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30.01.2020

Bienenkrankheiten mit Darmbakterien bekämpfen

Die beiden Bienenerreger Varroa-Milbe und das Krüppelflügelvirus lassen sich mit einem Bakterium besiegen. Damit könnte eine wirksame Methode gegen die beiden für Bienenvölker sehr gefährlichen Krankheitserreger gefunden sein. Zu diesem Ergebnis kommen US-amerikanische Wissenschaftler von der University of Texas in Austin. Sie generierten gentechnisch veränderte Darmbakterien, die – angesiedelt im Darm der Bienen – deren Abwehr gegen das Krüppelflügelvirus und Varroa-Milben stärkte.

Die Varroa-Milbe wurde in einer Langzeitstudie [1] im Jahr 2010 als Hauptgrund für das Schwinden vieler Bienenvölker in den Wintermonaten identifiziert. Sie wurde 1977 erstmals in Deutschland gefunden, nachdem der Parasit vermutlich aus Ostasien nach Europa eingeschleppt wurde. Neben einer direkten Schädigung geht ein hoher Milbenbefall mit einem erhöhten Risiko für Viruserkrankungen einher, wie zum Beispiel dem Krüppelflügelvirus (oder auch Flügeldeformations-Virus, DWV) [2].

Als Ansatz zur Bekämpfung der Krankheitserreger verwendeten die Forscher für ihre aktuelle Arbeit die Methode der RNA-Interferenz (RNAi), einen natürlichen Mechanismus, bei dem Gene stillgelegt werden. Sie veränderten Bakterien der Art Snodgrassella alvi, welche als natürlich vorkommende Symbionten im Mikrobiom der Bienen existieren. Diese Bakterien gaben im Darm der Tiere Ribonukleinsäure (RNA)-Moleküle ab, die zum Stilllegen von Genen der Varroa-Milbe oder des Krüppelflügelvirus führten. Die Bienen, welche die gentechnisch veränderten Bakterien über die Nahrung aufgenommen hatten, überlebten unter den experimentellen Laborbedingungen eine Virusinfektion deutlich länger. Auch starben die Varroa-Milben schneller ab, wenn sie Bienen parasitierten, die die Bakterien gefressen hatten.

Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler im Fachjournal „Science“ (siehe Primärquelle).

 

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Dr. Randolf Menzel, Professor emeritus und Arbeitsgruppenleiter am Institut für Biologie – Neurobiologie, Freie Universität Berlin
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  • Prof. Dr. Robert Paxton, Leiter der Arbeitsgruppe Allgemeine Zoologie, Institut für Biologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Mitglied Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
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Statements

Prof. Dr. Dr. Randolf Menzel

Professor emeritus und Arbeitsgruppenleiter am Institut für Biologie – Neurobiologie, Freie Universität Berlin

„In dieser Arbeit wird nachgewiesen, dass genetische Information mit einem Bakterium, dass im Darm von Bienen natürlicherweise vorkommt, sowohl auf einen Parasiten von Bienen (Varroa) wie auch auf die Bienen selbst übertragen werden kann. Diese Methode ist nicht neu, wurde aber bisher bei Bienen noch nicht erfolgreich angewandt. Welche Wirkungen mit diesem Vorgang in Parasiten oder in Bienen ausgelöst wird, hängt von der in einer doppelsträngigen RNA gespeicherten Information ab. Daher ist es möglich, verschiedenartige Wirkungen zu erzielen. In der Studie wird nachgewiesen, dass damit die Infektionsrate eines von Varroa übertragenen Virus reduziert, die Vermehrungsrate von Varroa reduziert wird und hormonell gesteuerte Vorgänge in der Biene erzielt werden können. Da es sich bisher um eine Laborstudie mit einer geringen Zahl von Bienen handelt, lässt sich nicht sagen, ob damit eine wirksame Bekämpfung von Virus- und Varroa-Infektionen erreicht wird. Es lässt sich auch nicht abschätzen, ob die Herstellung der notwendigen RNA-Moleküle mit vertretbaren Kosten und der nötigen Spezifität möglich ist. Von einem Durchbruch der Virus- und Varroa-Bekämpfung kann man daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgehen. Weiterhin bleibt offen, ob sich die Methode auf andere Bienenkrankheiten übertragen lässt.“

„Die Methode beruht auf der Herstellung von genetisch veränderten Bakterien. Anders als in der Arbeit dargestellt, kann man meiner Meinung nach nicht davon ausgehen, dass diese Bakterien nicht auf andere Bienenvölker übertragen werden, denn Bienen verfliegen sich zwischen den Völkern. Da Bakterien außerordentlich schnell mutieren, lässt sich auch nicht ausschließen, dass diese Bakterien die Wirkungen auf andere Tiere und den Menschen übertragen, wenn diese die Bakterien aufnehmen. Welche Auswirkungen damit verbunden sein können, ist nicht vorherzusehen. Auch die ökologischen Auswirkungen lassen sich nicht überschauen, weil es unbekannt ist, ob nicht auch andere Insekten über diese Darmbakterien verfügen und ob die Bakterien nicht doch auch außerhalb des Darms überleben. Aus diesen Gründen halte ich die Anwendung dieser Methode außerhalb des Labors für nicht verantwortbar.“

Prof. Dr. Robert Paxton

Leiter der Arbeitsgruppe Allgemeine Zoologie, Institut für Biologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Mitglied Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig

Prof. Paxton hat den parallel erscheinenden ‚Perspective‘-Artikel „A microbiome silver bullet for honey bees“ verfasst [3].

„Der Artikel von Leonard et al. in ‚Science‘ bietet zum ersten Mal eine mögliche kurz- bis mittelfristige Lösung für das wichtigste Problem der Honigbienen und Imker auf der ganzen Welt: Die Kontrolle der Varroa-Milben und der Viren, insbesondere des Krüppelflügelvirus (DWV), die sie übertragen. Obwohl die in der Forschung angewandten Methoden an sich nicht neu sind – nämlich (i) die gentechnische Veränderung von Genen in Bakterien, die doppelsträngige RNA (dsRNA) exprimieren können, und (ii) die Stimulierung des RNA-Interferenz-Mechanismus (RNAi) eines Insekts zur Zerstörung der dsRNA – ist es das Genie von Leonard et al., dass sie ihre detaillierten Kenntnisse des Mikrobioms des Honigbienen-Darms genutzt haben, um Gene in eines seiner ständigen Mitglieder einzubauen: das Bakterium Snodgrassella alvi. Dies bedeutet, dass sich das GVO-Bakterium (GVO: gentechnisch veränderter Organismus; Anm. d. Red.) leicht in der Wirtshonigbiene etabliert, theoretisch in der Biene stabil bleibt, zwischen allen Nestmitgliedern und möglicherweise auch auf Honigbienen aus benachbarten Bienenvölkern übertragen wird. Es ist billig, schnell, wirksam und langlebig.“

„Kurz- bis mittelfristig – also in den nächsten Jahren – verspricht der Ansatz ein Ende der Varroa-Milben und des Krüppelflügelvirus. Natürlich müssen die Laborexperimente, die die Autoren mit Bienen in Käfigen durchgeführt haben, in großen Bienenvölkern mit bis zu 50.000 erwachsenen Honigbienen wiederholt werden, um zu sehen, ob der Ansatz im Feld funktioniert. Außerdem halte ich es für wichtig, zu bestimmen, ob Bakterien oder die von ihnen exprimierte dsRNA in die Larven und Puppen der Honigbienen eindringen können, wo sich die Varroa-Milbe und das Virus vermehren. Bis Varroa oder das Krüppelflügelvirus eine Resistenz gegen die Designer-dsRNA entwickelt haben, bietet der Ansatz ein großes Versprechen, um Honigbienen und Imker von ihren beiden Hauptplagen zu befreien.“

„Da der Ansatz von Leonard et al. die traditionelle GVO-Technologie verwendet, gibt es natürlich eine ethische Frage, ob er das Risiko birgt, ‚fremde Gene‘ in die Umwelt freizusetzen. Das von Leonard et al. ausgewählte Bakterium gilt als spezifisch für die Eingeweide von Honigbienen und es ist daher unwahrscheinlich, dass es ‚entweicht‘. Aber die Varroa- und Krüppelflügelvirus-Gene, die in sie eingebaut wurden, befinden sich auf sogenannten Plasmiden. Bakterien sind dafür bekannt, dass sie Plasmide beim sogenannten ‚horizontalen Gentransfer‘ austauschen. Ich denke, wir brauchen einige strenge empirische Studien in geschlossenen Systemen mit großen Honigbienenvölkern, die mit GVO-Bakterien gefüttert werden, um zunächst zu prüfen, ob Gene entweichen können, bevor der Ansatz, so vielversprechend er auch sein mag, im Feld eingesetzt wird.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Robert Paxton: „Bitte bemerken Sie, dass ich Autor des ‚Perspektiven’ bin.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten. 

Primärquelle

Leonard SP et al. (2020): Engineered symbionts activate honey bee immunity and limit pathogens. Science. DOI: 10.1126/science.aax9039.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[1] Deutsches Bienenmonitoring (2010): Schlussbericht: Deutsches Bienenmonitoring-„DeBiMo“.

[2] Deutsches Bienenmonitoring (2011): Bienenkrankheiten und Winterverluste.

[3] Paxton R (2020): A microbiome silver bullet for honey bees. Science. DOI: 10.1126/science.aba6135.