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06.04.2017

Erneuerbare Energien weltweit: Stromproduktion auf Rekordniveau trotz stark rückläufiger Investitionen

Die weltweiten Investitionen in den Ausbau Erneuerbarer Energien sind 2016 im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Viertel zurückgegangen. Die Menge erzeugten Stroms stieg trotzdem um acht Prozent. Somit machte der Anteil der Erneuerbaren Energien 2016 am weltweiten Energiemix nunmehr 11,3 Prozent aus. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Bericht „Global Trends in Renewable Energy Investment 2017“, der erstellt wurde vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), der Frankfurt School UNEP Collaborating Centre for Climate & Sustainable Energy Finance sowie Bloomberg New Energy Finance (BNEF). Der Bericht, der am 06.04.2017 wurde, verweist allerdings auch darauf, dass in China und Japan Rückgänge beim Zubau der Erneuerbaren Energie zu verzeichnen sind.

 

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
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  • Dr. Jan Steckel, Leiter der Arbeitsgruppe Klimaschutz und Entwicklung, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH (MCC), Berlin
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  • Dr. Michael Pahle, Leiter der Arbeitsgruppe "Energiestrategien Europa & Deutschland" (ESED), Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam
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  • Dr. Patrick Graichen, Direktor, Agora Energiewende
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  • Prof. Dr. Niklas Höhne, Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute
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  • Prof. Dr. Andreas Löschel, Professor am Lehrstuhl für Mikroökonomik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
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  • PD Dr. Patrick Jochem, Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion IIP und Deutsch-Französisches Institut für Umweltforschung DFI, Forschungszentrum Informatik (FZI) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe
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Statements

Prof. Dr. Volker Quaschning

Professor für Regenerative Energiesysteme, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

„Für das Einhalten der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens ist ein deutlich größeres Tempo beim Umbau unserer Energieversorgung erforderlich. Der Rückgang der Investitionen in Erneuerbare Energien um 23 Prozent vom Jahr 2015 zum Jahr 2016 nach dem UNEP-Bericht widerspricht allen Klimaschutzversprechungen. Erfreulicherweise waren im Jahr 2016 bereits deutlich mehr als die Hälfte aller neu errichteten Kraftwerkskapazitäten auf Basis Erneuerbarer Energien. Der Anteil der regenerativen Stromerzeugung nahm trotz rückläufiger Investitionen weiter zu.“

„Der Rückgang der Umsätze bei steigender Stromerzeugung zeigt, dass die Erneuerbaren Energien in den letzten Jahren signifikante Kostensenkungen aufzuweisen konnten. Photovoltaik- und Windkraftanlagen gehören in vielen Regionen der Erde inzwischen zu den preiswertesten Möglichkeiten, mit Neuanlagen Strom zu erzeugen. Die vergleichsweise geringen Steigerungen bei der Stromerzeugung zeigen aber auch, dass der Ausbau Erneuerbarer Energien noch lange nicht das für den Klimaschutz nötige Tempo aufweist.“ 

„Deutschland ist dabei ein besonders unrühmliches Beispiel. Hier gingen die Neuinstallationen und der Umsatz überproportional stark zurück. Während im Jahr 2012 noch 7,6 Gigawatt an neuen Photovoltaikanlagen installiert wurden, ist die Zahl der Neuinstallationen im Jahr 2016 auf gerade einmal 1,5 Gigawatt geschrumpft. Bei der Windenergie war bislang noch kein entsprechender Einbruch zu verzeichnen. Die Bundesregierung plant aber, auch den Zubau an Windkraftanlagen deutlich zurückzufahren. Damit hat Deutschland keinerlei Chance, die Verpflichtungen des Pariser Klimaschutzabkommens einzuhalten.“

„China konnte trotz Umsatzrückgängen mit über 30 Gigawatt im letzten Jahr hingegen einen Zubaurekord bei der Photovoltaik erzielen und hat damit Deutschland schon lange als Vorreiter beim Ausbau Erneuerbarer Energien abgelöst. Es bleibt zu hoffen, dass Deutschland wieder seiner Vorbildrolle beim Klimaschutz gerecht wird und nicht weiter den Anschluss bei den Zukunftstechnologien verliert. Auch müssen weltweit die Investitionen in Erneuerbare Energien wieder deutlich ansteigen, wenn wir eine realistische Chance zum Einhalten der Klimaschutzziele haben wollen."

Dr. Jan Steckel

Leiter der Arbeitsgruppe Klimaschutz und Entwicklung, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH (MCC), Berlin

„Der UNEP-Bericht zum Zubau der Erneuerbaren Energien 2016 bestätigt anschaulich und mit detaillierten Daten die bekannten Entwicklungen der letzten Jahre: Die Erneuerbaren Energien setzen auch global ihren Siegeszug fort – daran ändern auch leichte Rückgänge in den Investitionen im Jahr 2016 nicht viel. Trotzdem erscheint die Kohle in vielen Regionen noch immer als zu billig.“

„Der globale Energiebedarf steigt. Vor diesem Hintergrund sollten wir uns von den sicherlich positiven Entwicklungen bei den Erneuerbaren Energien nicht blenden lassen. Für den Erfolg des Pariser Abkommens ist es mindestens genauso entscheidend, was bei den fossilen Energieträgern passiert. Vor allem die Entwicklungen bei der CO2-intensiven Kohle zeichnen ein düsteres Bild. Viele arme und schnell wachsende Länder setzen weiterhin auf billige Kohlekraftwerke, um ihren wachsenden Energiehunger zu stillen. Im Jahr 2016 wurden global 77 Gigawatt neuer Leistung zugebaut; das ist zwar ein relativer Rückgang im Vergleich zu 2015. Aber das bedeutet auch: Im Schnitt gehen weltweit ungefähr fünf neue Kohlekraftwerke ans Netz, und zwar pro Woche. Der Wert weicht nicht signifikant von der durchschnittlichen Ausbaurate der letzten zehn Jahre ab. Die Kohlerenaissance ist also noch nicht zu Ende.“

„Wann, wie und wo die Trendwende für die Erneuerbaren Energien erreicht wird, ist sehr schwierig zu beurteilen. Eine wichtige Rolle spielen die Marktmechanismen und die Finanzierungskosten. Während Investoren in Deutschland Kapital fast zum Nulltarif erhalten, sieht das in Ländern, wie Indien, Indonesien oder Vietnam ganz anders aus. Dort wird klimafreundliche Stromerzeugung durch hohe Kapitalkosten erschwert. Höhere Investitionsrisiken – etwa durch politische Unsicherheiten – spiegeln sich in höheren Zinsen und damit höheren Kosten für Investoren wieder. Da klimafreundliche Technologien generell kapitalintensiver sind als fossile, verwundert es daher nicht, dass diese Länder weiterhin massiv auf Kohle setzen.“

„In China ist das Wirtschaftswachstum deutlich abgekühlt und der Bedarf nach neuer Stromleistung scheint sich generell parallel zu entwickeln. Für die Erneuerbaren Energien schätze ich das (eine Verlangsamung der Zubauaktivitäten ; Anm. d. Red.) aber eher als einen temporären Effekt ein. Die chinesische Regierung plant, den Anteil der Kohle im Strommix bis 2020 zu reduzieren, daher erwarte ich auch weiterhin hohe und steigendende Investitionen in die Erneuerbaren Energien.“  „Der Anteil von klimafreundlichen Technologien muss in den nächsten Jahren stark ansteigen um das Temperaturziel von Paris zu erreichen. Emissionen im Stromsektor müssen dabei besonders schnell gesenkt werden. Die nach wie vor hohe Attraktivität von Kohle, vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern, stellt dafür ein großes Hindernis dar. Daher brauchen diese Länder internationale Unterstützung, Investitionen in Erneuerbare Energien attraktiv zu machen. Dabei spielt das Senken von Investitionsrisiken, zum Beispiel durch „Green Finance“ eine wichtige Rolle. Mittelfristig müssen auch in Entwicklungs- und Schwellenländern Wege gefunden werden, klimaschädliche Emissionen einen Preis zu geben. Dies beinhaltet zu allererst den Abbau von fossilen Subventionen.“

Dr. Michael Pahle

Leiter der Arbeitsgruppe "Energiestrategien Europa & Deutschland" (ESED), Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam

„Das Finanzvolumen ist im Vergleich zum Vorjahr zwar rückläufig, die zugebauten Kapazitäten sind allerdings gestiegen. Und diese sind für den Umbau des Energiesystems die wichtigere Kenngröße. Den größten Anteil am Zubau hat die Solarenergie, die für die Erreichung des 2°C-Ziels eine wesentliche Rolle spielt.“

„Der Rekord für die geringsten Vergütungskosten betrug im letzten Jahr 30 US-Dollar pro Megawattstunde an besonders günstigen Standorten, zum Beispiel Chile und Marokko. Wesentlich dafür sind die gesunkenen Anlagekosten sowie die zunehmende Ablösung von Einspeisetarifen durch Auktionen, die die Vergütung wettbewerblich festlegen und dadurch Preise senken.“

„Trotz der sinkenden Kosten ist der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien kein Selbstläufer. Entscheidend dafür sind langfristige stabile und effektive Politiken in den Schlüsselmärkten, der Ausbau der Stromnetze sowie eine insgesamt steigende Stromnachfrage. Dies wird insbesondere bei der Windenergie in China und der Solarenergie in Indien deutlich.“

„Mit zunehmender Marktreife zeichnet sich ein Trend innovativer Finanzierungsformen ab. Technologiefirmen wie Google, Amazon und Microsoft erweitern ihre Geschäftsmodelle und betätigen sich direkt als Käufer von grünem Strom. Polen hat angekündigt, als erstes Land weltweit grüne Staatsanleihen herauszugeben. Noch allerdings ist unklar, ob diese Trends weltweit Fuß fassen und die Märkte entscheiden beeinflussen werden."

Dr. Patrick Graichen

Direktor, Agora Energiewende

„Die weltweite Entwicklung spiegelt das wider, was wir im vergangenen Jahr auch in Europa gesehen haben: Es gibt immer mehr Erneuerbare Energien für immer weniger Geld. In vielen Ländern der Erde ist Strom aus Wind und Sonne bereits heute günstiger als Strom aus fossilen Energien. Das ist eine gute Voraussetzung, um die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen. Übersehen wird häufig allerdings, dass über die Kosten von Strom aus Erneuerbaren Energien nicht nur das Dargebot von Wind und Sonne und die Investitionskosten in die Anlagen entscheiden. Genauso wichtig für die Stromgestehungskosten ist die Höhe der Zinsen für die Darlehen, mit denen Erneuerbaren-Energien-Anlagen finanziert werden. So ist bei niedrigen Zinsen Solarstrom in Deutschland billiger als in Spanien, wenn dort die Zinsen hoch sind. Die gute Nachricht ist, dass die Politik überall auf der Welt großen Einfluss auf die Zinshöhe hat: Wenn sie die richtigen Rahmenbedingungen setzt und sich als vertrauenswürdig erweist, dann sinken die Zinsen. Strom aus Erneuerbaren Energien wird dann noch viel billiger werden als heute schon.“

Prof. Dr. Niklas Höhne

Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute

„Der Bericht zeigt gut, dass die Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien wichtiger wird als die aus fossilen Energieträgern – und somit Erneuerbare Energien Mainstream werden. Es wurden mehr Kapazitäten zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien eingerichtet als zur Erzeugung aus fossilen Energieträgern. Die Kosten für Erneuerbare Energien haben sich erneut dramatisch verringert. Dieser weltweite Übergang hin zu Erneuerbaren Energien ist unaufhaltsam, trotz des möglichen Gegenwinds durch die Politik von US-Präsident Donald Trump.“

Prof. Dr. Andreas Löschel

Professor am Lehrstuhl für Mikroökonomik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

„Die globalen Investitionen in Erneuerbare Energien sind zwar zurückgegangen, diese Zurückhaltung bei Neuinvestitionen in Erzeugungskapazitäten gilt aber auch für die konventionelle Energieversorgung. Die Unsicherheiten bezüglich der zukünftigen Entwicklungen – sowohl auf den Märkten für fossile Energieträger als auch bei der Ausgestaltung – und Implementierung des Pariser Abkommens sind eben sehr groß. Spannend erscheint mir das starke Wachstum bei den Investitionen in smarte Energietechnologien und die sich ändernden Förderregime: Einspeisevergütungen spielen eine immer geringere Rolle, Auktionen werden bestimmend für den Ausbau.“

PD Dr. Patrick Jochem

Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion IIP und Deutsch-Französisches Institut für Umweltforschung DFI, Forschungszentrum Informatik (FZI) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe

„Das ist ein extrem relevantes Thema und ein guter Bericht, der auf einer hervorragenden Datengrundlage einen Überblick über die weltweiten Investitionen in Erneuerbare Energie gibt. Er fokussiert jedoch auf die Erneuerbaren in der Stromerzeugung. Man könnte unter der Überschrift ‚Renewable Energy’ noch andere Energieformen als Elektrizität verstehen. Insbesondere die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Energieträgern und Sub-Sektoren sowie der Verkehrssektor werden in dem Bericht zu wenig berücksichtigt. Letzteres insbesondere, da durch einen möglichen Durchbruch der Elektromobilität große Synergien zu Elektrizitätssystem erwartet werden können. Darüber hinaus würde dieser Durchbruch mit weiter fallenden Batteriepreisen verbunden sein, die wiederum die vielen Micro Grids in den untersuchten Ländern revolutionieren könnten, da Dieselgeneratoren wirtschaftlich nicht mehr mit Wind-Speicher- bzw. Solar-Speichersystemen konkurrieren könnten. Dies wird zwar in Kapitel 2 angesprochen, der mögliche durchschlagende Erfolg jedoch zu wenig hervorgehoben.“

„Der Durchbruch der Elektromobilität mag zwar in den meisten untersuchten Ländern heute noch nicht auf der politischen Agenda stehen, sinkende Batteriepreise und Modularisierung sowie Car-Sharing Konzepte und der wachsende Druck der Klimagasreduzierung könnte dies jedoch ändern. Im globalen Verkehrssektor reichen nämlich trotz erster Markterfolge von Elektrofahrzeugen die derzeitigen Anstrengungen der Emissionsminderung bei weitem nicht aus, um die Pariser Ziele zu erreichen. Insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung wird den Fahrzeugbestand in den entwickelnden Staaten ‚explodieren’ lassen. Derzeit gehen wir von einer Verdopplung des globalen Bestandes bis 2050 aus. Ein weiterer Zuwachs an Verbrennungsfahrzeugen – zusammen mit der Zunahme der Güterverkehre und des Flugverkehrs – wird zu einem weiteren Wachstum der CO2-Emissionen im Verkehrssektor führen. Dies ist dann eine dem Pariser Abkommen entgegengesetzte Entwicklung und wohl kaum volkswirtschaftlich effizient. Investitionen in Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien würden bei erfolgreicher Marktintegration von E-Pkw eine doppelte Dividende in beiden Sektoren (Elektrizität und Verkehr) haben. Durch flexible Aufladezeiten der E-Pkw könnte die Integration fluktuierender Erzeugung von Wind und Sonne unterstützt werden.“

Mögliche Interessenkonflikte

Alle: Keine angegeben.

Primärquelle

UN Environment et al. (2017): Global Trends in Renewable Energy Investment 2017.