Gesundheitliche Auswirkungen von 5G
Die Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz, Dr. Inge Paulini, hat am 19. März 2019 in einem Interview dazu aufgefordert, die gesundheitlichen Auswirkungen von 5G zu untersuchen. „Deutlich höhere Datenübertragungsmengen, neue und zusätzliche Sendeanlagen und höhere Frequenzen verändern aber die Strahlungsintensitäten – diese müssen untersucht werden“. Sie betonte zwar, dass auch bei 5G unterhalb der Grenzwerte keine Gesundheitsfolgen bewiesen sind, bemängelte aber, dass vor allem im Bereich der hohen Frequenzen kaum Forschungsergebnisse vorliegen.
Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (femu), Uniklinik RWTH Aachen
„Werden Frequenzen im Bereich der bereits existierenden Mobilfunk-Anwendungen genutzt, wie wir sie jetzt teilweise auch schon von GSM, UMTS oder LTE kennen, können wir bei der Beurteilung der Frage nach möglichen gesundheitlichen Wirkungen auf die bestehenden Studien und Einschätzungen internationaler Expertengruppen zurückgreifen (zum Beispiel ICNIRP, IARC, WHO). Zusammengefasst besteht nach derzeitigem Kenntnisstand unterhalb der empfohlenen Grenzwerte kein gesundheitliches Risiko dieser hochfrequenten Felder. Allerdings gibt es momentan viel Aufregung um die Ergebnisse der sogenannten NTP-Studie aus den USA, die einen klaren Zusammenhang zwischen starken hochfrequenten Feldern bestehender Mobilfunkstandards und Krebs im Herzen von Ratten sieht [1]. Der Auftraggeber der Studie, die FDA und viele andere Expertengremien stufen die Ergebnisse allerdings anders ein und halten weiterhin daran fest, dass es keine gesundheitlichen Wirkungen unterhalb der Grenzwerte gibt.“
„Sollten für 5G hochfrequente Felder im Millimeterwellen-Bereich (30-100 GHz) genutzt werden, sieht die Studienlage deutlich dürftiger aus als für die bekannten Mobilfunk-Frequenzen. Insgesamt gibt es hier deutlich weniger Studien als zu dem bisher genutzten Mobilfunk-Frequenzbereich. Eine Suchabfrage in unserem EMF-Portal [2] ergibt zum Beispiel, dass es rund 200 experimentelle Studien zu Millimeterwellen im Bereich von 30-100 GHz gibt. Im Gegensatz dazu haben wir über 1200 experimentelle und knapp 300 epidemiologische Studien in dem deutlich enger gefassten Frequenzbereich der bisherigen Mobilfunk-Anwendungen. Allerdings werden die hochfrequenten Felder im Millimeterwellen-Bereich hauptsächlich an der Körperoberfläche absorbiert, so dass vor allem Wirkungen an der Körperoberfläche zu erwarten wären. Auch geht man derzeit davon aus, dass die Feldstärken geringer sein werden als diejenigen der jetzigen Mobilfunk-Anwendungen. Es gibt aber unter den Wissenschaftlern auch einige kritische Stimmen, die hier mehr Forschung fordern.“
„Meines Wissens kann die reale Exposition durch viele 5G-Antennen derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Aber dazu können sich Dosimetrie-Experten aus dem Hochfrequenz-Bereich gegebenenfalls besser äußern.“
Professor of Biology and Ethics of Science & Technology, Jacobs University Bremen
„Begründete Hinweise oder gar Belege für gesundheitliche Schäden oder Gefahren durch elektromagnetische Felder in den 5G-Frequenzbereichen innerhalb der geltenden Grenzwerte sind nicht vorhanden. Die einzigen Effekte, die eindeutig nachgewiesen sind, werden durch Erwärmung verursacht, diese wird aber durch die Grenzwerte sicher ausgeschlossen. Die WHO hatte schon 2010 ausgeführt, dass es außer den thermischen Effekten keine Hinweise auf nicht-thermische Effekte gibt und den Forschungsbedarf in dieser Richtung als nicht dringend bezeichnet.“
„Die Immission (eingestrahlte Energiemenge) wird sich vermutlich nur wenig ändern, da diese maßgeblich durch die Endgeräte (zum Beispiel Smartphones) verursacht werden und nicht durch die Basisstationen (‚Masten‘). Es ist zwar zu erwarten, dass die Anzahl der Basisstationen zunehmen wird, deren Sendeleistung wird allerdings nicht so hoch sein wie bei heutigen Anlagen, da es gilt, viele Geräte in der Nähe zu erreichen und nicht über hunderte von Metern oder einige Kilometer Verbindungen aufzubauen. Auch die Vielzahl an zu erwartenden Kleinstsendern, zum Beispiel in autonom fahrenden Autos, wird nicht zu einer erheblich gesteigerten Immission führen.“
„Vor allen Dingen gibt es bislang keinerlei biophysikalischen Wirkmechanismen außer der Erwärmung, da die Quantenenergie der elektromagnetischen Felder um einen Faktor von etwa 100.000 – 1.000.000 zu gering ist, um chemische Veränderungen zu verursachen, also zum Beispiel in Richtung Mutationen.“
Leiter des Instituts für Elektromagnetische Verträglichkeit, Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
„Ich persönlich gehe davon aus, dass sich an der Exposition der Bevölkerung durch elektromagnetische Felder der neuen 5G-Technik nicht viel im Vergleich zum jetzigen Stand ändern wird. Durch eine Neuanordnung und höhere Dichten von ‚Small-cell-Transmittern‘ und schnell schaltbaren Antennen (sogenannte mimo-Technik) wird es aber zu Verschiebungen, das heißt geänderten Expositionen kommen – wo jetzt viel ist, ist dann weniger und umgekehrt. Die konkrete Exposition wird auch schwieriger zu ermitteln sein, das heißt es wird schwieriger, Situationen mit maximalen Momentanwerten zu erfassen.“
„Von einer neuartigen Gefährdungslage aber kann überhaupt keine Rede sein. Es ist hinsichtlich einer Überschreitung der ICNIRP- (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection; Anm. d. Red.) beziehungsweise von Verordnungsgrenzwerten, wie zum Beispiel in der 26. BImSchV (Bundes-Immissionsschutzverordnung, Anm. d. Red.) formuliert, keinerlei spezielle ‚5G-Angst‘ im Vergleich zu den schon etablierten Techniken GSM, UMTS und LTE angebracht.“
„Was generell als einziger konkreter Gesichtspunkt vorgebracht werden kann, ist die geringe Anzahl biologischer Studien in den fraglichen neuen Frequenzbändern, also grob im Bereich ab einigen GHz bis einige hundert GHz – hier beruhen die heutigen Grenzwertbestimmungen teilweise auf Extrapolationen. Diese Extrapolationen sind wissenschaftlich aber sehr gut begründet, einen auch nur annähernd seriösen wissenschaftlichen Hinweis auf weitergehende Effekte, unabhängig ob schädlich oder harmlos, gibt es nicht.“
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Hochfrequenz- und Mikrowellentechnik, Technische Universität Ilmenau
„Die Frequenzen, die ab dem 19. März versteigert werden, sind bezüglich ihrer Nutzung nicht neu: Der Frequenzbereich um 2 GHz wird derzeit noch von UMTS beziehungsweise 3G Mobilfunk belegt (flächendeckend), der Bereich von 3,4 bis 3,7 GHz ist vor einigen Jahren für WiMAX versteigert worden (WiMAX wurde allerdings nie flächendeckend genutzt). Mittelfristig sollen auch Millimeterwellen-Frequenzbereiche (um 28 GHz) versteigert werden. Hier sehe ich in der Tat noch einen gewissen Forschungsbedarf hinsichtlich möglicher gesundheitlicher Wirkungen, da diese Frequenzen noch nicht flächendeckend eingesetzt worden sind.“
„Was man jedoch bereits heute sagen kann, ist, dass sich die Immissionssituation verändern wird. Das hat unter anderem folgende Gründe:
Bei 5G ist damit zu rechnen, dass zunehmend neben den typischen Mast- und Dachstandorten auch sogenannte Kleinzellen (Small Cells) aufgebaut werden. Diese Small Cells können zum Beispiel in Buswartehäuschen, Werbetafeln, Laternenmasten, Telefonzellen und so weiter integriert sein. Die Sendeleistung dieser Anlagen ist zwar wesentlich niedriger als diejenige von Mast- und Dachstandorten, dafür sind sie näher an Personen positioniert. Hier beschäftigt sich die aktuelle Forschung damit, die Veränderung der Immissionssituation durch diese Small Cells zu ermitteln.“
„Ein zweiter Grund besteht darin, dass bei 5G sogenannte Massive MIMO Antennen eingesetzt werden, die den von der Basisstation ausgehenden Strahl sowohl bündeln, als auch zielgerichtet auf einzelne Nutzer ausrichten können. Das heißt, dass die Sendeleistung nicht mehr wie bislang üblich in der Horizontalen ungerichtet abgegeben wird.“
„Es gibt hierbei also Effekte, die zu einer Erhöhung als auch zu einer Reduzierung der Immission an einem definierten Ort führen können. Es wird das Ziel zukünftiger messtechnischer Untersuchungen sein herauszufinden, wie sich die Immissionssituation nach der Einführung von 5G konkret ändert.“
„Eine Herausforderung hierbei ist es, ein entsprechendes Messverfahren zu entwickeln, das diese Strahlschwenkung von 5G Basisstationen korrekt berücksichtigt und den Immissionszustand bei maximaler Anlagenauslastung (so wie gesetzlich vorgeschrieben) erfasst. In diesem Zusammenhang ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass typische Immissionen im direkten Umfeld derzeitiger Mobilfunk-Basisstationen auch bei maximaler Anlagenauslastung lediglich wenige Prozent des Feldstärkegrenzwertes ausschöpfen.“
„Ein Interessenkonflikt meinerseits besteht nicht.“
„Ich habe in den letzten Jahren im Rahmen diverser Froschungsprojekte messtechnische Immissionsuntersuchungen an Mobilfunkbasisstationen (LTE, TETRA, WiMAX, UMTS, GSM) sowie an analogen und digitalen Hör- und Fernsehfunkanlagen für verschiedene Auftraggeber durchgeführt wie: RWTH Aachen, Deutsche Telekom, Informationszentrum Mobilfunk, Bundesamt für Strahlenschutz, Umweltministerium Nordrhein-Westfalen, Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen. Ich bin unbefristet als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der TU Ilmenau beschäftigt und werde nach TV-L bezahlt. Die Forschungsprojekte haben keinen Einfluss auf meine Bezahlung.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Weiterführende Recherchequellen
Bundesamt für Strahlenschutz: Fachliche Stellungnahme des BfS zu den Ergebnissen der NTP-Studie
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] U.S. Department of Health and Human Service: National Toxicology Program (NTP)
[2] EMF-Portal
Dr. Sarah Drießen
Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (femu), Uniklinik RWTH Aachen
Prof. Dr. Alexander Lerchl
Professor of Biology and Ethics of Science & Technology, Jacobs University Bremen
Prof. Dr. Achim Enders
Leiter des Instituts für Elektromagnetische Verträglichkeit, Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Dr. Christian Bornkessel
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Hochfrequenz- und Mikrowellentechnik, Technische Universität Ilmenau