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07.04.2022

Setzt der Entwurf für das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz die richtigen Akzente?

Das Bundekabinett hat am 07.04.2022 das „Osterpaket“ angenommen, die Gesetze gehen damit in den Bundestag. Der Entwurf zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) [I] legt unter anderem als Ziel die „Transformation zu einer nachhaltigen und treibhausgasneutralen Stromversorgung, die vollständig auf erneuerbaren Energien beruht“ fest; sie soll bis 2035 erreicht sein. Weiter definiert die Novelle den Bau und den Betrieb der Anlagen als „im überragenden öffentlichen Interesse“ liegend und der „öffentlichen Sicherheit“ dienend und gibt deutlich erhöhte Ausbaupfade sowie Stromerzeugungsziele für Erneuerbare vor.

Wir hatten bereits den Referentenentwurf zum EEG 2023 einschätzen lassen. Weil der Gesetzvorschlag gegenüber dem Referentenentwurf [II] in einigen Punkten leicht geändert wurde, haben wir die Forscher gebeten, ihre Statements zu prüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren.

Im Folgenden finden Sie die aktualisierten Statements, die sich auf das vom Bundeskabinett angenommene Gesetz beziehen. Falls Sie zum Vergleich die Statements vom 17.03.2022 zum Referentenentwurf lesen möchten, finden Sie diese hier.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Manfred Fischedick, Wissenschaftlicher Geschäftsführer, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Wuppertal, und Professor an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften (Schumpeter School of Business and Economics) an der Bergischen Universität Wuppertal
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  • Prof. Dr. Andreas Bett, Institutsleiter, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, Freiburg
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  • Prof. Dr. Michael Sterner, Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher FENES, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg
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Statements

Prof. Dr. Manfred Fischedick

Wissenschaftlicher Geschäftsführer, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Wuppertal, und Professor an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften (Schumpeter School of Business and Economics) an der Bergischen Universität Wuppertal

„Mit dem Entwurf des Gesetzes werden wichtige Schritte für einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien gemacht – Schritte, die längst überfällig gewesen sind und Jahre vorher hätten kommen müssen. Ob sie ausreichen werden, die von der Bundesregierung angestrebte Ausbaudynamik zu erreichen, indem Investitionsanreize geschaffen werden und Planungs- und Genehmigungszeiten drastisch verkürzt werden, bleibt abzuwarten, kann aber eher als unsicher gelten.“

„Der notwendige Ausbau erneuerbarer Energien hängt ganz auch entscheidend davon ab, ob ein breiter gesellschaftlicher Rückhalt dafür besteht und letztlich eine Bereitschaft, Einzelinteressen mit Blick auf das übergeordnete Ziel hintenanzustellen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Wann, wenn nicht jetzt? Das heißt unter dem immensen Druck von Klimaschutzanforderungen und Energieversorgungssicherheitsrisiken soll ein Ruck durch die Gesellschaft gehen und eine Bereitschaft, die Gemeinschaftsaufgabe mit anzupacken. Die Politik muss dafür den richtigen Rahmen setzen.“

„Grundsätzlich muss eine Lehre für die Politik aus dem nicht hinreichenden Klimaschutztempo und der kritischen Versorgungssituation sein, nicht nur den Ausbau erneuerbarer Energien noch einmal deutlich zu forcieren. Man muss auch die Bemühungen im Bereich Energieeinsparung und Energieeffizienz, vor allem auch Stromeffizienz – dies schließt energiebewusstes Verhalten, das heißt nicht-technische Maßnahmen mit ein –, stärken, die in den vergangenen Jahren eher stiefmütterlich betrachtet worden sind. Denn diese beiden Strategien dienen sowohl dem Klimaschutz als auch der Verringerung unserer Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle. Und auch ökonomisch zahlt sich das aus, denn viele Energieeffizienzmaßnahmen und auch der Ausbau erneuerbarer Energien sind heute kostengünstiger als der Aufbau neuer Energieversorgungsoptionen aus fossiler Energie. Sie schaffen zudem keine Gefahren, sich in neue Pfadabhängigkeiten zu begeben und als stranded assets zu enden.“

Prof. Dr. Andreas Bett

Institutsleiter, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, Freiburg

„Der Entwurf zur Änderung des EEG markiert eine Zeitenwende für die Energiewende. Nachdem lange Zeit eine Umsetzung der Energiewende durch die Vorgaben der Regierung eher gebremst wurde, werden mit dem Entwurf die richtigen Ansätze für eine Beschleunigung der Energiewende gewählt. Die Zielkorridore für den Ausbau und für die notwendigen Strommengen sind richtig gesetzt. Ob die gesetzten finanziellen Anreize für Investoren ausreichend gewählt sind, muss die Praxis zeigen. Positiv ist, dass ein kontinuierliches Monitoring mit Möglichkeiten zur schnellen Anpassung durch Erhöhung von Vergütungen oder Aussetzung der Degression vorgesehen wurde, sodass damit die Ausbauziele auch erreicht werden.“

Auf die Frage, welche Bestimmungen zu einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien führen werden und gut gelungen sind:
„Die Anerkennung in § 2, dass Erneuerbare Energien im überragenden öffentlichen Interesse sind und der öffentlichen Sicherheit dienen sowie die neu formulierten Ausbauziele in § 4 geben einen verlässlichen Rahmen für die Wirtschaft, um zu investieren und den Markt zu entwickeln. Die aktualisieren Annahmen für die künftigen Strombedarfsmengen in § 4a sind ein Schritt in die richtige Richtung, um die stärkere Elektrifizierung des Gesamtenergiebedarfs zu berücksichtigen.“

„Bürgerenergieprojekte von der Ausschreibung auszunehmen und die finanzielle Beteiligung der lokalen Gemeinden für Photovoltaik (PV)-Freiflächenanlagen ist positiv zu bewerten und wird den Ausbau der Erneuerbaren Energien sicherlich beschleunigen.“

„Innovationsauschreibungen für neue Technologieoptionen sind wichtig und es ist begrüßenswert, dass diese Berücksichtigung finden. Der Übergang der Agri-PV (gleichzeitige Nutzung einer Fläche für Landwirtschaft und Energiegewinnung durch PV; Anm. d. Red.) aus der Innovationsausschreibung ins erste Segment des EEG und damit zum eigenen Fördertatbestand ohne Erfordernis einer Anlagenkombination ist ein wichtiger Schritt für eine effizientere Landnutzung und Erweiterung der Flächenkulisse für den Ausbau Erneuerbarer Energien.“

Auf die Frage, welche Bestimmungen unbedingt überarbeitet werden sollten, weil die Folgen kontraproduktiv für die Energiewende sind oder sein können:
„Es fehlen Regelungen zur Nutzung von elektrischen Großspeichern, die wir als wichtiges Element beim weiteren Ausbau der erneuerbaren Energieversorgung sehen.“

Prof. Dr. Michael Sterner

Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher FENES, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg

„Negativ am Gesetzentwurf ist: Neben Wind und Solar braucht es auch Backup-Kraftwerke, vor allem wenn wir aus Atom, Kohle, Öl und Gas rausgehen in der Stromerzeugung. Im neuen EEG sind Anreize für Wasserstoff enthalten für aufwändige lokale Speicherung, aber nicht technologieoffen für Gasnetze, wo die Gasspeicher schon vorhanden sind. Rein ideologisch werden diese nicht genutzt über Power-to-Gas, was in diesen Krisenzeiten nicht angemessen ist. Das engt Innovationen wieder unnötig ein.“

„Sehr positiv am Gesetzentwurf ist: Die Verankerung des Grundsatzes ‚die Nutzung erneuerbarer Energien liegt im überragenden öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit‘ ist ein wahrer Meilenstein und Gordischer-Knoten-Löser im Ausbau erneuerbarer Energien. Damit werden die Prioritäten richtig gesetzt und viel zeitaufwendiges Klein-Klein wird beiseitegelegt und richtig eingeordnet. Das wird ein richtiger Booster für den Ausbau von erneuerbaren Energien sein.“

Auf die Frage, welche Bestimmungen zu einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien führen werden und gut gelungen sind:
„Es ist sehr zu begrüßen, dass endlich die Bedeutung heimischer erneuerbarer Energien die Aufmerksamkeit erhält, die ihr angesichts von Klima- und Versorgungskrise gebührt. Hier ist vor allem der anvisierte Bürokratieabbau dienlich. Es ist aber auch klar, dass diese Maßnahmen mittel- bis langfristig wirken und nicht innerhalb eines Jahres Versäumnisse der unionsgeführten Bundes- und Landesregierungen in der Energiepolitik der vergangenen Jahrzehnte aufgeholt werden können.“

„Sehr positiv und passend ist die Feststellung, dass erneuerbare Energien der öffentlichen Sicherheit dienen. Damit ist zu hoffen, dass wesentliche Gründe für den gebremsten Ausbau aus Denkmalschutz und Artenschutz neubewertet werden. Auch alle anderen Maßnahmen zur Förderung von Wind- und Solarenergie sind im Zeitgeist: Bei den aktuellen Energiepreisen ist es für alle wirtschaftlich, alle Dächer mit Photovoltaik voll zu machen und auch in die Flächen zu gehen. Es gibt keine ökonomisch und ökologisch sinnvollere Nutzung als Freiflächen-Photovoltaik und Windkraft. Und es bleibt immer genügend Fläche für Nahrung und Futtermittel, die sich wenn dann wegen zu hohen Samen- und Düngemittelkosten und der Weltmarktsituation verteuern, nicht aufgrund des Ausbaus von Wind und Solar.“

„Gleichwohl lässt sich die Energieversorgung nicht auf dem Reißbrett umsetzen. Daher ist die stärkere finanzielle Beteiligung von Bürgern und Kommunen zentral und richtig, denn sie sorgt im Gegensatz zu Abstandsregeln für Akzeptanz und Umsetzung. Die Praxis in Franken zeigt, regionale Stromtarife für Anwohner sind tolle Lösungen: Je näher man an der Windkraft wohnt, desto günstiger der Stromtarif.“

Auf die Frage, welche Bestimmungen unbedingt überarbeitet werden sollten, weil die Folgen kontraproduktiv für die Energiewende sind oder sein können:
„Unsere wissenschaftlichen Modelle zeigen, dass ein klimaneutraler Stromsektor bis 2030 elementar ist für die über Strom und Wasserstoff angeschlossenen Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie. Anders ist das 1,5-Grad-Ziel nicht zu erreichen. Angesichts der Restriktionen von Materiallieferungen und Bauzeiten sind die im Referentenentwurf angestrebten 80 Prozent erneuerbarer Energien bis 2030 aber dennoch ambitioniert.“

„Dem ambitionierten Ausbau widerspricht aber, dass nach § 37-39 fast alle maximalen Vergütungen für große PV-, Wind- und Biomasseanlagen reduziert werden (zum Beispiel auf 5,9 Cent pro Kilowattstunde für PV), statt sie den steigenden Großhandelspreisen (17,9 Cent pro Kilowattstunde im vierten Quartal 2021) anzupassen.“

„Die neue Förderung ‚wasserstoffbasierter Stromspeicherung‘ laut § 28d wird sinnloserweise auf chemische Stromspeicher mit ‚Wasserstoff als Speichergas‘ eingeschränkt. Es fehlt die Methanisierung und technisch sinnvolle Konzepte wie Power-to-Gas, welche Teil der bisherigen Definition von Speichergas waren. Darüber kann ein vollwertiger Erdgasersatz als erneuerbares Gas erzeugt werden, der eins zu eins in der Gasinfrastruktur gespeichert und transportiert werden kann und ebenso über die vorhandenen Gaskraftwerke und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ohne Umrüstung rückverstromt werden kann.“

„Technisch absolut unsinnig ist, dass neue Biomethananlagen nach § 39k ab 2023 den Nachweis beifügen müssen, dass sie ab 2028 ‚Strom ausschließlich auf Basis von Wasserstoff gewinnen können.‘ Dann wäre die sinnvolle Verwertung von Abfällen außen vor. Wir brauchen in diesen Zeiten technologieneutral alle Lösungen, die russisches Gas ersetzen, nicht nur die reine Lehre.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Gesetzentwurf der Bundesregierung (2022): Entwurf eines Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor.

[II] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (04.03.2022): Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes und anderer Vorschriften. Referentenentwurf.