Systemwechsel oder nicht – die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU vor dem Abschluss. Gelingt der Weg in eine nachhaltige Landwirtschaft?
Den Auftakt macht am Mittwoch (17.03.2021) eine extra einberufene Sonderkonferenz der Agrarministerinnen und Agrarminister der deutschen Bundesländer.
Am 22. und 23. März tagt dann der EU-Agrarrat,
in dessen Anschluss – in einem sogenannten Super-Trilog – auf europäischer Ebene EU-Parlament, EU-Rat und EU-Kommission versuchen werden, für die noch unterschiedlichen Vorstellungen einen Kompromiss zu finden.
Am 24. März schließlich soll das Thema auf der Tagesordnung im Kabinett der Bundesregierung stehen, die dann ihren Vorschlag für die nationale Umsetzung der GAP-Beschlüsse verabschieden könnte – ohne dass bis dahin schon klar ist, wie genau die Vorgaben aus Brüssel aussehen werden.
In den nächsten Tagen wird maßgeblich darüber entschieden, wie die europäische und die deutsche Landwirtschaft bis zum Jahr 2027 aussehen soll. Denn die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU, über die alle sieben Jahre verhandelt wird, steht unmittelbar vor den entscheidenden Verhandlungsschritten. Auch die Diskussionen um die nationale Umsetzung in Deutschland biegen auf die Zielgerade ein. Gleich mehrere wichtige Verhandlungen auf verschiedenen nationalen und internationalen Ebenen finden in den kommenden Tagen statt. Es geht dabei um mehrere hundert Milliarden Euro und der Prozess ist absolut richtungsweisend für die europäische Agrar- und Klimapolitik.
Das Transkript können Sie hier als pdf herunterladen.
Das SMC hat die Experten am Ende des Press Briefings um kurze Zusammenfassungen zur Frage gebeten, was in der neuen GAP nicht fehlen darf, wann es ein schlechter beziehungsweise ein guter Beschluss wäre und gefragt, inwiefern es überhaupt eine Lösung gibt, bei der am Ende alle sagen: Gut so!“. Diese möchten wir Ihnen nachfolgend als Statements zur Verfügung stellen.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsggruppe Ökosystemleistungen, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), Leipzig UND Department für Ökosystemleistungen, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig
„Eine GAP für Nachhaltigkeit ist der richtige Weg. Die neuen Ziele der GAP, die gerade geplant sind, sind eigentlich nicht schlecht, aber sie werden nicht erreicht werden, wenn es immer so ist, dass die Gelder eine Richtung bevorzugen und nicht effektiv alle Ziele zusammen im Blick haben. Wir wissen, dass es auch Trade Offs gibt zwischen verschiedenen Ziele und es gibt dafür auch die Instrumente. Die Agrar-Umwelt-Maßnahmen sind extrem wichtig, die Einkommensaspekte sind wichtig, aber nicht in der bisherigen Form der Direktzahlungen. Deswegen würde ich sagen, eine 2. Säule, aber in eine Nachhaltigkeits-Richtung, ist die richtige Richtung für die GAP in Zukunft. Wir haben auch schon zusammen mit 3.600 Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen vorgeschlagen, wie das erreicht werden kann, ohne extreme Änderungen der GAP oder ohne einen Herzinfarkt bei den Landwirten auszulösen. Das ist ein gradueller, allmählicher Prozess, aber das könnte auch innerhalb von ein paar Jahre erreicht werden, wenn der Wille da ist. Also: eine GAP für Nachhaltigkeit ist die Antwort.“
Leiter der Abteilung Landwirtschaftliche Betriebslehre und Produktionsökonomie, Institut für Agrarökonomie. Agrar- und Ernährungswissenschaftliche Fakultät, Christina-Albrechts-Universität, Kiel UND Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
„Für mich ist es leichter zu sagen, wie eine gute GAP aussehen sollte, als zu sagen, welche Elemente da nicht drin sein sollten. Aber um mit dem Letzten anzufangen: Konditionslos gezahlte Direktzahlungen sollten in einer zukünftigen GAP perspektivisch in zehn Jahren oder am Ende der nächsten Förderperiode 2027 dann ab 2027 nicht mehr drin sein. Die GAP, die ich mir vorstelle, ist eine GAP, die von den großen Baustellen des Agrarsektors ausgeht und diese Baustellen adäquat adressiert. Ich hatte sie ja genannt: Biodiversität, Gewässerschutz, Beitrag zum Klima, also zur Reduktion von Treibhausgasemissionen, Tierwohl und so weiter. Das sind die großen Bereiche, in denen absoluter Handlungsbedarf besteht. Und idealerweise würde man so vorgehen, dass man sich jedes einzelne Thema vornimmt und sich anschaut, mit welchen umweltpolitischen Instrumenten erreichen wir diese Ziele am günstigsten? Wie teuer ist das? Dann entsprechend Mittel diesen einzelnen Zielen und Maßnahmen zuweist und die dann effizient umsetzt. Wenn dann ein Mitgliedsstaat meint, er müsse nach wie vor die Einkommen von Landwirten stützen, dann sollte das auch möglich sein. Aber dann bitte in Form von co-finanzierten Zahlungen, also dass die Mittel, die von der EU kommen – sagen wir zu 50 Prozent – mit nationalen Mitteln co-finanziert werden müssen. Dann steht nämlich die Einkommensunterstützung der Landwirte in direkter Konkurrenz zu mehr Lehrern, mehr Polizeibeamten und so weiter.“
Professor für Agrarökonomie, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät, Universität Rostock
„Es ist jetzt schwierig, da noch wirklich neue Aspekte zu ergänzen. Ich denke ein wichtiger Punkt ist heute bisher noch kaum zur Sprache gekommen, nämlich die Umsetzung der europäischen Naturschutzrichtlinie, der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Dort gibt es ein Vertragsverletzungsverfahren. Wenn es uns in Deutschland gelingt, in der nächsten Förderperiode Programme aufzulegen, die spezielle, geschützte Biotope oder Arten sachgerecht schützt beziehungsweise Landwirte dafür entlohnt, wäre sehr, sehr viel erreicht. Es wäre sehr viel erreicht, wenn wir eine vernünftige Moorschutz-Strategie wirklich auf den Weg bringen. Und drittens wäre sehr, sehr viel erreicht – und das würde ich mir eigentlich wünschen –, wenn landwirtschaftliche Betriebe sich das Angebot der zukünftigen GAP angucken – das ist jetzt eine Vision – wenn Landwirte sich die Maßnahmen angucken und sagen: ‚Ja, das ist interessant, da mach ich mit. Und ich nehme diese Umweltherausforderungen so ernst, dass ich einen Betriebszweig Umweltschutz, einen Betriebszweig Naturschutz wirklich bei mir im Betrieb etabliere und sozusagen ein Teil meines Einkommens darüber bestreite öffentliche Güter – Naturschutz, Klimaschutz, Biodiversität – bereitzustellen.‘ Das wäre eigentlich die Art Transformation, die ich für wichtig halten würde. Das heißt, dass wir nicht nur einfach über Techniken oder Ausgabenanteile reden, sondern dass wir die Praktiker mit Fördermaßnahmen so erreichen, dass sie sagen: ‚Ja, das hilft meinem Betrieb auch, mich zu verändern. Das hilft auch, meine Außendarstellung zu verbessern‘. Viele Landwirte fühlen sich im Moment in der Defensive, fühlen sich gesellschaftlich nicht wertgeschätzt. Und ich fände es wichtig, dass die GAP auch einen Beitrag dazu leistet, dass der landwirtschaftliche Sektor, die einzelnen Betriebe besser dastehen und selber auch zeigen können: ‚Diesen Blühstreifen, den mach ich für die Allgemeinheit und das ist mein Beitrag zum gesellschaftlichen Wohl‘. Das müsste eine gute Agrarpolitik eigentlich auch fördern.“
Dr. Guy Pe’er
Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsggruppe Ökosystemleistungen, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), Leipzig UND Department für Ökosystemleistungen, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig
Prof. Dr. Uwe Latacz-Lohmann
Leiter der Abteilung Landwirtschaftliche Betriebslehre und Produktionsökonomie, Institut für Agrarökonomie. Agrar- und Ernährungswissenschaftliche Fakultät, Christina-Albrechts-Universität, Kiel UND Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
Prof. Dr. Sebastian Lakner
Professor für Agrarökonomie, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät, Universität Rostock