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24.07.2021

Welche wichtigen Forschungsfragen zu COVID-19/SARS-CoV-2 sind noch unbeantwortet?

Seit anderthalb Jahren hat die Coronapandemie weltweit den Alltag der Menschen im Griff. In rasender Geschwindigkeit breitete sich das SARS-CoV-2-Virus aus und führte zu Infektionswellen, Millionen erkrankten Menschen und Todesfällen. Mit fast ebenso schnellem Tempo erforschten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit die Eigenschaften des Virus, die zugehörige Krankheit COVID-19sowie seine gesellschaftlichen Auswirkungen. Das Science Media Center sammelt seit Beginn der Pandemie die relevantesten Forschungsergebnisse einer Woche in einer Publikationsliste und fasst sie für Journalistinnen und Journalisten zusammen. Obwohl zahlreiche Aspekte – zum Beispiel Virologie, Epidemiologie und Public Health – breit erforscht wurden, bleiben noch viele Forschungsfragen unbeantwortet. 

Das SMC hat Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefragt, welches ihre dringlichste, weiterhin unbeantwortete Frage zu SARS-CoV-2 undCOVID-19 ist. Über 40 Forschende haben geantwortet. Besonders häufig wurde genannt, dass es wichtig wäre, ein Immunkorrelat für Genesene und Geimpfte zu kennen und zu verstehen, wie stark sich das Virus noch verändern kann. So könne rascher erkannt werden, wann Impfstoffe an neue Varianten angepasst werden müssten. Außerdem wurde die Dringlichkeit, ein wirksames Medikament spezifisch gegen COVID-19 zu finden, betont. Einige Forschende finden es besonders wichtig, die akuten sowie langfristigen Auswirkungen einer COVID-19-Erkrankung zu klären – sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern. Zudem seien noch etliche Fragen zu infektionsepidemiologischen Wechselwirkungen unbeantwortet.

Statements

Prof. Dr. Maria Vehreschild

Leiterin des Schwerpunkts Infektiologie an der Medizinischen Klinik II, Universitätsklinikum Frankfurt

„Natürlich gibt es aktuell noch viele wichtige Fragen rund um COVID-19. Aus meiner täglichen Situation heraus finde ich folgende Aspekte allerdings besonders vordringlich:

Erstens, es wird ein Medikament benötigt, wie zum Beispiel eine Tablette, das unkompliziert verabreichbar ist und die Hospitalisierung von Patient*innen verhindert, die im ambulanten Bereich neu erkrankt sind. Zweitens wird ein Medikament benötigt, das bei Patienten, die aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung bereits hospitalisiert sind, die Notwendigkeit einer Beatmung verhindert. Und drittens müssen die Mechanismen, die den verschiedenen Formen des sogenannten Long-COVID zugrunde liegen aufgeklärt und gezielte Therapien entwickelt und geprüft werden.”

Prof. Dr. Peter Kremsner

Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Eberhard Karls Universität Tübingen

„Wir brauchen auch eine spezifische Therapie gegen COVID-19. Die fehlt bisher gänzlich.”

Prof. Dr. med. Jacob Nattermann

Leiter Sektion Hepatogastroenterologie, Oberarzt Internistische Intensivmedizin, Leiter Labor für angeborene zelluläreImmunologie, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Bonn

„Das ist eine schwierige Frage, da es ja noch immer so viele wichtige, aber unbeantwortete Fragen gibt.“

„Aber wenn ich persönlich eine Frage auswählen sollte, dann wäre es vielleicht, warum Menschen so unterschiedlich auf das Virus reagieren? Manche Personen, die sich mit SARS-CoV-2 infizieren, wissen nicht einmal, dass sie infiziert sind, während andere eher milde Symptome haben und wieder andere schwerstkrank werden. Neben viralen Faktoren und vorbestehenden gesundheitlichen Problemen scheint die Reaktion des Wirts eine wichtige Determinante – wenn nicht die wichtigste – für die Schwere der Erkrankung zu sein.“

Prof. Dr. Thomas Götz

Professor für Angewandte Mathematik und mathematische Modellierung, Universität Koblenz-Landau

„Wie ist die Wirksamkeit der Impfungen bei Varianten und wie stark unterbinden die Impfungen gegebenenfalls die Übertragung einer Infektion?“

Prof. Dr. Eva Rehfuess

Leiterin des Lehrstuhls für Public Health und Versorgungsforschung, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München

„Aus meiner Sicht sind gleich mehrere Fragen von besonderer Bedeutung. Meine Top-Priorität wäre die folgende: Wie wirksam sind unterschiedliche Public Health-Maßnahmen (non-pharmakologische Interventionen) für die Prävention von SARS-CoV-2-Übertragungen?“

„Weitere wichtige Fragen wären: Wie wirken unterschiedliche (Risiko-)Kommunikationsmaßnahmen auf den Pandemieverlauf? Wie wirken unterschiedliche Formen der wissenschaftlichen Politikberatung (im internationalen Vergleich) auf den Pandemieverlauf? Welche Maßnahmen können soziale Ungleichheiten im Pandemieverlauf am wirksamsten reduzieren?“

„Und in allen diesen Bereichen gibt es leider viel zu wenig Evidenz!“

Prof. Dr. Johannes Hübner

Stellvertretender Klinikdirektor, leitender Oberarzt, Abteilungsleiter Infektiologie, Klinikum der Universität München (LMU)

„Nach wie vor die wichtigste Frage für mich ist, warum die Erkrankung bei Kindern so komplett anders verläuft als bei Erwachsenen. Es gibt ja verschiedene Hypothesen wie die ACE2-Rezeptor-Dichte, kreuzreagierende Antikörper gegen andere Coronaviren oder ein stärkeres angeborenes Immunsystem. Aber letztlich gibt es keine Klarheit. Diese Antwort auf diese Frage könnte uns vielleicht auch bei der Entwicklung von Therapeutika oder auch bei der Risikoeinschätzung helfen, welche Patienten schwere Verläufe haben und bei welchen Menschen die Krankheit leicht oder asymptomatisch abläuft.“

Prof. Dr. Oliver Razum

Leiter der Arbeitsgruppe Epidemiologie und International Public Health, Universität Bielefeld

„Die COVID-19-Pandemie verstärkt gesellschaftliche und gesundheitliche Ungleichheiten. Zudem wirkt sie als Vergrößerungsglas, das diese Ungleichheiten sichtbar macht. Von höchstem Interesse ist für mich, wie wir zu wirksamen sozialpolitischen und gesundheitsbezogenen Interventionen gelangen können, um Ungleichheiten nicht mehr nur wahrzunehmen, sondern zu verringern.“

Prof. Dr. Andreas Schuppert

Leiter des Lehrstuhls fürComputational Biomedicine am Aachen Institute for Advanced Study in Computational Engineering Science (AICES), Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH), Aachen

„Aus meiner Sicht ist eine dringende Frage, welche Patienten bei einer Infektion ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben, gerade auch außerhalb der bekannte Klassifikatoren wieAlter, Adipositas und Diabetes.“

„Diese Frage ist entscheidend für das Design optimaler Strategien, sowohl für Impfung als auch für nicht-pharmazeutische Maßnahmen (NPI). Die bisher bekannten Risikogruppen wurden prioritär geimpft, allerdings sind wir immer noch weit von einer Herdenimmunität entfernt. Eine Öffnung der NPI kann also zu einer hohen Infektionswelle führen, diese wird jedoch zu deutlich weniger schweren Verläufen als bisher bei gleicher Inzidenz führen. Die alten Grenzwerte für NPI sind also nicht mehr sinnvoll. Daher ist eine genaue Charakterisierung der Risikogruppen und Risikoverhaltensweisen essentiell für ein effektives Management des weiteren Infektionsverlaufs, hierfür fehlen jedoch die notwendigen detaillierten Daten und darauf aufbauende Analysen und Prognosemodelle.“

Prof. Dr. Hartmut Hengel

Lehrstuhlinhaber und Leiter des Instituts für Virologie, Universitätsklinikum Freiburg, und Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für Herpes-simplex-Virus (HSV) und Varicella-Zoster-Virus (VZV)

„Wie entwickelt sich die Krankheitslast nach dem Übergang der Pandemie in die endemische Phase? Wie können wir vulnerable Patientinnen und Patienten, die nicht geimpft werden können (‚primäre Impfversager‘) wirkungsvoll schützen? Wann stehen antivirale Medikamente zur Verfügung, und sind sie nach Erkrankungsbeginn ausreichend wirkungsvoll? Wie häufig entstehen neue Variants of Concern? Wie lange hält die durch mRNA-Impfstoffe geschaffene Immunität an? Wie häufig sind Auffrischungsimpfungen notwendig? Gibt es bei Auffrischungsimpfungen das Problem der ‚Original Antigenic Sin‘ (Antigenerbsünde, beim Infizieren mit einer neuen Virusvariante werden nur Antikörper gegen die bereits bekannten Epitope gebildet; Anm. d. Red.)? Wird SARS-CoV-2 ein saisonal begrenzt auftretender Erreger? Wie häufig erfolgen Wirtswechsel von SARS-CoV-2 Varianten zwischen Tier und Mensch? Kann das Virus sich so weit verändern, dass es neue / alternative Zellrezeptoren nutzen kann? Wann werden wir die Immunpathologie von SARS-CoV-2 gut verstanden haben?“

PD Dr. Claudia Denkinger

Leiterin der Sektion Klinische Tropenmedizin mit Schwerpunkt Innere Medizin, Infektiologie und Tropenmedizin, Universitätsklinikum Heidelberg

„Ich denke, eine sehr wichtige Frage gerade ist: Was ist das Ausmaß von Long-COVID in Kindern? Die Abwägung zwischen dem Ausmaß von Long-COVID in Kindern, dem Ausmaß der Kollateralschäden von Schulschließungen und Nebenwirkungen von SARS-CoV-2-Impfungen in Kindern wird unseren Herbst bestimmen und ist enorm wichtig für unsere Kinder.“

Prof. Dr. Hajo Zeeb

Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation, Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS), Bremen

„Wie kann größere Gerechtigkeit in der globalen Verteilung von Impfstoffen erreicht werden?“

Prof. Dr. Gérard Krause

Leiter der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig

„Wichtige Fragen sind aus meiner Sicht immer noch: Wie hoch ist die Krankheitslast der chronischen Spätfolgen von SARS-CoV-2-Infektionen und wie verteilt sie sich auf die unterschiedlichen Gruppen (Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen, Sozioökonomischer Status)? Wie hoch ist die Krankheitslast der Maßnahmen gegen die Pandemie (Schulschließung, Mobilitätseinschränkung, Stilllegung bestimmter Dienstleistungen, Homeoffice und weitere) und wie verteilt sie sich auf die unterschiedlichen Gruppen (Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen, Sozioökonomischer Status)? In welchem Ausmaß haben Maßnahmen gegen die Pandemie (Schulschließung, Mobilitätseinschränkung, Stilllegung bestimmter Dienstleistungen, Homeoffice und andere) die Krankheitslast anderer Erkrankungen wie zum Beispiel Meningokokken, RSV, Influenza oder Gastroenteritiden reduziert? In welchem Ausmaß wirken sich COVID-19-Erkrankungen (im Gegensatz zu beziehungsweise unabhängig von Pandemie-Maßnahmen) negativ auf die Produktivität aus? Warum sind Länder oder auch Regionen innerhalb eines Landes so unterschiedlich von der Pandemie betroffen, zeitlich wie qualitativ?“

Prof. Dr. Marylyn Addo

Leiterin der Sektion Infektiologie am Zentrum für Innere Medizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

„Für mich sind derzeit zwei Fragen zentral: Zum einen die Frage nach einem Korrelat für die Schutzwirkung von Impfstoffen [1], zum anderen wie lange dauert Immunität nach Impfung oder Genesung an, wann müssen Auffrischungsimpfungen in welchen Bevölkerungsgruppen stattfinden, und welche Strategie verfolgen wir hier in den nächsten Monaten und Jahren?“

Prof. Dr. Mirjam Kretzschmar

Professorin am Julius Center for Health Sciences and Primary Care, Universitätsmedizin Utrecht, und Expertin für mathematische Krankheitsmodellierung, Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu (RIVM), Bilthoven, Niederlande

„Für eine der derzeit wichtigsten Fragen halte ich die Frage, wie lange die Immunität nach der Infektion beziehungsweise nach der Impfung anhält. Die Frage betrifft einerseits den Schutz vor einem ernsten Krankheitsverlauf, aber auch die Verminderung der Infektiosität, falls man doch wieder infiziert werden sollte. Diese Frage muss man beantworten, wenn wir wissen wollen, wie es mit SARS-CoV-2 auf längerer Sicht weitergehen wird.“

Dr. Andreas Bergthaler

Leiter der Forschungsgruppe Virale Pathogenese und antivirale Immunantworten, Forschungsinstitut für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM), Wien, Österreich

„Ich antworte mit einer Reihe an Fragen, die wichtige Themen adressieren. Lässt sich vorhersagen, wie sich SARS-CoV-2 weiter verändern wird? Dies hätte große Auswirkungen für unser Verständnis, inwieweit der Impfschutz durch neue Immune-Escape-Varianten gefährdet sein kann. Dabei könnten auch Virusmutationen außerhalb des Spike-Proteins eine größer werdende Rolle spielen. Antworten darauf würden helfen, eine optimale Strategie für Auffrischungsimpfungen in den nächsten Jahren zu entwickeln. Wie lässt sich eine möglichst hohe Impfbereitschaft in den reichen Ländern erzielen? Und wie schaffen wir es, ärmere Länder beim Impfen zu unterstützen und damit insgesamt auch die globale Viruszirkulation und Entstehung neuer Varianten zu bremsen? Ab wann werden effektive antivirale Medikamente zur Verfügung stehen? Sowie welche Mechanismen führen zu Long-COVID und wie lässt sich das therapieren?“

Prof. Dr. Ralf Reintjes

Professor für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), Hamburg

„Sowohl für politische Entscheidungsprozesse, um erneute grobe ‚Lock-Down‘-Maßnahmen zu vermeiden, als auch für ein gezieltes Handeln der einzelnen Bürgerin und des einzelnen Bürgers, benötigen wir eindeutige epidemiologische Studien, die relative Risiken verschiedenster möglicher Risikofaktoren miteinander vergleichen lassen. Nicht jede Aktivität ist in gleichem Ausmaß mit einer möglichen Infektion assoziiert. Es bestehen sicherlich große Unterschiede zum Beispiel zwischen einem kurzen Einkauf im Supermarkt und einer durchtanzten Nacht in einem vollen Club. Entsprechende epidemiologische Studien zur Quantifizierung der unterschiedlichen Risiken wären für unser Leben mit COVID-19 sehr hilfreich.“

Prof. Dr. Stefan Kluge

Direktor der Klinik für Intensivmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

„Für mich ist es sehr wichtig, dass wir durch Interventionsstudien einen Wirkstoff identifizieren können, der in der Lage ist, im Frühstadium der Infektion mit SARS-CoV-2 einen schweren Verlauf vermeiden zu können.“

Prof. Dr. Isabella Eckerle

Leiterin der Forschungsgruppe emerging viruses in der Abteilung für Infektionskrankheiten, Universität Genf, Schweiz

„Eine Frage von höchstem Interesse – neben vielen – ist der zoonotische Übergang von SARS-CoV-2 auf den Menschen. Die zunehmende Politisierung dieses Themas schadet aktuell der Wissenschaft, und lenkt ab von der dringend nötigen Vorbereitung auf zukünftige Epidemien. Selbst wenn wir den genauen Übergang von SARS-CoV-2 noch nicht kennen, so wissen wir doch eigentlich schon längst, wie Zoonosen begünstigt werden: Durch Zerstörung und Ausbeutung von Ökosystemen und zunehmenden Kontakt von Wildtieren mit Nutztieren und dem Menschen. Es braucht dringend internationale Bestrebungen, um das Risiko für zukünftige Zoonosen zu minimieren.“

Dr. Viola Priesemann

Leiterin der Forschungsgruppe Theorie neuronaler Systeme, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen

„Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine SARS-CoV-2-Variante entwickelt, die den Schutz vor einem schweren Verlauf trotz Immunisierung/Impfung deutlich reduziert? Wenn sich der Schutz gegen einen schweren Verlauf von aktuell etwa 96 Prozent auf zum Beispiel 80 Prozent reduzieren würde, könnte der Druck auf das Gesundheitssystem wieder stark anwachsen.“

Prof. Dr. Holger F. Rabenau

Technischer Leiter des Bereichs klinische Virologie und Leiter des Bereichs Infektionsserologie, Virusisolierung und Elektronenmikroskopie, Universitätsklinikum Frankfurt

„Eine der Fragen, die mich besonders beschäftigt, ist mit welchen labordiagnostischen Markern und welchen zugehörigen Grenzwerten, wir mit hoher Sicherheit einen bestehenden Immunschutz nach Impfung (oder Infektion) belegen können und für wie lange diese Aussage ‚Gültigkeit‘ hat, oder ob es sich nur um eine ‚Momentaussage‘ handelt. Dabei geht es vor allem um den Schutz vor einer Reinfektion (beispielsweise mit einer Variante). Die bislang vorhandenen Marker lassen eine solche Aussage nur bedingt zu beziehungsweise – auf individueller Ebene – nur für einen recht begrenzten Zeitraum.“

„Eine zweite, besonders wichtige Frage, ist die der COVID-19-bedingten (akut und post-COVID-19) Krankheitslast bei Kindern. Dazu gibt es bereits zahlreiche Studien, mit zum Teil recht diskrepanten Ergebnissen. Diese Diskrepanzen sind vermutlich bedingt durch unzureichende Definitionen und/oder Festlegung der Symptome, der Zeiträume nach COVID-19, der Vergleichsgruppe und andere Faktoren. Besser vergleichbare Daten (unter Einbeziehung von geeigneten Kontrollkollektiven) würden wesentliche Argumente in der Diskussion zum Thema ‚Impfung von Kindern‘ beitragen.“

Dr. Ralf Krumkamp

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteiltung Infektionsepidemiologie, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), Hamburg

„Für einen großen Teil der SARS-CoV-2-positiven Personen ist weiterhin nicht klar, wo sie sich angesteckt haben. Bessere Daten über Ansteckungswege wären wichtig, um gezielt Interventionen umzusetzen, die effektiv Kontaktketten unterbrechen können.“

Prof. Dr. Christian Althaus

Leiter der Forschungsgruppe Immuno-Epidemiologie, Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM), Universität Bern, Schweiz

„Die mittel- und langfristige Entwicklung der Pandemie bleibt noch unklar. Wird es uns gelingen, die gesundheitlichen Auswirkungen der Pandemie mithilfe der Impfstoffe auf das Niveau einer saisonalen Influenza zu drücken? Oder werden neu entstehende Varianten dazu führen, dass wir weiterhin mit gewissen Maßnahmen gegen das Virus vorgehen müssen?“

Prof. Dr. Bernd Salzberger

Bereichsleiter Infektiologie, Universitätsklinikum Regensburg

„Was ich brennend gerne wissen würde: Welche Mechanismen SARS-CoV-2 benutzt, um die Immunantwort zu unterlaufen. Wie SARS-CoV-2 die schwere Inflammation und Schädigung der Lunge bei den schweren COVID-Erkrankungen verursacht. Die Kenntnis dieser Mechanismen könnte ein Ansatzpunkt für eine Therapie sein.“

Prof. Dr. Richard Neher

Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien, Biozentrum, Universität Basel, Schweiz

„Ich erwarte, dass es in den nächsten Jahren immer wieder zu Reinfektionen und Impfdurchbrüchen kommen wird. In diesem Fall wird es sehr wichtig, zu verstehen, wie häufig Wiederinfektionen schwer verlaufen und wie schnell der Impfschutz vor schwerer Erkrankung mit der Zeit oder durch Virus-Evolution abnimmt.“

Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen

Leiterin Immundefekt-Ambulanz, Institut für Medizinische Immunologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin

„Wie ist der Pathomechanismus von post-COVID ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom)?“

Prof. Dr. Ulf Dittmer

Direktor des Instituts für Virologie, Universitätsklinikum Essen

„Die aktuelle wichtigste Frage ist sicher: Wie lange schützt die Impfung und schützt sie vor allen Virusvarianten? Diese Frage kann aber leider erst im Laufe der nächsten Zeit beantwortet werden.“

„Eine weitere noch weitestgehend unbeantwortete Frage ist: Wie viel Virus scheidet ein Infizierter aus und welche Virusdosis führt dann zur Infektion einer anderen Person? Solche Untersuchungen sind aber so komplex und variabel, dass wir darauf immer noch keine gute Antwort haben.“

Prof. Dr. Reinhard Berner

Leiter der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden

„Eine wichtige Frage wäre aus meiner Sicht, wie häufig tritt Long-COVID bei Kindern tatsächlich auf, wieviel häufiger ist die Problematik bei SARS-CoV-2 verglichen mit anderen Virusinfektionen, und wer bekommt es und wer nicht? Letztere Frage gilt auch für PIMS (Pädiatrisches Inflammatorisches Multiorgan-Syndrom, seltene, aber schwere Spätfolge einer COVID-19-Infektion bei Kindern und Jugendlichen; Anm. d. Red.).“

Dr. Ute Teichert

Direktorin, Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf, und Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V.

„Mit welcher medikamentösen Therapie kann man eine COVID-19-Erkrankung heilen?“

Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk

Direktor des Instituts für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

„Aktuell finde ich von größter Bedeutung die Frage nach Long-COVID. Wichtig finde ich auch den Verlauf von Infektionen nach Impfung – und im Hinblick auf die Infektionsepidemiologie weiterhin die Frage nach der Übertragung in Haushalten.“

Prof. Dr. Dirk Brockmann

Leiter der Gruppe Forschung an komplexen Systemen, Institut für Theoretische Biologie, Humboldt-Universität zu Berlin, und Leiter der Projektgruppe Epidemiologische Modellierung von Infektionskrankheiten, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin

„Wir wissen im Kern nichts über menschliche Kontaktnetzwerke, ihre Dynamik, ihre Struktur, unter welchen Einflüssen sie sich ändern, in welchen Kontexten (zu Hause, Arbeit, Shopping, Freizeit, Events) sie welche Struktur haben. Wir kennen also praktisch das Substrat, auf dem sich eine Pandemie ausbreitet, nicht. Um die Dynamik der Pandemie wirklich zu verstehen, müssen wir genau über diese Netzwerke viel mehr wissen und erforschen.“

Prof. Dr. Clemens Wendtner

Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der dortigen Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen, München Klinik Schwabing

„Aus meiner Sicht sind folgende wissenschaftliche Fragen im Kontext SARS-CoV-2/COVID-19 bis dato unbeantwortet: Was ist der Ursprung dieses pandemischen Virus? Food Market versus ‚Laborunfall‘? Halten die Impfungen auch den VOCs (variants of concern) stand? Kommt es zu Durchbruchsinfektionen in größerem Ausmaß auch bei vollständig Geimpften ohne Immunsuppression? Wie lange hält der Immunschutz durch Impfungen generell? Wann ist mit Booster-Impfungen in der Bevölkerung zu rechnen? Provozieren wir durch den geplanten flächendeckenden Einsatz von monoklonalen Spike-Antikörpern in der Frühphase der Erkrankung die Entwicklung von MARMs (monoclonal antibody resistant mutants)? Wie sicher ist die COVID-19-Impfung bei Kindern, auch unter 12 Jahren? Welche Langzeitschäden müssen wir bei Kindern und Erwachsenen nach Abschluss der akuten Pandemie-Phase erwarten?“

Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer

Leiter der Infektiologie, Klinik I für Innere Medizin, Uniklinik Köln

„Die Entwicklung von gut wirksamen antiviralen Medikamenten gegen SARS-CoV-2 ist für mich ein vordringliches Problem. Die aktuellen Erfahrungen zeigen, dass das Auftreten immer wieder neuer Virusvarianten und der nicht vollständige beziehungsweise der mit der Zeit nachlassende Impfschutz den therapeutischen Einsatz von Virustatika (antivirale Medikamente, also Mittel, die Viren hemmen; Anm. d. Red.) notwendig machen.“

Prof. Dr. Barbara Prainsack

Universitätsprofessorin am Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien, Österreich und Mitglied der österreichischen Bioethikkommission

„Ein beträchtlicher Teil der Auswirkungen der COVID-19 Pandemie ist auf die Art zurückzuführen, wie wir leben und wirtschaften. Eine wichtige Frage für die uns bevorstehende Zukunft lautet daher: Wie muss unsere Gesellschaft, unsere Politik, und unsere Wirtschaft organisiert sein, damit solche Krisen nicht mehr eintreten?“

Prof. Dr. Friedemann Weber

Direktor des Instituts für Virologie, Justus-Liebig-Universität Gießen

„Praktisch alle effizienten Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 basieren auf dem Spike-Protein. Coronaviren können aber untereinander ganze Gene austauschen, auch das SARS-CoV-2-Spike hat ja einen anderen Stammbaum als der Rest des Genoms. Es ist durchaus denkbar, dass der Selektionsdruck durch die Impfungen dazu führt, dass eine SARS-CoV-2-Variante mit einem gänzlich neuen Spike entsteht. Es wäre wichtig zu wissen, welche Faktoren und Interaktionen wichtig für die Kompatibilität zwischen einem Spike und den anderen SARS-CoV-2-Proteinen sind.“

Prof. Dr. Cornelia Betsch

Wissenschaftliche Leiterin, Center for Empirical Research in Economics and Behavioral Sciences, Universität Erfurt

„Wie werden sich die kommenden Mutationen auf die direkte und indirekte Schutzwirkung der verschiedenen Impfungen auswirken? Also: Wie gut schützen die Impfungen den Geimpften vor (schwerer) Erkrankung und davor, das Virus auf andere zu übertragen?“

Prof. Dr. Ralf Bartenschlager

Leiter der molekularen Virologie am Universitätsklinikum Heidelberg und Präsident der deutschen Gesellschaft für Virologie

Prof. Dr. Hans-Georg Kräusslich

Abteilungsleiter Virologie am Zentrum für Infektiologie, Universitätsklinikum Heidelberg, und Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg

Prof. Dr. Uta Merle

kommissarische Ärztliche Direktorin der Klinik für Gastroenterologie, Infektionen und Vergiftungen, Universitätsklinikum Heidelberg

Gemeinsames Statement:
„Zentrale Aufgabe im Kontext SARS-CoV-2/COVID-19 ist die Findung einer kausalen Therapie.“

Prof. Dr. Reinhard Busse

Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin

„Mich würde mit breiter Public Health-Betrachtung interessieren, wie verschiedene sozioökonomische sowie soziodemografische Faktoren mit der gesundheitlichen Versorgung zusammenhängen, sowohl bei COVID-19 als auch bei anderen Gesundheitsleistungen während dieser Zeit. Zum Beispiel, ob ambulante und stationäre Leistungen für Personen in sozial schlechter gestellten Stadtteilen in Notlagen mehr (oder auch weniger) zurückgegangen sind als bei Personen in gut situierten Stadtteilen. Ziel wäre somit nicht nur, auf einzelne Faktoren wie Inzidenz oder Krankenhausaufnahmen zu gucken, sondern die Gesamtlage besser abbilden zu können.“

Prof. Dr. Christian Karagiannidis

Leitender Oberarzt und Leiter des ECMO-Zentrums sowie Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin, Klinikum Köln-Merheim

„Eine drängende Frage wäre: Wann erreicht das Virus einen stabilen Status ohne weitere Mutationen, die einen Selektionsvorteil bringen? Wenn dieser Zustand erreicht wäre, würde die Pandemie durch Impfung und durchgemachte Infektionen zum Ende kommen.“

„Eine zweite drängende Frage: Wie relevant ist Long-COVID bei Kindern wirklich und wie viele betrifft es?“

„Dritte Frage: Wie hoch ist das Risiko einer erneuten Pandemie mit SARS-CoV-3?“

PD Dr. Roman Wölfel

Oberstarzt und Leiter, Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München

"Eine Frage, die uns im Alltag immer wieder begegnet, ist folgende: Was ist der Beitrag der zellulären Immunität im Vergleich zur humoralen Immunität? Untersuchungen zu zellulärer Immunität sind deutlich aufwändiger, daher wurde dazu bisher weniger geforscht. Dabei ist die Antwort essenziell für die Beantwortung der Frage: Wie gut sind wir langfristig geschützt?“

Prof. Dr. André Karch

Stellvertretender Institutsdirektor Epidemiologie und Sozialmedizin und Leiter der Klininschen Epidemiologie, Universitätsklinikum Münster

„Eine weiterhin drängende Frage für uns ist, wie sich die Schutzwirkung gegen eine erneute Infektion/einen schweren Verlauf nach natürlicher Infektion beziehungsweise nach Impfung im longitudinalen Verlaufverändert und welche Faktoren des Hosts (Alter, Vorerkrankungen) und des sich verändernden Erregers diese Veränderung/Entwicklung beeinflussen.“

Prof. Dr. Ulrike Protzer

Inhaberin des Lehrstuhls Virologie und Direktorin des Instituts für Virologie, Technische Universität München (TUM), München

„Es stellt sich die Frage, wie stark sich das SARS-CoV-2-Virus zukünftig noch verändern wird, ob man diese Veränderungen vorhersagen und die Impfstoffe dann dementsprechend anpassen kann.“

Prof. Dr. Barbara Rath

Vorstandsvorsitzende und Gründerin, Vienna Vaccine Safety Initiative (ViVI)

„Ich denke das wichtigste Thema ist die Frage der ‚Correlates of Protection‘, das heißt wir bräuchten einheitliche, kostengünstige, hoffentlich nicht-invasive Tests, die sowohl im Einzelfall in der Praxis, wie auch in weitgefassten Screenings (epidemiologischen Reihenuntersuchungen) beantworten, wer jeweils gegen die aktuelle(n) SARS-CoV-2-Variante(n) geschützt ist. Dies wäre auch sehr brauchbar an Flughafen, in Schulen, Gemeinschaftseinrichtungen, Krankenhäusern und weiteren. Einen Infektionsschutz allein aufgrund der Krankengeschichte und/oder Impfanamnese hin anzunehmen wird in den kommenden Jahren immer weniger möglich sein. Was zählt ist die ‚bottom line‘, also der individuelle Schutz eines/r jeden. Darüber hinaus brauchen wir breit verfügbare und kostengünstige virologische Resistenztests und Datenbanken.“

Prof. Dr. Robert Thimme

Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg

„Für mich ist die dringlichste Frage die Dauer und Breite der Wirkung der Vakzine: Wie lange hält sie an, wie breit wirkt sie gegen verschiedene Virusvarianten und wie unterscheidet sie sich von der natürlichen Immunantwort.“

PD Dr. Julian Schulze zur Wiesch

Leitender Oberarzt Sektion Infektiologie und Leiter des Ambulanzzentrum Virushepatologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Hamburg

„Es haben sich in der Tat eine Reihe neuer wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Fragen und ganz neue Wissenschaftsbereiche in dieser anhaltenden und sich weiter entwickelnden Pandemie ergeben. Unser Alltagsverhalten hat sich zum Beispiel durch die Hygieneregeln in vieler Weise geändert, und viele der Langzeitfolgen der Pandemie sind noch gar nicht alle absehbar.“

„Zunächst einmal wird es wichtig sein, dass wir möglichst viele Menschen einbinden, aufklären, motivieren und mit guter Wissenschaftskommunikation von der generellen großen Sicherheit und dem Nutzen der COVID-19-Impfungen überzeugen. Ein eigener Wissenschaftsbereich befasst sich mit den möglichen Gründen für zögerliches Impfverhalten [2]. Andererseits könnte die Pandemie das Impfverhalten auch bei anderen für einige Personenkreise jährlich empfohlenen Schutzimpfungen wie zum Beispiel der Grippeschutzimpfung auch positiv beeinflusst haben. Diese Effekte müssen alle erst erforscht werden.“

„Die nächste Infektionswelle wird medizinisch gesehen andere Gruppen von Menschen treffen. Es wird im Herbst hohe Inzidenzen unter Ungeimpften, aber auch partiell geimpften Menschen aber auch bei Kindern und Jugendlichen geben. Die zukünftigen COVID-19-Patienten werden jünger sein und im Mittel weniger häufig schwerere Verläufe zeigen. Warum gerade Kinder in den allermeisten Fällen leichte Verläufe der COVID-19-Erkrankung zeigen, hängt wahrscheinlich mit dem sogenannten angeborenen Immunsystem zusammen, muss aber viel intensiver erforscht werden.“

„Insgesamt sind die Therapieoptionen bei schweren COVID-19-Verläufen besser geworden. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass durch die veränderte Demographie und den Einsatz dieser verschiedenen Therapien, weniger Menschen auf den Intensivstationen behandelt werden müssen oder versterben. Gefährdet, einen schweren COVID-19 Verlauf zu erleiden, sind weiterhin stark Immunsupprimierte, die trotz erfolgter Impfung oft nur einen schwachen Immunschutz aufbauen. Für besonders gefährdete Patientengruppen wird die Gabe von monoklonalen Antikörpern in der frühen COVID-19-Infektions-Phase eine deutliche Prognoseverbesserung bedeuten. Dabei müssen bessere Wege im Gesundheitssystem gefunden werden, um diese Hochrisikopatienten schnell in der frühen Phase der Infektion zu diagnostizieren und bestimmten Zentren zuzuführen, die dann rasch diese Antikörper-Infusion geben können. Dies sind unter anderem Fragen der Versorgungsforschung.“

„Inwieweit sich weitere SARS-CoV-2-Mutationen im Spike-Protein entwickeln werden, die eine noch höhere Infektiosität haben oder zu schwereren Krankheitsverläufen führen und dann eventuell nicht mehr durch die bald zugelassenen monoklonalen Antikörper behandelbar wären, muss auch engmaschig untersucht werden. Darüber muss das Auftreten und Monitoring von neuen Varianten weltweit weiter durchgeführt werden. Dabei ist allerdings der Eindruck falsch, dass es sich bei SARS-CoV-2 um ein stark mutierendes Virus handelt. “

„Die Qualität des Immunschutzes können wir weiterhin schwer durch immunologische Routinetests abschätzen. Wir gehen davon aus, dass hohe Spike-Antikörpertiter – nach durchgemachter Infektion oder Impfung – vor einer Infektion oder Reinfektion oder zumindest einem schweren Verlauf schützen. Die Antikörperqualität gerade gegen die neuen Varianten scheint höher nach Impfung, als nach natürlicher Infektion zu sein, so dass man zumindest eine einmalige Impfung nach einer ausgeheilten COVID-19 Infektion empfiehlt. Trotzdem wird allgemein nicht empfohlen, den Impftiter nach Impfung zu messen. Es fehlen einfach die Daten, um direkt von Impftiter auf den Impfschutz zu schließen.

Dabei gibt es zudem andere Abwehrzellen, die sogenannten T-Helfer -und T-Killerzellen, die ebenfalls nach Infektion und Impfung gebildet werden. Die Messung dieser Zellen ist allerdings aufwendiger, und es bleibt auch hier abzuwarten, ob diese immunologische Testung in der klinischen Routine benutzt werden kann, um ebenfalls die Güte des bestehenden Impfschutzes zu ergründen. Die relative Wichtigkeit einer bestehenden Antikörper- oder T-Zellantwort alleine oder in Kombination für einen suffizienten Immunschutz muss weiter erforscht werden.“

„Langfristig gibt es noch nicht genug Daten, um sagen zu können, ob und in welchem Abstand Auffrischungsimpfungen für die Allgemeinbevölkerung oder bestimmte Risikogruppen (Alte, Immunsupprimierte, Exponierte) sinnvoll sind. Es könnte sein, dass allgemeine Empfehlungen ausgesprochen werden, oder die Empfehlung individuell erst nach Messung der Impftiter erfolgen wird, anhand dessen dann über eine Nachimpfung entschieden werden würde.“

„Bei Immunsupprimierten mit niedrigem Antikörpertiter nach erfolgtem Impfzyklus scheint eine dritte Impfung zu einem suffizienten Titer zu führen, bei anderen nicht.“

„Auch nicht klar ist, ob die COVID-19-Impfstoffe angepasst werden müssen auf die neuen zirkulierenden SARS-CoV-2-Virusvarianten. Es könnte sein, dass durch eine dritte Impfung mit den zugelassenen Impfstoffen ausreichend hohe Antikörpertiter gebildet werden, die vor einer Infektion mit einer Variante schützen beziehungsweise schwere Verläufe verhindern können.“

„Während zurzeit erste klinisch, wissenschaftliche Studien zur Sicherheit und Effektivität einer dritten Auffrischungsimpfung durchgeführt werden, ist besonders für die Vektorimpfstoffe nicht ganz klar, wie oft man die Impfung wiederholen kann – oder ob dies überhaupt notwendig ist.“

„Neben den Fragen zur COVID-19-Erkrankung in der 4. Welle, den neuen Varianten, oder Fragen zur Impfung hat die Pandemie im Lockdown und durch die Coronaregeln zu generellen Verhaltensänderungen geführt. Wir fangen erst an, mögliche medizinische Kollateralschäden durch die veränderte Gesundheitsvorsorge oder die veränderte Inanspruchnahme des Gesundheitssystems wie zum Beispiel Vorsorgeuntersuchungen, durch veränderte Gesundheitsverhalten (weniger Sport, mehr Alkohol) oder aber auch durch Stress und Einsamkeit (vermehrtes Auftreten von psychiatrischen Erkrankungen) zu untersuchen.“

„Mit der Long-COVID-Erkrankung ist ein neues Krankheitsbild entstanden, welches bei bis zu 10 Prozent der Patienten auftritt und das in seiner Vielschichtigkeit noch nicht gut verstanden ist.“

„Durch die Abstandsregeln und den Lockdown hat sich die Häufigkeit vieler anderer Infektionskrankheiten stark vermindert. Die Grippewelle ist im letzten Winter fast vollständig ausgefallen. Dies gilt auch für andere infektiöse Erkrankungen. Ob sich dieser Trend fortsetzen wird, weil wir zum Beispiel langfristig Masken tragen und strikte Hygieneregeln einhalten, ist eine wichtige wissenschaftliche Frage. Es könnte sein, dass unsere individuelle Immunität und die generelle Herdenimmunität so weit abnehmen, dass wir zu einem späteren Zeitpunkt stärkere Infektionswellen bestimmter grippaler Erreger oder Durchfallerreger sehen werden.“

„Insgesamt ist davon auszugehen, dass COVID-19 nicht verschwinden, aber als endemische Viruserkrankung dann besonders im Herbst und Winter immer wieder auftauchen wird. Ähnlich wie die Influenza wird sie für die meisten Menschen dann weit weniger gefährlich sein.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Krammer F (2021): A correlate of protection for SARS-CoV-2 vaccines is urgently needed. Nature Medicine; 27: 1147–1148. DOI: 10.1038/s41591-021-01432-4.

[2] Machingaidze S et al. (2021): Understanding COVID-19 vaccine hesitancy. Nature Medicine. DOI: 10.1038/s41591-021-01459-7.