Auswirkungen von Geoengineering auf die Landwirtschaft
Solar Radiation Management, bei dem Schwefelaerosole in die Stratosphäre eingebracht würden, hätte laut einer neuen Studie keine großen Vorteile für die globale Landwirtschaft. Diese Methode des Geoengineering soll die direkte Sonnenstrahlung reduzieren, weil eingebrachte Aerosolteilchen das Licht in das Weltall reflektieren. Der Theorie nach könnte so den Auswirkungen des Klimawandels entgegengewirkt werden. Zwar wäre eine so erzeugte Abkühlung des Klimas ein Vorteil für die Landwirtschaft, doch würden diese aufgewogen von den negativen Effekten, die mit einer reduzierten Sonneneinstrahlung einhergehen, so die Autoren. Grundlage dieser Studie sind die Beobachtungen zweier Vulkanausbrüche, bei denen Schwefelaerosole in die Stratosphäre gelangt waren. Die Studie ist im Fachjournal Nature erschienen (siehe Primärquelle).
Wissenschaftlerin im Forschungsbereich III – nachhaltige Lösungsstrategien, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam
„Solar Radiation Management bekämpft nicht die Ursachen des Klimawandels, sondern nur die Symptome – das zeigt die Studie. Wenn überhaupt, würde das aber bestenfalls unvollständig funktionieren. Einige Auswirkungen, wie die Versauerung der Ozeane und, wie nun in dem Artikel gezeigt, offenbar auch Einbußen bei landwirtschaftlichen Erträgen, lassen sich dadurch nicht beseitigen.“
„Darüber hinaus birgt eine solche Methode zahlreiche Risiken: die Veränderungen des regionalen Klimas, Fragen internationaler Verträge und Haftbarkeiten sowie nicht zuletzt ein gewaltiges internationales Konfliktpotenzial. Die wirksamste Waffe gegen den Klimawandel bleibt die schnelle und entschlossene Reduktion der globalen Treibhausgas-Emissionen.“
Leiter des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Professor am Institut für Umweltphysik, Universität Heidelberg
„Der Artikel untersucht die Auswirkungen großer Vulkanausbrüche Ende des 20. Jahrhunderts auf die landwirtschaftlichen Ernteerträge und diskutiert die Ergebnisse im Hinblick auf mögliche zukünftige klimatechnische Maßnahmen durch Solar Radiation Management (SRM). Seit Langem wird diskutiert, ob SRM der Ökosystem-Produktivität abträglich wäre – wegen der Verringerung von Sonneneinstrahlung und Niederschlag – oder vorteilhaft – wegen der Verringerung von Hitzestress und indirekter Sonneneinstrahlung. Dabei beinhaltet nur ein Teil der SRM-Vorschläge das Versprühen von Sulfat-Aerosol-Vorläufern in die Stratosphäre. Andere, z. B. das Modifizieren von Meereswolken, emittieren nicht in die Stratosphäre.“
„Die Autoren verwenden einen neuartigen Ansatz, indem sie sich nicht nur auf numerische Modellierung verlassen, sondern Vulkanausbrüche als Beispiele für ein mögliches Klima-Engineering durch stratosphärische Sulfat-Aerosole (SSA) verwenden und sie mit den weltweit gemessenen Sonneneinstrahlungsänderungen und den an die Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen gemeldeten Ernteerträgen korrelieren. Etwas überraschend stellen sie fest, dass im Gegensatz zu nicht bewirtschafteten Ökosystemen die Kulturen in der Regel nicht von SSA profitieren, sondern dass sich die beiden Effekte in etwa aufheben.“
„Es ist jedoch zu beachten, dass sich das potentielle SRM in den Lichtstreuungseigenschaften des verwendeten Aerosols und in seiner räumlichen und zeitlichen Abdeckung sehr wahrscheinlich von Vulkanausbrüchen unterscheiden wird. Kürzlich wurde im Fachmagazin Science berichtet, dass Pflanzen sich sehr langsam und nichtlinear an höhere CO2-Werte anpassen, sodass die Dauer von natürlichen Vulkanausbrüchen möglicherweise nicht reicht, um ihre Reaktion auf ein viel länger andauerndes SRM zu simulieren [1].“
Prof. Dr. Leisner hat außerdem eine Anmerkungen zum ersten Satz des Abstrakts – „solar radiation management is increasingly considered an option for managing global temperatures“:
„Ich erkenne nicht, dass das SMR zunehmend als eine Option für das Management der globalen Temperaturen angesehen wird. Es wird zwar zunehmend erforscht, aber trotzdem würden die meisten Forscher unverändert vor seinem Einsatz warnen.“
Alle: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
Proctor J et al. (2018): Estimating global agricultural effects of geoengineering using volcanic eruptions. Nature. DOI: 10.1038/s41586-018-0417-3.
Weiterführende Recherchequellen
Science Media Center Germany (2018): Pflanzen reagieren möglicherweise anders auf höhere Kohlendioxid-Konzentrationen. Research in Context. Stand: 19.04.2018. Bezieht sich auf die von Prof. Dr. Leisner zitierte Studie.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Reich PB et al. (2018): Unexpected reversal of C3 versus C4 grass response to elevated CO2 during a 20-year field experiment. Science; 360: 317-320. DOI: 10.1126/science.aas931.
Dr. Jessica Strefler
Wissenschaftlerin im Forschungsbereich III – nachhaltige Lösungsstrategien, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam
Prof. Dr. Thomas Leisner
Leiter des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)