Ukraine-Krieg: Was tun ohne Gas, Öl und Kohle aus Russland?
Je länger der Krieg in der Ukraine dauert und je heftiger die Städte beschossen und bombardiert werden, umso stärker wird der Druck, die Sanktionen zu verstärken und Russland da zu treffen, wo es wirklich schmerzt: Beim Handel mit Brennstoffen. Ein wichtiger Teil des russischen Staatshaushalts stammt aus den Einnahmen des Öl-, Gas- und Kohlegeschäfts. Brächen diese Einnahmen weg, würde es für die russische Führung auf lange Sicht schwierig, den Krieg fortzusetzen – so die Hoffnung.
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Das Transkript können Sie hier als pdf herunterladen.
Das SMC hat die Experten am Ende des Press Briefings um kurze Zusammenfassungen gebeten, was nun passieren muss, damit ein Gas-, Öl- oder Kohleboykott für Deutschland handhabbar wäre. Diese stellen wir Ihnen nachfolgend als Statements zur Verfügung.
Senior Scientist und Energieexperte am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, Freiburg
„Die Frage ist ja, von wem der Boykott kommt. Meines Erachtens wird dieser Krieg in der Ukraine dramatisch. Wenn man da die Parallelen zu Aleppo oder anderen Einsatzorten, wo die russische Armee schon war, [zieht] , dann wird es noch viel dramatischer. Und da finde ich, aus vielen Gründen bleibt uns eigentlich nichts anderes, als dass SWIFT die Blockade auf alle Bereiche, auf alle Banken ausdehnt, und damit schalten wir dann praktisch auch im Endeffekt das Öl und Gas selber ab. Wir kommen jetzt durch diesen Winter ganz gut durch. Wir können im Sommer den Einkauf diversifizieren, schauen, wie wir uns für den nächsten Winter rüsten. Aber es ist schon ein Unterschied, ob man jede Stunde ums eigene Leben bangen muss oder ob wir nur darum bangen müssen, nächsten Winter vielleicht drei Grad weniger in der Wohnung zu haben.“
Wissenschaftlicher Geschäftsführer und Fachbereichsleiter Energie am Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu)
„Was wir jetzt hier machen, ist, mit aller Kraft wirklich die politischen Weichen zu stellen, damit nicht der Endkunde, die Endkundin, die Einzelnen sich alles zusammensuchen müssen an Informationen und an Handlungsmöglichkeiten. Also zum Beispiel wirklich gute Förderung für alles, was da ist. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, zu entschlacken und das in kurzer Zeit. Also Oster-Paket, Sommer-Paket, Herbst-Paket werden da die entsprechenden Stichworte sein. Aber dabei auch diese individuelle Ebene nicht zu vergessen.“
„Ich habe gerade während wir hier sprechen, einen Link bekommen zu einer Kampagne, die ein Bekannter gemacht hat: Dreh die Heizung runter, da kann man sich dann selber eintragen. Also das ist diese Idee, Tupper-Partys überzeugen, tatsächlich auch selber agieren. Es ist ja auch so, dass das einem letztendlich ein gutes Gefühl gibt, wenn man Handlungsmöglichkeiten hat. Und das beides zusammenbringen: Also die Infrastrukturen verändern, die staatlichen Rahmenbedingungen und das individuelle Handeln, das ist eigentlich das, worum es aus meiner Sicht jetzt geht. Und ich hoffe, dass da jetzt wirklich ein Feuerwerk an Ideen zustande kommt.“
Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg
„Zwei Dinge: Erstens, die Prioritäten richtig setzen, zweitens, positive Beispiele kommunizieren. Prioritäten richtig setzen: Wir haben viel Aufmerksamkeit in Digitalisierung und IT und was weiß ich, was alles jetzt. Aber Sie sehen jetzt in der Ukraine, was wirklich essenziell ist: dass ich Energie habe. Ohne Strom läuft kein Kühlschrank und keine Heizung und kein gar nichts. Wasser, Nahrung, Energie sind die Basics.“
„Ich habe zwei Jahre lang in der Entwicklungszusammenarbeit in Kenia gearbeitet. Ich habe ohne Wasser und Strom teilweise gelebt. Ich habe das am eigenen Leib erlebt. Das ist total wichtig, dass wir das priorisieren und nach oben stellen in der Agenda. Und was nützt es uns, wenn wir am Ende ganz viel, also salopp gesagt, viele Arten haben und Denkmäler, aber keinen Lebensraum mehr haben oder der Krieg wieder über uns hereinbricht.“
„Also, wir müssen in der Schutzgüterabwägung umdenken – da ist der Wind- und Solarenergieausbau der Schlüssel schlechthin, weil es der einzige Garant ist, dass der Strom bei uns und europaweit bezahlbar bleibt. Das müssen wir an erste Stelle setzen und das andere hintenanstellen und dafür die Rechtsgrundlage schaffen.“
„Der zweite Punkt: Positive Beispiele kommunizieren. [Damit] meine ich einerseits in der Presse, aber andererseits auch politisch. Nicht nur das, was wir als Wissenschaftler sagen und dann hört man es wieder nicht, sondern das wirklich vorantreiben und positive Beispiele vom Energiesparen zeigen. Von einer Freifläche, wo nicht mehr gespritzt und gedüngt wird, dass es dem Boden besser geht. Von einem Windpark, wo die Community vor Ort profitiert. So was muss man viel mehr kommunizieren und sexy machen und schön machen und toll machen. Und dann haben wir auch die Mehrheit der Bevölkerung hinter uns. Und natürlich bei den sozialen Notfällen ausgleichen. Aber das ist für mich psychologisch fast der wichtigste Weg, die Leute darauf einzunorden, dass wir jetzt einen Gang zulegen in der Energiewende, den es absolut braucht, weil wir nicht weiter diesen Krieg mitfinanzieren wollen.“
Prof. Dr. Bruno Burger
Senior Scientist und Energieexperte am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, Freiburg
Dr. Martin Pehnt
Wissenschaftlicher Geschäftsführer und Fachbereichsleiter Energie am Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu)
Prof. Dr. Michael Sterner
Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg