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20.12.2023

Online-Recherche führt häufiger zu Bestätigung von Falschinformationen

     

  • Verwendung von Online-Suchmaschinen erhöht laut Studie Wahrscheinlichkeit, dass Personen falsche Meldungen für wahr halten
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  • Qualität der Suchmaschinen-Quellen ausschlaggebender Faktor
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  • unabhängige Forschende beschreiben Problematik von Suchergebnissen unterschiedlicher Qualität und betonen Wichtigkeit digitaler Informationskompetenz
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Das Überprüfen von Meldungen mithilfe von Online-Suchmaschinen führt dazu, dass falsche Informationen häufiger für wahr gehalten werden. Zu diesem Schluss kommen die Autoren einer durch Folgeuntersuchungen gestützten Studie, die im Fachjournal „Nature“ erschienen ist (siehe Primärquelle).

Wie falsche Informationen über soziale Medien verbreitet werden und die Suche nach wahren Informationen erschweren, wurde in den letzten Jahren ausführlich untersucht. Doch auch wenn zunehmend über soziale Medien Informationen gesucht werden, sind nach wie vor Online-Suchmaschinen, wie beispielsweise Google, die beliebteste Quelle für Recherchen. Diese Art der Recherche wurde jedoch bislang noch wenig erforscht.

In der aktuellen Studie wurde deshalb untersucht, wie die Hinzunahme von Online-Suchmaschinen die Bewertung von wahren und falschen Meldungen beeinflusst. Die Forscher aus den USA untersuchten hierfür 3006 Personen, denen wahre und falsche Meldungen von „Mainstream-Medien” und „Low-Quality-Medien“ der letzten 48 Stunden gezeigt wurden. Sie sollten bewerten, ob sie diese für wahr oder falsch hielten. Die eine Hälfte der Teilnehmenden sollte für die Bewertung eine Online-Suchmaschine nutzen, die andere Hälfte erhielt die Anweisung, ohne Suchmaschine eine Bewertung abzugeben. Erstaunlicherweise war bei Personen, die eine Suchmaschine verwendeten, die Wahrscheinlichkeit 19 Prozent höher, eine falsche Meldung als wahr zu bewerten als bei der Gruppe, die nicht mit einer Suchmaschine recherchieren durfte. Folgeuntersuchungen stützten das Ergebnis: Auch wenn die Recherche nach einer ersten Meinungsbildung erfolgte, die Meldungen schon älter waren oder das breit berichtete Thema Coronapandemie betrafen, führte die Hinzunahme der Suchmaschine zu mehr Zustimmung bei falschen Meldungen. Nach diesen Fragebogen-Studien haben die Forscher in einer Follow-up-Untersuchung die genaue Online-Suche durch digitale Spurendaten mitverfolgt, um Rückschlüsse auf die verwendeten Quellen ziehen zu können. Dabei fanden sie heraus, dass die falsche Beurteilung vor allem auf die Qualität der Onlinerecherche zurückzuführen sei, die gerade bei der Prüfung von falschen Meldungen schlechter sei. Ausgehend von diesen Ergebnissen plädieren die Autoren für Programme zur Förderung digitaler Kompetenzen.

Inwiefern Suchmaschinen tatsächlich zu einer schlechteren Beurteilung von falschen Meldungen führen, wie dieses Phänomen erklärt werden kann und inwiefern man dagegen vorgehen kann, erläutern unabhängige Forschende.

Übersicht

  • Dr. Josephine Schmitt, wissenschaftliche Koordinatorin, Center for Advanced Internet Studies (CAIS), Bochum
  • Dr. Philipp Müller, Akademischer Rat am Institut für Medien- und Kommunikations­wissenschaft, Universität Mannheim
  • Dr. Sabrina Heike Kessler, Senior Research and Teaching Associate, Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung, Abteilung Wissenschaftskommunikation, Universität Zürich, Schweiz

Statements

Dr. Josephine Schmitt

wissenschaftliche Koordinatorin, Center for Advanced Internet Studies (CAIS), Bochum

Methodik der Studie

„Die Studie ist methodisch gut aufgebaut. Sie verwendet in den unterschiedlichen Teilen beeindruckend große Samples. Das ermöglicht es, auch kleine Effekte sichtbar zu machen. Der stufenweise Aufbau der einzelnen Teilstudien und die Präregistrierung stärken die Robustheit der Forschung, indem sie systematisch Forschungsfragen angehen und Verzerrungen vorbeugen.“

„Die Einteilung der Artikel durch Fact-Checking Expert:innen und die Verwendung von News Guard als anerkanntem Dienstleister zur Bewertung der Verlässlichkeit der Quellen unterstützen die Validität der Studienergebnisse. Die Konsistenz der Ergebnisse über mehrere Studien hinweg sowie die Bereitschaft der Autor:innen, potenzielle Limitationen in weiteren Studien zu adressieren, tragen zur Glaubwürdigkeit der Schlussfolgerungen bei.“

Kernergebnisse der Studie

„Die Autor:innen arbeiten heraus, dass Personen, die nach populären Fehlinformationen über Suchmaschinen suchen, diese tendenziell für wahr halten. Der Effekt sei stärker für Personen, die über die Suchmaschine auf wenig zuverlässige Nachrichtenquellen stoßen. In diesem Zusammenhang befassen sich die Autor:innen auch mit der Rolle von Medienkompetenz für die Auswahl von Informationen über Suchmaschinen. Sie finden, dass Menschen mit niedrigerer Medienkompetenz – hier: Digital Literacy – mit größerer Wahrscheinlichkeit auf unzuverlässige Inhalte stoßen.“

„Interessant an dieser Studie ist vor allem die Robustheit dieses Effektes über die verschiedenen Teilstudien mit unterschiedlichen methodischen Herangehensweisen hinweg. Unterstrichen wird hier die zentrale Bedeutung von Suchmaschinen sowie der individuellen Fähigkeiten der Nutzenden für die Auswahl und Bewertung von verlässlichen Informationen.“

Minderwertige Quellen und Rolle der Suchergebnisse

„Es gibt vielfältige Gründe, warum minderwertigen Quellen manchmal mehr Glaubwürdigkeit zugeschrieben wird. Einerseits suchen Menschen gezielt nach Informationen, die ihre bereits bestehenden Ansichten bestätigen, anstatt nach objektiven und zuverlässigen Quellen zu suchen. Dies kann dazu führen, dass sie bewusst oder unbewusst minderwertige Informationen bevorzugen und akzeptieren. Das Wissen darüber, was zuverlässige und objektive Quellen ausmacht, ist in vielen Teilen der Gesellschaft nur schwach ausgeprägt. KI-generierte Inhalte, insbesondere Bilder und Filme, erschweren die Identifikation zusätzlich.“

„Auch wenn ihre Effekte nicht so groß sind, wie die öffentliche Darstellung suggeriert, spielen Algorithmen von Suchmaschinen eine wichtige Rolle bei der Auswahl und Bereitstellung von Inhalten. Sie verknüpfen ähnliche Inhalte miteinander. Weiterhin werden sie von der Nutzungshistorie der Nutzer:innen beeinflusst. Wenn jemand also bereits minderwertige Quellen besucht hat oder nach ihnen sucht, neigen die Algorithmen dazu, ähnliche Inhalte vorzuschlagen. In diesem Zusammenhang ist vor allem auch die Fähigkeit ,gute‘ Suchen formulieren zu können, also über effiziente Suchstrategien zu verfügen, zentral.“

„Zusätzlich beeinflusst das Suchmaschinenmarketing von Newsprovidern die Sichtbarkeit von Inhalten. Da viele problematische Quellen bereit sind, Geld für eine bessere Platzierung in den Suchergebnissen auszugeben, werden sie oft weiter oben angezeigt. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen auf diese Quellen zugreifen, selbst wenn sie weniger zuverlässig sind.“

„Suchmaschinenalgorithmen wiederum basieren auf der Popularität von Quellen. So werden populäre Quellen bevorzugt angezeigt, unabhängig davon, ob sie zuverlässige oder unzuverlässige Informationen bereitstellen. Dies verstärkt den Effekt, dass minderwertige Quellen mehr Sichtbarkeit erhalten, wenn sie bereits eine gewisse Popularität erlangt haben.“

„Das Vertrauen der Menschen in die Auswahl und Sortierung von Informationen durch Suchmaschinen verstärkt diesen Effekt. Suchmaschinen werden als Intermediäre wahrgenommen, in anderen Worten als Plattformen, die lediglich Informationen anderer Quellen sortiert bereitstellen. Da viele Menschen davon ausgehen, dass die Suchergebnisse objektiv und zuverlässig sind, neigen sie dazu, den vorgeschlagenen Quellen mehr Glaubwürdigkeit beizumessen, auch wenn dies nicht immer gerechtfertigt ist.“

Praktische Schlussfolgerungen

„Ein Schlüsselelement ist die Förderung von Quellen- und Medienkompetenz in allen Altersgruppen. Dazu gehört Wissen über die Funktionsweise von Suchmaschinen, Algorithmen, Medienkritikfähigkeit sowie über Suchstrategien. Der derzeit weit verbreitete Fokus auf jüngere Zielgruppen ist zwar hilfreich, allerdings sollten mit Blick auf die zunehmende Verbreitung und Akzeptanz vielfältiger Falschinformationen Quellen- und Medienkompetenz als ein unverzichtbares Element für das reibungslose Funktionieren unserer Demokratie in allen Altersgruppen verstanden werden.“

„Die gezielte Verbreitung von Fehl- und Falschinformationen über digitale Medien ist einerseits ein Symptom, andererseits ein Alarmsignal für tiefgreifendere gesellschaftliche Probleme. Die Arbeit an den Ursachen dieses Phänomens ist daher von erheblicher Bedeutung. Diese Problemlagen sollten auf politischer Ebene als gesamtgesellschaftliches Thema benannt und entsprechend adressiert werden. Die Förderung von politischer, historischer und interkultureller Bildung in allen Altersgruppen ist ein wichtiger Aspekt der Prävention.“

„In der Bekämpfung von Fehlinformationen können Fact-Checking-Initiativen, unterstützt durch Fortschritte in künstlicher Intelligenz, eine Schlüsselrolle spielen. Die technologische Entwicklung eröffnet langfristig neue Möglichkeiten, um die Identifikation von falschen Informationen zu verbessern.“

„Suchmaschinenanbieter sollten ihre Algorithmen transparenter gestalten und erklären, wie und auf welcher Grundlage Informationen ausgewählt werden. Die Integration unabhängiger Bewertungen durch Fact-Checking-Organisationen könnte den Nutzern helfen, vertrauenswürdige Quellen leichter zu identifizieren.“

Dr. Philipp Müller

Akademischer Rat am Institut für Medien- und Kommunikations­wissenschaft, Universität Mannheim

Methodik der Studie

„Mein Eindruck der methodischen Vorgehensweise der Studie ist sehr positiv. Die größte Herausforderung, die eindeutige Identifikation von Falschmeldungen, scheint mir mithilfe professioneller Fact-Checker überzeugend umgesetzt worden zu sein. Die Auswahl und Einteilung der Medienquellen überzeugten. Hinsichtlich der beobachteten Effekte ist allerdings zu beachten, dass in den Teilstudien 1 bis 4 nicht überprüft werden konnte, ob Proband:innen tatsächlich der Aufforderung nachkamen, die gezeigten Meldungen online zu verifizieren. Zwangsläufig finden sich im Datensatz Non-Compliers, die der Aufforderung nicht nachgekommen sind – wie viele ist leider unklar. Dadurch können die beobachteten Effekte verzerrt worden sein. In Teilstudie 5 ist durch die Verwendung von Tracking-Daten dieses Manko nicht vorhanden. Bezüglich der gezogenen Schlussfolgerungen muss zudem relativierend festgehalten werden, dass die Ergebnistabellen im Anhang der Studie klar zeigen, dass eine Übereinstimmung der eigenen politischen Einstellungen mit der politischen Botschaft einer Falschmeldung wesentlich stärkeren Einfluss auf deren wahrgenommene Glaubwürdigkeit hat als die Informationssuche, die im Zentrum dieser Untersuchung steht.“

Kernergebnisse der Studie

„Der große Verdienst der Studie liegt darin, einen oft geäußerten Ratschlag im Kontext von Desinformation kritisch zu hinterfragen und empirisch auf die Probe zu stellen, nämlich dass Nutzer:innen ihnen fragwürdig erscheinende Informationen aus dem Netz eigenständig nachrecherchieren sollten. Überraschenderweise zeigt die Studie relativ eindeutig, dass dieses Nachrecherchieren die Glaubwürdigkeit von Falschmeldungen erhöhen kann. Schaut man sich die Analysen der Autor:innen genauer an, sieht man, dass ähnliche Muster auch bei tatsächlich wahren Informationen aus fragwürdigen Quellen auftreten. Auch hier erhöht sich die wahrgenommene Glaubwürdigkeit durch Recherche.“

„Dies spricht für einen allgemeinen Rechercheeffekt, der wenig mit dem tatsächlichen Wahrheitsgehalt einer Meldung zu tun hat. Wenn Informationen, die Nutzer:innen zunächst fraglich erscheinen, nachrecherchiert werden, finden sich in Suchmaschinen nahezu zwangsläufig weitere Quellen, die die Meldung bestätigen. Da wir es in den liberalen Demokratien inzwischen mit einer regelrechten vernetzten Infrastruktur fragwürdiger Informationsquellen zu tun haben, ist dies auch bei Falschinformationen zwangsläufig der Fall. Dadurch erscheint es sehr plausibel, dass die Suchmaschinen-Recherche die Glaubwürdigkeit von Falschmeldungen erhöht – zumal aus kognitionspsychologischer Perspektive eine längere Beschäftigung mit einer Meldung zwangsläufig dazu beiträgt, dass sich deren subjektiv empfundene Glaubwürdigkeit erhöht, einfach dadurch, dass sie uns vertrauter sind als bei einmaligem kurzem Lesen. Relativierend ist jedoch anzumerken, dass die Ergebnistabellen im Anhang der Studie klar zeigen, dass eine Übereinstimmung mit der politischen Botschaft einer Falschmeldung wesentlich wichtiger dafür ist, ob diese als glaubwürdig gehalten wird, als die Informationssuche.“

Minderwertige Quellen und Rolle der Suchergebnisse

„Teilstudie 5 weist auf eine Varianz in der Qualität der Suchergebnisse hin, die die Studien-Teilnehmenden erhalten. Hauptursache hierfür dürfte die Personalisierung der Suchergebnisse durch den Suchmaschinen-Algorithmus sein. Wer häufig qualitativ schlechte Informationsquellen nutzt, dürfte bei einer neuen Suchanfrage diese Quellen auch weiter oben in den Ergebnislisten angezeigt bekommen. Ich denke jedoch nicht, dass man die Ergebnisse von Teilstudie 5 so interpretieren sollte, dass minderwertigen Quellen stärker geglaubt wird. Es stimmt, dass die Ergebnisse zeigen, dass ein höherer Anteil minderwertiger Quellen in Suchergebnissen die Glaubwürdigkeit von Falschinformationen erhöht, wohingegen ein höherer Anteil hochwertiger Quellen deren Glaubwürdigkeit nicht klar senkt, im Vergleich zur Kontrollgruppe. Dies kann jedoch auch bedeuten, dass in der Kontrollgruppe, die nicht nach Informationen gesucht hat, bereits eine gute Einschätzung der Falschinformationen stattgefunden hat, die sich durch Recherche nicht wesentlich verbessert.“

Praktische Schlussfolgerungen

„Der zentrale Treiber der Zuwendung zu Informationsquellen sind die eigenen politischen Überzeugungen. Wenn wir uns also fragen, weshalb fragwürdige Informationsquellen von einer wachsenden Zahl von Menschen genutzt werden, ist die Antwort zunächst: Weil sie ein politisches Angebot machen, nach dem diese Personen suchen. Das eigentliche gesellschaftliche Problem liegt also in einer wachsenden Unzufriedenheit mit der Demokratie und den etablierten politischen Akteuren, nicht in der Informationsverbreitung oder -bewertung. Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, dass Kampagnen, die Menschen darauf hinweisen wollen, dass bestimmte Informationsquellen nicht glaubwürdig sind, nur begrenzte Erfolgsaussichten haben, solange es eine Übereinstimmung der politischen Botschaften dieser Quellen mit den Einstellungen der Personen gibt.“

„Es gibt aus meiner Sicht zwei mögliche Auswege aus diesem Dilemma: Erstens müssen die Ursachen einer demokratischen Entfremdung größerer Bevölkerungsteile durch politische Maßnahmen bekämpft werden, die zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen in diesen Bevölkerungsteilen führen. Dadurch sollte sich die Frustration hoffentlich reduzieren und damit auch die Empfänglichkeit für fragwürdige Informationsquellen. Zweitens sollten Plattform- und Suchmaschinen-Betreiber wirksamere Schritte unternehmen, um die Sichtbarkeit fragwürdiger Informationsquellen in Ergebnislisten und Newsfeeds einzuschränken. Denn die breite Resonanz, die Politikverdrossenheit und populistische Einstellungen inzwischen online erfahren, trägt sicherlich zu deren Verfestigung bei – wenn sie auch nicht ihre ursprüngliche Ursache darstellt.“

Dr. Sabrina Heike Kessler

Senior Research and Teaching Associate, Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung, Abteilung Wissenschaftskommunikation, Universität Zürich, Schweiz

Digitale Informationskompetenzen

„Die vorliegende Studie betont die Notwendigkeit, digitale Informationskompetenzen kontinuierlich zu fördern und zu entwickeln. Sie zeigt unter anderem auf, dass Personen mit geringerer digitaler Kompetenz bei der Suche auf Suchmaschinen häufiger auf unzuverlässige Informationen stoßen, was vermutlich auf die von ihnen verwendeten Suchbegriffe zurückzuführen ist. Markant ist das Ergebnis, dass 77 Prozent der Suchanfragen, die konkret nur die Schlagzeilen oder URLs der fehlerhaften oder irreführenden Artikel einsetzten, in den Top-10-Suchergebnissen mindestens zu einem unzuverlässigen Link führten. Im Kontrast dazu resultierten Suchanfragen, die nicht direkt diese spezifischen Schlagzeilen oder URLs kopierten, lediglich in 21 Prozent der Fälle in unzuverlässigen Links unter den Top-10-Ergebnissen. Dies unterstreicht die Wichtigkeit, Menschen in der effektiven und kritischen Nutzung von Suchmaschinen zu schulen.“

„Aktuelle Eye-Tracking- und Screenrecording-Studien [1] [2] im deutschsprachigen Raum geben Hinweise darauf, dass die Informationssuche im Internet zur Überprüfung von Fehlinformationen zum Thema COVID-19 durchaus positive Auswirkungen darauf haben kann, die Richtigkeit von falschen und richtigen Informationen besser einzuschätzen. Wenn Fehlinformationen von den Nutzenden identifiziert werden, haben diese allenfalls nur eine geringe Wirkung auf die Meinungsbildung. Dafür ist wichtig, dass die Nutzenden über eine adäquate digitale Informationskompetenz verfügen. Diese muss individuell lebenslang ausgebildet und gefördert werden.“

Suchergebnisse und Verantwortung der Suchmaschinen-Anbieter

„Die Qualität und Zuverlässigkeit von Suchmaschinenergebnissen variiert stark je nach Thema, was unterstreicht, dass der Erfolg einer – oft nur sehr kurzen – Informationsrecherche auch vom verfügbaren Online-Angebot abhängt. So gibt es beim Thema COVID-19-Impfung zum jetzigen Zeitpunkt in den deutschsprachigen Suchergebnissen auf Google schon sehr viele vertrauenswürdige und gut recherchierte Online-Webseiten mit wissenschaftlich gesicherten Informationen, welche bei einer Google-Suche zuoberst angezeigt und leicht gefunden werden können. Bei anderen Themen müssen Nutzende allenfalls intensiver recherchieren, um an adäquate Informationen zu gelangen und die Richtigkeit von Informationen besser einschätzen zu können. So ist beispielsweise die Recherche zu Fehlinformationen zum Thema Ukraine-Krieg nicht immer hilfreich beziehungsweise bedarf es eines zusätzlichen Maßes an digitaler Informationskompetenz, auch weil durch das laufende Kriegsgeschehen Informationen nur schwer unabhängig nachzuprüfen sind. Die vorliegende Studie zeigt, dass die Gefahr real ist, dass eine Online-Recherche den Glauben an Fehlinformationen verstärken kann, insbesondere wenn die Suchergebnisse Quellen von geringer Qualität hervorbringen. Dies unterstreicht die Wichtigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit den Ergebnissen von Suchmaschinen.“

„Ein wesentlicher Aspekt von erfolgreichem Fact-Checking durch eigene Informationssuche ist also das themenspezifische Online-Angebot. Ein dabei fast noch wichtigerer Punkt betrifft die Verantwortung der Suchmaschinenanbieter, durch ihre Algorithmen verlässliche und hoch-qualitative Informationsquellen prominent zu listen. Forschungsergebnisse zeigen, dass Nutzende tendenziell die ersten drei Ergebnisse der ersten Trefferseite wählen, was die Bedeutung der dort präsentierten Informationen unterstreicht. Insbesondere bei gesundheitsrelevanten und gesellschaftlich bedeutsamen Themen liegt eine große Verantwortung bei den Suchmaschinen, ihre Algorithmen mit Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein zu gestalten. Für uns Forschende bleibt die genaue Funktionsweise dieser Algorithmen jedoch oft eine undurchsichtige ,Black Box‘. Ohne Zugang zu den entsprechenden Daten können wir nicht genau bestimmen, ob und wie – und bei welchen Themen – eine solche verantwortungsvolle Anpassung tatsächlich ausreichend stattfindet.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Josephine Schmitt: „Ich habe keine Interessenkonflikte.“

Dr. Philipp Müller: „Es bestehen keine Interessenkonflikte meinerseits.“

Dr. Sabrina Heike Kessler: „Ich habe keine Interessenkonflikte zu deklarieren.“

Primärquelle

Aslett K et al. (2023): Human behaviour: Online searches to evaluate misinformation may increase its perceived veracity. Nature. DOI: 10.1038/s41586-023-06883-y.

Literaturstellen, die von den Expertinnen und Experten zitiert wurden

[1] Kessler SH (2023): Vorsicht #Desinformation: Die Wirkung von desinformierenden Social Media-Posts auf die Meinungsbildung und Interventionen. Landesanstalt für Medien NRW.

[2] Kessler SH et al. (2023): COVID-19 Misinformation on YouTube: An Analysis of Its Impact and Subsequent Online Information Searches for Verification. Digital Health. DOI: 10.1177/20552076231177131.