CRISPR-Cas9 als revolutionäre Methode des Genome Editing
„Büchse der Pandora“, „Frankenstein-Forschung“, „das Schweizer Taschenmesser der Gentechniker“: CRISPR-Cas9 ist eine Methode des Genome Editing, die gerade die Forschung revolutioniert – vor allem in der Medizin und in der Pflanzenzüchtung.
Das Science Media Center Germany bietet mit diesem Fact Sheet einen Überblick über Genome Editing im Allgemeinen und über CRISPR-Cas9 im Speziellen, um Ihre journalistische Recherche zu diesem Thema zu unterstützen.
Was ist Genome Editing im Allgemeinen?
- Bündel an Techniken, um gezielt Erbgut zu verändern – bei Mikroorganismen („Weiße Gentechnik“), bei Pflanzen („Grüne Gentechnik“) und bei menschlichen Zellen („Rote Gentechnik“) sowie bei Tieren („Transgene Tiere“)
- Synonyme: Genome Engineering, Gene Editing; dt.: Genom-Bearbeitung
- Metapher: „Textverarbeitung im Erbgut“, „Redigieren im Erbgut“
- Ziele:
- Gezielt ein Gen im Genom zerstören („knock out“), um Teile des Erbguts zu entfernen, die z.B. Entstehung von bestimmten Krankheiten beeinflussen
- Gezielt ein Gen ins Genom einfügen („knock in“), um Gen von anderem Organismus der gleichen Art („Cisgen“) oder einer anderen Art („Transgen“) an bestimmter Stelle im Genom einzubauen, damit neue Eigenschaft erzeugt wird
- Gezielt ein Gen im Genom verändern („Punktmutation“), um genetische Information und damit Eigenschaft zu verändern - Erstmals möglich mit Instrumenten zur molekulargenetischen Arbeit, die seit Mitte der 1990er Jahre entwickelt wurden
- Typische Werkzeuge: Zinkfinger-Nukleasen, TALEN, Meganukleasen – und nun auch CRISPR-Cas-Systeme (s.u.)
- In einer Stellungnahme (2015) weisen die Nationale Akademie der Wissenschaften (Leopoldina), die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech), die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), auf „ein hohes wissenschaftliches Potential“ von Genome Editing hin und „unterstützen ausdrücklich ein freiwilliges internationales Moratorium für sämtliche Formen der Keimbahnintervention beim Menschen“ (s.u. im Abschnitt „Wichtige Publikationen und Recherchequellen“).
Welche Fragen werden derzeit in der Fachwelt besonders disktuiert?
- Sind Pflanzen, die einerseits mittels Genome Editing entstanden sind und deren Genom andererseits „naturidentisch“ aussieht, als genveränderte Organismen anzusehen und fallen somit unter die Richtlinie 2001/18/EG „über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt“?
Die EU-Kommission muss das entscheiden, hat bislang aber keine Entscheidung bekanntgegeben. - Wer bekommt welche Patente für die CRISPR-Cas9-Technologie?
Die Entwickler der Technologie sind in einen Patentrechtstreit verwickelt, v.a. Jennifer Doudna und Feng Zhang. - Sollte ein Moratorium für bestimmte Anwendung von CRISPR-Cas-Systemen verhängt werden?
Darüber diskutieren Forscher u.a. bei mehreren Gipfeltreffen (z.B. Washington 12/2015, Paris 04/2016), bei denen über wissenschaftliche, ethische und ordnungspolitische Aspekte gesprochen wird. Dafür hatten die Akademie der Wissenschaften und die Akademie der Medizin in den USA eine Initiative zu Genome Editing beim Menschen ins Leben gerufen.
Was ist CRISPR-Cas9 und wie funktioniert diese Methode?
- Abkürzung für: clustered regularly interspaced short palindromic repeats
- Ausgesprochen: „krisper“
- Ist natürlicherweise ein Teil des Erbguts von Mikroorganismen (v.a. Bakterien)
- Stellt „Bau-Anleitung“ dar für kurze RNA-Einzelstrang-Moleküle („Leit-Molekül“, „CRISPR RNA“, „crRNA“), die wiederum eine Genschere an eine bestimmte Stelle des Erbguts dirigieren
- Ein Teil dieser Sequenz kann künstlich „buchstabiert“ werden – analog zu jenem Abschnitt der DNA, an dem die Genschere ansetzen soll.
- Erste CRISPR-Sequenz 1987 in Bakterium Escherichia coli (E. coli) entdeckt
- Abkürzung für: CRISPR-associated proteins
- Ausgesprochen: „kas“
- Verschiedene Enzyme, die einige Bakterien nutzen, um eindringende Viren (Bakteriophagen) zu zerstören
- Ein bestimmtes Cas-Protein, das mit Hilfe von zwei Molekülen zur Zielsequenz der DNA geleitet wird und dort den Doppelstrang der DNA durchschneidet
- Der ursprüngliche und bislang klassische Partner für CRISPR-Cas-Systeme
- Ein bestimmtes Cas-Protein, das mit Hilfe von nur einem Molekül zur Zielsequenz geleitet wird und das sowohl DNA (Doppelstrang) als auch RNA (Einzelstrang) schneiden kann
- Funktionsweise aufgedeckt von Emmanuelle Charpentier (Fonfara et al., Nature 2016)
- Vielversprechender, aber noch wenig erforschter Partner für CRISPR-Cas-Systeme
- Eine Methode des Immunsystems von Bakterien, um eindringende Viren zu erkennen und abzuwehren
- Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna untersuchten im Detail den Mechanismus, wie das CRISPR-Cas9-System mit Hilfe der Leit-RNA ein Ziel im Genom findet; sie erkannten, dass sich dieses System anpassen lässt und schlugen vor, dass es als Technik für Genome Editing genutzt werden könnte (Jinek M et al., Science 2012).
- George Church und Feng Zhang übertrugen diese Technik als Erste und unabhängig voneinander auf Zellen mit Zellkern, darunter auch menschliche Zellen (Mali P et al., Science 2013; Cong L et al., Science 2013).
Warum ist die CRISPR-Cas9-Methode effizienter als bisherige Methoden des Genome Editing?
- Einfacher herzustellen, weil lediglich ein Erbgut-Abschnitt mit etwa 20 Nukleotiden („Buchstaben“) synthetisiert wird statt eines vollständigen Proteins, um Ziel-Schnittstelle festzulegen
- Herstellung dauert nur ca. drei Tage
(zum Vergleich: TALEN drei bis fünf Tage, Zinkfinger-Nukleasen einige Monate) - Kostet ca. 20 Euro pro Herstellung
(zum Vergleich: TALEN ca. doppelt so viel, Zinkfinger-Nukleasen ca. zehnmal so viel) - Prinzipiell auch möglich, Erbgut gleichzeitig an mehreren verschiedenen Stellen zu verändern („Multiplexing“)
- Fraglich ist noch, inwiefern CRISPR-Cas9 tatsächlich präziser ist als bisherige Formen des Genome Editing: Eine bestimmte Stelle im Erbgut finden RNA-Moleküle des CRISPR-Cas9-Systems für gewöhnlich schlechter als Proteine mit dem selben Suchbegriff; zumal die RNA-Sequenzen die Genschere auch eher an Stellen im Erbgut führen, die eine ähnliche Sequenz wie das Suchwort haben („off target“-Effekte).
Wie funktioniert Genome Editing und welche Arten gibt es noch neben CRISPR-Cas9?
Grundlegendes Prinzip: Genschere + Reparatur des Schnitts
- Genschere: Ein Enzym, das natürlich vorkommt und verändert wurde oder das gänzlich künstlich hergestellt wurde, steuert eine vorgegebene Stelle im Erbgut an und zerschneidet dort den DNA-Strang („Sequenz-spezifische Restriktionsnuklease“).
- Ein Bereich („Domäne“) dieses Proteins enthält die vorgegebene „Erkennungssequenz“, welche gewissermaßen das zu suchende „Wort“ im Text des Erbguts darstellt.
- Ein anderer Bereich dieses Proteins schneidet das DNA-Molekül an jener Stelle mit dem „Suchwort“.
- Allerdings: Bei CRISPR-Cas-Systemen führt nicht ein Protein, sondern ein Leit-RNA-Molekül die Genschere zu der zu schneidenden Stelle. - Reparatur: Die natürlichen Reparaturmechanismen der Zelle reparieren den Strangbruch automatisch.
Vier Arten von Genscheren können beim Genome Editing verwendet werden
- Auch wenn CRISPR-Cas9 gerade die Forschung revolutioniert: Es gibt weitere – ältere – Werkzeuge des Genome Editing, die mitunter sehr erfolgreich genutzt wurden und mit denen weiterhin gearbeitet wird.
- Werden eingeteilt entsprechend ihres Erkennungsbereichs für eine gewünschte Stelle der Ziel-DNA
- Zinkfinger-Nukleasen
- Erkennungsdomäne mit Zinkfinger-Protein künstlich gebaut
- Nicht sehr zielgenau
- Herstellung dauert lange und ist sehr aufwändig
- Kleinste aller bisher bekannten Genscheren - TALEN (transcription activator-like effector nucleases, dt. Transkription-Aktivator-artige Effektor-Nukleasen)
- Erkennungsdomäne basiert auf Proteinen, die bei Xanthomonas-Bakterien vorkommen und die für diese Genschere umgebaut wird
- Länge der Zielsequenz beliebig wählbar
- Zielgenauer als CRISPR-Cas-Systeme, weil Protein die Zielsequenz genauer findet als Leit-RNA; je länger die Zielsequenz, desto zielgenauer. - Meganukleasen
- Erkennungsdomäne basiert auf natürlich vorkommenden und dann veränderten Enzymen
- Sind zielgenauer als Zinkfinger-Nukleasen, weil sie längere Sequenzen erkennen
- Herstellung ist dermaßen aufwändig, dass sie kaum in Forschung und Anwendung genutzt werden. - CRISPR-Cas9
- Erkennungsdomäne basiert auf CRISPR-Sequenz, die so umgebaut wird, dass sie ein „Leit-Molekül“ erstellt; dieses separate RNA-Molekül leitet das Cas9-Protein an die gewünschte Stelle der Ziel-DNA, wo das Protein dann schneidet
- Die am einfachsten zu nutzende Genschere bislang
- Das einfachste Werkzeug bislang, um gleichzeitig an mehreren Zielen im Erbgut zu schneiden („Multiplexing“)
Zwei Arten für die Reparatur und Neuanpassung des Genoms werden hauptsächlich genutzt
- Homologe Rekombination (engl.: Homology Directed Repair, Homologous Recombination)
- In die Zelle wird ein DNA-Fragment eingeschleust, das eine Gensequenz enthält, welches wiederum neu in das Erbgut eingebaut werden soll. Zudem enthält das DNA-Fragment an beiden Enden eine „flankierende“ Gen-Sequenz, die mit der Sequenz an den Enden des gebrochenen Strangs übereinstimmt. Dadurch wird das DNA-Fragment gezielt mit eingebaut.
- Die Zelle kittet einen Strangbruch in der DNA automatisch mit dem Fragment, das vorliegt.
- Ist ein präziseres Reparaturverfahren, aber sehr selten. Um es zu erzwingen, wird versucht, andere Reparaturmechanismen zu unterdrücken, etwa das nicht-homologe Verbinden. - Nicht-homologes Verbinden (engl.: Non-Homologous End Joining)
- Keine DNA-Fragmente als Vorlage in Zelle eingeschleust
- Beide Strang-Bruchstellen werden wieder zusammengefügt, wobei gelegentlich kleine Abschnitte (einige wenige Buchstaben, „Nukleotide“) verlorengehen oder hinzukommen, so dass ein Gen ausgeschaltet werden kann („knock out“).
Welche möglichen Anwendungsbereiche gibt es für CRISPR-Cas9 und wie relevant sind diese?
- Allgemein:
- Veränderung des Erbguts von Pflanzen, damit sie z.B. widerstandsfähiger gegen Parasiten oder Dürre werden oder mehr Ertrag liefern, z.B. indem Resistenzgene von anderen Sorten derselben Pflanzenart oder von anderen Pflanzenarten hinzugefügt werden
- Seit Anfang der 1980er Jahre möglich - Mit CRISPR-Cas9:
- Sofern keine längere Gensequenz oder ein artfremdes Gen eingeschleust wird, ist das Ergebnis „naturidentisch“, d.h. es lässt sich labortechnisch nicht feststellen, ob eine genetische Veränderung durch zufällige natürliche Mutation bzw. Kreuzung erzielt worden ist oder gezielt mit Hilfe von CRISPR-Cas9.
- Daran wird z.B. bereits mit CRISPR-Cas9 geforscht: weißer Zucht-Champignon, der langsamer braun wird; ertragreicherer Wachsmais; Allergen-freie Erdnuss; Mais für Biosprit-Herstellung
- Daran wurde z.B. bereits mit TALEN geforscht: Pilz-resistenter Weizen - Aussicht:
- Pflanzenzüchtung mit CRISPR-Cas9 ist schneller realisierbar als medizinische Anwendungen, weil hier weniger ethische Bedenken und rechtliche Hindernisse bestehen.
- Die Frage, ob ein mit CRISPR-Cas9 manipulierter Organismus als gentechnisch verändert gilt, kann unterschiedlich beantwortet werden: je nachdem ob der Herstellungsprozess betrachtet wird (genveränderter Organismus) oder das Ergebnis (naturidentischer Organismus, d.h. nicht genverändert).
- Die Europäische Kommission sollte im Frühjahr 2016 bekanntgeben, ob sie CRISPR-Cas9 und andere „Neue Züchtungstechnologien“ derart einschätzt, dass die entstehenden Pflanzen als „gentechnisch veränderte Organismen“ anzusehen sind und die EU-Richtlinie 2001/18/EC „über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt“ anzuwenden ist.
Gene Drive (dt.: Genetischer Antrieb)
- Allgemein:
- Ein Gen eines Organismus wird verändert; zugleich wird eine Art Turbo für die Vererbung des veränderten Gens verliehen, sodass diese Gene mit größerer Wahrscheinlichkeit als üblich an die Nachkommen weitergegeben werden.
- Diese genetische Veränderung könnte innerhalb weniger Generationen in einer Population oder gar einer ganzen Art vorhanden sein.
- Passiert in der Natur unkontrolliert und zu unbestimmten Zeitpunkt – kann im Labor kontrolliert und zu bestimmtem Zeitpunkt durchgeführt werden - Mit CRISPR-Cas9: kann in Keimbahnzellen von einzelnen Tieren oder Pflanzen zum einen ein Gen manipuliert und zum anderen eine Art Kopiermaschine eingefügt werden, die dafür sorgt, dass das manipulierte Gen an mehreren Stellen im Genom eingebaut wird und damit praktisch an alle Nachkommen weitergegeben wird.
- Daran wird z.B. bereits mit CRISPR-Cas9 geforscht:
- Gene Drive in Modellorganismen wie Rundwürmern, Fruchtfliegen, Hefe
- Gene-Drive in bestimmten Stechmücken-Arten, um Krankheitserreger wie Malaria-Parasiten, Dengue-Viren oder Zika-Viren nicht mehr auf Menschen zu übertragen - Aussicht:
- CRISPR-Cas9 könnte Evolution gezielt steuern und im Zeitraffer ermöglichen, v.a. bei Pflanzen und Insekten, die sich relativ schnell vermehren.
- Diese Methode kann effizient sein, ist aber ethisch bedenklich.
- Noch ist unklar, inwiefern die Methode nicht nur eine Art beeinflusst, sondern auch ein ganzes Ökosystem, z.B. weil die Erbgut-Veränderung nicht umkehrbar ist oder weil die neue Eigenschaft auf eine andere Tier- oder Pflanzenart übertragen wird und dort negative, unerwünschte Folgen hätte.
- Außerdem treiben einige Forscher ein Moratorium für die Forschung und die Anwendung voran. Insbesondere soll verhindert werden, dass Tiere, die mittels Gene Drive verändert wurden, aus Versehen oder mit Absicht freigesetzt werden.
- Allgemein: Ein Gen, das defekt ist und zu Krankheit führt, wird repariert oder durch ein intaktes Gen ersetzt.
- Hier bezogen nur auf Körperzellen, üblicherweise adulte Stammzellen (z.B. Blutstammzellen) und andere Zellen, die sich häufig vermehren können (z.B. T-Zellen, Leberzellen)
- Kann im Körper erfolgen (in vivo bzw. ex vitro);
oder dem Körper werden einige Zellen entnommen, behandelt, vermehrt, wieder in Körper übertragen (ex vivo bzw. in vitro);
oder es werden Zellen gesunder Spender genommen und auf den Patienten passend verändert - Mit CRISPR-Cas9: soll somatische Gentherapie einfacher, zielgenauer, mit weniger Nebenwirkungen sein
- Daran wird z. B. bereits mit CRISPR-Cas9 geforscht: Therapie von Blutgerinnungsstörung Hämophilie A, HIV, Immundefekten, Leukämie, Muskelschwund-Erkrankungen, Sichelzellanämie
- Daran wurde z. B. bereits mit TALEN geforscht: Blutstammzellen von einem Spender so verändert, dass diese die Krebszellen eines an Leukämie erkrankten einjährigen Mädchens zerstört haben und die Krebserkrankung nicht mehr nachweisbar ist (Qasim W et al., ASH Annual Meeting & Exposition 2015)
- Aussicht:
- Die somatische Gentherapie wird seit Anfang der 1990er Jahre erforscht und ausprobiert, hatte zunächst aber nur einzelne Erfolge hervorgebracht; in den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Studien und öfter Erfolge. Mit Hilfe von CRISPR-Cas9 könnten in wenigen Jahren für einige Krankheiten neue Therapien zur Verfügung stehen, weil z. B. alle im Labor manipulierten Stammzellen sequenziert werden könnten und dann nur jene Stammzellen dem Patienten re-implantiert würden, die sowohl die gewünschte Gen-Korrektur als auch keine hinzugefügten Fehler aufweisen.
- Ein grundsätzliches Problem der Gentherapie bleibt auch bei CRISPR-Cas9 bestehen: Wenn die Therapie „in vivo“ erfolgen soll, dann muss das Reparatur-System zum richtigen Zelltyp bzw. zur richtigen Zelle gebracht und in diese eingeschleust werden.
Keimbahn-Therapie (Gentherapie in Keimzellen)
- Allgemein: Das Erbgut von Eizellen, Samenzellen oder Zellen eines Embryos wird verändert und damit an folgende Generationen weitervererbt.
- Mit CRISPR-Cas9: sollen Erbkrankheiten geheilt werden können.
- Zahlreiche Forscher sehen Keimbahn-Therapie per se skeptisch; manche sprechen davon, CRISPR-Cas9 öffne die „Büchse der Pandora“.
- In Deutschland ist es gemäß §5 des Embryonenschutzgesetzes verboten, die Erbinformation menschlicher Keimbahnzellen (Eizelle, Samenzelle und deren Vorläuferzellen) künstlich zu verändern und eine menschliche Keimzelle (Eizelle, Samenzelle) mit künstlich veränderter Erbinformation zur Befruchtung zu verwenden.
- Allerdings: Wird einem Menschen eine Stammzelle entnommen, diese genetisch verändert und in eine Keimzelle (Ei- oder Samenzelle) umgewandelt und anschließend für die Fortpflanzung verwendet, dann fiele dies nicht unter das Embryonenschutzgesetz und sei erlaubt – weil die ursprüngliche Zelle eben keine Ei- oder Samenzelle war.
- Daran wird z.B. bereits mit CRISPR-Cas9 geforscht:
- Wirksamkeitsnachweis der Keimbahn-Therapie wurde in China versucht, aber nur bedingt erbracht am Beispiel der genetisch bedingten Blutarmut Beta-Thalassämie (Liang P et al., Protein & Cell 2015)
- In Großbritannien hat im Februar 2016 die UK Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) als weltweit erste nationale Aufsichtsbehörde die Forschung an gesunden Embryonen mit CRISPR-Cas9 erlaubt: Ein Forscherteam in London wird Gene manipulieren, die in den Tagen nach der Befruchtung aktiv sind; nach sieben Tagen sollen die Embryonen zerstört werden (Grundlagenforschung statt Gentherapie an Embryonen). - Aussicht:
- Moratorium ist wahrscheinlich, auch wenn Wissenschaftler weltweit noch darüber diskutieren, wie umfassend es werden und für welche Experimente und Anwendungen es gelten soll. Am wahrscheinlichsten ist ein Moratorium für CRISPR-Cas-Systeme an embryonalen Zellen oder Keimzellen.
- Dass Keimbahn-Therapie mit Hilfe von CRISPR-Cas9 im Labor erforscht wird, gilt derzeit und in kommenden Jahren als wahrscheinlich und durchaus möglich.
- Dass die Keimbahn-Therapie mit Hilfe von CRISPR-Cas9 bei kranken Menschen zur Behandlung angewendet wird, gilt derzeit und in naher Zukunft als unwahrscheinlich und kaum möglich – wegen rechtlicher Rahmenbedingungen, wegen des angedachten Moratoriums, weil die Technik noch nicht so weit ist.
Rekonstruktion von Krankheiten im Labor
- Allgemein: In Modellorganismen wie etwa Mäusen nachstellen, wie Krankheiten entstehen, verlaufen, behandelt werden können oder sich ihnen vorbeugen lässt.
- Mit CRISPR-Cas9:
- Lassen sich Mäuse generieren, deren Genom gleichzeitig gezielt an mehreren Stellen verändert wird, sodass sich komplexe Gen-Kombinationen effizienter erzeugen lassen, wie sie bei menschlichen Erkrankungen mit mehreren Ursachen vorkommen (z.B. Bluthochdruck, Diabetes, Krebs) – und Forschungsprojekte nun innerhalb von Monaten statt Jahren durchgeführt werden können.
- Lassen sich Modellorganismen entwickeln, in denen auf genetischer Ebene simuliert wird, wie Medikamente auf Proteine in einer Zelle wirken; und wenn ein Gen identifiziert ist, das – wenn es abgeschaltet wird – dafür sorgt, dass z.B. eine Krebszelle getötet wird oder den Blutdruck senkt, dann können anschließend Substanzen gesucht werden, die das gleiche Gen abschalten. - Daran wird z.B. bereits mit CRISPR-Cas9 geforscht: Entstehung von Akuter Myeloischer Leukämie, Alzheimer, Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Aussicht:
- CRISPR-Cas9 könnte helfen, schneller und besser zu verstehen, wie weitverbreitete Krankheiten entstehen, ohne am Patienten zu forschen.
- Von den Forschungsergebnissen könnten mehr Menschen profitieren als Einzelpersonen, die mit einer Gentherapie behandelt werden.
- Allgemein: Veränderungen an den Chromosomen beeinflussen die Aktivität einzelner Gene
- Mit CRISPR-Cas9: ließe sich – sofern die Genschere des CRISPR-Cas9-Systems inaktiviert ist – gezielt eine Region im Erbgut ansteuern und dort das epigenetische Muster verändern und somit Gene an- bzw. abschalten, ohne das Erbgut selbst zu verändern.
- Daran wird z.B. bereits mit CRISPR-Cas9 geforscht: Epigenetische Veränderungen, die bei Suchterkrankungen oder Schizophrenie bekannt sind
- Daran wurde z.B. bereits mit TALEN geforscht: TALE, d.h. TALEN ohne die Nuklease / Genschere, haben das Forschungsfeld des Epigenome Editing begründet, d.h. die gezielte gentechnische Veränderung des Epigenoms.
- Aussicht: CRISPR-Cas9 soll das Forschungsgebiet Epigenetik, insbesondere Epigenome Editing, neu beleben.
Wichtige Publikationen und Recherchequellen
- US Patent and Trademark Office, Patent Trial and Appeal Board: Dokumente im Patentstreit zwischen Zhang und Doudna; Interference Number 106048. Link: 1.usa.gov/1NLhqXV
- Fonfara I et al. (2016): The CRISPR-associated DNA-cleaving enzyme Cpf1 also processes precursor CRISPR RNA. Nature. Published online 2016 Apr 20; doi: 10.1038/nature17945. Link: bit.ly/1StMAFf
- Qasim W et al. (2015): First Clinical Application of Talen Engineered Universal CAR19 T Cells in B-ALL. 57 Annual Meeting & Exposition, American Society of Hematology, 2015 Dec 5. Link: bit.ly/1XSpT1B
- Naldini L (2015): Gene therapy returns to centre stage. Nature. 2015 Oct 15;526(7573):351-60. doi: 10.1038/nature15818. Link: bit.ly/1UcimeC
- Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Deutsche Forschungsgemeinschaft, acatech ‒ Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (2015): Stellungnahme: Chancen und Grenzen des genome editing/ Statement: The opportunities and limits of genome editing. Halle (Saale). Link: bit.ly/1Md8tvl
- Liang P et al. (2015): CRISPR/Cas9-mediated gene editing in human tripronuclear zygotes. Protein & Cell. 2015 May;6(5):363-72. doi: 10.1007/s13238-015-0153-5. Epub 2015 Apr 18. Link: 1.usa.gov/1PQlVjL
- Baltimore D et al. (2015): A prudent path forward for genomic engineering and germline gene modification. Science. 2015 Apr 3; 348(6230): 36-38; published online 2015 Mar 19; doi: 10.1126/science.aab1028. Link: bit.ly/1NklxPP
- Esvelt KM et al. (2014): Concerning RNA-guided gene drives for the alteration of wild populations. eLife. doi: 10.7554/eLife.03401. Link: bit.ly/20sBw0k
- Mali P et al. (2013): RNA-guided human genome engineering via Cas9. Science. 2013 Feb 15; 339(6121):823-6; Epub 2013 Jan 3. doi: 10.1126/science.1232033. Link: 1.usa.gov/1qh3LSR
- Cong L et al. (2013): Multiplex genome engineering using CRISPR/Cas systems. Science. 2013 Feb 15; 339(6121):819-23; Epub 2013 Jan 3. doi: 10.1126/science.1231143. Link: 1.usa.gov/1oOiovX
- Jinek M et al. (2012): A Programmable Dual-RNA–Guided DNA Endonuclease in Adaptive Bacterial Immunity. Science. 337(6096): 816-21, doi: 10.1126/science. Link: bit.ly/206Thlz
- Deltcheva E et al. (2011): CRISPR RNA maturation by trans-encoded small RNA and host factor RNase III. Nature. 2011 Mar 31; 471(7340): 602–607. doi: 10.1038/nature09886. Link: 1.usa.gov/1KVAam0
- Europäisches Parlaments und Europäischer Rat (2001): Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt. Link: bit.ly/22KLkm0
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