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09.09.2019

Batterien oder künstliche Treibstoffe für Autos?

Synthetische Treibstoffe, die mit Hilfe von Strom zum Beispiel aus pflanzlichen Rohstoffen oder Kohlendioxid gewonnen werden, gelten zwar als teuer, aber dennoch als praktikabelste Lösung für die Luftfahrt oder den LKW. Für den PKW dagegen gilt derzeit das Batterie-elektrische Fahrzeug als sinnvollste Technik. Forscher aus Finnland und Großbritannien haben nun einen Vergleich der verschiedenen Treibstoffe unternommen und kommen zu den Ergebnissen: Auch für den PKW wären synthetische Treibstoffe eine sinnvolle Lösung, wenn der PKW nur lange Strecken fahren soll; der Klimaschutz dieser Treibstoffe hängt jedoch noch viel mehr von der umweltfreundlichen Stromerzeugung ab und alle Alternativen für Benzin oder Diesel würden einen Öl- oder CO2-Preis von mehr als 100 US-Dollar pro Tonne benötigen. Außerdem sei es derzeit schwer vorstellbar, wie die für die Erzeugung von synthetischen Treibstoffen notwenigen Strommengen zusätzlich erzeugt werden sollten.

 

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Felix Creutzig, Leiter der Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH (MCC), Berlin
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  • Dr. Jonathan Köhler, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe

    Allgemein zum Thema synthetische Treibstoffe oder Batterien als Energiequelle für Fahrzeuge:
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  • Prof. Dr. Manfred Fischedick, Vizepräsident, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Wuppertal
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Statements

Prof. Dr. Felix Creutzig

Leiter der Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH (MCC), Berlin

„Die Studie vergleicht Biomasse-basierte Treibstoffe, elektrisch produzierte flüssige Treibstoffe und Batterie-elektrische Fahrzeuge. Die Zahlen sind solide und im Großen und Ganzen mit der bekannten Literatur übereinstimmend. Allerdings sind in vielen Fällen die Lebenszyklus-Emissionen der Biomasse höher als in der Studie angenommen; damit wäre der Klimaschutzeffekt von Biomasse-basierten Treibstoffen auch etwas geringer als hier berechnet. Umgekehrt sind die Kosten für die Batterien konservativ dargestellt. Der für 2022 erwartete Kostenfaktor ist schon jetzt fast erreicht. Damit sind auch Batterie-elektrische Fahrzeuge wettbewerbsfähiger als in der Studie berechnet.“

„Die Kernbeobachtung ist richtig: Batterie-betriebene Fahrzeuge sind vor allem für kürzere Reichweiten am sinnvollsten. Für längere Reichweiten rechnen sich dagegen flüssige Treibstoffe. Allerdings wäre hier vor allem auf Hybridkonzepte zu setzen, die Batterie-elektrische Fahrzeuge mit Wasserstoff oder Synfuels kombinieren. Für den Stadtverkehr und 80 Prozent aller zurückgelegten Strecken würden Batterien ausreichen, auch wenn die Kapazität nur auf 150-200 Kilometer angelegt ist. Für längere Entfernungen werden dann andere Treibstoffe zusätzlich genutzt.“

„Insgesamt stellt die Studie heraus, dass keine einzige technologische Option unproblematisch ist. In diesem Kontext sind Studien wichtig, die zeigen, dass Carsharing und Carpooling mit nur 5-10 Prozent der Fahrzeuge mindestens die gleiche Mobilität in Städten bereitstellen kann, die bisher mit Privatautos abgedeckt wird. Langstreckenfahrzeuge werden damit nur noch für Langstrecken gebraucht und nicht wie heutzutage vor allem für Kurzstrecken. Innenstädte könnten autofrei gestaltet werden. Politisch sollte also die Mobilität als Dienstleistung vorrangig gedacht werden; damit können wir es schaffen, sparsam mit Energie- und Materialressourcen umzugehen.“

„Im Lieferverkehr stellt der Oberleitungs-LKW eine kostengünstige Alternative dar. Der Staat könnte in Zeiten der Rezession die dafür zuständigen Infrastrukturen finanzieren – und die Ausgaben später über Nutzungsgebühren zurückgewinnen.“

Dr. Jonathan Köhler

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe

„Das Papier ist eine kurze, aber nützliche Zusammenfassung der relativen Kosten und der Praktikabilität von kohlenstoffarmen Alternativtreibstoffen für Fahrzeuge. Das Papier nutzt die veröffentlichten Daten gut und fasst die Daten für Fahrzeuge gut zusammen. Es konzentriert sich auf kurz- und mittelfristige Entwicklungen und nicht auf langfristige Potenziale. Die Diskussion vergleicht Batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) mit kohlenstoffneutralen synthetischen Kraftstoffen und vergleicht deren Kosten über verschiedene Reichweiten und Batteriepreise. Der Vergleich ist insofern eingeschränkt, da es nur begrenzte Informationen über Kostensenkungen bei vermehrtem Einsatz CO2-neutraler, nachhaltiger Kraftstoffe gibt. Die allgemeine Schlussfolgerung der Autoren lautet, dass BEV für den Fernverkehr nicht wettbewerbsfähig sein werden, doch sie diskutieren nicht die Konsequenzen daraus, etwa Möglichkeiten zur Überwindung der Leistungsbeschränkungen von Batterien, wie zum Beispiel eine andere Infrastruktur zum Aufladen von BEV oder leichtere Fahrzeuge.“

„Die Verwendung der IEA-Szenarien (Internationale Energie Agentur, Anm. der Red.) impliziert die Annahme, dass die Energieeffizienz von Fahrzeugen sich nur wie in der Vergangenheit verbessern wird, statt in der Annahme einzubeziehen, dass der Einsatz von Leichtbaumaterialien maximiert oder die Fahrzeuggeschwindigkeit begrenzt werden könnte, was den Anstieg des Energiebedarfs erheblich reduzieren könnte. Es gibt auch eine weitere große Unsicherheit, die nicht im Detail diskutiert wird – die Zunahme des Energiebedarfs im Verkehrswesen insbesondere in Indien und China, wo ein großer Teil der Bevölkerung, die viele 100 Millionen Menschen repräsentiert, durchaus reich genug werden kann, um sich ihre eigenen Fahrzeuge zu leisten. Wenn diese potenziell starke Zunahme der globalen Flotte aus Fahrzeugen mit erheblichen Treibhausgasemissionen besteht, könnte es zu einem merklichen Anstieg der globalen Emissionen kommen. Diese Länder haben jedoch unterschiedliche Eigentumsverhältnisse und die Möglichkeit, ein kohlenstoffarmes Verkehrssystem zu entwickeln. Indien und China entwickeln nicht nur Batterie-elektrische Autos und kleine Elektrofahrzeuge wie zum Beispiel Roller. China baut das Eisenbahnnetz auch stark aus. Diese Entwicklungen könnten ein Transportsystem mit deutlich geringeren Emissionen ermöglichen.“

„Ein sekundärer Punkt des Papiers ist die Frage der kohlenstoffarmen Luftfahrt. Hier ist die Entwicklung klimaneutraler Biokraftstoffe auch längerfristig die derzeit realistischste Option, da die Kosten für die Entwicklung von sehr emissionsarmen Flugzeugen massiv sind.“

Prof. Dr. Manfred Fischedick

Vizepräsident, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Wuppertal

Allgemein zum Thema synthetische Treibstoffe oder Batterien als Energiequelle für Fahrzeuge:

„Für den Güterverkehr gilt wie für den MIV (Motorisierter Individualverkehr, Anm. d. Red.) auch, dass hinreichend ambitionierte Klimaschutzziele nur über einen Maßnahmenmix erreicht werden können. Dies schließt für den Güterverkehr auch Maßnahmen der Verkehrsvermeidung und -Verlagerung ein, so zum Beispiel durch eine stärker regionale Produktion von Gütern über Industrie 4.0 und eine Verlagerung auf die Bahn durch einen mutigen Ausbau.“

„Der Charme des Einsatzes von synthetischen Kraftstoffen liegt in der Möglichkeit, auf der heutigen Infrastruktur aufbauen zu können. Klar nachteilig wirkt sich der im Vergleich zur direkten Elektrifizierung des Güterverkehrs der um den Faktor 5-7 höhere Strombedarf aus, der auf die Umwandlungsverluste bei der Herstellung des Kraftstoffs und dem gegenüber dem Elektromotor deutlich geringeren Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors zurückzuführen ist.“

„Große Potenziale sehe ich zudem für die Elektrifizierung der Autobahnen über Oberleitungssysteme wie sie für Busse in einigen Städten etabliert sind. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass über Autobahnen rund drei Viertel des Güterverkehrs in Deutschland abgewickelt wird.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Felix Creutzig: „Ich erkläre hiermit, dass ich keinen Interessenkonflikt habe.“

Alle anderen: Keine angegeben.

Primärquelle

Hannula I, Reiner, DM (2019): Near-Term Potential of Biofuels, Electrofuels, and Battery Electric Vehicles in Decarbonizing Road Transport. Joule (2019); DOI: 10.1016/j.joule.2019.08.013. .