Booster-Impfung und Delta-Variante – Impfstrategie im Lichte neuer Erkenntnisse zur Immunantwort nach SARS-CoV-2-Impfungen
Die Stärke und Dauer der erworbenen Immunantwort nach einer Impfung gegen SARS-CoV-2 und COVID-19 ist entscheidend für den zukünftigen Impfschutz – und damit auch für die Impfstrategie.
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Das SMC hat die Expertinnen und Experten am Ende des Press Briefings um kurze Abschlussstatements zu noch offenen Forschungsfragen und einer möglichen Anpassung der Impfstrategie gebeten. Diese möchten wir Ihnen nachfolgend als Statements zur Verfügung stellen.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Sektion Infektiologie, Schwerpunkt Emerging Infections, I. Medizinische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
„Also, was fehlt, ist ein Korrelat für die Protektion gegen Krankheit - zum Beispiel, dass man messen kann: Wir haben Antikörper mit dem Wert 2, sagen wir mal, und den müssen wir erreichen, um zu schützen, und den gibt es nicht. Und das würde, glaube ich ja für die Entwicklung neuer Impfstoffe, für Auffrischungsimpfungen, sehr hilfreich sein, weil man einen Wert hat, an dem man sich entlanghangeln kann - ob diese Menschen geschützt sind, ob die Antikörper gut sind, ob die Booster-Impfung gut ist und so weiter. Ich denke schon, dass eine Auffrischungsimpfung sinnvoll ist, und von anderen Impfungen weiß man ja auch, dass ein später Boost die Gedächtniszellen noch mal so pusht und den Pool so vergrößert, dass man dann auch über ein, zwei Jahre, ich hoffe mehr, keine Impfung mehr benötigt.“
Arbeitsgruppenleiterin im Translational experimental immunology lab, Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg
„Wir müssen wirklich dieses Korrelat finden, was aber sehr herausfordernd ist. Und ich glaube, es ist wichtig, ein Korrelat dazu zu finden, welcher Wert jetzt bei den Antikörpern, die leicht gemessen werden können, entscheidend ist - was eben zu schweren Erkrankung führt. Und das muss auch in der Klinik wirklich umgesetzt werden können. Also nicht diese absolute Protektion, sondern der Fokus auf schwere Erkrankung, auch in Hinblick auf zukünftige Impfstoffentwicklung. Und in Bezug auf die Booster-Impfung: Ich gehe auch davon aus, dass wir boostern müssen. Ich denke nicht, dass es im Halbjahresabstand sein wird. Aber einfach basierend auch auf den anderen Erfahrungen mit Impfstoffen gehe ich davon aus, dass es Booster-Impfungen geben wird.“
Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung, Charité – Universitätsmedizin Berlin
„Wir müssen ein Schutzkorrelat definieren, wenn das möglich ist. Ich bin ein bisschen vorsichtig, dass das überhaupt möglich sein wird, zumal selbst wenn wir jetzt eins gehabt hätten und eine neue Virusvariante kommt, es wiederum schwierig sein wird, dieses Korrelat anzuwenden. Wir wissen noch nicht ausreichend gut etwas über die Dauer des Immunschutzes, wobei alle Daten darauf hindeuten, dass sich wie erwartet ein Immungedächtnis ausbildet, was dann auch wieder mobilisiert werden kann. Wir sind aktuell noch in der Pandemiesituation, in der sich das Virus teilweise noch relativ ungebremst verbreiten kann, in der noch neue Varianten weiter entstehen und in der wir weiterhin so eine schwierige Übergangsphase haben mit noch vulnerablen Anteilen in der Bevölkerung. Dass deswegen beispielsweise jetzt Booster-Impfungen bei hoch gefährdeten Personen absolut sinnvoll sein können. Dass wir aber natürlich auf die Dauer in den Zustand kommen werden, dass dieses Virus endemisch ist, es eigentlich im Grunde immer auf immune Personen treffen wird, die entweder mal Kontakt mit dem Erreger hatten oder geimpft sind, mit wenigen Ausnahmen ausgenommen; sodass ich glaube, dass es vielleicht jetzt zu Beginn sein kann, dass auch sonst gesunde Erwachsene sich noch mal auffrischen müssen, vielleicht auch irgendwann im Lichte neuer Varianten noch mal eine Booster-Impfung notwendig wird. Ich glaube im Übrigen, dass die herkömmlichen Impfstoffe dafür ausreichen. Und dass wir uns nicht regelmäßig jedes Jahr oder so auffrischen müssen. Das ist ja ein treppenartiger Anstieg, wenn Sie sich boostern, aber dass man vielleicht irgendwann das noch mal mit Influenza-Impfstoffen kombiniert und dass es dann vielleicht wie bei anderen Impfstoffen ist: alle zehn Jahre oder Ähnliches, oder wir eben auch gar nicht mehr impfen müssen, weil wir uns endogen immer wieder dadurch boostern, dass wir Kontakt haben mit einem Virus, was einfach saisonal zirkuliert.“
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Thomas SJ et al. (2021): Six Month Safety and Efficacy of the BNT162b2 mRNA COVID-19 Vaccine. medRxiv. DOI: 10.1101/2021.07.28.21261159.
[II] Ministry of Health (06.07.2021): Explanation About the Effectiveness of the Vaccine for Coronavirus in Israel.
[III] Sheikh A et al. (2021): SARS-CoV-2 Delta VOC in Scotland: demographics, risk of hospital admission, and vaccine effectiveness. The Lancet; 397 (10293): 2461-2462. DOI: 10.1016/S0140-6736(21)01358-1.
[IV] Brown CM et al. (2021): Outbreak of SARS-CoV-2 Infections, Including COVID-19 Vaccine Breakthrough Infections, Associated with Large Public Gatherings — Barnstable County, Massachusetts, July 2021. Centers for Disease Control and Prevention.
[V] Chia PY et al. (2021): Virological and serological kinetics of SARS-CoV-2 Delta variant vaccine-breakthrough infections: a multi-center cohort study. medRxiv. DOI: 10.1101/2021.07.28.21261295.
[VI] Public Health England (30.06.2021): JCVI issues interim advice on COVID-19 booster vaccination.
Dr. Christine Dahlke
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Sektion Infektiologie, Schwerpunkt Emerging Infections, I. Medizinische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Dr. Maike Hofmann
Arbeitsgruppenleiterin im Translational experimental immunology lab, Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg
Prof. Dr. Leif Erik Sander
Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung, Charité – Universitätsmedizin Berlin