Zum Hauptinhalt springen
26.09.2016

USA werden ihre selbst gesteckten Klimaschutzziele verpassen

Die USA, zweitstärkster Verursacher von Treibhausgasen, werden ihre bis 2025 selbst gesteckten Klimaschutz-Ziele nicht erreichen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die am 26.09.2016 in „Nature Climate Change" erschienen ist. Die Forscher aus den USA berücksichtigen bei ihren Berechnungen alle bereits umgesetzten und auch alle angedachten sowie freiwillige Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen. Im Vorfeld der Pariser Klimakonferenz 2015 waren alle Staaten aufgefordert, mit solchen Selbstverpflichtungen zu erklären, wie stark und mit welchen Methoden sie ihre nationalen Treibhausgas-Emissionen reduzieren wollen. Insgesamt haben 162 Länder diese INDCs (Intended Nationally Determined Contributions) eingereicht.

 

Übersicht

  • Dr. Brigitte Knopf, Generalsekretärin des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH (MCC), Berlin
  • Dr. Jakob Wachsmuth, Competence Center Energiepolitik und Energiemärkte, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
  • Prof. Dr. Niklas Höhne, Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, Köln
  • Dr. Katja Frieler, stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs Klimawirkung und Vulnerabilität, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam

Dr. Brigitte Knopf

Generalsekretärin des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH (MCC), Berlin

„Die Studie legt den Finger am Beispiel USA in die Wunde: Obwohl das Pariser Abkommen ein Meilenstein der Klimadiplomatie ist, klafft zwischen den Reduktionsansprüchen und deren Umsetzung noch eine große Lücke. Nur 20 Prozent der Staaten haben konkrete Maßnahmen genannt, wie sie ihre nationalen Klimaziele (INDCs; Intended Nationally Determined Contributions, Anm. d. Red.) überhaupt erreichen wollen. In der Frage nach Wegen seiner Umsetzung gleicht das Abkommen somit eher einem weißen Blatt Papier als einer detaillierten Landkarte. Die Studie liefert einen Beitrag zu einem wissenschaftlich besseren Verständnis, welche Politikmaßnahmen erfolgreich zur Emissionsreduktion beitragen können. Denn die Politik muss sich jetzt auf Lösungen konzentrieren und nicht auf die Formulierung von immer mehr neuen Zielen, die immer unerreichbarer werden.“

„Die USA stehen zwar mit dem Clean Power Plan in den Startlöchern, um ihr Reduktionsziel zu erreichen. Doch die Studie zeigt, dass diese ‚Energiewende made in USA‘ noch nicht ambitioniert genug ist. Diese Schwachstelle zeigt sich auch hierzulande. Deutschland kämpft ebenfalls mit Problemen bei der Einhaltung seiner Klimaschutzziele für 2020. Größte Hürde stellen hier vor allem die Emissionen aus Kohlekraftwerken dar. Um mit der Energiewende international glaubwürdig zu bleiben, müssen wir in Deutschland einen glaubwürdigen Fahrplan für den Kohleausstieg entwickeln.“

„Selbst wenn die USA – und auch wirklich alle anderen Staaten weltweit – ihre selbst gesteckten Emissionsziele einhielten, würden wir das Zwei-Grad-Ziel dennoch verfehlen, vom 1,5-Grad-Ziel ganz zu schweigen. Insofern unterstreicht die Studie erneut, wie viel mehr alle Länder noch bei der CO2-Reduktion leisten müssen. Der Fokus muss jetzt auf der Umsetzung und geeigneten Politikinstrumenten liegen. Darauf weist die Studie hin. Eine wichtige Maßnahme auf internationaler Ebene wäre, dass CO2 einen Preis bekommt. Denn CO2-Preise setzen erstens Anreize für kohlendioxidfreie Technologien, bestrafen zweitens die Nutzung fossiler Energieträger und erzeugen drittens Staatseinnahmen, die für die Finanzierung von kohlenstoff-freier Infrastruktur genutzt werden könnten.“

Dr. Jakob Wachsmuth

Competence Center Energiepolitik und Energiemärkte, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe

„Die Studie ‚Assessment of the climate commitments and additional mitigation policies of the United States’ ist handwerklich makellos. Die Autoren Greenblatt und Wei berücksichtigen in ihrer Analyse den State of the Art der Klimawissenschaft und verwenden die aktuellsten verfügbaren Daten. Auch ihre Darstellung der Unsicherheiten ist sehr adäquat.“

„Aus den Ergebnissen der Studie ergibt sich, dass es zum Erreichen der INDC-Ziele (Intended Nationally Determined Contributions, Anm. d. Red.) der USA mit Hilfe der untersuchten Politiken zumindest erforderlich ist, den Clean Power Plan in seiner ursprünglichen ambitionierten Ausgestaltung zu realisieren. Dass selbst die Obama-Regierung diesen nur in abgeschwächter Form durchsetzen konnte, macht das Verfehlen der US-Klimaziele für 2025 absehbar. Für das Klimaabkommen von Paris ist dies umso schwerwiegender, da auch die in den INDCs bisher angekündigten Reduktionen der Treibhausgas-Emissionen bei Weitem nicht ausreichen, um einen Pfad zur Beschränkung der Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu erreichen.“

„Greenblatt und Wei listen in ihrer Studie eine ganze Reihe von auch ökonomisch vorteilhaften Maßnahmen auf, mit denen die USA ihren Klimazielen näher kommen können – von einer verstärkten Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel bis hin zu einem nationalen Emissionshandelssystem. Nicht erwähnt wird von den Autoren die thermische Sanierung des Gebäudebestands, welche in den USA noch größere Potentiale aufweist als hierzulande. Diese zu heben, wird für die USA unerlässlich sein, wenn sie ihren Beitrag zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius leisten wollen.“

Prof. Dr. Niklas Höhne

Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, Köln

„Die Tatsache, dass die USA ihr Klimaschutzziel mit den derzeit umgesetzten Maßnahmen verfehlen würden, ist heute noch keine Katastrophe. Im Gegenteil: Wenn es dazu führt, dass die USA in den kommenden Jahren neue klimapolitische Maßnahmen umsetzen, um das Ziel zu erreichen, hat der Pariser Prozess positive Auswirkungen auf die nationale Klimaschutzpolitik der USA gehabt.“

„Länder wie China und Indien und auch die EU, haben sich Ziele gesetzt, die sie mit den derzeit umgesetzten Maßnahmen bereits fast erreichen können. Sie müssen also keine zusätzlichen oder nur wenige zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um ihre Ziele zu erfüllen. Relativ gesehen haben sie sich somit schwächere Ziele gesetzt. Das heißt nicht, dass die USA eine absolut ambitioniertere Klimapolitik betreiben, sondern nur, dass sie ihren Trend signifikant ändern müssen. Bei einem Vergleich der absoluten Klimapolitik, also aller umgesetzten Maßnahmen, schneidet die EU besser ab als die USA oder China [1].“

„Die Autoren Greenblatt und Wei bestätigen, dass die USA weitere politische Maßnahmen ergreifen müssen, um das in Paris angebotene Klimaschutzziel zu erreichen. Mit dem Climate Action Tracker haben wir diese Aussage bereits im November 2014 getroffen, als das Ziel veröffentlicht wurde, und danach regelmäßig aktualisiert [2]. Der ambitionierte Klimaschutzplan der Obama-Regierung würde, bei vollständiger Umsetzung, die Lücke zum Ziel verringern, jedoch nicht ausreichen, um sie zu schließen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind aber bei Weitem nicht alle Maßnahmen in diesem Plan umgesetzt.“

„Für die USA wären neue Maßnahmen mit großem Minderungspotential insbesondere einerseits die Förderung der erneuerbaren Energien über den Clean Power Plan hinaus. Die jetzigen unambitionierten Ziele des Clean Power Plans könnten schnell von der aktuellen Entwicklung der fallenden Preise für Wind- und Solarstrom überholt werden, was in der Studie berücksichtigt wird. Weiterhin könnten die Emissionsstandards für PKW deutlich erhöht werden, um die neuesten Entwicklungen der Elektromobilitätsbranche einzubeziehen, was in der Studie nicht einbezogen wurde [3].“

„In Bezug auf Deutschland heißt das, dass nach der kürzlich erfolgten Ratifizierung des Pariser Abkommens durch den Bundestag nun auch der Klimaschutzplan für 2050 auch mit den langfristigen Zielen des Pariser Abkommens kompatibel gemacht werden müsste, um den Klimawandel auf weit unter 2 Grad Celsius zu begrenzen und auf 1,5 Grad Celsius hinzuarbeiten. Das würde eine erhebliche Beschleunigung der Energiewende erfordern.“

Dr. Katja Frieler

stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs Klimawirkung und Vulnerabilität, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam

„Studien wie die von Greenblatt und Wei liefern genau die Information, die wir nach der Einigung von Paris brauchen. Mit Festlegung von nationalen Emissionsreduktionszielen geht es nun um die Implementierung. Reichen die bisher beschlossenen oder geplanten Maßnahmen aus, um die Ziele zu erreichen? Wir brauchen diese Analysen genau jetzt, denn nur so bleibt noch die Zeit, die Implementierungen anzupassen und eventuell zu beschleunigen. Außerdem können in einem Vergleich der Maßnahmen die am meisten versprechenden Ansätze identifiziert und eventuell auch von anderen Ländern übernommen werden. Schlussendlich könnte ein solcher Wettbewerb der Methoden auch über verschiedene Länder hinweg dazu beitragen, die nationalen Ziele zu verschärfen. Denn es ist klar, dass auch die Einhaltung der (I)NDCs ((Intended) Nationally Determined Contributions, Anm. d. Red.) noch nicht ausreicht, um die globale Erwärmung auf ‚deutlich unter 2 Grad Celsius’ zu begrenzen. Aber der Weg dorthin führt über die zum Beispiel von Greenblatt und Wei durchgeführte Evaluierung der konkreten politischen Maßnahmen.“

Mögliche Interessenkonflikte

Alle: Keine angegeben.

Primärquelle

Greenblatt, J.B. et al. (2016): Assessment of the climate commitments and additional mitigation policies of the United States. Nature Climate Change. DOI: 10.1038/nclimate3125

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Höhne, N. et al (2015): Progress towards good practice policies for reducing greenhouse gas emissions

[2] Climate Action Tracker, USA

3] Fekete, H. et al (2015): Impact of good practice policies on regional and global greenhouse gas emissions. Tabelle 28, S. 63

Weitere Recherchequellen

INDC der USA