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19.04.2018

Pflanzen reagieren möglicherweise anders auf höhere Kohlendioxid-Konzentrationen

Pflanzen reagieren möglicherweise anders auf erhöhte CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kommen Peter Reich und seine Kollegen, die ihre Ergebnisse am 19.April 2018 Fachjournal Science veröffentlicht haben.

Die Autoren präsentieren die Ergebnisse einer über 20 Jahre durchgeführten Versuchsreihe, die der Fragestellung nachging, wie C3- und C4-Pflanzen – die sich durch ihren Photosynthese-Prozess unterscheiden – langfristig auf erhöhte Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre reagieren. Bisher war es wissenschaftlicher Konsens, dass C3-Pflanzen stärker von steigenden CO2-Konzentrationen profitieren als C4-Pflanzen. Das Experiment bestätigt dies allerdings nur für die ersten zwölf Jahre der Untersuchung. Danach kehrt sich dies jedoch zu Gunsten der C4-Pflanzen um. Die Autoren der Studie und auch die begleitenden Ausführungen im Perspective-Artikel in Science sprechen von einem möglichen Paradigmenwechsel, der enorme Auswirkungen für die künftige Landwirtschaft und auch die Zusammensetzung von Ökosystem haben könnte, aber auch wichtige Parameter in Klimamodellen verändern würde.

 

Übersicht

  • Prof. em. Dr. Christian Koerner, Institut für Botanik, Universität Basel, Schweiz
  • Prof. em. Dr. Ernst-Detlef Schulze, Ökophysiologe, ehemaliger Leiter der Abteilung für Biogeochemische Prozesse und Gründungsdirektor, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena
  • Prof. Dr. Helge Bruelheide, Professor für Geobotanik, Institut für Biologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle
  • Frau PhD Jes Hines, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Experimentelle Interaktionsökologie, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), Leipzig
  • Dr. Florian Busch, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Farquhar Lab, Research School of Biology, Australian National University, Acton, Australien
  • Prof. Dr. Bärbel Gerowitt, Professorin für Phytomedizin, Argrar- und Umweltwissenschaftliche Fakutlät, Universität Rostock

Statements

Prof. em. Dr. Christian Koerner

Institut für Botanik, Universität Basel, Schweiz

„Es ist für mich schon sehr erfreulich, dass die aktuelle Studie belegt, was an sich die Vernunft gebietet: dass der Kohlenstoffkreislauf auf der Erde – dazu gehört das Pflanzenwachstum – vom Nährstoffkreislauf getrieben wird. Das ist eine Erkenntnis, die bereits Carl Sprengel und Justus Liebig vor bald 200 Jahren gewonnen hatten. Endlich ist das auch bei Ökologen angekommen und in einem derart großen Experiment untermauert worden.“

„Das ist wirklich sehr bedeutend, denn alle mathematischen Modelle – und die meisten Lehrbücher – gehen immer noch davon aus, dass die Photosynthese-Rate die Wachstumsrate bestimmt, obwohl es genau umgekehrt ist; außer natürlich im tiefen Schatten. Pflanzen produzieren bei der Photosynthese nur so viel Zucker, wie sie brauchen können, um den Bedarf ihrer ‚Baustellen’ – also etwa Bildungsgewebe und Speicher – zu decken. Und dieser Bedarf wird über die Verfügbarkeit von Bodennährstoffen, Wasser und günstige Temperaturen definiert [1]. Das belegt die aktuelle Studie eindrucksvoll: Das Nährstoffangebot bestimmt die Menge an Kohlenstoff, die in Biomasse eingebaut werden kann. Fast möchte man meinen, das ist eine Binsenwahrheit.“

„Ich glaube, die ‚verkehrte’ Welt wurzelt in der Entdeckung von vor 220 Jahren in Genf, dass nämlich Pflanzen ‚Luft essen’. Diese Entdeckung, dass aus ‚nichts’ – einem Gas – etwas zum Anfassen und Essen wird, machte uns blind vor der Realität, dass alle Organismen – vom Bakterium zum Elefanten, vom Gänseblümchen zum Mammutbaum – zum Leben mehr als Kohlenstoff (Zucker) brauchen. Und dieses ‚Mehr’ sind Bodennährstoffe, die außer in Hydrokultur oder im Intensivgartenbau immer Mangelware sind. Wenn man das begriffen hat, würde man gar nicht erwarten, dass ein Mehr an CO2 das Wachstum steigern kann, wenn man nicht auch mehr Bodennährstoffe bereitstellt. In freier Natur geschieht das nicht.“

„An sich ist seit 40 Jahren aus der Agrarforschung bekannt, dass die Rate, mit der Blätter pro Blattflächeneinheit im Wege der Photosynthese CO2 aufnehmen, nicht mit dem Wachstum oder der Produktivität korreliert. Deshalb ist auch nicht zu erwarten, dass die pro Blattflächeneinheit leistungsfähigeren, sogenannten C4-Pflanzen grundsätzlich schneller wachsen als die diesbezüglich weniger leistungsstarken C3-Pflanzen – immerhin 96 Prozent aller Pflanzenarten auf der Welt. Die Studie zeigt auch, dass beide Gruppen ohne CO2-Zugabe die gleiche maximale Produktivität von etwa 1100 Gramm oberirdische Biomasse pro Quadratmeter erbringen. C4-Pflanzen sind nur im Vorteil, wenn es sehr trocken ist, wenig Bodennährstoffe verfügbar sind und wenn, wie im Miozän (Erdzeitalter, begann vor 23,03 Millionen Jahren, endete vor 5,3 Millionen Jahren; Anm. d. Red.), als sie entstanden sind, der CO2-Pegel sehr niedrig ist, also wenn insgesamt die Wachstumsbedingungen sehr schlecht sind. Deshalb ist es ja auch ganz absurd, anzunehmen, dass man etwa die Reisproduktion steigern kann, wenn man diesen Pflanzen molekular beibringt, C4-Photosynthese zu treiben. Vielleicht fördert diese Studie auch diese ökologische Einsicht.“

„Es ist nicht der Stickstoff, auf den die beobachteten Effekte zurückgehen. Es ist die Summe der Bodennährstoffe, von denen die Pflanzen mindestens 18 verschiedene in ausgewogenem Verhältnis brauchen. Häufig ist das Phosphor-Angebot in der Natur viel wichtiger als Stickstoff, weil Phosphor pro Landflächeneinheit ‚endlich’ ist, während Stickstoff aus der Luft mit bakterieller Stickstofffixierung bezogen werden kann und in großer Menge im Abfall und dessen Zersetzung im System akkumulieren und kreisen kann. Die zeitlichen Verläufe der Stickstoff-Bereitstellung im Boden ist nicht das Wichtige der Studie, und die Autoren geben auch zu, dass sie das nicht erklären können. Vielleicht war es gar nicht der Stickstoff, sondern ein anderer Mineralstoff, der das bewirkt hat.“

„Man darf nicht vergessen, dass eine ‚Wiese’ in der Gegend, in der das Experiment durchgeführt wurde, und fast überall auf der Welt etwas Künstliches ist. Normal wäre dort Wald. Um diese Wiesenstücke zu erhalten, musste der Boden zuerst umgegraben und von ‚Unkraut’ befreit werden, es durften keine ‚fremden Arten’ aufkommen – durch Samen aus der Luft –, und es musste jedes Jahr der Rasen abgeschnitten werden. Dabei entnimmt man zwangsläufig Nährstoffe. Das erklärt für mich den Rückgang des Ertrages bei den C3-Gräsern im Laufe der Jahre. Warum die C4-Gräser am Anfang ‚dahin dümpelten’ und erst nach Jahren Fahrt aufnahmen, kann in der Natur der gewählten vier Arten liegen, an einem für Mikroben schlechter verwertbarem Abfall, einer Umstellung im mikrobiellen Bodenmileu (Mykorrhiza). Das ist für mich eher lokalen Gegebenheiten zuzuschreiben. Bezeichnenderweise hatte die Stickstoffdüngung in einem Teil der Flächen keinen Einfluss darauf. Das nährt meinen Verdacht, dass es in Wahrheit gar nicht der Stickstoff ist, der dafür verantwortlich ist.“

„Die Ergebnisse der Studie haben keine realen Konsequenzen für die Biosphäre, weil die überall außerhalb des Agrarbereichs nicht CO2-limitiert ist. Aber die Studie rüttelt hoffentlich auf und verhilft der Einsicht zum Durchbruch, dass die gegenwärtigen Theorien und Modelle das Pferd vom Schwanz her aufzäumen. Die pflanzliche Photosynthese deckt einen Bedarf. Sie ist ein vom Bedarf an Kohlenhydraten getriebener Prozess und kein primär treibender. Wenn diese Erkenntnis weitere Anerkennung finden würde, wäre das der größte Gewinn der Studie. Wir haben in Basel die ersten und immer noch einzigen CO2-Anreicherungsexperimente mit erwachsenen Waldbäumen in einem Naturwald durchgeführt und haben keinerlei CO2-Düngeeffekt gefunden. Es sollte also niemand den Klimawandel kleinreden mit der Anmerkung: ‚CO2 ist doch auch ein Dünger.’ Das ist es nämlich nicht, außer man streut Mineraldünger.“

Prof. em. Dr. Ernst-Detlef Schulze

Ökophysiologe, ehemaliger Leiter der Abteilung für Biogeochemische Prozesse und Gründungsdirektor, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena

„Unbenommen von der Tatsache, dass es ein enormer Aufwand ist, ein Experiment über 20 Jahre zu betreuen, gibt es methodische Zweifel. Die CO2-Anreicherung wurde nicht wiederholt, es sind 88 winzige Plots in einem CO2-Anreicherungsring und auf jeder dieser Kleinkulturen wurden jedes Jahr intensiv Bodenproben entnommen. Das Europäische BIODEPTH-Experiment wurde bei gleicher Plot-Größe nach zwölf Jahren aufgegeben, weil es wie ein ‚Schweizer Käse’ aussah. Die Autoren zeigen keine Daten über die Stickstoff-Versorgung der Pflanzen und über die Böden. Das Ergebnis war absehbar, denn C4-Pflanzen benötigen weniger Stickstoff als C3-Pflanzen. In anderen Klima-Gebieten hätten Holzgewächse die krautige Vegetation ersetzt.“

„Die Tatsache, dass C3-Pflanzen auch bei hohen CO2-Konzentrationen langfristig in der Leistung nachlassen, ist bekannt. Dies wird erklärt mit zunehmender Limitierung durch Nährstoffe. Hinzu kommt, dass Monokulturen im Verlauf von 20 Jahren degradieren. Die C4Pflanzen – oder andere Pflanzen mit geringem Nährstoffbedarf – ersetzen die C3-Pflanzen bei zunehmendem Mangel. Aus den Zusatzinformationen zur Studie geht hervor, dass der Unterschied, der hier diskutiert wird, auf einer erhöhten Produktion der C4-Pflanzen in nur drei Jahren beruht, und die Autoren geben dafür keine Erklärung.“

Auf die Frage, ob die Erklärung der Studien-Autoren über den Einfluss der Stickstoff-Mineralisation für die Reaktion der Pflanzen schlüssig ist:
„Ich denke, um dies zu postulieren, fehlen die Daten über die Ausgangsbedingungen. Cedar Creek (der Ort, an dem das Experiment durchgeführt wurde; Anm. d. Red.) ist ein trockener Sandboden, und es ist in der Tat möglich, dass diese Böden über 20 Jahre Boden-Kohlenstoff akkumulierten und damit auch mehr mineralisieren. Da die Streu von C4-Pflanzen schwerer abbaubar ist, könnte auf den C4-Feldern über die Zeit mehr Boden-Kohlenstoff akkumuliert worden sein. Es fehlt die Information, die nötig wäre, um dies vollständig zu erklären.“

„Man muss sich im Klaren sein, dass die Konkurrenz zwischen C3- und C4-Pflanzen nur an wenigen Stellen auf der Erde vorkommt. Für die Landwirtschaft hat der Befund keine Bedeutung, denn dort werden Nährstoffhaushalt und Konkurrenz durch Bewirtschaftung gesteuert. Hätte der Versuch in Sibirien oder Brasilien stattgefunden, dann wäre das Resultat ein anderes – Holzgewächse hätten die Herrschaft übernommen. In Namibia hätte sich der C4-Typ mit dem niedrigsten Stickstoff-Bedarf durchgesetzt – es gibt mehrere C4-Stoffwechseltypen, und das wird in der Arbeit gar nicht thematisiert. Ich denke, eine Verallgemeinerung der Art ‚die C4-Pflanzen übernehmen die Herrschaft über die Vegetation der Erde’ ist weit verfehlt. Für nicht-gedüngte Systeme werden aber bei hohem CO2-Angebot Pflanzen mit niedrigem Stickstoffbedarf erfolgreich. Dies wird aber weltweit kompensiert durch die hohen Stickstoffeinträge aus der Atmosphäre. Insofern bleibt es in der vorliegenden Arbeit bei einer sicherlich interessanten Beobachtung für extrem nährstoffarme Böden.“

Prof. Dr. Helge Bruelheide

Professor für Geobotanik, Institut für Biologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle

„Die Ergebnisse aus der über 20 Jahre durchgeführten Studie sind ohne Frage hoch-relevant für die aktuelle Diskussion der Auswirkungen der steigenden, durch den Menschen verursachten Konzentrationen an Kohlendioxid in der Atmosphäre. Es herrscht allerdings schon lange Konsens unter den Forschern, dass man aus kurzfristigen positiven Reaktionen einzelner Pflanzenarten nicht auf langfristige Änderungen von Lebensgemeinschaften schließen kann. Insofern überraschen mich die Ergebnisse der Studie im Grunde nicht. Ebenfalls nicht überraschend ist der Befund von Peter Reich und seinen Kollegen, dass Rückkopplungen über den Boden und hier speziell die Reaktion auf die Stickstoffversorgung eine Schlüsselrolle spielen. Somit zeigen die Ergebnisse vor allem, dass Ökosystemprozesse nicht in Isolation untersucht und modelliert werden können.“

Auf die Frage, ob es bereits bekannt war, dass die Annahme, dass C3-Pflanzen stärker von steigenden CO2-Konzentrationen profitieren als C4-Pflanzen, nicht uneingeschränkt haltbar sein könnte:
„Belege dafür ergeben sich aus zahlreichen Experimenten, in denen die Kohlendioxid-Konzentration unter ansonsten unveränderten Temperatur- und Feuchte-Bedingungen angehoben wurden, was in sogenannten FACE-Experimenten (Free-Air Carbon dioxide Enrichment Experimente, bei denen im Freiland höhere CO2-Konzentrationen simuliert werden können; Anm. d. Red.) studiert wird. Bei C3-Pflanzen, die aufgrund der niedrigen Affinität ihres einzigen Enzyms, das Kohlendioxid fixiert, von erhöhten Konzentrationen dieses Gases profitieren sollten, zeigten Langzeitversuche, dass sich mit der Zeit Gewöhnungseffekte einstellten. Mit einer verbesserten Kohlendioxid-Versorgung ist es nämlich Pflanzen möglich, ihren Gaswechsel zeitlich einzuschränken und so Wasser zu sparen. Im Resultat führt dies dazu, dass anfängliche Produktionssteigerungen wieder verloren gehen. Es wäre sehr interessant gewesen, wenn die Autoren der Studie auch diesen Aspekt in ihre Analysen einbezogen hätten.“

„Die Stickstoff-Mineralisation ist ein Prozess, der sich an die Produktion von Biomasse anschließt, da ein Teil dieser Biomasse durch die Tätigkeit vor allem mikrobieller Organismen dem Boden zugeführt wird. In der Folge beeinflusst die Stickstoff-Mineralisation dann wieder die Produktion. Dieser Zusammenhang ist aus vielen Langzeit-Experimenten bekannt, allerdings war bislang der unterschiedliche Einfluss der durch Kohlendioxid-Düngung gesteigerten Stickstoff-Mineralisationsrate auf C3- und C4-Arten unbekannt gewesen. Den zugrundeliegenden Mechanismus konnte die Studie allerdings auch nicht klären. Aus meiner Sicht kommen hier Unterschiede zwischen C3- und C4-Pflanzen in den mikrobiellen Gemeinschaften in Frage, die die Mineralisation organischer Substanz im Boden durchführen. Diese Mikroben-Gemeinschaften werden wiederum durch die unterschiedlichen Photosynthese-Produkte der jeweiligen Pflanzenart beeinflusst, die über die Wurzeln ausgeschieden werden. Eine solcher Mechanismus ist bislang nicht bekannt, würde aber eine Erklärung für die hochinteressante Rückkopplung bieten, die die Autoren beschrieben haben.“

„Die wichtigste Konsequenz dieser Studie ist aus meiner Sicht, dass naive Modell-Annahmen, die auf einem einzigen physiologischen Mechanismus beruhen – nämlich der unterschiedlichen Affinität der verschiedenen beteiligten Enzyme bei C3- und C4-Pflanzen – ungeeignet sind, verlässliche Vorhersagen zu machen. Eine weitere wichtige Schlussfolgerung ist, dass durch den Menschen veränderte Kohlendioxid-Gehalte in der Atmosphäre möglicherweise mit den ebenfalls anthropogen erhöhten Stickstoff-Einträgen in nahezu alle Ökosysteme unseres Planeten in unvorhersehbarer Weise interagieren könnten. So zeigten Peter Reich und seine Kollegen, dass eine Stickstoff-Düngung die durch Kohlendioxid-Erhöhung gesteigerten Stickstoff-Mineralisationsraten bei C4-Arten mit der Zeit weiter fördert, die von C3-Arten aber vermindert. Dies kann für unsere Breiten, die besonders von der Kombination aus Kohlendioxid-Erhöhung und Stickstoff-Belastung betroffen sind und in denen C3-Arten dominieren, zu einer Beeinträchtigung der natürlichen Versorgung mit Stickstoff führen – mit bislang unvorhersehbaren Konsequenzen.“

PhD Jes Hines

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Experimentelle Interaktionsökologie, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), Leipzig

„FACE-Studien (Free-Air Carbon dioxide Enrichment; Experimente, bei denen im Freiland höhere CO2-Konzentrationen simuliert werden können; Anm. d. Red.) wie diese liefern wichtige Belege dafür, wie steigende atmosphärische CO2-Konzentrationen die terrestrischen Ökosysteme beeinflussen werden.“

„Belege aus kurzfristigen CO2-Anreicherungsstudien zeigen, dass Pflanzen unter erhöhten CO2-Bedingungen mehr Kohlenstoff in ihrer Biomasse anreichern können. Wissenschaftler haben nach experimentellen Beweisen gesucht, ob diese Stimulierung des Pflanzenwachstums langfristig aufrechterhalten werden kann oder ob Pflanzen im Laufe der Zeit zunehmend stickstoffbegrenzter werden können. Diese Studie zeigt, dass CO2 langfristig die Produktivität der Pflanzen steigern kann, aber dass es einen Umsatz geben wird, von dem bestimmte Pflanzen profitieren.“

„Die Ergebnisse dieser Studie widersprechen dem klassischen Paradigma, dass C3-Pflanzen empfindlicher gegenüber erhöhtem CO2 sind als C4-Pflanzen und unterstreichen, wie wichtig langfristige ökologische Forschung ist, um neue Ergebnisse zu erhalten.“

„Belege aus dem Global Change Research Wetland am Smithsonian Environmental Research Center haben gezeigt, dass wichtige physiologische Prozesse wie die Photosynthese von Pflanzen, durch erhöhtes CO2 stimuliert werden und dass diese Effekte über mehr als 28 Jahre aufrechterhalten werden können [2]. Langley und Megonigal lieferten mit als Erste widersprüchliche Beweise und zeigten, dass der positive Effekt von CO2 auf die Pflanzenproduktivität innerhalb weniger Jahre vollständig rückgängig gemacht werden kann, wenn Ökosysteme gemeinsam Stickstoff und CO2 ausgesetzt werden [3. Ihr zentrales Ergebnis beruhte darauf, dass sich die Zusammensetzung der Pflanzengemeinschaft von größeren C3-Pflanzen zu kleineren C4-Pflanzen hin verschoben wurde.“

„Die Autoren der aktuellen Studie bestätigen mit ihrer Arbeit, dass die Stickstoffversorgung ein Schlüsselfaktor für die Reaktion der Ökosysteme auf CO2 ist. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass bodenvermittelte Rückkopplungen ein Schlüsselfaktor für positive und negative Rückkopplungseffekte auf die Pflanzenproduktion sein können und dass diese Effekte unabhängig von zusätzlicher Stickstoff-Düngung realisiert werden können.“

„Forscher prognostizieren häufig die Verteilung und Produktivität der Arten auf der Grundlage direkter physiologischer Reaktionen auf Umweltbedingungen. Diese Studie zeigt, dass indirekte Rückkopplungen durch Böden besonders wichtige Treiber für die Reaktion der Pflanzengemeinschaft auf den Klimawandel sein könnten. Ohne langfristige Forschung vernachlässigen wir, auf kritische Altlasten und Rückkopplungseffekte zu prüfen, welche sich erst nach Jahren bis Jahrzehnten zeigen können [4].“

„Falls eine erhöhte CO2-Konzentration eher die Produktivität der C4- statt der C3-Pflanze steigert, dann könnten aktuell genutzte Modelle die zukünftige Kohlenstoffaufnahme in terrestrischen Wildnis-Gebieten falsch einschätzen. Ob die Verschiebung der Empfindlichkeit von C3- und C4-Arten gegenüber erhöhtem CO2 das Potenzial von Ökosystemen als Netto-Kohlenstoffsenken in Zukunft verändern wird, hängt von der Artenzusammensetzung der lokalen Gemeinschaften ab. Wir befinden uns derzeit in einer Zeit, in der sich die Biodiversität rasch wandelt: Arten werden schneller als je zuvor in der Fossilienbilanz gewonnen, verloren und umverteilt. Es ist eine große Herausforderung herauszufinden, wie die Veränderung in der Artenzusammensetzung die Reaktion des Ökosystems auf den Klimawandel beeinflusst, und das wiederum ist wichtig für genaue Vorhersagen durch Experimente und mathematische Modelle.“

Dr. Florian Busch

Wissenschaftlicher Mitarbeiter Farquhar Lab, Research School of Biology, Australian National University, Acton, Australien

„Die Arbeit ist ein sehr schönes Beispiel für den Mehrwert, den eine Langzeitstudie gegenüber kurzen und befristeten Studien zu im Moment angesagten Themen bietet. Über einen Beobachtungszeitraum von 20 Jahren wird klar, dass sich C4-Pflanzen – und auch C3-Pflanzen – auf Dauer nicht unbedingt so verhalten, wie man das auf Basis von kurzfristigen Experimenten vorhergesagt hätte.“

„Obwohl die Gründe für diesen Effekt und deren Einzelheiten noch etwas spekulativ sind, haben die Autoren deutlich gemacht, dass die Photosynthese der Pflanzen nicht in erster Linie dafür verantwortlich gemacht werden kann, sondern dass die erhöhte CO2-Konzentration in der Atmosphäre einen indirekten Effekt auf die Mineralisierung von Stickstoff ausübt. Auch in einigen vorangegangenen Studien wurde beobachtet, dass C4-Pflanzen positiv auf eine Erhöhung der CO2-Konzentration reagieren, aber im Allgemeinen fielen die Wachstumsstimulationen geringer aus als in C3-Pflanzen. Der große Vorteil der aktuellen Studie ist zum einen der lange Zeitraum, über den die Beobachtungen geführt wurden, und zum anderen die Bedingungen des Experimentes, die natürliche Einflüsse erlauben, die unter Laborbedingungen ausgeschlossen wären.“

„Die allgemeingültige Annahme, dass C3-Pflanzen stärker von höheren CO2-Konzentrationen profitieren als C4-Pflanzen ist zum Großteil darauf zurückzuführen, dass die Photosynthese-Rate pro Blattfläche in C3-Pflanzen stärker auf einen unmittelbaren Anstieg der CO2-Konzentration reagiert. Was im Prinzip schon lange bekannt ist – aber oft übersehen wird – ist, dass das Wachstum einer Pflanze nicht nur von dieser Photosynthese-Rate abhängt, sondern auch, unter anderem, von der Blattfläche. Und wie eine Pflanze ‚entscheidet’, ob sie verfügbare Ressourcen wie angestiegenes CO2 in eine größere Blattfläche investiert oder in eine höhere Photosynthese-Rate pro Blattfläche, ist weit weniger klar. Das hängt wohl auch mit vielen anderen Bedingungen zusammen, denen die Pflanze ausgesetzt ist. Entsprechend macht die aktuelle Studie nicht die Photosynthese-Rate pro Blattfläche für den Effekt verantwortlich, sondern das Angebot an vorhandenem Stickstoff.“

„Die Dauer dieses Experiments ermöglichte es, den Effekt erhöhter CO2-Konzentrationen auf die biochemischen Prozesse im Boden zu untersuchen. Änderungen in diesen spielen sich über viel längere Zeiträume – oft Jahrzehnte – ab und sind deshalb in kurz- und mittelfristigen Experimenten schwer zu entdecken. Meine Frage wäre nun, ob der Einfluss der Pflanzenprozesse auf die Bodenprozesse sich jetzt nach 20 Jahren schon in einem neuen Gleichgewicht befindet und C4-Pflanzen auf Dauer die Oberhand behalten, oder ob die hohe Mineralisierungsrate dazu führt, dass in weiteren 20 oder 50 Jahren der Boden möglicherweise weniger Stickstoff zur Verfügung hält und deshalb auch das Wachstum der C4-Pflanzen nachlässt. Vielleicht finden wir eine Antwort, indem wir Langzeitexperimenten wie diesem die Chance geben, weiterzumachen.“

Prof. Dr. Bärbel Gerowitt

Professorin für Phytomedizin, Argrar- und Umweltwissenschaftliche Fakutlät, Universität Rostock

„Klimawandel mit höheren Temperaturen und CO2-Konzentration in der Atmosphäre wird die natürlichen Pflanzengesellschaften verändern. Auch die Kulturpflanzen, das heißt, welche und wie wir sie anbauen werden. C3 oder C4 ist nur ein Merkmal, Pflanzen unterscheiden sich durch viele andere Merkmale.“

„Pflanzenbestände haben sich immer an veränderte Wachstumsbedingungen angepasst – dabei gab es stets Verlierer und Gewinner. Der Prozess birgt aber mit Sicherheit noch viele Überraschungen. Eine davon könnte der beschriebene langfristige Vorteil von C4-Pflanzen im Klimawandel sein.“

„Agrarisch würden die C4-Kulturpflanzen wie Mais und Hirsen dann, wenn sich die Studienergebnisse bestätigen, noch interessanter als sie es heute schon sind. Pflanzenzüchtung nutzt aber auch andere Prozesse und wird auch bei den großen C3-Kulturen weiter betrieben werden. Die Studie beruht auf Graslandarten und es wurde in der Versuchszeit nicht genutzt, das heißt, es wurde keine Biomasse entzogen. Das ist im genutzten Grünland und gar auf dem Acker anders. Ob C4-Pflanzen als Ackerunkräuter bessere Chancen haben, wird daran liegen, wie gut sie sich an die Kulturpflanzen und deren Anbaurhythmus anpassen können. C3-Pflanzen werden hier auch weiterhin gute Chancen haben.“

„Ob C3- oder C4-Pflanzen besser wachsen, hängt von vielen Faktoren ab. Der wichtigste ist die Temperatur – das ist unumstritten. Je höher die Temperatur, desto mehr Vorteile haben C4-Pflanzen. Hier sind schon kleine Differenzen in der Jahresdurchschnittstemperatur wichtig. Ein anderer ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre – sie wird aber meistens im Zusammenhang mit Temperatur betrachtet. In Mitteleuropa ist ein Temperaturanstieg in den letzten 20 Jahren belegt. Die Autoren schreiben, dass es keinen Einfluss der Temperatur gab. Ich hätte mir trotzdem unbedingt Daten – ruhig einfache wie die Jahresdurchschnittstemperatur – über die 20 Jahre gewünscht. Der sehr große Einfluss des ‚Jahres’ im Varianzmodel ist ja nicht damit kausal erklärt, dass es sich um das erste, zweite usw. Jahr handelt.“

„Die Autoren gehen offensichtlich von einem Effekt aus, der getrieben wird durch Stickstoff-Mineralisation in den verschiedenen Parzellen der Versuchsanordnung. Dass eine höhere oberirdische Biomasseproduktion zu mehr unterirdischer Stickstoff-Mineralisation führt, ist logisch und bekannt.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Florian Busch: "Es bestehen von meiner Seite keine Interessenkonflikte."

Alle anderen: Keine angegeben.

Primärquelle

Reich PB et al. (2018): Unexpacted reversal of C3 versus C4 grass response to elevated CO2 during a 20-year field experiment. Science ; Vol 360, Issue 6386, S. 317. DOI : 10.1126/science.aas9313.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Körner C (2015): Paradigm shift in plant growth control. Curr Opin Plant Biol 25:107-114. DOI: 10.1016/j.pbi.2015.05.003.

[2] Drake BG (2014): Rising Sea Level, temperature, and precipitation impact plant and ecosystem responses to elevated CO2 on a Chesapeake Bay wetland: Review of a 28 Year study. Global Change Biology 20, 3329-3343. DOI: 10.1111/gcb.12631

[3] Langley, JA et al. (2010): Ecosystem response to elevated CO2 levels limited by nitrogen-induced plant species shift. Nature 466: 96-99 doi:10.1038/nature0917.

[4] Hines J. et al. (2017): Soil-mediated effects of global change on plants communities depend on plant growth form. Ecosphere:8 (11) e01996.

Weitere Recherchequellen

[a] Körner C (2006): Plant CO2 responses: an issue of definition, time and resource supply. New Phytol 172:393-411. DOI: 10.1111/j.1469-8137.2006.01886.x

[b] Körner C (2012): Angebot oder Nachfrage: Was steuert das Pflanzenwachstum? Biologie in unserer Zeit 42:238-243. DOI: 10.1002/biuz.201210484.