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17.08.2023

Vom Embryomodell zum Embryo: Forschende schlagen Definition für Übergang vor

     

  • Forschende schlagen Definition für Embryonen aus Embryonenmodellen vor
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  • diese Einordnung ist relevant für die gesetzliche Regulierung der Forschung
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  • unabhängige Forschende begrüßen den Vorschlag und bringen weitere Kriterien in die Debatte ein
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Ab wann ist ein Embryo ein Embryo – vor allem, wenn er ohne Befruchtung im Labor entstanden ist? Diese Frage stand im Juni dieses Jahres schon zum wiederholten Male im Raum als mehrere Arbeitsgruppen verkündeten, Embryonenmodelle aus menschlichen Stammzellen erzeugt zu haben [I]. Eine internationale Gruppe Forschender rund um Nicolas Rivron aus Wien stellt nun einen Vorschlag vor, ab welchem Entwicklungsschritt ein Embryonenmodell einem natürlich gezeugten Embryo gleichgestellt werden sollte. Dieser erschien als „Perspective“-Beitrag am 17.08.2023 im Fachjournal „Cell“ (siehe Primärquelle).

Laut ihrer Definition handelt es sich um einen Embryo, wenn das Embryonenmodell auch Gewebeelemente umfasst, die extraembryonale und Funktionen der Gebärmutter erfüllen und die zusammen das Potenzial haben, einen Fötus zu bilden. Um tatsächlich herausfinden zu können, ab welchem festlegbaren Entwicklungsschritt – hier als „tipping point“ bezeichnet – sich ein Embryonen-Modell zu einem Fötus und damit wie ein natürlicher Embryo entwickeln kann, müsste dieses in eine Gebärmutter transplantiert werden. Dieser Schritt wird allerdings von der Internationalen Gesellschaft für Stammzellenforschung (ISSCR) verboten [II]. Deshalb schlagen die Forschenden in ihrem Definitionsversuch zwei alternative Ansätze zur Bestimmung dieses „tipping points“ in der Entwicklungsfähigkeit vor.

Erstens könnten landesspezifische ethische und rechtliche Rahmenbedingungen einen Zeitpunkt festlegen, ab dem Embryonenmodelle das Potenzial beweisen, „sich in vitro effizient und getreu der normalen Entwicklung“ zu entwickeln. Zweitens könnte nach Ansicht der Autorinnen und Autoren aber auch der Vergleich mit „gleichwertigen“ Tiermodellen herangezogen werden, aus denen sich nachweislich „lebende und fruchtbare Tiere“ entwickelt haben, um daraus auch für menschliche Embryonen ein solches Entwicklungspotenzial abzuleiten. Die Forschung an Embryonenmodellen hat an diesem Punkt in den vergangenen Jahren große Fortschritte erzielt. Nachdem es bereits gelungen war, aus Mäusestammzellen embryonenähnliche Strukturen in der Petrischale wachsen zu lassen [III], führten andere Forschende an Javaneraffen erste Versuche einer Übertragung solcher Affen-Embryonenmodelle in Leihmütter durch [IV].

Bislang ist die Forschung an Embryonenmodellen in Deutschland unreguliert, wohingegen das Embryonenschutzgesetz die Forschung mit natürlichen Embryonen stark einschränkt, beziehungsweise verbietet [V]. Eine klare Grenze zwischen Embryonenmodellen und Embryonen würde für die Forschung hierzulande demnach große Unterschiede bedeuten. Inwiefern der vorgestellte Definitionsversuch für einen Embryo, der aus einem Embryonenmodell erwachsen ist, nachvollziehbar ist, und welche rechtlichen sowie ethischen Kriterien für eine Regulierung dieser Forschung in Betracht gezogen werden sollten, thematisieren Fachleute in den nachfolgenden Statements.

Übersicht

  • Prof. Dr. Hille Haker, Richard McCormick Endowed Chair für Christliche Ethik, Loyola University Chicago (USA) und ehemaliges Mitglied der Europäischen Gruppe für Ethik in den Wissenschaften und Neuen Technologien der Europäischen Kommission“ (EGE, 2005 bis 2016), Loyola University, Vereinigte Staaten
  • PD Dr. Michele Boiani, Leiter der Arbeitsgruppe „Mouse Embryology“, Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, Münster
  • Dr. Ingrid Metzler, Post-Doc am Department für Allgemeine Gesundheitsstudien, Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, Krems an der Donau, Österreich
  • Prof. Dr. Stefan Schlatt, Direktor des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie, Universitätsklinikum Münster
  • Prof. Dr. Rüdiger Behr, Leiter der Abteilung Degenerative Erkrankungen, Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ), Göttingen
  • Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert, Seniorprofessorin am Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Universität Münster
  • Prof. Dr. Jochen Sautermeister, Professor für Moraltheologie, Katholisch-Theologische Fakultät, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, und Mitglied der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES)

Statements

Prof. Dr. Hille Haker

Richard McCormick Endowed Chair für Christliche Ethik, Loyola University Chicago (USA) und ehemaliges Mitglied der Europäischen Gruppe für Ethik in den Wissenschaften und Neuen Technologien der Europäischen Kommission“ (EGE, 2005 bis 2016), Loyola University, Vereinigte Staaten

Zum Definitionsvorschlag von Embryos

„Die Definition von modellierten Embryonen birgt die Möglichkeit, die soziale Praxis der Zeugung von Kindern und alle Fragen, die sich in diesem Kontext ergeben – wie Infertilität, Fehlgeburten, assistierte Reproduktion, Gendiagnostik, Schwangerschaftsabbrüche und weitere – von den Fragen der im Labor erzeugten ‚modellierten Embryonen‘ zu Forschungs- und auch Therapiezwecken klarer zu unterscheiden.“

„Den Autor*innen ist darin Recht zu geben, dass die Unterscheidung nicht zu einer Trennung führen darf – und dass die Entwicklung der modellierten Embryonen ganz eigene Fragen aufwirft [1]. Der Beitrag zeigt die heutigen Erkenntnisse zur biologischen Entwicklung von Embryonen, die eine graduelle Bewertung ihres Schutzes nahelegen.“

„Wenn, wie die Autor*innen zu Recht sagen, Embryonen beziehungsweise Föten nicht außerhalb des Körpers einer Frau entwicklungsfähig sind, stellt sich die Frage nach dem graduellen Schutz noch einmal neu – es kann zum Beispiel Individuierung, Selbstbewusstsein, oder auch zum Beispiel Leidensfähigkeit ausschlaggebend sein oder, wie die Autor*innen vorschlagen, die Ununterscheidbarkeit (Turing Test) von traditionellen Embryonen. Leider werden diese alternativen Bestimmungen nicht diskutiert, sondern allein die Potenzialität beziehungsweise das Potenzial der Entwicklung angeführt. Das ist nicht ausreichend.“

Vorschlag für ethische Kriterien zur Bestimmung des „tipping points“

„Ich stimme zu, dass im Unterschied zum englischen ‚possibility‘ die ‚potentiality‘ die intrinsische Potenzialität zur Entwicklung als Embryo ein Kriterium für die Schutzwürdigkeit ist – sonst würde Potenzialität als reine Möglichkeit verstanden – gemeinhin wird dies als Kombination von Individuation und Potenzialität markiert.“

„Die Autoren benennen einige ethische Prinzipien, deren Status und Zuordnung aber vollkommen unklar bleibt. Dieses Vorgehen suggeriert, dass ethische Fragen ernst genommen werden sollen. Aber es gibt im Artikel kaum Hilfestellungen für die angesprochene Problematik – außer dem Verweis auf den immer bestehenden Wertepluralismus. Mit Rekurs auf den in der Tat bestehenden ethischen Pluralismus werden aber, so die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte, die Pflöcke dessen, was als gerechtfertigt gilt, immer wieder umgesetzt – und die ethischen Maßstäbe verlieren ihre normative Kraft, weil sie nicht als verpflichtend wahrgenommen werden, sondern nurmehr performativen Charakter haben [1].“

„Die Bestimmung eines ‚tipping points‘ ist ethisch und rechtlich dann notwendig, wenn der Gradualismus vorausgesetzt wird, um so die Embryonenforschung beziehungsweise den Schutz von Föten im Kontext von Schwangerschaften einer Bewertung zu unterziehen. Das Paper scheint eine plurale und prozessuale Lösung anzustreben, welche Gefahr läuft, dass die Ethik den Faktizitäten der jeweiligen Forschungsinteressen unterworfen wird.“

„Zwei Fragen sind weiter zu diskutieren: erstens der Interessenkonflikt zwischen (kommerziellem) Forschungsinteresse und ethischem Schutz von Menschen und Tieren. Eine Diskussion sollte dazu anregen, den Kontext des Papers, die Motivation einer ethischen Lockerung der Schutzbestimmungen sowie die Konsequenzen einer dualen Bestimmung von Embryonen genauer zu untersuchen.“

„Zweitens: Im Hintergrund der ethischen Diskussion steht nicht nur die Frage nach der Zukunft der Embryonenforschung, nachdem der Lebensbeginn von Menschen (oder, um die Terminologie weiterzuführen, von modellierten Menschen?) dem Kontext von Schwangerschaft und Reproduktion entrissen wurde. Hier stellt sich nämlich unter anderem die Frage, wo in Zukunft die Grenzen der ‚Verdinglichung‘ von menschlichen Zellen, Gewebe und potenziell auch Organen verlaufen sollen. Diese Frage muss in Wissenschaftszirkeln und auch in der Wissenschaftsethik diskutiert werden – sie darf aber dort nicht entschieden werden, sondern ist der politischen Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“

Gesetzliche Regulierung von Embryonenmodellen

„Die Rechtslage kann ich derzeit nicht beurteilen – wohl aber ist der Deutsche Ethikrat gefragt, die Diskussion um die Entwicklungsmöglichkeiten von Embryonen im Kontext von Forschung, Reproduktion und genetischer Veränderung von Keimzellen (germline oder hereditary gene editing) zu Fortpflanzungszwecken viel besser zu kommunizieren und Diskussionen zu lancieren.“

„Eine breite ethische Diskussion darüber, wie Deutschland sich positionieren will, ist daher wünschenswert – und der Beitrag ein Anlass, in Erinnerung zu rufen, dass ein breiter öffentlicher Diskus, der immer wieder gefordert, aber viel zu selten gefördert wird, nach wie vor aussteht.“

PD Dr. Michele Boiani

Leiter der Arbeitsgruppe „Mouse Embryology“, Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, Münster

Zum Definitionsvorschlag von Embryos

„Die neue Definition ist meines Erachtens valide und überfällig und ich schließe mich der Meinung der Autoren an. Es muss endlich erkannt werden, dass die alte Definition – ein Embryo entsteht aus der Verschmelzung des Spermiums mit der Eizelle – nicht mehr zeitgemäß oder zumindest ausreichend ist. Wir brauchen eine neue Definition, die die funktionalen Fähigkeiten auf Augenhöhe mit dem Ursprung aus den Geschlechtszellen stellt. Es bleibt kritisch anzumerken, dass die Argumente bereits 2007 von Findlay et al. publiziert wurden [2].“

Zu den alternativen Ansätzen, um den „tipping point“ zu bestimmen

„Ich stimme den Autoren in Ihren Vorschlägen völlig zu. Und da der ultimative Test der embryonalen Natur bei Säugetieren die Transplantation im Uterus ist, bin ich froh, dass Tiermodelle in Betracht gezogen werden. Ich denke aber nicht, dass ein ‚tipping point‘ genau definiert werden kann, denn alle Teile des Embryos sind wichtig und stehen in einem harmonischen Zusammenhang. Es ist schwer zu sagen, dass dieser Teil bedeutender ist als andere. Wenn ich ‚gezwungen‘ wäre, mich dazu zu positionieren, dann sage ich, dass der Beginn der Bildung des Nervensystems für mich eine Grenze sein könnte, die man nicht überschreiten sollte. Tiermodelle würden hier aber nicht sehr weiterhelfen, denn die Schwangerschaft dauert beim Menschen neun Monate, beim Schwein etwa vier Monate, bei Makaken etwa fünf bis sechs Monate und bei Mäusen nur drei Wochen. Ich denke anstatt einen ‚tipping point‘ zu definieren, sollte man lieber das Genom der Embryoiden (oder deren Vorläufer – die Stammzellen) verändern, um zu verhindern, dass sie sich zu sehr oder zu weit entwickeln können (wie im Fall des von William Hurlbut 2005 vorgeschlagen: ‚Altered Nuclear Transfer‘ [3]).“

„Aber hier verlieren wir einen grundlegenden Punkt aus den Augen: Wollen wir überhaupt, dass sich diese embryoähnlichen Strukturen weiterentwickeln? Das wäre meines Erachtens der Beginn der asexuellen Reproduktion bei Säugetieren; und wie ich bereits gesagt und geschrieben habe, auch eine Renaissance des Klonens [4].“

Gesetzliche Regulierung und der Nutzen von Embryonenmodellen

„Die 14-Tage-Regel gilt derzeit nicht für humane Embryoide (anderes Wort für Embryonenmodelle; Anm. d. Red.) aus Stammzellen. Man kann mit ihnen machen, was man will, außer sie auf eine Gebärmutter zu übertragen (entweder die einer Frau oder einer Tierart). Wenn sich die Embryoide schließlich verbessern und echten Embryonen wirklich sehr ähnlich werden, sollte meines Erachtens die 14-Tage-Regel auch für die Embryoide gelten. Was bedeutet das für die Forschung in Deutschland? Es kommt darauf an. Wenn wir Grundlagenforschung betreiben und ein sehr interessantes Modell untersuchen wollen, dann sind die Embryoide sehr willkommen (solange die 14-Tage-Regel für sie nicht gilt). Aber wenn wir meinen, dass Embryoiden auch dazu beitragen, die Probleme der natürlichen oder medizinisch assistierten Reproduktion beim Menschen zu verstehen, dann ist das für mich irreführend. 60 Prozent der humanen Embryonen scheitern in den ersten drei Wochen aufgrund anderer Ursachen wie: Aneuploidie der Eizelle und der frühen Blastomeren, fehlerhafte Genprodukte (von mütterlichen Genen, die in der Eizelle angelagert werden), fehlerhafte Prozesse in der Gebärmutter, Alter und Lifestyle. Da die Embryoide nicht aus Eizellen stammen und nicht in den Uterus transplantiert werden dürfen (Verbot, Stand jetzt), verstehe ich nicht, wie sie uns viel helfen könnten, die menschliche Reproduktion zu verbessern.“

Dr. Ingrid Metzler

Post-Doc am Department für Allgemeine Gesundheitsstudien, Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, Krems an der Donau, Österreich

„Die Perspektive von Nicolas Rivron und Kolleg:innen ist ein wertvoller Diskussionsbeitrag zu einer Debatte über die Regulierung der Forschung an und mit Embryonenmodellen. Es ist wichtig, eine solche Debatte zu führen. Dabei sollten möglichst viele Perspektiven und auch Fragestellungen berücksichtigt werden.“

Zu den alternativen Ansätzen, um den „tipping point“ zu bestimmen

„Die Autoren geben eine äußerst vielschichtig argumentierte Antwort auf die Frage, ab welchem Zeitpunkt Embryomodelle rechtlich zu Embryonen werden könnten. Dafür schlagen sie zunächst eine neue rechtliche Definition von Embryonen vor und verwenden dann diese Definition, um eine Schwelle zu markieren, ab der Embryonenmodelle rechtlich Embryonen gleichgestellt werden sollten.“

„Meine Bedenken beziehen sich nicht auf die Kriterien, die die Autoren verwenden, um die Frage zu beantworten, ab wann aus Embryonenmodellen Embryonen werden. Meine Bedenken gelten der Frage, die die Autoren stellen. Die Frage setzt voraus, dass wir ein gemeinsames Verständnis davon haben, was Embryonen sind und was wir in der Folge mit ihnen machen können. Damit setzen die Autoren einen Konsens voraus, den es nicht gibt.“

„Aus den Erfahrungen in den letzten Jahrzehnten erscheint es geradezu kontraproduktiv, die Frage des rechtlichen Status von Embryonenmodellen in den Mittelpunkt von Regulierungsdebatten zu stellen und diese mit dem moralischen Status von Embryonen zu verbinden. Wir brauchen keine definitive Antwort auf die Frage, was Embryomodelle sind, um zu überlegen, was wir mit ihnen machen sollen, für welche Zwecke wir sie erzeugen und verwenden sollen, und wer bei der Beantwortung dieser Fragen beteiligt werden sollten.“

Vorschlag für ethische Kriterien zur Bestimmung des „tipping points“

„Ich denke, wir brauchen keine ‚tipping points‘, wenn wir diese als Schwelle verwenden, ab der Embryomodelle reguliert werden sollten.“

„Die Forschung an und mit Embryonenmodellen macht rasant Fortschritte, die ohne Zweifel einen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrwert haben. Die Forschung baut auf vielen Vorarbeiten auf, die unser Verständnis von menschlicher Biologie in den letzten Jahrzehnten verändert haben. Die Geschwindigkeit der Forschung, deren Hochwertigkeit, und der Umstand, dass diese ständig dazu beiträgt, menschliche Biologie neu zu verstehen, sind ausreichende Gründe, diese Forschung zu regulieren.“

„Unsere Diskussionen über die Frage, wie wir Forschung regulieren und steuern sollen, sind häufig von Ängsten über einen möglichen Missbrauch der Forschung geprägt. Wir konzentrieren uns dann darauf, zu überlegen, wie man einen solchen Missbrauch verhindern kann. Dieser Fokus trägt in der Regel nicht zur Qualität der Debatte bei. Ich denke, wir sollten unsere Aufmerksamkeit vermehrt auf die Fragen lenken, mit welchen Mitteln wir für Wissenschaft und Gesellschaft wertvolle Forschung ermöglichen können und überlegen, was wertvolle Forschung ist.“

Prof. Dr. Stefan Schlatt

Direktor des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie, Universitätsklinikum Münster

Gesetzliche Regulierung und der Nutzen von Embryonenmodellen

„Das deutsche Embryonenschutzgesetz ist völlig veraltet, da es immer noch von einer Fusion von Ei- und Samenzelle bei der Entstehung eines Embryos ausgeht. Nun steht die deutsche Forschung und Politik vor dem Dilemma, dass der vermeintlich gesetzliche Maximalschutz des deutschen Embryos keine Schranken setzt für neue Technologien, bei denen Embryos ohne Befruchtung entstehen.“

„Der deutsche Embryo wurde aufgrund des rigiden Embryonenschutzgesetzes für Jahrzehnte davor bewahrt, erforscht zu werden. Nach der langen Zeit des regungslosen Zuschauens in Deutschland haben Forscher in aller Welt Fakten geschaffen. Deutsche Embryonenforscher spielen kaum eine Rolle. Nun muss es darum gehen, in Forschung und kritischer Betrachtung der Regeln wieder sichtbar und ernst genommen zu werden. Dies kann nur durch exzellente Forschung gelingen. Dazu eignet sich beispielsweise die Analyse von Embryomodellsystemen bei nicht-humanen Primaten oder die Optimierung mikrofluider Kultursysteme als Uterusersatz.“

Zum Definitionsvorschlag von Embryos

„Diese Definition ergibt Sinn, da Totipotenz eines Präimplantationsembryos und die Entwicklung nach der Einnistung nur durch Kombination in- und extrinsischer Faktoren verschiedener Zellen und Gewebe erhalten bleibt. Allerdings muss es nicht unbedingt der Uterus sein. Auch Bauchhöhlenschwangerschaften funktionieren. Ein Embryo ist sehr autark und benötigt primär gut durchblutete Gewebe. Auch beim Mann kann man Bauchhöhlenschwangerschaften induzieren, dazu gibt es Tierstudien.“

„Die Neudefinition des Embryos lässt sich auch umdrehen. Ein menschlicher Embryo entsteht erst und nur im Uterus einer der Einnistung zustimmenden Mutter. Auf dieser Prämisse lassen sich vielleicht neue Wege für ethisch akzeptable Regelungen finden, die menschliche Zuwendung und das Ja zum neuen Leben in den Vordergrund stellen.“

„Die zentrale Aussage in der ‚Cell‘-Publikation ist, möglichst breite Einigkeit in der Definition eines Embryos zu erzielen. Dabei ist es primär wichtig, dass ein menschlicher Embryo schutzwürdig ist und nicht die Frage, warum ein Embryo geschützt werden soll. Zu zweiterem wurde gerade in Deutschland viel zu viel diskutiert.“

„Die Neudefinition des Embryos relativiert die Frage, ob und ab wann ein Embryo schutzwürdig ist. Vielmehr wird betrachtet, mit welcher Absicht und in welcher Umgebung eine Zellstruktur unterstützt wird, die in einem Uterus zum Fetus werden könnte. Hier hat der Begriff der Potenzialität eine große Bedeutung. Aussagen zur Potenzialität können allerdings aus ethischen Gründen nur aus Daten von Tierversuchen erfolgen.“

„Die Publikation hinterfragt das immer noch falsche Verständnis eines Embryos in Deutschland. Die Frühphase der Entwicklung braucht intrinsische Faktoren in nur wenigen Zellen und Geweben, die später den Fetus bilden. Ebenso wichtig sind viele extrinsische Faktoren, die von extraembryonalen Zellen und Geweben sowie von der Uterusumgebung der Mutter bei und nach der Einnistung kommen. Totipotenz (die Fähigkeit von Zellen, einen vollständigen beziehungsweise eigenständigen Organismus zu bilden; Anm. d. Red.) manifestiert sich ab dem Blastozystenstadium (Entwicklungsstadium eines Embryos vor der Einnistung in die Gebärmutter; Anm. d. Red.) nur durch Zusammenspiel unterschiedlicher Zellen und Gewebe. Dieser Tatsache wird die Neudefinition gerecht.“

Unbeantwortete Forschungsfragen

Dieser Abschnitt entstand in Zusammenarbeit mit PD Dr. Verena Nordhoff, klinische Embryologin und Leiterin des IVF-Labors am Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie, Universitätsklinikum Münster.

„Die biologische Beschreibung eines Embryos ist weit entfernt von einer legalen Definition der Schutzwürdigkeit. Hier herrscht große Diskrepanz in der globalen Gesetzgebung. Eine gemeinsame Definition, was ein Embryo ist, wird notwendig sein, um generell akzeptable Regelungen zu erreichen. Es bleibt zu klären, welches Gremium mit welcher Autorität diese Regeln aufstellt.“

„Die Neudefinition stellt das koordinierte Zusammenspiel der embryonalen und extraembryonalen Gewebe bei der kontinuierlichen Frühentwicklung in den Vordergrund. Es bleibt aber offen, ob und welche Stadien unterschieden werden sollen, um das Potenzial der Entwicklung abzuschätzen. Die ‚Tipping Points‘ werden schwer definierbar sein. Wer definiert diese? Wer entscheidet über deren Bedeutung?“

„Was passiert, wenn Embryomodelle als Embryos definiert werden? Müssen die dann am Leben gehalten, kryokonserviert und/oder in einen Uterus transferiert werden, wie im deutschen Embryonenschutz vorgesehen? Haben diese Embryonen dann Rechte? Was passiert, wenn diese entarten und der Mutter schaden? Sollen wir wegen dieser Gefahren und Unwägbarkeiten alle menschlichen Embryomodelle verbieten? Sollen deutsche Forscher nur an Tiermodellen oder Alternativverfahren forschen, wie dies bisher der Fall ist?“

„Wie lassen sich Restriktionen der Forschung an Embryomodellen koordinieren mit Regelungen für die Behandlung unfruchtbarer Paare durch künstliche Befruchtung und Embryotransfer?“

Prof. Dr. Rüdiger Behr

Leiter der Abteilung Degenerative Erkrankungen, Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ), Göttingen

„Die embryologische Forschung steht vor einer absehbaren Zeitenwende. Und das Wort Zeitenwende ist keinesfalls zu groß gewählt. Bisher waren für die Entstehung von neuen Individuen Ei- und Samenzelle (für die natürliche Befruchtung, aus der wir alle entstanden sind) oder zumindest Eizellen (geklonte Embryonen durch Transfer somatischer Zellkerne wie bei der ‚Dolly-Methode‘) notwendig. Nun wird ein neues Szenario konkret realistisch. Neue Embryonen und damit neue Lebewesen könnten aus jeder Körperzelle entstehen. Keimzellen, also Ei- und Samenzellen, werden nicht mehr benötigt. Das ist eine neue Methode des Klonens, die ohne Keimzellen auskommt.“

Zum Definitionsvorschlag von Embryonen

„Die Entwicklung von aus Stammzellen hergestellten Embryomodellen schreitet rasant voran. Die aktuellen Embryomodelle haben große Ähnlichkeit mit echten Embryonen. Der Begriff Modell ist derzeit aus meiner Sicht noch gerechtfertigt, da niemand das aktuelle tatsächliche Entwicklungspotenzial dieser aus Stammzellen hergestellten Embryonenmodelle kennt und sich die Modelle in ihrer Entstehung von natürlichen Embryonen klar unterscheiden. Wie die Autoren es aber auch selbst schreiben, müssen ab dem Punkt, an dem bekannt ist, dass die Embryomodelle tatsächlich eigenständig lebensfähige Individuen hervorbringen können, diese auch als Embryo (inklusive des individuellen Schutzstatus) anerkannt werden – ungeachtet ihrer individuellen Entstehung – also ob aus Stammzellen geklont oder durch natürliche Befruchtung erzeugt.“

„Generell ist es für mich überraschend, wie selbstverständlich hier über das reproduktive Klonen mittels der noch als Embryomodelle bezeichneten Stammzellgebilde gesprochen wird. Bisher war das reproduktive Klonen von Menschen in den meisten Kulturen ein Tabu.“

„Wir sollten den Autoren dankbar sein, dass sie sich dieses sehr schwierigen und komplexen Themas annehmen und damit hoffentlich eine breite gesellschaftliche, ethische, politische, medizinische und wissenschaftliche Debatte anstoßen und fördern.“

„Die Autoren schlagen als Definition eines menschlichen Embryos im rechtlichen Sinne vor, dass ein menschlicher Embryo eine Gruppe menschlicher Zellen ist, die von Elementen, die extraembryonale und uterine Funktionen erfüllen und die – gemeinsam – das Potenzial haben, einen Fötus zu bilden.“

„Diese Embryo-Definition ist sehr eng gefasst, und der Embryo wird der Beliebigkeit menschlichen Handelns unterworfen. In Zeiten, in denen künstliche Uteri entwickelt werden, könnte ein solcher künstlicher Uterus, der die Entwicklung eines Embryos unterstützt, einfach abgeschaltet werden. Durch das Abschalten dieses ‚Elements‘ würde der Embryo seinen Status als Embryo verlieren.“

„Generell kann gesagt werden, dass die vorgeschlagene Definition eines Embryos in starkem Gegensatz zur aktuellen Definition eines Embryos lautdeutschem Embryonenschutzgesetz steht.“

„Wichtig ist, dass der Gesetzgeber die neuen Embryomodelle überhaupt erst einmal rechtlich klar miterfasst – und unter Abwägung von Chancen und Risiken der neuen Möglichkeiten rechtliche Leitlinien aufstellt. Insofern verstehe ich die veröffentlichte Arbeit auch als einen Hilferuf der Wissenschaft an die jeweiligen Gesetzgeber, in diesem so wichtigen Forschungsfeld zu einem von der gesellschaftlichen Mehrheit getragenen und möglichst breiten Konsens zu kommen.“

Zu den alternativen Ansätzen, um den „tipping point“ zu bestimmen

„Die Autoren schlagen zwei Strategien für die Überprüfung vor, ob Embryomodelle ‚echten‘ Embryonen funktionell (und dann auch ethisch) gleichwertig sind.“

„Erstens, eine schrittweise weitere Entwicklung und Untersuchung der humanen Embryomodelle außerhalb des Uterus unter jeweiliger ethischer Abwägung, ob der nächste Schritt vertretbar ist. Diese Strategie ist sicherlich sinnvoll im Hinblick auf die Gewinnung weiterer Informationen, wird die eigentliche Frage nach der vollständigen funktionellen Gleichwertigkeit der Embryomodelle mit ‚echten‘ Embryonen aber nicht beantworten. Denn es ist erst einmal nicht absehbar, wann man außerhalb einer Gebärmutter einen Embryo bis zur eigenständigen Lebensreife bringen kann.“

„Zweitens, die Nutzung von Tiermodellen. In Tiermodellen ist die Überprüfung der vollständigen Entwicklungsfähigkeit von tierischen Embryomodellen bis hin zur Geburtsreife möglich und wissenschaftlich sinnvoll. Und je näher die Tierart dem Menschen entwicklungsgeschichtlich steht, desto aussagekräftiger ist das Ergebnis des Tierversuchs im Hinblick auf den Menschen. Daher würde die Überprüfung der Entwicklungsfähigkeit von Embryomodellen in einer Primaten-Art die sicherste Aussage darüber ermöglichen, ob menschliche Embryomodelle ‚echten‘ menschlichen Embryonen funktionell entsprechen, ob also aus menschlichen Embryomodellen tatsächlich Menschen entstehen können.“

Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert

Seniorprofessorin am Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Universität Münster

„Ich finde diesen Beitrag sehr interessant. Seine Grundannahme, dass zukünftige Forschungsentwicklungen die biologische ‚Lücke‘ zwischen natürlichen Embryonen und Embryomodellen schließen könnte, scheint mir sehr plausibel – auch wenn ich keine Embryonenforscherin bin. Für diese Zukunft ist es wichtig, die angeschnittenen Überlegungen anzustellen.“

„Ich warne aber davor, das Erscheinen dieses Aufsatzes, der im Kontext diverser internationaler Publikationen steht, als ‚Alarmzeichen‘ für die Gegenwart und für möglichst schnellen Handlungsbedarf zu sehen. Diese komplexen Fragen brauchen ruhige Expertendebatten und dafür scheint mir auch durchaus noch (etwas) Zeit zu sein.“

Zum Definitionsvorschlag von Embryonen

„Ich halte diesen Vorschlag für interessant und diskussionswürdig, kann aber seine normative Tragweite insbesondere in rechtlicher, aber auch in ethischer Hinsicht noch nicht wirklich einschätzen. Unbedingt einleuchtend scheint mir, die Definition davon abhängig zu machen, welches spezifizierte Entwicklungspotenzial ein Gebilde hat – und nicht davon, wie es entstanden ist. Wenn also Embryonenmodelle aus Stammzellen funktional ununterscheidbar von natürlichen Embryonen sind, dann sollten sie rechtlich gleichbehandelt werden. Dass zudem unterstützende Strukturen definitorisch miteingebunden werden, leuchtet ebenfalls ein. Unsicher bin ich mir hinsichtlich der definitorischen Einbindung von Zellen/Strukturen, die die Uterusfunktion übernehmen. Alternativ müsste/könnte man über kombinierte Strukturen nachdenken, die wenn sie in einen Uterus eingebracht würden, das Potenzial hätten, sich zu einem Fötus zu entwickeln.“

Zu den alternativen Ansätzen, um den „tipping point“ zu bestimmen

„Soweit ich dies ad hoc beurteilen kann (ich müsste länger nachdenken und diskutieren, bevor ich mich festlege), leuchten mir die vorgeschlagenen ‚tipping points‘ theoretisch wie praktisch durchaus ein.“

„Man muss dabei unbedingt bedenken, dass aus den postulierten Kriterien nur folgt, dass die sie erfüllenden Gebilde als Embryonen behandelt werden sollten – nicht wie (das soll den einzelnen Ländern überlassen bleiben).“

Gesetzliche Regulierung von Embryonenmodellen

„Wenn ich recht sehe: Wenn Embryomodelle eines zukünftigen Tages die ‚tipping points‘ erfüllen, müssten sie dem Vorschlag zufolge als Embryonen behandelt werden – je nach Rechtssystem würde dann eine entsprechende zeitliche Frist gelten.“

„Würde Deutschland seinen gegenwärtigen Maximalschutz für natürliche Embryonen beibehalten, aber seine Embryodefinition wie vorgeschlagen ändern, dann dürften Embryomodelle, wie sie jetzt hergestellt und genutzt werden können, weiterhin zur Forschung benutzt werden, weil sie ja keine Embryonen wären. Würden eines Tages die ‚tipping points‘ erfüllt, dürften diese künftigen Embryomodelle (= Embryonen) nicht mehr genutzt werden.“

Prof. Dr. Jochen Sautermeister

Professor für Moraltheologie, Katholisch-Theologische Fakultät, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, und Mitglied der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES)

„Die jüngsten publik gemachten Forschungen zu sogenannten ‚synthetischen Embryonen‘ haben in der Öffentlichkeit Aufsehen erregt und zu Verunsicherung beziehungsweise Befürchtungen geführt, aber auch Hoffnungen geweckt. Die Autoren legen einen instruktiven und umsichtigen Vorschlag vor, wie vor diesem Hintergrund menschliche Embryos rechtlich bestimmt werden können und welche ethischen Prinzipien in der Forschung zur Geltung kommen könnten beziehungsweise sollten.“

„Es geht um die ethische Frage, wie angesichts der biotechnologischen Möglichkeiten mit dem menschlichen Leben in seiner Frühphase umgegangen werden darf und wo die Grenzen liegen: Welchen moralischen Status haben menschliche Embryonen? Diskutiert wird, ob ihnen ein Lebensrecht zukommt und – wenn ja – ab wann und mit welcher Verbindlichkeit. Hierzu gibt es unterschiedliche weltanschauliche und ethische Positionen. International sind unterschiedliche rechtliche Regelungen in Kraft. Dabei ist die Frage nach der Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens eine Frage, die nicht rein naturwissenschaftlich geklärt werden kann. Daher ist eine naturwissenschaftlich informierte ethische Reflexion erforderlich, die auch rechtlich umgesetzt werden kann. Es bedarf ethischer Richtlinien, die die Forschung orientieren.“

Zum Definitionsvorschlag von Embryos

„Die Autoren legen einen bemerkenswerten Vorschlag für eine rechtliche Regelung vor. Der Vorschlag für die rechtliche Definition unterscheidet sich grundsätzlich von der Bestimmung des menschlichen Embryos gemäß dem deutschen Embryonenschutzgesetz, wonach ‚als Embryo […] bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzung zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag‘ (ESchG § 8, Abs. 1), gilt. Diese Definition ist umstritten, weil sie rein auf die intrinsische Entwicklungsmöglichkeit des Embryos aufbaut. Die Erweiterung der rechtlichen Definition des menschlichen Embryos, wie sie die Autoren vorschlagen, umfasst dagegen auch die Umweltbedingungen und epigenetischer Faktoren, die für die Entwicklung des menschlichen Embryos notwendig sind. Hier wird deutlich, dass naturwissenschaftliche Erkenntnisse immer auch mit theoretischen Vorannahmen arbeiten, die selbst nicht empirisch belegbar sind.“

„Die Autoren greifen den naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand auf und ziehen daraus rechtliche und ethische Konsequenzen. Mit dem Vorschlag von ‚Tipping Points‘ formulieren sie Kriterien für ethische Grenzziehungen, nach denen Embryomodelle wie menschliche Embryos behandelt werden sollen und damit der entsprechenden Schutzwürdigkeit unterliegen. Der Vorschlag hat angesichts der heterogenen internationalen Regelungen und Sichtweisen meines Erachtens das Potenzial für einen naturwissenschaftlich informierten forschungsethischen Konsens.“

Gesetzliche Regulierung von Embryonenmodellen

„Die Ergebnisse der Studie zeigen außerdem klar auf, dass rechtliche Regelungen in Deutschland, wie sie mit dem ESchG und dem Stammzellgesetz (StZG) in der aktuellen Form vorliegen, zunehmend angesichts der naturwissenschaftlichen Einsichten unter Rechtfertigungsdruck geraten. Eine ethische und gesellschaftliche Diskussion um die Reichweiten und Grenzen der Forschung mit synthetischen Embryonen und Embryomodellen wird immer notwendiger. Dabei ist jedoch unbedingt darauf zu achten und Vorsicht geboten, auch gegenüber der Frühphase des menschlichen Lebens auch in vitro Achtung zu wahren und dieses nicht als ‚Ding‘ oder ‚Sache‘ als reines und verzweckbares Forschungsobjekt anzusehen und zu gebrauchen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Stefan Schlatt: „Ich habe keine Konflikte zu benennen.“

Prof. Dr. Rüdiger Behr: „Ich habe – bis auf meine persönliche Auffassung, dass diese Methode nicht für reproduktives Klonen von Menschen genutzt werden darf – keine Interessenkonflikte.“

Prof. Dr. Jochen Sautermeister: „Es bestehen keine Interessenkonflikte.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Primärquellen

Rivron N et al. (2023): An ethical framework for human embryology with embryo models. Cell. DOI: 10.1016/j.cell.2023.07.028.

Weiterführende Recherchequellen

Science Media Center (2021): Menschliche Embryo-Vorläufer aus der Petrischale. Research in Context. Stand: 17.03.2021.

Science Media Center (2023): Künstlicher Embryo aus Affen-Stammzellen. Research in Context. Stand: 06.04.2023.

Literaturstellen, die von den Expertinnen und Experten zitiert wurden

[1] Andorno R et al. (2020): Geneva Statement on Heritbable Editing: The Need for Course Correction. Trends in Biotechnology. DOI:10.1016/j.tibtech.2019.12.022.

[2] Findlay JK et al. (2007): Human embryo: a biological definition. Human Reproduction. DOI:10.1093/humrep/del467.

[3] Hurlbut WB (2005): Altered nuclear transfer as a morally acceptable means for the procurement of human embryonic stem cells. Perspectives in Biology and Medicine. DOI: 10.1353/pbm.2005.0055.

[4] Rembold M (2023): Das Verbot, Menschen zu klonen, bedeutet nichts mehr. Laborjournal.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Science Media Center (2022):Synthetischer Embryo entwickelt Organe. Research in Context. Stand: 25.08.2022.

[II] ISSCR (2021): ISSCR Guidelines für Stammzellforschung und klinische Translation. Deutsche Übersetzung.

[III] Amadei G et al. (2022):Synthetic embryos complete gastrulation to neurulation and organogenesis. Nature. DOI: 10.1038/s41586-022-05246-3.

[IV] Li J et al. (2023): Cynomolgus monkey embryo model captures gastrulation and early pregnancy. Cell Stem Cell. DOI: 10.1016/j.stem.2023.03.009.

[V] Bundesministerium für Justiz: Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz – EschG). Stand: 21.11.2011.