Klima & Umwelt

11. Dezember 2018

Dürre extrem – kein Ende in Sicht?

2018 ist global das viertheißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, so der Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) [1]. Es könnte das trockenste Jahr aller Zeiten werden. Die Niederschlagsmengen in Deutschland verfehlten mehrfach den Sollwert und beliefen sich im Extremsommer 2018 durchschnittlich auf 54 Prozent der üblichen Regenmenge. Die daraus resultierende Dürre in Deutschland verursacht große wirtschaftliche Schäden und bedroht ganze Ökosysteme. Wiederholt sich die Dürre auch im Jahr 2019, dann hätte das gravierende Folgen für die Wasserversorgung. Das ist im Zuge des globalen Klimawandels nicht ausgeschlossen. Anschauliche Dürrekarten zeigen das Ausmaß der Dürre (Siehe Linkliste).

Sie können sich das Fact Sheet hier als pdf herunterladen.

Übersicht

  • Ausgangslage: Was ist Dürre und wie trocken ist es wirklich?
  • Folgen für Böden und Wälder
  • Folgen für Oberflächengewässer
  • Folgen für die Landwirtschaft
  • Folgen für Industrie und Gütertransporte
  • Folgen für Nachbarländer
  • Extremwetter könnte Dauerzustand werden
  • Dürrekarten
  • Pegelstände
  • Quellenverzeichnis
  • Weitere Recherchequellen

Ausgangslage: Was ist Dürre und wie trocken ist es wirklich?

  • Der Deutsche Wetterdienst (DWD) definiert Dürre als Mangel an Wasser, der durch weniger Niederschlag und/oder eine höhere Verdunstung durch erhöhte Temperatur (oder Wind) als üblich verursacht wird. Je nach Dauer der Dürre wird sie entsprechend ihrer Auswirkungen systematisiert:
    • meteorologische Dürre (ein bis zwei Monate trockener als üblich),
    • landwirtschaftliche Dürre (zwei Monate und länger trocken, Ernteeinbußen),
    • hydrologische Dürre (ab vier Monate, Grundwasser und Pegel betroffen) oder
    • sozio-ökonomische Dürre (ab einem Jahr, Wassermangel bremst produzierende Wirtschaft) [2].
  • Vergleicht man die monatlichen Niederschlagsmengen, so zeigt sich, dass es Jahre gab, die noch trockener als 2018 waren, so etwa 1911, 1947 oder 1976.
  • Daten, aus denen man zuverlässig Dürren bestimmen kann, sind vergleichsweise jung. Während es systematische Wetteraufzeichnungen aus dem 18. Jahrhundert gibt, lassen sich verlässliche Dürrediagnosen erst ab 1952 stellen: In diesem Jahr initiiert das Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie der WMO ein Niederschlagsdatenarchiv, das Daten von knapp 100.000 Stationen weltweit integriert.
  • Die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) spricht von einem aktuellen Niedrigwasserextrem [3] und erachtet mehrmonatigen flächendeckenden Regen als Voraussetzung für eine grundlegende Veränderung der Situation.
  • Je nach Schätzung sind 70 bis 90 Prozent der Fläche Deutschlands von extremer Trockenheit betroffen. Die Dürre ist noch nicht vorbei. Das wird deutlich, wenn man sich den Dürremonitor des Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) oder Satellitenbilder von Suomi VIIRS anschaut (siehe Dürrekarten).
  • Sämtliche Flüsse führen derzeit Niedrigwasser, woraus niedrige Durchflusswerte resultieren.
    Beispiel Dreisam: Der kleine Fluss in Freiburg ist bereits zu großen Teilen ausgetrocknet.
    Beispiel Rhein: Ende November fließen nur etwa 700–800 m³ pro Sekunde statt rund 2000 m³ pro Sekunde (Mittelwasserstand) oder mehr als 10.000 m³ pro Sekunde bei Hochwasser durch den Rhein [4].
  • Für sämtliche Verkehrsträger wurden Ausfälle wegen beschädigter Infrastruktur gemeldet (Fahrbahnschäden, Schäden an Start- und Landebahnen, Gleisverformungen, Böschungsbrände, Flugausfälle, Niedrigwasser) [5].

Folgen für Böden und Wälder

  • Nach einem feuchten Winter 2017/2018 waren in Deutschland die Wasserreserven in Böden und Gewässern gut gefüllt.
  • Um die sommerlichen Defizite im Wasserhaushalt zu beheben, darf der Winter 2018 nicht auch zu trocken ausfallen. Dann würde sich vor allem im Osten Deutschlands zu wenig Grundwasser bilden.
  • Normalerweise füllen Niederschläge im Winter Grundwasser und Böden sehr viel rascher auf als in der Vegetationsperiode, weil kaum Wasser über Pflanzen verdunstet. Allerdings hat der heiße Sommer 2018 zu einer hohen Verdunstung geführt und in Oktober und November blieb der Niederschlag weitgehend aus.
  • Die Intensität des Niederschlags ist wichtiger als die bloße Regenmenge: Bei langsam und stetig fallendem Regen versickert deutlich mehr Wasser als nach Starkregen. Wasser aus Starkregen fließt häufig direkt in Flüsse ab; langsam schmelzender Schnee im Frühjahr kann dagegen die Wasserspeicher effektiv regenerieren.
  • Laut NRW-Waldzustandsbericht 2018 ist der Wald in diesem Bundesland im schlechtesten Zustand seit Beginn der Erhebung im Jahr 1984. Laut dem Deutschen Forstwirtschaftsrat (DFWR) ist der Wald in Gefahr und es herrscht eine akute Bedrohung des Ökosystems [6]. Diese Bedrohung ist allerdings nicht allein auf die Dürre zurückzuführen, sondern hat vielfältige Ursachen. Forstwissenschaftler verzeichnen eine Zunahme der Kronenverlichtung um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Zustand der Baumkronen zählt zu den zentralen Vitalparametern des Waldes, da man an ihm Vergilbung, Fruchtbildung sowie weitere biotische und abiotische Faktoren ablesen kann [7].
  • Trockenheit stellt einen Stressfaktor für Bäume dar. Um sich vor Sonneneinstrahlung zu schützen, verringern Bäume während Dürreperioden ihre Transpirationsfläche: Die Blätter rollen sich zusammen. Allerdings wird dadurch auch die Photosynthese vermindert. Viele junge Bäume, die noch keine tiefen Wurzeln ausbilden konnten, sind 2018 abgestorben.
  • Buchen haben sich evolutionär an trockene Sommer angepasst und sind relativ unempfindlich gegenüber Schädlingen. Wirtschaftlich sind sie jedoch von geringer Bedeutung, da Nadelbäume höhere Wuchsraten erzielen und durch den hohen Harzanteil witterungsbeständiger sind.
  • Dürre erhöht die Waldbrandgefahr: Vor allem im Norden und der Mitte Deutschlands traten Waldbrände häufiger auf als gewöhnlich, dabei wurde im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auch eine deutlich größere Fläche vernichtet. Meteorologen stellen beim Waldbrandindex deutliche Abweichungen vom Normalwert fest [8].
  • Die Waldbrandgefahr wird nicht nur von der Dürre beeinflusst, sondern auch von Veränderungen im Waldwachstum: Offenere, stärker mit Gräsern bewachsene Wälder können sich ausbreitendes Feuer grundsätzlich begünstigen, was in dichten Wäldern ohne Grasunterwuchs unwahrscheinlicher ist.

Folgen für Oberflächengewässer

  • Prinzipiell lassen sich die Folgen unterscheiden nach den Auswirkungen, die durch die geringe Quantität des Wassers verursacht werden und denen, die mit der geringeren Qualität des noch vorhandenen Wassers in Verbindung stehen.
  • Blaualgenblüten (Cyanobakterien) sind in vielen Süßgewässern stärker als in Vergangenheit oder sogar erstmals aufgetreten. Dies führte in Verbindung mit dem geringeren Sauerstoffgehalt in einigen Gewässern zu Fischsterben.
  • Cyanobakterien enthalten Giftstoffe (Toxine), die für den Menschen gesundheitsgefährdend sind und die Trinkwasseraufbereitung erschweren.
  • Süßwasser-Ökosysteme stehen unter Dauerstress aufgrund von steigenden Wasserentnahmen, Flussregulierungen und Umweltverschmutzung. Die Dürre stellt in diesem komplexen Zusammenhang einen weiteren Stressfaktor dar.
  • Wenn das Flussbett eines Fließgewässers austrocknet, entstehen Uferschäden. Laichplätze für Fische und Nistplätze für Wasservögel werden knapper, die Bestände einiger Arten werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit abnehmen.
  • Je stärker die Füllmenge in Flachgewässern abnimmt, desto geringer der Verdünnungseffekt: Die schadstoffbelasteten Bodenschlämme strapazieren das Ökosystem aufgrund der höheren Schadstoffkonzentration.
  • Viele Muscheln und Kleinstlebewesen, die mit für Sauberkeit und Stabilität der Gewässer verantwortlich sind, sind abgestorben.
  • Trotz Kühlbecken und Umsiedlungsmaßnahmen gelang es nicht, ein großes Fischsterben zu verhindern. Über 2 Tonnen tote Fische allein in der Schweiz sind bisher aus dem Rhein geborgen worden.
  • Folgen für das Wattenmeer: Die Austrocknung der Salzwiesen, des Sediments und der Krähenbeeren, einer wichtigen Nahrungsquelle für Zugvögel, stellen eine Gefahr für die im Wattenmeer beheimateten Arten dar.

Folgen für die Landwirtschaft

  • Landwirtschaftliche Nutzpflanzen wurzeln flach und sind abhängig von der Bodenfeuchte im Oberboden. Bäume und Wälder dagegen wurzeln tiefer und sind auf Feuchtigkeit in tieferen Bodenschichten angewiesen.
  • Die durch die Dürre gesunkenen Erträge haben zu einem Preisanstieg bei Kartoffeln, Salat, Tomaten, Gurken, Möhren, Zwiebeln, Weißkohl und Zuckerrüben geführt. Nebeneffekt: Da weniger Ware aussortiert werden kann, gelangt mehr Ware mit optischen Mängeln in den Handel.
  • Die Ernteausfälle sorgen außerdem für eine Verknappung des Tierfutters.
  • Die Dürre könnte zu einem Rückgang der Malz- und Gerstenerträge und damit zu einem Rückgang der Bierproduktion um 27–38 Prozent führen [9].
  • Die Hektarerträge für Getreide (ohne Körnermais) lagen 2018 um 16 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt, hinzu kommt eine verminderte Fruchtqualität aufgrund des Feuchtigkeitsmangels der Pflanzen.
  • Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) rechnet in diesem Jahr mit dürrebedingten Ernteschäden in Höhe von 2 Milliarden Euro.

Folgen für Industrie und Gütertransporte

  • Der niedrige Pegel des Rheins führt zur Verknappung von Benzin, Diesel und Heizöl in Süddeutschland: Die Lieferkette muss umgestellt werden und vereinzelt ist Tankstellen der Sprit ausgegangen.
  • Die Nachfrage nach Frachtschiffen steigt, weil nur teilbeladen werden kann. Die Frachtpreise haben sich vervierfacht.
  • Der Chemiekonzern BASF transportiert am Stammsitz in Ludwigshafen 40 Prozent aller Güter per Schiff. Der Rheinpegel liegt zurzeit so niedrig, dass Schiffe nur mit einem Teil der üblichen Ladungsmenge ankommen. Obwohl mehr Schiffe eingesetzt wurden, mussten zwischenzeitlich einzelne Produktionsanlagen gestoppt werden.
  • Beim Bergbauunternehmen K+S AG (Kassel) mit Schwerpunkt Kali- und Salzförderung kam es zu Produktionsausfällen an zwei Standorten (je 3 und 5 Wochen). Abwasser und Produktionsrückstände konnten aufgrund des geringen Wasserdurchflusses nicht in Werra und Weser geleitet, sondern mussten per Bahn und LKW in stillgelegte Bergwerke abtransportiert werden. Andernfalls hätte der Chloridgrenzwert von 2500 mg pro Liter nicht eingehalten werden können. Das Geschäftsergebnis des dritten Quartals verschlechterte sich wegen dieses logistischen Aufwands um über 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2017.
  • Der Stahlproduzent thyssenkrupp muss ebenfalls Produktionseinschränkungen wegen des Rhein-Niedrigwassers vermelden.
  • Das Bundeswirtschaftsministerium hat am 24. Oktober 2018 Teile der nationalen Ölreserve freigegeben: 70.000 Tonnen Benzin, 150.000 Tonnen Diesel und 56.000 Tonnen Kerosin. Die Freigabe erfolgte regional begrenzt und wurde auf Tanklager in den Regierungsbezirken Köln und Unterfranken, Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg verteilt.
  • Wasserkraftwerke können wegen des Niedrigwassers weniger Strom produzieren und Atomkraftwerke müssen vereinzelt gedrosselt werden, weil Kühlwasser fehlt.
  • Im August 2018 wurden 21 Prozent weniger Güter auf Wasserwegen transportiert als im Vergleich zu 2017. Neben Treibstoffen sind Erze, Steine, Hölzer, chemische Produkte und Metalle besonders betroffen.
  • Fahrverbot für Güterschiffe in Brandenburg: Auf Elbe und Oder fahren seit Frühsommer 2018 keine Güterschiffe mehr.
  • Auf vielen Flüssen können einzelne Flusskreuzfahrtschiffe und Ausflugsdampfer Städte nicht mehr anfahren, der Fährbetrieb ist in vielen Regionen eingeschränkt bis unmöglich.

Folgen für Nachbarländer

  • In manchen Gebieten Belgiens ist das Wasser knapp. Daher versorgt das Wasserwerk Perlenbach bei Monschau die belgische Nachbargemeinde Bütgenbach über Tankwagen mit täglich bis zu 180.000 Liter Trinkwasser.
  • In den Niederlanden beobachten Forscher vom Zentrum für Geodäsie und Geoinformatik, dass der Boden stärker absinkt als bislang angenommen. Das Problem war für Moorgebiete bekannt, wo es durch Pfahlfäule hervorgerufen wird. Im Sommer 2018 sanken selbst Häuser, die auf Lehm- oder Sandboden fundamentiert wurden und damit bislang als sicher vor Bodenabsenkung galten, um stellenweise bis zu 7 Zentimeter ein.

Extremwetter könnte Dauerzustand werden

  • Der Jetstream, ein die Nordhalbkugel umspannendes atmosphärisches Windband, ist schwächer geworden. Hoch- und Tiefdruckgebiete verharren immer öfter und über längere Zeit an Ort und Stelle, sodass sich in den betroffenen Regionen lang anhaltende Extremwettersituationen formieren können. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit für extreme Dürren [10].
  • Experten der NASA haben beobachtet, dass Häufigkeit und Ausmaß der Waldbrände in den USA seit 1970 zugenommen haben und hauptsächlich im Westen des Landes auftreten. Hinzu kommt, dass die Feuer an den gleichen Stellen auftreten, was die Gesundheit des Waldes zusätzlich herausfordert [11].

Dürrekarten

Pegelstände

Quellenverzeichnis

[1] Pressemitteilung der WMO (2018): WMO climate statement: past 4 years warmest on record

[2] Wetterlexikon des DWD: Dürre

[3] Bundesanstalt für Gewässerkunde (2018): 21. Update: Wasserdefizit wächst weiter

[4] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Informationsplattform zu hydrologischen Extremereignissen UNDINE. Durchflussverlauf des Rheins.

[5] Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) (2018): Dürre & Hitzewelle Sommer 2018 (Deutschland), Report No. 1.

[6] Deutscher Forstwirtschaftsrat (2018): Offener Brief an die Redaktion von Frontal 21, Beitrag „Deutscher Wald in Gefahr – Akute Bedrohung für das Ökosystem“.

[7] Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW (2018): Waldzustandsbericht 2018. Langfassung

[9] Wei Xie et al (2018): Decrease in global beer supply due to extreme drought and heat. Nature Plants. Vol 4. 964-973.

[11] National Space Agency NASA (2018): Six trends to know about fire season in the western U.S.

Weitere Recherchequellen

Brasseur, GP. et al (2017): Klimawandel in Deutschland – Entwicklung, Folgen, Risiken und Perspektiven. Springer Spektrum. ISBN 978-3-662-50396-6. DOI 10.1007/978-3-662-50397-3.

Bender, S. et al. (2017): Der Einfluss des Klimawandels auf die terrestrischen Wassersysteme in Deutschland. Report 29. Climate Service Center Germany. Hamburg.

Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz: Gesetz über die Bevorratung mit Erdöl und Erdölerzeugnissen.