Steht der Quantenrechner vor der Tür? Forschung, Förderung und Blick in die Zukunft bei Quantentechnologien
Quantencomputer sollen eine der wichtigsten Technologien der Zukunft werden. In der Kryptographie könnten sie bald aktuelle Verschlüsselungsmethoden knacken oder neue Methoden möglich machen. Im Bereich der Materialforschung und -entwicklung sollen sie helfen, Strukturen von Chemikalien, Molekülen oder Medikamenten besser zu berechnen und zu simulieren – oder gar ganz neue Wege ermöglichen. Auch im Bereich von Optimierungsprozessen, Risikoanalysen und Detektion von Produktionsfehlern erhoffen sich Forschende Durchbrüche.
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Das SMC hat die Experten am Ende des Press Briefings um kurze Zusammenfassungen zur Frage gebeten, was sie für den wichtigsten Aspekt der Diskussion halten, sei es in Bezug auf das allgemeine Verständnis des Themas und Erwartungshaltung, sei es in Bezug auf mögliche Durchbrüche und Anwendungen in nächster Zeit oder Förderungs- und Forschungsstrukturen. Diese möchten wir Ihnen nachfolgend als Statements zur Verfügung stellen.
Professor für experimentelle Physik, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), und Direktor und Leiter der Abteilung Quanten-Vielteilchensysteme, Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching bei München
„Ich hoffe, Sie können mitnehmen, dass es ein spannendes Forschungs- und Technologiefeld ist und dass es sich unbedingt lohnt, das zu entwickeln – dass wir aber noch vor gewaltigen Herausforderungen stehen, was die Skalierung dieser Technologie betrifft, die wirklich ungelöst sind. Das sind nicht rein technische Fragen, sondern wirklich fundamentale Fragen. Der Payoff kann natürlich sehr groß sein und deswegen sollten wir als Gesellschaft eine Art Venture Capital spielen, die hier investiert, um die großen Chancen, die sich daraus ergeben können, wirklich möglich zu machen.“
„Was Sie vielleicht auch mitnehmen sollten: Die Anzahl der Qubits ist nicht alles. Das erzählen wir immer wieder. Bitte nicht jedem sofort glauben, er ist besser und toller, wenn er Faktor zehn mehr Qubits hat. Es sollte auch rausgekommen sein, dass es unbedingt auf die Qualität der Qubits ankommt, deswegen sagt die Zahl erst einmal alleine überhaupt nichts aus.“
„Und im Kontext der Forschungsförderung: Verfolgen Sie die nächsten Wochen, wenn das deutsche Programm rauskommt, wenn es sich konkreter formiert und dann vielleicht im Herbst die Projekte starten können. Dann wird das aktuelle Umfeld in Deutschland aber auch in der EU sicherlich noch einmal wesentlich aktiver werden. Das wird sicherlich auch in den nächsten Jahren passieren.“
Leiter des Instituts für Quantencomputer-Analytik, Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ), und Koordinator des Projekts OpenSuperQ
„Die Zahl der Qubits ist nicht immer ausschlaggebend, das hat Immanuel Bloch schon gesagt. Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass ein Quantencomputer als Forschungs- und Entwicklungsgroßgerät ein komplexes System mit vielen Komponenten ist und die Leistungsfähigkeit durch die schwächste Komponente bestimmt wird. Das stellt aber gleichzeitig die Chance für Deutschland dar, da es hier eine breite Expertise in sehr vielen technologischen Aufgaben gibt. Da besteht die Möglichkeit, eine wichtige Rolle zu spielen und das gesamte Ökosystem abzudecken. Ich bin in Nord-Württemberg aufgewachsen, Heimat der Hidden Champions und ich glaube, dieses Mindset kann man auch auf Deutschland übertragen.“
Professor für Theoretische Physik, Center for Quantum Physics, Universität Innsbruck, und Forschungsleiter am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Innsbruck, Österreich
„Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass man sich der Rolle Europas in diesem Kontext bewusst wird. Wir haben betont, dass wir bei Quantentechnologien hauptsächlich noch in der Grundlagenforschung sind und deswegen die internationale Gemeinschaft diese Dinge betreibt. Ich mache mir ein bisschen Sorgen, wo Europa steht. Auf der einen Seite steht Europa in der Quantenphysik oder Quantum Science in vielerlei Hinsicht führend da, europäische Wissenschaftler sind wirklich hervorragend aufgestellt. Aber diese Dinge dann auch in Richtung Industrie zu entwickeln, oder dass dann Start-ups entstehen, da ist das Klima in Europa ein viel schwierigeres, wenn ich meine Kollegen in den USA anschaue, die dann ihre Firmen gründen und dann natürlich sehr leicht zu Venture Capital kommen. Zum Beispiel ist es in den USA so, dass es von oben die Entscheidung gibt, große National Labs zu machen. Dann muss man sich die Frage stellen, sollte vielleicht die EU hier einspringen und so etwas wie einen ‚National Court of Labs‘ machen. Ich glaube, die EU ist ein bisschen zu politisch aufgestellt und deswegen bleibt es in den einzelnen Ländern. Gerade große Länder wie Deutschland müssen aber aus meiner Sicht in dem Kontext eine führende Rolle übernehmen.“
„Mich fragen immer wieder Leute, ist es eigentlich schon zu spät in Europa? Die Antwort ist nein, keinesfalls ist es in Europa zu spät. Aber ich glaube, wir haben auch nicht mehr allzu viel Zeit und wir müssen wirklich schauen, dass wir diese europäischen Fähigkeiten, die wir in dem akademischen Kontext haben, effizienter in dem Industriekontext mit Start-ups einbringen. Hier sind Mechanismen gefragt, nicht nur, wenn es um Venture Capital geht, sondern auch, dass das ganze Klima in Europa ein bisschen offener wird in diese Richtung. Wir schauen neidvoll in die USA, wo diese Dinge eine lange historische Kultur haben. Ich würde mir sehr erhoffen, dass wir in Europa eine Chance bekommen, das darzustellen, was wir auf Seiten der Wissenschaft liefern.“
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Arute F et al. (2019): Quantum supremacy using a programmable superconducting processor. Nature; 574: 505-510. DOI: 10.1038/s41586-019-1666-5.
[II] Die Bundesregierung (15.01.2021): Bund fördert Quantentechnologien. Lösungen für komplexe Zusammenhänge.
[III] European Commission (29.10.2018): Quantum Technologies Flagship kicks off with first 20 projects. Press Release.
[IV] OpenSuperQ (o.D.): About OpenSuperQ.
Prof. Dr. Immanuel Bloch
Professor für experimentelle Physik, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), und Direktor und Leiter der Abteilung Quanten-Vielteilchensysteme, Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching bei München
Prof. Dr. Frank Wilhelm-Mauch
Leiter des Instituts für Quantencomputer-Analytik, Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ), und Koordinator des Projekts OpenSuperQ
Prof. Dr. Peter Zoller
Professor für Theoretische Physik, Center for Quantum Physics, Universität Innsbruck, und Forschungsleiter am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Innsbruck, Österreich