Weltweit verfügbare Flächen zur Aufforstung zum Klimaschutz
Weltweit könnten auf einer Fläche von 900 Millionen Hektar Bäume gepflanzt werden, um durch diese Aufforstung Kohlendioxid der Atmosphäre zu entziehen und so den Klimawandel abzubremsen. Die Fläche ist größer als die Gesamtfläche von Brasilien (852 Millionen Hektar).
Leiter der Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH (MCC), Berlin
„Die Studie setzt neue methodische Standards, weil sie das Potenzial der Aufforstung mit hoher räumlicher Auflösung und mit Hilfe von Methoden der künstlichen Intelligenz berechnet. Damit können geographische Unterschiede viel besser als bisher berücksichtigt werden. Hiermit wird auch gezeigt, dass die künstliche Intelligenz ein großes Potenzial für die Klimawissenschaften und speziell auch für die Abschwächung des Klimawandels bietet. Die Möglichkeiten der KI für die Klimaforschung haben wir auch in einem Hintergrundbericht [1] zusammen mit KI-Forschern herausgearbeitet.“
„Die flächenreichen Länder Russland, Kanada, USA, Brasilien, Australien und China haben das meiste Potenzial für zusätzliche Bewaldung und können mehr hierin investieren. Gleichzeitig ist es aber noch wichtiger, dass erst einmal die Entwaldung gestoppt wird, speziell in Brasilien und Indonesien. Dabei spielt die deutsche und europäische Fleischproduktion eine erhebliche Rolle. In den Massentierhaltungen werden nämlich Geflügel und Schweine, aber auch Rinder mit vorwiegend brasilianischem Soja gefüttert – welches wiederum stark mit tropischer Entwaldung und katastrophalem Verlust der Artenvielfalt verbunden ist. Verbraucher können also ihren Beitrag leisten, indem sie den Fleischkonsum einschränken. Das Bundeslandwirtschaftsministerium sollte sich von der Agrarlobby lösen und eine rasche und vollständige Umstellung auf ökologische und artgerechte Landwirtschaft vorantreiben, die deutlich weniger Soja als Futtermittel braucht. Beide Maßnahmen helfen auch dem Regenwald im Amazonas.“
„Aufforstung kann vielerorts stattfinden, und jeder kann sich hier beteiligen. Die vielfältige aktive Teilhabe an dieser Klimaschutzmaßnahme ist ein unterschätzter Aspekt und verdient mehr Aufmerksamkeit. Statt abstrakten Diskussionen über Klimaschutz zuzuhören kann jeder hier sein Scherflein selbst beitragen.“
„Die Aufforstung kann trotz allen Potenzials nur eine von vielen Maßnahmen für den Klimaschutz sein. Eine rasche Abkehr vom fossilen Wirtschaftsmodell ist notwendig und kann mit Hilfe eines sektor-übergreifenden CO2-Preises am besten erreicht werden.“
Inhaberin des Lehrstuhls für Physische Geographie und Landnutzungssysteme, Department für Geographie, Ludwig-Maximilians-Universität München
„Der Fokus der Klimapolitik liegt auf der Aufnahme von Kohlendioxid. Das vernachlässigt die sogenannten biogeophysikalischen Effekte von Änderungen in Waldflächen – also Änderungen in Energie- und Wasserflüssen. Aus der Vogelperspektive ist ein Wald dunkel, absorbiert also oft mehr Sonnenlicht als Acker- oder Grasland – das wärmt. Gleichzeitig verdunstet ein Wald mit seiner großen Blattfläche oft mehr – das kühlt. Welcher Effekt überwiegt, hängt von den regionalen Gegebenheiten und der speziellen Aufforstungsmaßnahme ab. Mehrere neuere Analysen von Beobachtungsdaten und Modellsimulationen zeigen, dass Wälder in vielen Regionen – insbesondere der mittleren Breiten und der Tropen – über die biogeophysikalischen Effekte die Lufttemperatur abkühlen, mitunter um mehrere Grad. Auch Temperaturextreme werden mitunter abgemildert. Solche Änderungen beeinflussen die Lebensbedingungen vor Ort oft deutlich stärker als die überregionalen Effekte einer Aufforstungsmaßnahme, wie Änderungen des Kohlendioxid-Gehalts der Atmosphäre oder Veränderung im globalen Energie- und Wasserhaushalt. Aufforstung und andere Landnutzungsänderungen können somit wichtige Maßnahmen zur Adaption sein, der Anpassung an den Klimawandel. Im Idealfall dienen Wälder gleichzeitig der Adaption vor Ort und der Minderung des globalen Temperaturanstiegs.“
Leitender Wissenschaftler im Forschungsbereich Resilienz, European Forest Institute (EFI), Bonn
„Es handelt sich in der Tat um eine grob-skalige Abschätzung. Es sollte aber bedacht werden, dass es auf diesem Maßstab keine wirklich verlässlichen Standort-Kartierungen gibt. Das Besondere an dieser Studie ist der Fokus auf ‚Restoration‘, also auf die Wiederbewaldung. Es gibt viele Abschätzungen zu CO2-Minderungspotenzialen durch Aufforstungen und es ist wichtig bei solchen Abschätzungen, den Landbedarf einer wachsenden Weltbevölkerung sowie aus anderen Sektoren realistisch abzuschätzen [2]. Wälder haben über mehrere Jahrzehnte einen beträchtlichen Anteil der globalen anthropogenen CO2-Emissionen gebunden [3]. Das erfolgte in der Regel als Nebeneffekt normaler Waldwirtschaft – mit geringeren Einschlägen als Zuwächsen – oder auch ungeplant als Konsequenz von natürlicher Sukzession (natürliche Rückkehr der standort-typischen Pflanzen nach einer Störung; Anm. d. Red.) – zum Beispiel nach der Aufgabe landwirtschaftlicher Nutzung. Aktive Wiederbewaldung geht darüber hinaus, indem gezielt die CO2-Speicherfunktion der Wälder erhöht werden soll.“
„Grundsätzlich ist zu bedenken, dass forstliche Klimaschutzmaßnahmen allein viel zu gering sind, um ambitionierte Klimaschutzziele zu erreichen. Allerdings kann durch ‚Climate Smart Forestry‘ eine Menge erreicht werden, um die Klimaschutzfunktion der Wälder zu maximieren [4]. Da alle Sektoren einen Beitrag leisten müssen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, zählt jede Fläche, und es sollte keine Untergrenze definiert werden. Nichtsdestotrotz sollte man sich nicht auf große Potenziale verlassen. Es geht vielmehr darum, umzudenken und den Nutzen in diesen Maßnahmen zu erkennen.“
„Es geht in der Studie um Wiederbewaldung und die größten Potenziale wurden in Russland identifiziert. Dort haben in den letzten Jahren riesige Waldbrände gewütet und die betroffenen Flächen bieten sich zur Wiederbewaldung an. Mir erscheint es allerdings fragwürdig, inwieweit gerade in Russland eine aktive Wiederbewaldung gefördert werden kann. Dazu fehlen die technischen Mittel, Arbeitskräfte und auch eine verlässliche institutionelle Unterstützung für solche Maßnahmen – anders als zum Beispiel in China. Es kann daher vermutlich überwiegend nur mit natürlichen Prozessen gearbeitet werden, die auf der natürlichen Ökosystem-Resilienz basieren.“
„Meiner Meinung nach ist die Wiederbewaldung eine wichtige Option in unserem Werkzeugkasten natürlicher Klimaschutzbestrebungen. Es hat sich gezeigt, dass die CO2-Speicherung in Sekundärwäldern lange deutlich unterschätzt worden ist [5].“
„Allerdings sollte neben der Wiederbewaldung noch viel stärker der Fokus auf die Vermeidung von Waldverlusten und die Prävention von Störungen wie Waldbränden, Käferkalamitäten und Sturmschäden gelegt werden. In Russland beispielsweise geht es eben nicht um konkurrierende ökonomische Interessen, sondern um unzureichende Bewirtschaftung – es fehlen auf vielen Ebenen die Bestrebungen, Waldverluste zu minimieren. Generell sollten wir global mehr in Störungsprävention und die Entwicklung resilienter Wälder investieren, damit CO2-Verluste vermieden werden können.“
„Das zeigt sich ganz aktuell ja auch in Deutschland, denn es gibt weiterhin zu viele hochgradig brandgefährdete Kiefernbestände – nicht nur, aber besonders gehäuft in Nordost-Deutschland. Waldumbau in weniger anfällige Mischbestände und konsequente Vorsorge wie Laubholzriegel, Brandschutzstreifen und Entnahme entflammbarer trockener Biomasse entlang von Verkehrswegen werden nicht überall angewendet.“
Leiterin der Arbeitsgruppe Pflanze-Atmosphäre Wechselwirkung und Leiterin der Abteilung für Ökosystem-Atmosphäre Wechselwirkung, Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie, Garmisch-Partenkirchen
„Ich denke, die Methodik der Studie ist weitgehend robust, vor allem auch, weil die Definition von ‚Wald‘ (die Autoren nutzen die FAO-Definition: Wald ist eine Fläche von mindestens 0,5 Hektar, die mindestens zu zehn Prozent mit Baumkronen von mindestens fünf Meter hohen Bäumen bedeckt ist und keine menschlichen Siedlungen oder Ackerbau aufweist [b]; Anm. d. Red.) sehr offen diskutiert ist und versucht wird, die unterschiedliche Baumdichte, die sich in unterschiedlichen Ökosystemen einstellt, zu berücksichtigen. Wenn man solche globalen Abschätzungen vornimmt, lässt es sich natürlich nicht vermeiden, dass man nicht alle Details berücksichtigen kann. Vor allem die Abschätzung der Kohlenstoffspeicherung ist sehr vereinfacht.“
„Drei hauptsächliche Kritikpunkte muss man aber berücksichtigen. Erstens: Wälder können abbrennen, werden von Schädlingen befallen oder durch Sturm geschädigt. Dies sind ganz natürliche Prozesse, die Teil der Waldökologie sind. Die Verluste können durch Forstmanagement gepuffert werden, aber verhindern lässt sich das nicht. Dadurch entstehen Kohlenstoff-‚Verluste‘, die das Potenzial reduzieren, CO2 langfristig zu binden.“
„Zweitens: Zudem haben Wälder nicht nur Klimawirksamkeit über die CO2-Aufnahme aus der Atmosphäre, sondern auch über sogenannte biophysikalische Prozesse, die regional das Klima beeinflussen. In den Tropen zum Beispiel wurde gezeigt, dass die starke Evapotranspiration (Verdunstung von Wasser durch Transpiration von Pflanzen und Tieren und von unbewachsenen und freien Flächen; Anm. d. Red.) von Wäldern eine regionale Abkühlung bewirken kann – dort stellt sich also durchaus ein Mehrwert ein, wenn Abholzung vermieden wird beziehungsweise Renaturierung stattfindet. Sowohl die CO2-Aufnahme ist positiv für das Klima als auch (regional) die Verdunstung. In nördlichen Breiten kann allerdings ein anderer biophysikalischer Prozess dominieren: die sogenannte Albedo. Vegetation absorbiert und reflektiert Sonnenlicht. Wälder sind häufiger ‚dunkler‘ als Ackerflächen – relativ wird mehr Licht absorbiert. Dadurch erwärmt sich die Oberfläche stärker, was regional zu einer höheren Temperatur führen kann. Besonders deutlich kann man das natürlich im Frühjahr sehen, wenn noch Schneebedeckung besteht. Es gibt Studien, die daher empfehlen – wenn es sich allein um die Klimawirksamkeit handelt – Waldrenaturierungs-Programme auf die Tropen zu beschränken.“
„Drittens: Dann ist da noch das Problem, dass die Bevölkerung von derzeit 7,7 Milliarden Menschen bis 2050 auf vielleicht 9,7 Milliarden ansteigt – nach Schätzungen der UN. In der aktuellen Studie wird die heutige Ackerfläche berücksichtigt, aber nicht der zusätzliche Bedarf an Nahrungsmitteln in den kommenden Dekaden. Dieser kann unter Umständen auf der derzeitigen Ackerfläche gedeckt werden. Allerdings bedeutet dies zusätzliche Intensivierung des Anbaus, mit den damit verbundenen potenziellen Problemen, wie unpräziser Düngung – und damit verbundener Verschmutzung des Trinkwassers und Lachgasemissionen –, Herbizid-Ausbringung oder Trinkwasserentnahme für Bewässerung.“
„Wenn man Wälder zu reinen Kohlendioxid-Senken reduziert, dann läuft man natürlich Gefahr, dass Aufforstungsprogramme nicht nachhaltig sind. Monokulturen nutzen zum Beispiel der Biodiversität ganz und gar nicht und können auch durchaus negative Effekte auf den lokalen Wasserhaushalt haben. Die Albedo-Aspekte und potenziell regionale Erwärmung habe ich ja schon erwähnt. Und gerade auch die natürliche Baumdichte sollte berücksichtigt werden – wenn zum Beispiel Savannen durch Eukalyptusplantagen ersetzt werden, ist das unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten Unsinn. Allerdings kann man durchaus mit nachwachsenden Wäldern Mehrwert generieren, wenn diese möglichst naturnah sind, sie also die natürliche Baumdichte und Artenzusammensetzung widerspiegeln. Und dann muss man eben auch berücksichtigen, dass gleichzeitig auch auf landwirtschaftlichen Flächen Nahrungsmittelproduktion ebenfalls nachhaltig gestaltet wird.“
„Wir kommen nicht umhin, Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe schnellstens und umfassend zu reduzieren. Dies hätte schon vor Jahrzehnten stattfinden sollen und die Zeit rennt einfach davon. ‚Natürliche Lösungen‘ in Ökosystemen können da durchaus einen Beitrag leisten, wenn das vernünftig gehandhabt wird. Zum Beispiel kann die Lachgas-Emission, die bei Düngung entsteht, sicher durch präzisere Dosierung reduziert werden. Viel wird ja auch über den Konsum diskutiert, vor allem übertriebener Fleischkonsum, der in der westlichen Welt gang und gäbe ist. Es muss sich nicht jeder sofort vegan ernähren, aber eine Reduktion von Fleisch hat einfach positive Effekte. Das liegt daran, dass zur Produktion von Fleisch landwirtschaftliche Fläche für Futtermittel benötigt wird. Und hinzukommen – bei Wiederkäuern – die Methanemissionen.“
„Auch sollte man sich vor Augen führen, dass zum Beispiel Baumwollkleidung Fläche benötigt – und viel Wasser. Auch hier besteht viel Potenzial, als Konsument ‚nachhaltiger‘ einzukaufen. Sprich: eher hochwertigere Kleidungsstücke, die nicht nach kurzem Gebrauch bereits entsorgt werden müssen. Man muss ja vielleicht auch nicht unbedingt jeder Modewelle hinterherlaufen, nur weil uns Werbung einreden möchte, dass man fünfmal im Jahr die ‚neueste‘ Mode einkaufen muss.“
„Einsparung von Treibhausgasemissionen von Landökosystemen und Verringerung des Flächendrucks sind sehr sinnvolle Maßnahmen. Dann kann zum Beispiel auch weitere Entwaldung vermieden werden, was zunächst das Hauptziel sein muss. Und dann können auch Wiederaufforstungs-Programme einen zusätzlichen Beitrag leisten. Aber auf wirklich massive Kohlenstoffspeicherung in Wäldern – oder Bioenergie – zu setzen, um Klimaziele zu erreichen, ist riskant und unter verschiedenen Gesichtspunkten sicher nicht nachhaltig.“
„Der Weltbiodiversitätsrat IPBES hat sich letztens in seinem globalen Sachstandbericht klar dahingehend geäußert, dass eine nachhaltige Nutzung der Umwelt nur funktionieren kann, wenn grundsätzliche ökonomische Probleme – wie zum Beispiel fehlgerichtete Subventionen in der Land- und Forstwirtschaft, übertriebener Konsum, ‚lock-in‘ in massive Infrastrukturen – überwunden werden.“
assoziierter Professor am Institut für Soziale Ökologie (SEC), Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (WiSo), Universität für Bodenkultur Wien, Österreich
„Insgesamt wirkt die Methodik innovativ und solide, es gibt ein paar Aspekte, die zu Unsicherheiten führen – zum Beispiel die Nutzung der Schutzgebiete der IUCN um potenzielle Bedeckung zu modellieren – diese Protected Areas sind aber schon stark genutzt. Insgesamt führen diese Ansätze in Summe aber wohl zu einer konservativen und damit robusten Schätzung. Nur wenige Bodentypen zu berücksichtigen ist meines Erachtens vertretbar für eine globale Studie (die Autoren berücksichtigen zehn verschiedene Bodentypen; Anm. d. Red.); es gibt einfach insgesamt nicht so viele robuste Daten, wie man gerne hätte.“
„Wichtig ist aber, dass in der Studie Maximal-Potenziale berechnet wurden und damit nur eine Seite der Medaille. Wichtige Rahmenbedingungen haben keine Berücksichtigung gefunden. Berücksichtigt wurde nur, dass auf gegenwärtigem Ackerland und auf Städten kein Potenzial vorherrscht. Flächen, die für die Viehzucht verwendet werden, wurden als ‚aufforstbar‘ angenommen – solche Potenziale auszuschöpfen, würde zu massiven sozialen Auswirkungen führen, wenn man zum Beispiel an die Savannen denkt. Auch wurde nicht erwähnt, dass, wenn man im Wald die potenzielle Baumbedeckung oder Kronenschluss herstellt, das auch bedeutet, dass es zu keiner Waldnutzung mehr kommen darf. Die ‚Trade-offs‘, die daran hängen, sind stark und würden letztlich die Ausschöpfung der Potenziale nicht erlauben.“
„Eine weitere Einschränkung der Ergebnisse ist, dass ein wesentlicher Aspekt für zukünftige Potenziale fehlt: Es wird zwar sehr eindrucksvoll gezeigt, dass der Klimawandel die Potenziale der Wiederaufforstung reduziert. Aber die Reduktion, die durch einen erhöhten Bedarf an landwirtschaftlicher Fläche entsteht durch Populationswachstum – bis 2050 wird im Moment eine Weltbevölkerung von 9,7 Milliarden Menschen erwartet –, aber auch durch Umstellungen der Ernährungsweisen und nicht zuletzt, um den immer noch existierenden Hunger zu vermeiden und zugleich möglicherweise erhöhtem Holzbedarf in der sogenannten Bioökonomie, wird nicht angesprochen. Mit anderen Worten: Die Nutzung dieser Potenziale würde zu Landnutzungskonflikten führen – Klimaschutz gegen Ernährungssicherheit – was zentral ist, aber in der Studie nicht weiter Berücksichtigung findet.“
„Dennoch sind solche globalen Studien sehr sinnvoll, nicht weil sie unmittelbar zu lokalen Umsetzungsstrategien führen können – dazu sind sie zu grob –, aber weil sie Größenordnungen liefern können. Diese sind wichtig, unterschiedliche Strategien besser bewerten und eventuell priorisieren zu können. Ohne solche Abschätzungen wüsste man nicht, welche (lokalen) Strategien welchen Beitrag leisten können, und lokale Umsetzungsstrategien würden ‚blind‘, also ohne Kontext bleiben – quasi nur die Bäume und nicht den Wald sehen.“
„Die Nebenwirkungen der kompletten Ausnutzung der Potenziale wären allerdings gravierend, und die Vermeidung der oben genannten Trade-offs – also der Landkonkurrenz, in der sich Klimaschutz und Ernährungssicherheit gegenüberstehen – ist sicher eine zentrale Nachhaltigkeits-Herausforderung.“
„Ein weiterer Punkt ist, dass die Nutzung der Potenziale im Wald zu einer Reduktion – im Extrem sogar zur Einstellung – der Waldnutzung führen muss – Nutzung von Wald reduziert die Baumkrone, wie die Autoren selbst schreiben. Auch das ist eine massive ‚Nebenwirkung‘. In industrialisierten Ländern betrifft es einen Sektor, der eine nachhaltige Ressource bearbeitet – mal mehr, mal weniger nachhaltig, aber nachhaltige Bewirtschaftungs-Prinzipien sind in der Studie nicht relevant; Nutzung von Holz führt zwangsläufig zu reduzierten Beständen, da es sich um ein langsam-wüchsiges Steady-State-System, also um ein Fließgleichgewicht handelt. In vielen Ländern des Südens würde das massiv lokale Bevölkerungsgruppen betreffen, die in ihrer Subsistenz auf Waldnutzung angewiesen sind.“
„Daraus folgt, dass Aufforstung wohl nicht eine Wunderwaffe darstellt, sondern Teil einer Lösung sein muss. Vorteile der Aufforstung sind, dass es low-tech ist, also quasi von ‚alleine‘ passiert, und dass es sofort und unmittelbar klimawirksam ist.
„Wichtig, um die Trade-offs zu lindern oder zu vermeiden, ist jedenfalls, auch die Nachfrage nach Ressourcen – zum Beispiel Nahrungsmitteln, besonders tierische Produkte, die viele Vorleistungen wie Futter benötigen, aber auch Holz, insbesondere für kurzlebige Produkte, interessanteweise auch für Energie – zu reduzieren. Das betrifft natürlich in erster Linie die reichen Länder.“
„In industrialisieren Ländern wächst im Moment der Wald zurück (Wälder wachsen wieder auf Standorte zurück, von denen sie durch eine Störung verschwunden waren; Anm. d. Red.). Ein Phänomen, das ‚Forest Transition‘ genannt wird. Ein Treiber davon ist, dass das fossil-basierte Wirtschaftssystem es erlaubt, das Ackerland so intensiv zu bewirtschaften – Dünger und Maschinen sind billig, sind aber Fossilenergie basiert –, so dass man auf kleineren Flächen gleich viel oder mehr produzieren kann. In Folge werden Grenzertragsflächen aufgelassen, die dann verwalden. Zudem erlaubt die Transporttechnologie – auch Fossilenergie-betrieben –, dass Ressourcen nicht mehr im eigenen Land produziert werden – wo zum Beispiel Graswurzel-Bewegungen Abholzungen vermeiden –, sondern importiert werden – und die Umweltauswirkungen somit ausgelagert werden. Dies muss in den Berechnungen berücksichtig werden, die alle Flüsse berücksichtigen. Auch ist es wichtig – wie in allen Klima-Projekten – sowohl die Zusätzlichkeit zu gewährleisten – und sich nicht gutschreiben, was ohne Projekt auch passieren würde – als auch undichte Stellen zu berücksichtigen. Und auch das ist zentral: Aufforstungsprojekte haben sehr zentral den Aspekt der Dauerhaftigkeit – man muss auch garantieren können, dass der aufgeforstete Waldbestand bestehen bleibt und nicht nach der Gutschreibung wieder abgeholzt wird oder dem Borkenkäfer anheimfällt. Daher muss diese Aufforstung auf die Resilienz achten und nicht einfach schnellwüchsige Monokulturen anlegen.“
„Aufforstung macht in gewissen Kontexten Sinn, in anderen die Vermeidung der Abholzung. Aus Klimasicht ist beides wichtig. Die Vermeidung von Entwaldung, um die Emission nicht ansteigen zu lassen und die Aufforstung, um Kohlenstoff aus Emissionen zu binden.“
Leiter der Forschungsgruppe Planetary Opportunities and Planetary Boundaries, Forschungsabteilung Erdsystemanalyse, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam und Professur für Klimasystem und Wasserhaushalt im Globalen Wandel, Geografisches Institut, Humboldt-Universität Berlin
„Die Studie weist mithilfe von Satelliten- und Felddaten sowie einem darauf basierenden Modell Flächen aus, wo unter aktuellen Klima- und Umweltbedingungen zusätzlich Wald wachsen könnte. Damit liefert sie eine wertvolle, räumlich hoch aufgelöste Kartierung von Flächen, wo eine Aufforstung außerhalb heutiger Landwirtschaftsflächen im Prinzip möglich wäre, als sinnvolle Diskussionsgrundlage für die Abschätzung natürlicher Kohlenstoffsenken.“
„Auf Grundlage der potenziellen Waldflächen wird mit einer vereinfachten Berechnung die globale Menge an Kohlenstoff ermittelt, die diese Wälder aus der Atmosphäre aufnehmen könnten. Allerdings bezieht diese Methode – außer einigen möglichen Effekten zukünftigen Klimawandels auf die Waldfläche – die vielfältigen, regional unterschiedlich ausgeprägten Zusammenhänge zwischen Vegetationsveränderungen, Kohlenstoffkreislauf, Wasserkreisläufen und dem Klima nicht direkt ein. Beispielsweise führt eine Aufforstung unter Umständen zu höherer Verdunstung, was die Wasserverfügbarkeit für andere Bereiche senkt aber gleichzeitig auch das Risiko von Hochwassern mindert und das regionale Klima beeinflusst.“
„Zur Erfassung solcher Dynamiken ist immer noch der Einsatz von prozessbasierten Erdsystemmodellen nötig, die unter anderem die langfristigen Kohlenstoff- und Wasserhaushaltsbilanzen schließen sowie Ökosystemveränderungen aufgrund des Klimawandels einschließlich der Rückkopplungen mit der Atmosphäre simulieren. Solche umfassenderen Ansätze würden auch eine konsistente Bilanzierung des möglichen Beitrags solcher Aufforstungen zum Klimaschutz im Zusammenhang mit weiteren Flächen- und Wassernutzungen sowie weiteren Umweltschutzzielen erlauben.“
Leiterin der Forschungseinheit Umwelt und natürliche Ressourcen, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel
„In der Studie nimmt das Autorenteam Schutzflächen stellvertretend für Flächen mit wenigen menschlichen Aktivitäten, sprich: Die Flächen gehen in die Berechnung des Flächenpotenzials zur Aufforstung – die sogenannte Restoration – ein. Aus meiner Sicht könnten daher die berechneten Aufforstungsflächen überschätzt sein, weil (immerhin) ein Drittel der Schutzflächen intensiv bewirtschaftet werden [6].“
„Eine Studie [7] zeigt, dass 35 Prozent der besten Flächen für eine Anbausteigerung von Nahrungsmitteln (625.000 km²) auf den vom Autorenteam der aktuellen Studie als Aufforstungsflächen identifizierten Flächen liegen. Somit könnte es auch bei der Aufforstung auf Schutzflächen zu Nutzungskonflikten mit der Nahrungsmittelproduktion kommen.“
„Die Ursachen für Entwaldung sind vielfältig und ökonomische Anreize sind ein wichtiger Treiber. Meiner Meinung nach spielt bei der Entwaldung fehlende Governance eine starke Rolle, so dass ökomische Anreize wenig Einfluss haben werden.“
„Interessenskonflikte habe ich keine."
„Keine Interessenskonflikte."
„Keine Interessenskonflikte."
„Befangen bin ich nicht, was die Studie anbelangt."
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
Bastin JF et al. (2019): The global tree restoration portential. Science, Vol 365, Issue 6448, 76-79. doi:10.1126/science.aax0848
Weiterführende Recherchequellen
Sonntag S et al. (2016): Reforestation in a high-CO2 world — Higher mitigation potential than expected, lower adaptation potential than hoped for. Geophysical Reseacrh Letters, 43. doi:10.1002/2016GL068824.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Rolnick D et al. (2019): Tackling Climate Change with Machine Learning. arXiv.org. arXiv:1906.05433
[2] Canadell, JG et al. (2014): Global potential of biospheric carbon management for climate mitigation. Nature Communications, 5, 5282. doi: 10.1038/ncomms6282
[3] Pan, Y et al. (2011): A Large and Persistent Carbon Sink in the World's Forests. Science, Vol. 333, Issue 6045, pp. 988-993. doi: 10.1126/science.1201609
[4] Nabuurs, GJ (2017): By 2050 the Mitigation Effects of EU Forests Could Nearly Double through Climate Smart Forestry. Forests, 8 (12), 484. doi: 10.3390/f8120484
[5] Poorter, L et al. (2016): Biomass resilience of Neotropical secondary forests. Nature, 530 (7589), 211-214. doi:10.1038/nature16512.
[6] Jones KR et al. (2018): One-third of global protected land is under intense human pressure. Science. Vol 360, Issue 6390, 788–791. doi: 10.1126/science.aap9565. Wird in der hier besprochenen Studie als Quelle Nr. 11 zitiert.
[7] Zabel F et al. (2019): Global impacts of future cropland expansion and intensification on agricultural markets and biodiversity. Nature Communications. 10:2844. doi: 10.1038/s41467-019-10775
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[a] Science Media Center Germany (2018): Fact Sheet - Das Kohlendioxid muss raus. Stand: 21.12.2018
[b] Food and Agriculture Organization of the UN (FAO): Global Forest Resources Assessment 2020 – Terms and Definitions. Seite 4
Prof. Dr. Felix Creutzig
Leiter der Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH (MCC), Berlin
Prof. Dr. Julia Pongratz
Inhaberin des Lehrstuhls für Physische Geographie und Landnutzungssysteme, Department für Geographie, Ludwig-Maximilians-Universität München
Dr. Marcus Lindner
Leitender Wissenschaftler im Forschungsbereich Resilienz, European Forest Institute (EFI), Bonn
Prof. Dr. Almut Arneth
Leiterin der Arbeitsgruppe Pflanze-Atmosphäre Wechselwirkung und Leiterin der Abteilung für Ökosystem-Atmosphäre Wechselwirkung, Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie, Garmisch-Partenkirchen
Prof. Dr. Karlheinz Erb
assoziierter Professor am Institut für Soziale Ökologie (SEC), Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (WiSo), Universität für Bodenkultur Wien, Österreich
Prof. Dr. Dieter Gerten
Leiter der Forschungsgruppe Planetary Opportunities and Planetary Boundaries, Forschungsabteilung Erdsystemanalyse, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam und Professur für Klimasystem und Wasserhaushalt im Globalen Wandel, Geografisches Institut, Humboldt-Universität Berlin
Dr. Ruth Delzeit
Leiterin der Forschungseinheit Umwelt und natürliche Ressourcen, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel