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18.03.2022

Waldbrände führen zu Ozonabbau in der Stratosphäre

Die großflächigen Brände in Australien in den Jahren 2019 und 2020 haben dazu geführt, dass die Ozon-Konzentration in der Atmosphäre der südlichen Erdhalbkugel abgenommen hat. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die am 17.03.2022 im Fachjournal „Science“ erschienen ist (siehe Primärquelle). Der Studie zufolge haben die Rauchpartikel, die während der Brände entstanden sind, die Zusammensetzung der Gase in der Stratosphäre stark verändert, wodurch in chemischen Folgenreaktionen verstärkt Ozon abgebaut wurde. Durch den Klimawandel werden Flächenbrände in Wäldern und anderen Ökosystemen immer häufiger und heftiger. Das könnte dazu führen, dass die Ozonschicht später regeneriert als bislang angenommen, so die Autoren. Die Experten, die das SMC um ihre Einschätzung gebeten hat, sehen diese Schlussfolgerung jedoch kritisch.

Anhand von Satelliten-Daten aus dem kanadischen „Atmospheric Chemistry Experiment“ bestimmten die Forscher die Konzentration von 44 Verbindungen in der Stratosphäre im Verlauf des Jahres 2020. Einige Molekül-Konzentrationen waren deutlich höher als in den Vorjahren – etwa von Formaldehyd und den chlorhaltigen Verbindungen Chlornitrat, Chlormonoxid und Hypochlorige Säure. Andere Verbindungen – Stickstoffdioxid (NO2) und Salzsäure (HCl) – kamen in geringeren Konzentrationen vor als gewöhnlich. Den Autoren zufolge führt diese veränderte Zusammensetzung insgesamt zu einem verstärkten Abbau von Ozon (O3). Passend zu dieser Vermutung fanden die Forschenden eine verringerte Ozonkonzentration um etwa 20 Kilometer Höhe von April bis Dezember 2020 zwischen dem 30. und 60. südlichen Breitengrad, die außerhalb des Schwankungsbereichs der Vorjahre liegt.

Die Ozonschicht in der Atmosphäre schützt Lebewesen vor Schädigungen durch UV-B- und UV-C-Strahlung. In den 1980er Jahren wurde eine Ausdünnung der Ozonschicht festgestellt, insbesondere über der Antarktis – auch bekannt als Ozonloch. Als Ursache wurden halogenierte Kohlenwasserstoffe FCKW und CFC identifiziert, die beispielsweise als Kältemittel oder Lösemittel verwendet wurden und so in die Atmosphäre gelangten. Im Montreal Protokoll von 1987 verpflichteten sich alle Länder, Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht zu ergreifen. Daraufhin wurden die Emissionen Ozon-zerstörender Substanzen konsequent reduziert, jedoch mit einigen Ausnahmen: 2017 warnte eine Studie vor dem schädigenden Einfluss von Dichlormethan auf die Ozonschicht – eine Substanz, die im Montreal Protokoll nicht berücksichtigt war [I]. 2018 stellten Forschende fest, dass es in China trotz eines Verbotes anhaltende Emissionen der Ozon-zerstörenden Substanz Trichlorfluormethan (CFC-11), gab [II]. Schätzungen zufolge soll sich die Ozonschicht etwa zur Mitte des 21. Jahrhunderts wieder regeneriert haben, wobei andauernde Emissionen Ozon-zerstörender Stoffe den Prozess verzögern könnten [I].

Der Fokus der Debatte um die Ausdünnung der Ozonschicht lag stets auf menschengemachten Emissionen. Die in der aktuellen Studie vorgestellten Daten zeigen nun, dass durch den Klimawandel auch aus Flächenbränden zunehmend Ozon-zerstörende Moleküle freigesetzt werden. Laut den Autoren könnte das dazu führen, dass sich die Ozonschicht noch später regeneriert als bislang erwartet.

Übersicht

     

  • Dr. Johannes Laube, Gruppenleiter am Institut für Energie- und Klimaforschung, Stratosphäre (IEK-7), Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ), Jülich
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  • Prof. Dr. Klaus Pfeilsticker, Professor am Institut für Umweltphysik, Universität Heidelberg
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  • Prof. Dr. Martin Dameris, Seniorwissenschaftler am Institut für Physik der Atmosphäre (IPA), Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Oberpfaffenhofen
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Statements

Dr. Johannes Laube

Gruppenleiter am Institut für Energie- und Klimaforschung, Stratosphäre (IEK-7), Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ), Jülich

„Einleitend möchte ich bemerken: Es hat mich erstaunt, in einem derart renommierten Journal wie ,Science’ einen auf Messungen basierenden Artikel zu finden, bei dem jegliche Abschätzung von Unsicherheiten fehlt. Weder in den Abbildungen noch im Text – auch nicht im Anhang – gibt es Hinweise auf die Genauigkeit und Präzision dieser Messungen von teilweise extrem schwierig zu quantifizierenden reaktiven Spezies. Deswegen stehen meiner Ansicht nach viele Aussagen des Artikels auf sehr wackeligen Füßen, da man eben nicht erkennen kann, inwieweit sich die Konzentrations-Höhenprofile im Jahr 2020 tatsächlich signifikant von denen anderer Jahre unterscheiden.“

„Die Erkenntnis, dass Waldbrände die Chemie der Stratosphäre aus dem Gleichgewicht bringen können, ist nicht neu. Die aktuelle Studie zeigt aber, dass dies im Falle der australischen Buschfeuer von 2019 in wohl bisher ungekanntem Ausmaß geschehen ist. Die Daten des etablierten Satellitengerätes ACE-FTS (Atmospheric Chemistry Experiment - Fourier Transform Spectrometer) erlauben zudem einen detaillierten Einblick in die chemischen Prozesse, die noch über viele Monate nachwirken. In der Summe wirken sich diese Prozesse negativ auf die stratosphärische Ozonschicht in mittleren Breiten aus, wobei die zusätzliche Ozonzerstörung im Vergleich zum sogenannten Ozonloch – das in südhemisphärischen polaren Breiten im dortigen Frühjahr entsteht – eher moderat ist. Insofern ist die Entstehung eines solchen Ozonlochs in mittleren Breiten eher unwahrscheinlich.“

„Allerdings ist eine resultierende leichte Zunahme der beobachteten UV-Strahlung – und ein damit einhergehendes erhöhtes Hautkrebsrisiko – durchaus im Bereich des Möglichen. Auf diesen Aspekt wird aber in der Studie nicht eingegangen. In der deutlich stärker und dichter bevölkerten Nordhemisphäre könnte ein solcher Brand durchaus problematischere Effekte auslösen, besonders wenn es sich um mehrere aufeinanderfolgende Ereignisse handelt. Da die Wahrscheinlichkeit solcher Brände mit zunehmendem anthropogen getriebenem Klimawandel steigt, ist es wichtig, diese Prozesse sowie deren genauen Auswirkungen besser zu untersuchen und zu verstehen. Da es bei der Zusammensetzung solcher Brandpartikeln eine hohe Variabilität gibt und auch andere Faktoren – wie die genaue geografische Lage der Feuer und deren Zeitraum – eine wichtige Rolle spielen, kann von diesem spektakulären Einzelfall die potenzielle Bandbreite an zukünftigen Folgen nicht abgeleitet werden.“

Prof. Dr. Klaus Pfeilsticker

Professor am Institut für Umweltphysik, Universität Heidelberg

„Die Tatsache, dass Abgasfahnen von Waldbränden die untere Stratosphäre erreichen können und dort die Ozonschicht beeinflussen, ist an sich nicht neu und wurde schon mehrfach beobachtet, wie auch bei den Emissionen der australischen Waldbrände Ende 2019/Anfang 2020. Die neuen Erkenntnisse der vorliegenden Forschungsarbeit bestehen vor allem in der beobachteten geografischen und zeitlichen Ausdehnung des Einflusses der Schadstoffe auf die Ozonschicht sowie in der gleichzeitigen Messung einiger Leitsubstanzen. Diese liefern starke Hinweise auf die Ursache – primär emittierte Kohlenwasserstoffe und ihre teiloxidierten Abbauprodukte – und die Mechanismen – die Verringerung der Menge an Stickoxiden und die Aktivierung der sogenannten HOx- und ClOx-Zyklen – während des beobachteten, aber nicht dramatischen Abbaus von Ozon in der unteren Stratosphäre.“

„Falls in einem geänderten Klima die Waldbrände zunehmen, könnte sich in der Tat ihr Einfluss auf die Ozonschicht verstärken. Allerdings sind hierbei die Brandtemperatur und die Menge des verdampften Wassers durch die Waldbrände maßgeblich. Beide Faktoren bestimmen, ob ihr Abgas überhaupt die Stratosphäre erreicht, und diese Faktoren unterscheiden sich sehr für die individuellen Brände und sind für ein zukünftiges Klima daher schwer vorhersagbar.“

Auf die Frage, ob Flächenbrände das Schließen des Ozonlochs verhindern könnten:
„Nicht wirklich, denn die Bildung des Ozonloches hängt vor allem von der Menge der Ozon-schädlichen Halogene in der Stratosphäre ab, und diese wird durch anderen Faktoren bestimmt – eben den anthropogenen und natürlichen Emissionen von Ozon-schädlichen Halogenverbindungen und (fast) nicht durch die Emissionen von Waldbränden.“

„Die Konsequenzen für die Menschen sind von ähnlicher Natur wie alle anderen (größeren) Beeinträchtigungen der natürlichen Umwelt, denn sie kennen keine Grenzen und beeinflussen in einer eigentlich überbevölkerten Welt potenziell immer große Teile der Menschheit.“

Auf die Frage, warum die Region zwischen dem 30. Und 60. südlichen Breitengrad betroffen war:
„Die betroffene Region ist vor allem eine Folge von folgenden Faktoren: Erstens, des Ortes der Waldbrände, in diesem Falle Australien. Zweitens, die Menge der Schadstoffe, die die untere Stratosphäre erreichen. Drittens, der meridionale (Nord/Süd) Transport der Schadstoffe. Und viertens, die Lebensdauer der Schadstoffe. Bei den Waldbränden in Australien Ende 2019/Anfang 2020 hat sich dieser Einfluss daher auf die Ozonkonzentration der unteren Stratosphäre in den mittleren Breiten der Südhemisphäre beschränkt, was auch maßgeblich an der damaligen Lage des meteorologischen Äquators lag.“

Auf die Frage, in welchen Weltregionen in Zukunft durch Flächenbrände besonders mit Effekten auf die Ozonschicht zu rechnen ist:
„Für die Ozonschicht sind vor allem Waldbrände in den mittleren Breiten im Sommer und Frühherbst entscheidend, denn dort sind die oben beschriebenen Faktoren besonders ‚günstig‘ – vor allem auch der Transport der Schadstoffe in die untere Stratosphäre. Waldbrände in den Tropen sind in diesem Zusammenhang potenziell weniger bedeutsam, denn dort liegt die Grenze zur Stratosphäre höher. Allerdings wurden mehrfach schon anthropogene Emissionen aus den Tropen in der unteren Stratosphäre der mittleren Breiten im Spätsommer gemessen, was vor allem eine Folge der Eigenheiten des atmosphärischen Transportes durch den indischen Monsun ist.“

Prof. Dr. Martin Dameris

Seniorwissenschaftler am Institut für Physik der Atmosphäre (IPA), Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Oberpfaffenhofen

„Eine durchaus interessante Studie, die sich mit den Auswirkungen von großen Busch-/Wald-Feuern und deren Emissionen – Rauch-/Rußpartikel und andere chemische Verbindungen – auf die Stratosphäre mit Fokus auf Ozon beschäftigt. Durch starke vertikale Luftmassentransporte in Pyrocumulonimbus Wolken (pyroCbs; Gewitterwolken, die durch Brände entstehen; Anm. d. Red.) können diese Stoffe und Gase bis teilweise in die untere Stratosphäre verfrachtet werden. Es gab starke Feuer in Australien von Ende 2019 bis 2020. Die in dieser Arbeit verwendeten Daten (Satellit des Atmospheric Chemistry Experiment) und Analysemethoden sind gut bekannt, qualitativ hochwertig und somit geeignet für diese Untersuchungen.“

„Zu Beginn des australischen Winters 2020 (Ende Mai bis Anfang Juni; siehe Figure 3 in der aktuellen Studie) werden in mittleren Breiten der Südhemisphäre in der unteren Stratosphäre (unterhalb von etwa 23 km) erhöhte Chlornitrat-Konzentrationen (ClONO2) und erniedrigte Salzsäure-Werte (HCl) gefunden – also Substanzen, die Chlor in noch nicht aktivierter Form beinhalten. Gleichzeitig werden extrem hohe Konzentrationen von Hypochloriger Säure (HOCI, chemisch aktives Chlor) unterhalb von 22 km gefunden. Die Chlormonoxid-Werte (ClO, auch aktives Chlor) sind hoch, aber nicht außergewöhnlich. Das in Abbildung 2A gezeigte Ozonprofil für Juli 2020– also im Winter, einer Zeit mit geringeren UV-Werten in Bodennähe – zeigt relativ geringe Ozonkonzentrationen um etwa 20 Kilometer Höhe, die aber nicht außergewöhnlich sind! Diese Werte im Juli haben mit dem Ozonloch – welches in der Regel im Frühling beobachtet wird, also Ende September bis Mitte Oktober – soweit erst einmal nichts zu tun.“

„Die Autoren schreiben: ,Atmospheric Chemistry Experiment (ACE) satellite observations point to strong perturbations of stratospheric chemistry by pyroCbs that result in stratospheric ozone depletion at midlatitudes. […] The increasing frequency of major wildfires, however, has the potential to delay the recovery of stratospheric ozone, which is currently predicted to return to 1980 levels around 2052–2060.’ Dieser Aussage kann ich nur in Teilen folgen, wie ich im Folgenden ausführe.“

„Interessant und aussagekräftig sind hierzu die Abbildungen im Supplementary Material. In Figure S1 wird das Jahr 2019 als Referenz genutzt. Dies ist nicht gut, da 2019 der stratosphärische Polarwirbel dynamisch sehr stark gestört war – er war deutlich in Richtung mittlere Breiten verschoben – mit Auswirkungen bis in mittlere Breiten in Form von stärkerer Durchmischung der Luftmassen. Somit sind die Hintergrund-Aerosolbedingungen in 2019 aus meiner Sicht möglicherweise nicht repräsentativ.“

„Figure S2 zeigt für 2020 nichts Besonderes in der Stratosphäre. Auffallend sind Ozonanomalien in der Troposphäre (unterhalb von 15 km), nicht aber in der Stratosphäre. Die erhöhten (!) Ozonwerte in der Troposphäre könnten durchaus eine Folge der Waldbrandemissionen sein.“

„In Figure S3 (vor allem im Oktober, Figure Teil B) zeigen sich relativ niedrige Ozonwerte in der Stratosphäre, was aber vor allem damit zu tun hatte, dass der stratosphärische Polarwirbel in diesem Winter und Frühling 2020 sehr stark ausgeprägt war und bis in mittlere Breiten reichte. Die Temperaturen waren niedrig und Ozon wurde effektiv – vor allem über die Chlorchemie – abgebaut.“

„Hinsichtlich der Konditionierung der Stratosphäre für die Ausbildung eines Ozonlochs – starke Ozonverluste werden Ende September bis Anfang Oktober erwartet – zeigen die dargestellten Werte in den Abbildungen S5 bis S8 für ClONO2, HCl, HOCl, ClO für den August (Spätwinter) keine besonders auffallenden Ergebnisse (außer für HCl, Figure S6). Man kann meines Erachtens nicht eindeutig erkennen, dass die Anomalien der Konzentrationen von ClONO2, HCl, HOCl und ClO in 2020 durch die Feuer einen besonderen Einfluss auf den Ozonabbau in der Stratosphäre im Frühling gehabt haben.“

„Derzeit kann ich aufgrund der gezeigten Ergebnisse nicht unmittelbar erkennen, dass sich durch die in Zukunft zu erwartenden häufigeren und stärkeren (Busch-)Feuer die Erholung der Ozonschicht – also die Schließung des Ozonlochs – verzögert. Die Ergebnisse legen nahe, dass die chlorhaltigen Gase Einfluss auf die Ozon-Chemie haben, aber nicht in so prägnanter Weise, dass sie die Ozonschicht signifikant im Frühling beeinflussen – also die Erholung der Ozonschicht und der Schließung des Ozonlochs verzögern können.“

„Es ist zu beachten, dass die Ergebnisse einzelner (spezifischer) Jahre kaum Rückschlüsse auf zukünftiges Verhalten – hier atmosphärische Vorgänge – zulassen. Also Achtung! Es könnte so sein, wie es die Autoren andeuten (dass Waldbrände die Erholung der Ozonschicht verzögern könnten; Anm. d. Red.), aber die gezeigten Ergebnisse überzeugen mich bisher noch nicht.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Johannes Laube: „Ich kann bestätigen, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

Bernath P et al. (2022): Australia’s “Black Summer” bushfires caused extreme changes in stratospheric composition. Science. DOI: 10.1126/science.abm5611.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Hossaini R et al. (2017): The increasing threat to stratospheric ozone from dichloromethane. Nature Communications. DOI: 10.1038/ncomms15962.

Dazu: SMC (2017): Ozonloch schließt sich möglicherweise bis zu 30 Jahre später als angenommen. Research in Context.

[II] Montzka SA et al. (2018): An unexpected and persistent increase in global emissions of ozone-depleting CFC-11. Nature. DOI: 10.1038/s41586-018-0106-2.