EU-Emissionshandel für Gebäude und Verkehr: Gefährden Kompromisse seine Wirksamkeit?
In den kommenden Wochen stimmt das EU-Parlament über die Ausweitung des Europäischen Emissionshandels auf die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr ab. Dies ist eins der zentralen Vorhaben des Green Deals, mit dem die EU bis 2030 ihre Emissionen verglichen mit 1990 um 55 Prozent senken und bis 2050 klimaneutral werden will. Ohne deutliche Emissionssenkungen in den Bereichen Gebäude und Verkehr sind diese Ziele nicht zu erreichen. Das EU-Parlament einigte sich am Dienstag nach langem Ringen auf einen Kompromiss, die Ausweitung des Emissionshandels ist jedoch weiterhin umstritten.
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Das SMC hat die die Expertinnen und den Experten am Ende des Press Briefings folgendes gefragt: „Wird der ETS-2 zum zahnlosen Tiger und wie sähe der ETS-2 aus, wenn Sie ihn designen dürften?“ Die Antworten stellen wir Ihnen nachfolgend als Statements zur Verfügung.
Professorin am Forschungszentrum Global Commons und Klimapolitik, Institut für Weltwirtschaft (IfW)
„Ich halte den ETS-2, wie er jetzt geplant ist, zumindest für einen erkennbaren Schritt in die richtige Richtung. Der große Vorteil ist, dass man dann in ein System eingestiegen ist, das man später einfach nachschärfen kann. Insofern möchte ich das auch nicht ganz kleinreden. Wenn ich den ETS-2 selbst designen könnte, würde ich ihn von vornherein mit allen Emissionen im Transport- und Wärmesektor designen, aber am Anfang noch getrennt vom ETS-1 lassen, um auch in diesen Sektoren erstmal Erfahrungen zu sammeln und zu sehen, wie die Umsetzung funktioniert. Auch weil der ETS-1 die Sektoren sind, die stärker von Carbon Leakage betroffen sind, so dass man sie vielleicht auch erst mal ein Stück vor hohen Preisen schützen muss. Aber der CO2-Preis ist nicht alles.
Gerade im Transportsektor muss man auch in die Infrastruktur investieren und an vielen anderen Stellen parallel ansetzen: Von der Städteplanung, die weg muss von rein aufs Auto zentrierter Planung, wie wir sie nach dem Weltkrieg haben, bis hin zum Ausbau der Bahnnetze und der Bahninfrastruktur und des ÖPNV und so weiter. Das muss ganz viel begleitend sein. Man muss auch technologische Entwicklungen weiter fördern, so dass die einsetzbar sind. Man muss in Fachkräfte investieren, die wir brauchen für die Wärmewende und so weiter. Das ist tatsächlich nur ein Baustein, aber ich wünsche mir, dass es ein sehr zentraler Baustein ist, der dann begleitet wird von anderen und nicht neben einem undurchsichtigen Mischmasch an unterschiedlichsten Maßnahmen irgendwo so einfach nebenbei und unwirksam mitläuft.“
Generalsekretärin am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), Berlin
„Ob das ein zahnloser Tiger wird, das wird man in den Verhandlungen sehen. Ich sehe auch die Gefahr, dass wir einen starken Flickenteppich haben und wie gesagt, vielleicht noch ETS-3 einführen. Dann ist die Gefahr, dass auf Dauer der CO2-Preis keine starke Rolle spielt.
Das wäre problematisch, weil ich glaube, wir brauchen für die Transformation einen starken CO2-Preis. Von daher, wenn ich das designen würde - aber das ist natürlich müßig, weil die Politik handelt die Kompromisse aus -, würde ich jetzt einen ETS-2 aufbauen und ab 2030 den mit dem ETS-1 zusammenführen. Das wäre mein Plan, aber ich möchte ihn als Politikerin nicht verhandeln. Noch zum sozialen Ausgleich: Natürlich müsste der dann damit einhergehen, aber: Alle Instrumente haben eine Verteilungswirkung und Klimapolitik kann dann nicht die bessere Sozialpolitik sein. Von daher müssen wir das auch noch mal trennen und dieses Instrument des CO2-Preises nicht überfrachten damit, dass man auch noch sagt, der muss man auch noch alle sozialen Probleme lösen.“
Professor für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit, Ruhr-Universität Bochum
„Man muss im Hinterkopf behalten, dass wir jetzt diese Verhandlungen über die Klimapolitik in Europa in den zwanziger Jahren vor dem Hintergrund der Corona-Krise geführt haben und aktuell vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Ukraine mit extrem hohen Energiepreisen, die daraus entstehen. Sowohl die Leistungsfähigkeit der Länder, als auch die Preise für Energie sind im Moment in schlechtest möglichen Konditionen. Das bedeutet, dass man jetzt eine Weichenstellung macht für die zwanziger Jahre, die tatsächlich dazu führen könnte, dass wir in der zweiten Hälfte der 2020er in der Situation sind, wo sich vielleicht einige dieser Probleme wieder stark reduziert haben, aber dann der klimapolitische Hebel nicht so ausgestaltet ist, wie man ihn eigentlich haben möchte. Und das macht mir große Sorgen, denn wenn Energiepreise sich wieder in Richtung Normalität bewegen sollten, dann fehlt uns das starke Instrument der CO2-Bepreisung, um hier wirksamen Klimaschutz zu leisten. Aus meiner Sicht bedeutet das, dass man jetzt nicht bis 2029 wartet oder bis in das neue Jahrzehnt, um breit diese Anreizwirkungen zu machen und sich auch noch mal überlegt, ob es eine Möglichkeit gibt, im Laufe dieses Jahrzehnts noch mal auf die Frage der CO2-Bepreisung draufzuschauen. Das wird eine ganz wichtige Stellschraube sein. Wenn wir die jetzt aus der Hand geben in ganz vielen Kontexten, dann kann man sich erst mal drüber freuen, dass man das überhaupt anerkannt hat, dass das das beste Instrument in der Klimapolitik ist. Aber da ist das Glas dann tatsächlich schon mehr als halb leer.“
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] EU-Kommission (14.07.2021): Vorschlag der EU-Kommission zur Revision des Europäischen Emissionshandels.
[II] EU-Kommission (14.07.2021): Emissions Trading – Putting a Price on carbon.
[III] European Environmental Agency (18.11.2021): Greenhouse gas emissions from transport in Europe.
[IV] European Environmental Agency (16.10.2021): Greenhouse gas emissions from energy use in buildings in Europe.
Prof. Dr. Sonja Peterson
Professorin am Forschungszentrum Global Commons und Klimapolitik, Institut für Weltwirtschaft (IfW)
Dr. Brigitte Knopf
Generalsekretärin am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), Berlin
Prof. Dr. Andreas Löschel
Professor für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit, Ruhr-Universität Bochum