Auswirkungen der Hitzewelle auf Wälder, Wasserressourcen und Landwirtschaft
Die Temperaturen steigen in diesen Tagen in fast ganz Europa in rekordverdächtige Höhen. Und die Wettervorhersage prognostiziert: Es wird auch noch einige Tage so bleiben. Wir haben Expertinnen und Experten unterschiedlicher Fachrichtungen gefragt, wie sich diese Hitze auf Landwirtschaft, Wälder und Wasserressourcen auswirken könnte – gerade und vor allem nach dem trockenen Hitzesommer 2018 und dem überdurchschnittlich trockenen April 2019.
Pflanzenökophysiologe und Leiter der Arbeitsgruppe Plant Allocation, Department Biogeochemische Prozesse, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena und Arbeitskreissprecher Ökosystemforschung der Gesellschaft für Ökologie e.V.
„Die aktuelle Hitze-/Trockenperiode wird die bereits 2018 aufgetretenen Schäden im Wald – das Absterben von Einzelbäumen, aber auch die flächigen Schäden durch den Borkenkäfer – wahrscheinlich weiter verstärken. Die Böden sind jetzt schon sehr trocken, die Hitze wird die Wasserreserven weiter reduzieren und somit zu weiterem Trockenstress an vielen Standorten und bei mehreren Baumarten führen. Betroffen waren im vergangenen Jahr vor allem Fichte, Kiefer und Buche. Sollte die aktuelle Situation über mehrere Wochen andauern, dann kann es vermehrt auch zu großflächigen Schäden bei diesen Arten kommen, vor allem bei der Fichte, deren prekäre Situation durch ihre relativ schlechte Trockentoleranz und sehr starke Massenvermehrung des Borkenkäfers noch verschlechtert wird.“
„Die Böden waren nach dem vergangenen Winter noch sehr trocken und wurden auch im relativ feuchten Monat Mai nicht ausreichend mit Wasser gesättigt. Die Bäume starten somit in die neue Hitze-/Trockenphase unter schlechten Voraussetzungen, der Trockenstress setzt früher ein und hält länger an, sollte der Sommer weiterhin so heiß/trocken bleiben.“
„Die Buche ist hitzeempfindlich und leidet unter der Dürre, weil der Wassermangel die Kühlung der Blätter einschränkt. Im Sommer 2018 wurde bei der Buche vermehrt Blattwelke beobachtet. Im Frühjahr 2019 zeigte sich dann aber auch, dass diese Blattwelke oft ein Vorzeichen für das Absterben der Krone war. Die aktuelle Hitze-/Trockenphase reduziert weiter die verfügbaren Bodenwasserreserven, und es ist damit zu rechnen, dass die hitzebedingten langfristigen Kronenschäden bei der Buche verstärkt werden.“
„Die heiße Osterzeit hat vor allem dem Borkenkäfer einen guten Vorsprung gegeben – die Insekten entwickeln sich schneller bei hohen Temperaturen. Es ist damit zu rechnen, dass der bereits sehr starke Befall der Fichten 2018 dieses Jahr noch intensiver wird, da die aktuelle Hitze zu einem Schneeballeffekt und weiterer Massenvermehrung führt. Fichtenbestände, die etwa 25 Prozent der deutschen Waldfläche ausmachen, sind bereits jetzt vielerorts vom Borkenkäfer stark geschädigt, und einige Bestände werden im Verlauf des Jahres unter Umständen völlig zerstört.“
„Sollte es zu weiteren heißen Sommern in den nächsten Jahren kommen, werden sicherlich auch andere Baumarten – wie zum Beispiel die Eiche – leiden. Zwar gilt die Eiche allgemein als trockentoleranter als die Buche, jedoch wird durch die Abfolge mehrerer Hitze-/Trockensommer die Wasserversorgung auch für trockentolerantere Arten zu knapp. Es kann dann auch bei der Eiche zu Dürreschäden kommen.“
„Proaktives Handeln im Forst ist schwieriger als in der Landwirtschaft und bedarf nachhaltigen Denkens. Aufgrund der langen Lebensdauer von Bäumen können Erkenntnisse, die für die Erstellung von Maßnahmen zur Schadensminderung notwendig sind, nur durch langfristige Untersuchungen gewonnen werden. Die meiner Meinung nach kurzsichtige Einführung von nicht-heimischen Baumarten – ohne fundierte Kenntnisse ihrer Trocken- und Hitzetoleranzen – wird also keine Lösung sein. Die Douglasie ist hierfür ein gutes Beispiel: Einst als Zukunftsbaum für den Klimawandel eingeführt, zeigt auch sie mancherorts bereits starke Schäden infolge des Sommers 2018. Die größte Herausforderung wird sein, die Waldwirtschaft mit den notwendigen grundlegenden Kenntnissen zu versorgen. Die Forschung muss die physiologischen Reaktionen von Baumarten auf extreme Hitze- und Trockenstressereignisse untersuchen, um – darauf aufbauend – waldbauliche Konzepte zu erstellen.“
„Hinzu kommt, dass derzeit einheitliche Datenquellen zu den Waldschäden fehlen. Die Reaktionen des Waldes auf den Klimawandel können nur dann verstanden werden, wenn das Absterben von Baumarten in Zusammenhang mit den Bedingungen in den Beständen und dem Klima gebracht wird. Die Forstverwaltungen der Bundesländer müssen näher zusammenrücken, Daten müssen freier verfügbar gemacht werden. Der Wald kennt keine Grenzen – das müssen wir erkennen und dementsprechend handeln.“
Leiter des Departments Fließgewässerökologie, Themenbereich Wasserressourcen und Umwelt, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Magdeburg
„Die Wasserführung an den deutschen Flüssen ist unterschiedlich und hängt von der Situation in den Einzugsgebieten ab. Während zum Beispiel der Pegel im Rhein bei Köln noch leicht über dem mittleren Wasserstand liegt [1] – am Morgen des 26.06.2019 bei 357 Zentimetern; mittlerer Wasserstand 323 Zentimeter – liegt der Pegel der Elbe in Magdeburg mit 74 Zentimetern am 26.06.2019 bereits deutlich unter dem mittleren Niedrigwasserstand von 93 Zentimetern. Die Situation ist vergleichbar mit dem Hitzesommer 2018, in dem ein historischer Tiefststand von 46 Zentimetern Ende August erreicht wurde. Aktuelle Prognosen gehen von weiter fallenden Wasserständen in den nächsten Tagen aus – bis Samstag wir ein Pegel von 64 Zentimetern vorausgesagt.“
„Es treten in verschiedenen Flüssen Eutrophierungs-Erscheinungen auf, und es ist zu erwarten, dass sich der Trend fortsetzt – ähnlich wie 2018. Diese starke Produktion von Algenbiomasse führt zusammen mit der erhöhten Temperatur zu vermehrten Zehrungsprozessen. So wurden zum Beispiel im unteren Bereich der Elbe an der Messstation Seemannshöfte bei Hamburg bereits seit Mitte Juni der für Fische kritische Sauerstoffgehalt von 3 Milligramm Sauerstoff pro Liter unterschritten. Es kommt zur Abwanderung von Fischen; wenn dies nicht mehr möglich ist, kann es zu Fischsterben kommen.“
„Einige Flüsse überschreiten bereits jetzt die Temperaturmarke 25 Grad Celsius – zum Beispiel die Havel bei Potsdam oder die mittlere bis untere Elbe [2]. Ab 25 Grad Celsius kann es zunehmend zur Schädigung empfindlicher Tierarten kommen. Problematische Zehrungsprozesse und damit verbunden niedrige Sauerstoffwerte werden durch die hohen Temperaturen weiter gefördert.“
Leiter des Forschungsprogramms Walddynamik Waldwachstum und Klima, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), Birmensdorf, Schweiz
„Das Jahr 2018 war in weiten Teilen Mittel- und Nordeuropas extrem heiß und trocken und die Dürreperiode war zeitlich sehr ausgedehnt. In weiten Bereichen Frankreichs, Deutschlands und der Schweiz zeigten verschiedenen Laubbaumarten – vor allem die Buche – bereits ab Ende Juli, Anfang August Blattverfärbungen wie sonst im Herbst und frühzeitigen Laubabwurf. In der Schweiz analysieren wir die Folgen dieses Phänomens und können für 2019 konstatieren, dass von 1000 untersuchten Buchen etwa ein Sechstel sichtbare und starke Schädigungen bis hin zum Absterben aufweisen. Ebenso sind in weiten Teilen der Schweiz Fichte, Kiefer (Waldföhre) und Tanne geschädigt. Der Hardwald nahe Basel wurde gesperrt, weil die Gefahr durch herabstürzende Äste von abgestorbenen Bäumen sehr groß ist. Bisher hat die eher milde und feuchte Witterung im Jahr 2019 zu einer guten Wasserversorgung der Bäume geführt. Es ist aber bekannt, dass mehrere Extremjahre in Folge beziehungsweise in kurzem Abstand zu massiver Schädigung und zum Absterben von Bäumen führen können. Sollte sich im Sommer 2019 wieder eine längere – länger als einen Monat – trockene Hitzeperiode ausbilden, ist der langfristige Schaden für Baume und Waldökosysteme nicht absehbar.“
„In vielen Bereichen der Schweiz und in Süddeutschland ist die augenblickliche Wasserversorgung für den Wald nicht angespannt und die Bodenwasserspeicher sind weitgehend wieder aufgefüllt – auch durch den relativ hohen Schneefall im Winter. Dies ist aber regional und abhängig von den Bodeneigenschaften unterschiedlich ausgeprägt.“
„Auch wenn – zumindest im Alpenraum und im süddeutschen Alpenvorland – die aktuellen (Boden-) Wasserversorgungsbedingungen meist noch unkritisch sind, wirkt die letztjährige Trockenheit nach. Unser langjähriges Waldmonitoring zeigt, dass nach Extremjahren Schäden meist mit Verzögerung auftreten. Durch Trockenheit geschwächte Bäume sind in den Folgejahren stärker durch biotische Schädlinge – zum Beispiel Borkenkäfer und Pilze – gefährdet. Mehrere heiße und trockene Sommer in kurzer Abfolge können zum Absterben eines größeren Prozentsatzes der Bäume innerhalb eines Bestandes führen, wie es in der Schweiz im Wallis bei einigen Kiefernbeständen bereits auftritt.“
„Waldwirtschaft hat wegen der langen Umtriebszeiten (Zeitraum von der Bestandesbegründung bis zur Endnutzung durch Holzeinschlag, Anm. der Red.) immer einen langfristigen Planungshorizont. Mittelfristig können waldbauliche Maßnahmen wie Durchforstungen bei bestimmen Baumarten und an bestimmten Standorten die Trockenheitsresistenz von Wäldern erhöhen. Langfristig sollten an die zukünftigen Klimabedingungen angepasste Baumarten angebaut und gefördert werden. Höhere Baum-Biodiversität erhöht ebenfalls die Trockenheitsresistenz von Wäldern.“
Leiter des Department Seenforschung, Themenbereich Wasserressourcen und Umwelt, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Magdeburg
„Die aktuelle Wetterlage erinnert an die Verhältnisse von 2018. Die Menschen sind nun verständlicherweise für die Themen Trockenheit und Hitze stark sensibilisiert. Der Dürresommer 2018 hatte dramatische Auswirkungen auf unsere Seen und Talsperren, wobei die Entstehungen von Cyanobakterien-Massenentwicklungen – die sogenannten Blaualgenblüten – und Fischsterben hervorzuheben sind. Ferner waren die Füllstände deutscher Trinkwassertalsperren im Herbst 2018 vielerorts alarmierend gering.“
„Für die Massenentwicklung von Cynaobakterien werden in der Regel zwei Zutaten benötigt: hohe Nährstoffkonzentrationen – insbesondere Phosphor – und hohe Temperaturen. Die gegenwärtig hohen Temperaturen begünstigen daher das Wachstum von Blaualgen. Nährstoffreiche Gewässer befinden sich nun also an einem Scheideweg und ausdauernd anhaltende Hitzesituationen induzieren die Ausprägung von sogenannten Blaualgenblüten. Im Barleber See, einem Badesee in Magdeburg, den das UFZ kontinuierlich hinsichtlich Blaualgen untersucht, findet derzeitig gerade der Wechsel zu den Blaualgen statt. Die Oberflächentemperaturen in den meisten Seen sind aber immer noch drei bis fünf Grad unter den Spitzenwerten von 2018.“
„Obwohl das immense, 2018 aufgebaute Wasserdefizit im Bodenkörper in den meisten Regionen immer noch besteht, haben die Niederschläge im Winter und auch im Mai dazu beigetragen, dass die Talsperren wieder höhere Pegelstände aufbauen konnten. Die derzeitige Situation ist also im Vergleich zum Vorjahr etwas besser, gleichwohl es auch Ausnahmen gibt, wo der Stauinhalt weiterhin zu niedrig ist und die Wassermengenbewirtschaftung entsprechend angepasst werden muss. Die Talsperren-Betreiber sind durch die Erfahrungen aus den vielerorts angespannten Situationen im Herbst 2018 – zum Beispiel im Westharz – alarmiert. Die Bewirtschaftung unserer Gewässer wird sich daher mit Sicherheit verändern müssen, damit die Versorgungssicherheit für Trinkwasser und weitere Dienstleistungen der Talsperren – zum Beispiel Hochwasserschutz und Niedrigwasseraufhöhung – auch unter Extremsituationen langfristig erfüllt werden können.“
Leitung der Professur für Waldbau, Institut für Forstwissenschaften, Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
„Die Auswirkungen der aktuellen Hitze-Phase auf die Wälder wird vor allem von ihrer Dauer abhängen. Denn mit zunehmender Dauer werden die Bäume dann auch unter ansteigenden Trockenstress geraten. Das genaue Ausmaß dieses kombinierten Stresses kann man nicht seriös abschätzen. Wir haben bisher immer noch nicht die Schäden des vergangenen Jahres genau beziffern können, weil diese sich zum Teil erst langfristig bemerkbar machen.“
„Aufgrund der Witterung 2018 rechnen wir in diesem Jahr mit einer Schadholzmenge, die ähnlich hoch ist wie im vergangenen Jahr – also zwischen 32 und 35 Millionen Kubikmeter. Viele Bäume sterben aufgrund einer solchen Extremwetterlage nicht sofort ab, aber sie erholen sich auch nicht wieder. Geschwächt sterben sie dann einige Jahre später in Folge von sekundären Schädlingen oder Krankheiten ab.“
„Die Ausgangslage nach dem relativ trockenen Winter war sehr ungünstig, weil der Bodenwasserspeicher nach dem Trockenjahr nicht wieder aufgefüllt worden ist. Der relativ feuchte Mai hat regional eine gewisse Linderung der Situation gebracht. Trotzdem haben wir jetzt zu Beginn des Sommers an vielen Orten immer noch eine Situation, die hinsichtlich des verfügbaren Bodenwassers ungünstiger ist als im Vorjahr.“
„Ungünstiger als im Vorjahr sind auch die Populationen der Borkenkäfer, die sich sehr stark aufgebaut haben, und die Schwächung der Bäume. Damit haben wir alle Zutaten für massive Borkenkäferschäden, vor allem an Fichten, sollte es erneut einen trocken-heißen Sommer geben. Das kann auch zum Absterben ganzer Waldbestände führen, wie man es jetzt bereits sehen kann.“
„Kurzfristig müssen vor allem die Borkenkäfer kontrolliert werden – durch eine frühzeitige Erkennung und Entfernung befallener Bäume. Insbesondere in den Kieferngebieten Deutschlands muss die Waldbrandsituation überwacht und vorbeugende Maßnahmen wie Anlage von Feuerschutzstreifen ergriffen werden.“
„Junge Bäume sind besonders anfällig gegenüber Hitze- und Trockenstress. Im vergangenen Jahr sind geschätzte 110.000 Hektar an Verjüngungsflächen vertrocknet. Hier kann man – wo das technisch möglich ist – auch an eine Bewässerung der Pflanzen von Tankwagen aus denken. Langfristig müssen unsere Wälder dringend besser an den Klimawandel angepasst werden, zum Beispiel durch eine höhere Baumarten-Mischung und den Anbau stresstoleranter Arten. Wir benötigen auch ein besseres Risikomanagement.“
Alle: Keine Angaben erhalten.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] alle Angaben zu Pegelständen aus ELWIS – Elektronischer Wasserstraßen-Informationsservice
Dr. Henrik Hartmann
Pflanzenökophysiologe und Leiter der Arbeitsgruppe Plant Allocation, Department Biogeochemische Prozesse, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena und Arbeitskreissprecher Ökosystemforschung der Gesellschaft für Ökologie e.V.
Prof. Dr. Markus Weitere
Leiter des Departments Fließgewässerökologie, Themenbereich Wasserressourcen und Umwelt, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Magdeburg
Prof. Dr. Arthur Gessler
Leiter des Forschungsprogramms Walddynamik Waldwachstum und Klima, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), Birmensdorf, Schweiz
Dr. Karsten Rinke
Leiter des Department Seenforschung, Themenbereich Wasserressourcen und Umwelt, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Magdeburg
Prof. Dr. Jürgen Bauhus
Leitung der Professur für Waldbau, Institut für Forstwissenschaften, Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg