: 1993-Present.
Abbildung der Entwicklung des ENSO Index seit 1993. Die roten Bereiche markieren El-Niño-ähnliche Bedingungen, die blauen Bereiche markieren La-Niña-ähnliche Bedingungen.
[IV] National Weather Services: ENSO Indices.
Erklärung der verschiedenen ENSO Indizes von der US-amerikanischen Wetterbehörde.
Prof. Dr. Andreas Fink
Professor für Meteorologie, Arbeitsgruppe Atmosphärische Dynamik, Department Troposphärenforschung, Institut für Meteorologie und Klimaforschung, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Prof. Dr. Mojib Latif
Leiter des Forschungsbereiches Ozeanzirkulation und Klimadynamik, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR), Kiel
Prof. Dr. Daniela Domeisen
Assistenzprofessorin am Institut für Atmosphäre und Klima, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, Schweiz
Dr. Malte Stuecker
Assistenzprofessor am Department of Oceanography und am International Pacific Research Center, University of Hawaiʻi at Mānoa, USA