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29.11.2022

COP15: großer Streit um genetische Datenbanken

     

  • Zugriff auf bisher frei verfügbare genetische Informationen über Organismen könnte im Zuge der COP15 beschränkt werden
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  • Ziel ist, Ursprungsländer von genetischen Ressourcen an möglichen Profiten zu beteiligen
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  • Biodiversitätsforschende kritisieren den Vorschlag scharf und sehen die Zukunft ihrer Arbeit in Gefahr
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Auf der UN-Biodiversitätskonferenz COP15 könnte der Zugang zu internationalen Datenbanken mit genetischen Informationen über Pflanzen, Tiere und Mikroben beschränkt werden [I]. Um diese sogenannten digitalen Sequenzinformationen ist in den Vorverhandlungen der COP15 ein großer Streit entbrannt. Dieser Streit, fürchten Forschende, könnte eine Einigung über neue Ziele für den globalen Biodiversitätsschutz maßgeblich behindern.

Befürworter der Beschränkung – vor allem Länder des globalen Südens – argumentieren, dass die Ursprungsländer von genetischen Ressourcen an Profiten teilhaben sollten, die daraus entstehen. Das ist etwa der Fall, wenn mithilfe solcher Ressourcen Chemikalien, Kosmetik oder Medikamente entwickelt werden. Für physische Proben gelten solche Regeln bereits seit 2014 [II], nicht aber für digitale Informationen über Organismen. Unter anderem indigene Völker und deren reiches Wissen über Pflanzen- und Tierarten sollen durch die Regelungen geschützt werden.

Auf der anderen Seite stehen unter anderem Biodiversitätsforschende, die die Zukunft ihrer Arbeit in Gefahr sehen: Der uneingeschränkte Zugang zu genetischen Daten sei für ihre Forschung essenziell – und damit für den Schutz der Artenvielfalt. Auf Profite sei diese Art von Forschung keineswegs aus.

Das SMC hat Forschende dazu befragt, welche Relevanz digitale Sequenzinformationen haben, warum das Thema so heiß umstritten ist und welche Konsequenzen eine Beschränkung des Zugriffs auf genetische Daten haben könnte.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Jörg Overmann, Wissenschaftlicher Direktor, Leibniz-Institut Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen, Braunschweig, und Professor für Mikrobiologie, Technische Universität Braunschweig
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  • Prof. Dr. Doris Schroeder, Professorin für Moralphilosophie und Direktorin des Centre for Professional Ethics School of Sport and Health Sciences, University of Central Lancashire, Vereinigtes Königreich
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  • Prof. Dr. Harald Meimberg, Professor amInstitut für Integrative Naturschutzforschung, Universität für Bodenkultur Wien, Österreich
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  • Dr. Jens Freitag, Leiter der Geschäftsstelle, Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), Gatersleben
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Statements

Prof. Dr. Jörg Overmann

Wissenschaftlicher Direktor, Leibniz-Institut Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen, Braunschweig, und Professor für Mikrobiologie, Technische Universität Braunschweig

„Unter Digitalen Sequenzinformationen (DSI) werden im Rahmen der Verhandlungen des Internationalen Übereinkommens zum Schutz der biologischen Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD)„ die Nukleotidsequenzen des Erbguts (DNA) von Lebewesen, ihre RNA sowie die Aminosäuresequenzen ihrer Proteine verstanden. Auch die in der Zelle gebildeten Stoffwechselprodukte – Metabolite – werden oft dazugezählt, obwohl es sich dabei nicht um Sequenzen handelt.“

„Digitale Sequenzinformationen sind unabdingbare Voraussetzung der modernen lebenswissenschaftlichen Forschung und Entwicklung. Sie dienen beispielsweise der Identifizierung neuer Arten, dem Biodiversitätsmonitoring und -schutz und der zuverlässigen Diagnose von Krankheiten. Neue Sequenzen können meist nur durch einen detaillierten Vergleich mit vorhandenen Sequenzen interpretiert werden. Dazu werden Nukleotid- und Aminosäuresequenzen seit Jahrzehnten in öffentlichen Datenbanken gespeichert und frei verfügbar gemacht, vor allem in den drei Datenbanken der International Sequence Database Collaboration, die durch die USA, Europa und Japan finanziert werden, jedoch für jeden Nutzer weltweit frei zugänglich sind. Millionen von Wissenschaftlern des globalen Südens erhalten so Zugang zur Digitalen Sequenzinformationen. Dort werden quantitativ deutlich mehr digitale Sequenzinformationen aus anderen Ländern genutzt, als in die Datenbanken eingespeist wird. Daher würde eine weltweite Abschaffung des freien Zugangs zu digitalen Sequenzinformationen die Benachteiligung der Entwicklungsländer deutlich verschärfen.“

„Digitale Sequenzinformationen fallen bisher nicht unter die Beschränkungen des seit 2010 bestehenden Nagoya-Protokolls. Dies ist eine Ergänzung zum Internationalen Übereinkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt, das den Zugang und Vorteilsausgleich bei der Nutzung von Organismen abhängig von bindenden Vereinbarungen mit dem Herkunftsland macht. Allerdings haben sich die teilweise hohen Erwartungen der Herkunftsländer an die finanziellen Einkünfte aus solchen Nutzungsrechten für ihre Organismen bisher kaum erfüllt. Viele Länder des globalen Südens fordern nun auch für die Nutzung und den Vorteilsausgleich von digitalen Sequenzinformationen eine international bindende Vereinbarung auf der Basis bilateraler, landesspezifischer Genehmigungsverfahren wie beim Nagoya-Protokoll. Sie machen dies zur Voraussetzung für ihre Zustimmung zu einer Rahmenvereinbarung zum globalen Biodiversitätsschutz. So ist der offene Zugang zu lebenswissenschaftlichen Daten zu einem zentralen Streitpunkt bei den laufenden internationalen Verhandlungen der UN geworden.“

„Entsprechend dem Nagoya-Protokoll benötigen Forschende für biologisches Material aus vielen Ländern Genehmigungen von den zuständigen Behörden. Forschende müssen also selbst herausfinden, welche Genehmigungen im Herkunftsland benötigt werden und sich diese besorgen. Verstöße werden mit empfindliche Strafen sanktioniert. Wissenschaftliche Publikationen verwenden aber Sequenzdaten aus bis zu 130 verschiedenen Ländern. Wären digitale Sequenzinformationen nicht mehr frei verfügbar, sondern erst nach Erteilung von Einzelgenehmigungen durch jedes einzelne Herkunftsland zugänglich, würde die Verarbeitung biologischer Daten wie bisher praktisch unmöglich. Denn vom Einzelfall abhängige Genehmigungsverfahren sind absolut unvereinbar mit dem existierenden System tausender weltweit verlinkter Sequenzdatenbanken, in denen Milliarden frei zugänglicher Sequenzen permanent ausgetauscht werden. Jedes andere System mit auch nur teilweise bilateraler Zugangskontrolle würde dieses effiziente und jahrzehntelang bewährte Fundament der weltweiten lebenswissenschaftlichen Forschung grundlegend in Frage stellen.“

„Bemerkenswerter Weise läuft die gegenwärtige Diskussion im Übereinkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt zur Beschränkung des freien Datenzugangs genau konträr zur Strategie des Bundes und der Länder, Datenbestände besser und schneller zu erschließen, zu vernetzen und für das deutsche Wissenschaftssystem nutzbar zu machen. Genau dazu wurde übrigens seit dem Jahr 2020 in Deutschland die Nationale Forschungsdateninfrastruktur etabliert und mit erheblichen Steuergeldern finanziert.“

„Neben der Erderwärmung stellt der fortschreitende Verlust der biologischen Vielfalt eine der größten globalen Herausforderungen für die Menschheit dar. Bei der COP15 muss nun dringend der Durchbruch hin zu einem effektiveren und globalen Biodiversitätsschutz gelingen. Dazu wird ein Mechanismus benötigt, der gleichzeitig den freien weltweiten Zugang zu digitalen Sequenzinformationen erhält und wirksame Aufbauhilfen und finanzielle Einkünfte für Herkunftsländer im Globalen Süden und ihre indigenen Völker sicherstellt. Die Gewinne bei der kommerziellen Nutzung offener digitaler Sequenzinformation lassen sich sinnvoll nur nachgelagert abschöpfen – also entkoppelt vom primären und ungehinderten Zugriff auf die Datenbanken, zum Zeitpunkt der Entwicklung und Vermarktung von Produkten und Verfahren. Deshalb hat eine große Gruppe internationaler Wissenschaftler aus 18 Ländern kürzlich einen Vorschlag für ein multilaterales System für den Vorteilsausgleich veröffentlicht [1]. Dieses kommt ohne ein komplexes bilaterales Kontrollsystem aus, ermöglicht einen offenen Zugang zu digitalen Sequenzinformationen sowie gleichzeitig eine faire Finanzierung des Biodiversitätsschutzes in Ländern des globalen Südens über einen zentralen Fonds.“

Prof. Dr. Doris Schroeder

Professorin für Moralphilosophie und Direktorin des Centre for Professional Ethics School of Sport and Health Sciences, University of Central Lancashire, Vereinigtes Königreich

Auf die Frage, was digitale Sequenzinformationen sind und wofür sie genutzt werden:
„Digitale Sequenzinformationen sind Informationen über genetische Ressourcen, die unabhängig von den Ressourcen selbst in der Forschung und Produktentwicklung benutzt werden können. Zum Beispiel können DNA-Spuren von diversen Tierarten im Wasser gefunden werden, in Seen oder in Wasserlöchern. Diese DNA wird Umwelt-DNA genannt und sie stammt zum Beispiel von Hautfetzen der Tiere. Wenn man diese DNA digital erfasst, erhält man digitale Sequenzinformationen, die man problemlos in Datenbanken speichern kann, was mit der Wasserprobe nicht möglich wäre.“

„Für den Umweltschutz können digitale Sequenzinformationen ein sehr wirkungsvolles Mittel sein, um Artenschutz-Informationen zu erhalten [2]. Welche Tiere waren an diesem Wasserloch und in welcher Anzahl? Man muss das Wasserloch noch nie gesehen haben, um diese Forschung auf einem anderen Kontinent durchführen zu können.“

„Das ist sehr positiv – und es gibt viele andere positive Beispiele [3] –, aber wenn digitale Sequenzinformationen kommerziell und über Landesgrenzen hinweg verwendet werden, kommt es zu möglichen Ungerechtigkeiten, die die Konvention für Biodiversität aus 1992 und das Nagoya-Protokoll aus 2010 eigentlich verhindern sollten.“

„Das Nagoya-Protokoll besagt, dass Forscher*innen und Entwickler*innen, die genetische Ressourcen benutzen, das Ursprungsland fair kompensieren müssen. Das können auch indigene Völker in diesem Land sein. Aber der Ursprung von digitale Sequenzinformationen ist deutlich schwieriger zu verfolgen als der Ursprung von physischen Proben tierischen oder pflanzlichen Ursprungs. Wer die Probe aus dem Wasserloch entnommen hat und sie in digitale Sequenzinformationen überführt hat, ist nicht unbedingt klar Noch weniger klar wird es, wenn viele Forscher*innen auf der ganzen Welt diese Probe aus einer Datenbank entnehmen und für ihre eigenen Zwecke nutzen. Was hat das Ursprungsland davon? Eventuell nichts. Und diese Ungerechtigkeit sollte das Nagoya-Protokoll eigentlich verhindern.“

Auf die Frage, wie sich der Zugriff auf digitale Sequenzinformationen durch die COP15 ändern könnte und warum dies so umstritten ist:
„Open Access (der freie Zugang zu wissenschaftlichen Materialien; Anm. d. Red.) ist eines der großen Ziele der Forschungspolitik. Die World Bank geht davon aus, dass Open Access erhebliche soziale, akademische und wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt, auch im Hinblick auf die weltweite Armutsbekämpfung [4]. Aber Open Access läuft der Konvention für Biodiversität und dem Nagoya-Protokoll entgegen. Daher ist das Thema so umstritten. Die Vorgehensweisen der beiden zu verbinden, scheint nicht möglich. Die COP15 soll Klärung schaffen. Verschiedene Expertengruppen haben im Zusammenhang mit der COP15 sieben Optionen für den Zugang zu Digitalen Sequenzinformationen ausgearbeitet. Die extremsten Positionen sind ,nichts tun‘ (Option 1) und keinerlei Kompensation für die Ursprungsländer (Option 5). Sollte sich Option 5 durchsetzen, könnten digitale Sequenzinformationen, die auf eine DNA-Probe aus einem der ärmsten Länder der Welt zurückgehen, gewinnträchtig in einem der reichsten Länder der Welt genutzt werden. Das Gegenteil von dem, was das Nagoya-Protokoll erreichen wollte.“

Auf die Frage, wie die aktuellen Verhandlungen mit dem Nagoya-Protokoll von 2010 zusammenhängen:
„Die Konvention für Biodiversität aus 1992 und das Nagoya-Protokoll aus 2010 sind in einer Welt entstanden als physische Materialproben aus kommerziellen oder forschungsrelevanten Gründen über Landesgrenzen transportiert wurden, zum Beispiel Pflanzenteile, Proben mit Mikroorganismen oder Tier-DNA. Digitale Sequenzinformationen von genetischen Ressourcen machen diesen Transport unnötig und damit machen sie es auch schwierig die derzeitigen Regelungen des Nagoya-Protokolls einzuhalten. Zum Beispiel besagt das Nagoya-Protokoll, dass Pflanzen-DNA nur mit einer Genehmigung aus dem Ursprungsland exportiert werden darf. Es wäre jedoch auch möglich, dass eine Person sich an das Nagoya-Protokoll hält und die Einwilligung für den Export belegen kann, die digitale Version der DNA dann aber anderen Forscher*innen zur Verfügung stellt, im Sinne von Open Access. Das wäre wiederum mit dem Ziel des Nagoya-Protokolls nicht konform, denn das Ursprungsland würde dann nicht mehr an zukünftigen Erträgen aus kommerzieller Produktentwicklung beteiligt.“

Auf die Frage, was eine sinnvolle und faire Regelung für den Zugang zu genetischen Ressourcen und digitalen Sequenzinformationen wäre:
„Im 21. Jahrhundert gibt es immer mehr politische, wirtschaftliche und juristische Probleme, in denen es keine mögliche Regelung gibt, mit der alle Beteiligten auch nur teilweise zufrieden wären. Open Access und das Nagoya-Protokoll stehen sich diametral entgegen. In solchen Situationen ist es meines Erachtens am wichtigsten, zu überlegen, welche Visionen und Ziele der ganzen Entwicklung zugrunde lagen. Dies sind: erstens, den rapiden Verlust der Biodiversität weltweit zu stoppen und zweitens, Fairness zur Grundlage des Ressourcen-Austauschs über Grenzen hinweg zu machen. Letzteres ist deshalb immer noch hochrelevant, weil die Geschichte des Ressourcen-Austauschs zwischen Nord und Süd von dramatischer Ausbeutung gekennzeichnet ist. Hochprominente Forscher*innen in dieser Debatte wagen es immer öfter zu fragen: Hat das Nagoya-Protokoll den massiven und unkontrollierten Verlust von Biodiversität gestoppt? Oder ist vielleicht die Implementation des Nagoya-Protokolls selbst so ressourcenintensiv, dass wichtige Gelder für den Umweltschutz fehlen [5]? Eine solche Frage ist sehr schwer zu beantworten, aber immerhin erinnert sie wieder an den Umweltschutz. Ich bin sehr gespannt zu welchen Entscheidungen COP15 kommen wird. Sollte Open Access zusammen mit dem ,Aufbau von Kapazitäten‘ (Option 4) gewinnen (gemeint ist stärkere internationale wissenschaftliche Kooperation und Unterstützung von Forschung in Ländern, in denen Ressourcen dafür fehlen; Anm. d. Red.), wird es möglicherweise Jahre dauern, bis man weiß, ob das die richtige Entscheidung für internationale Fairness und den Umweltschutz war. Aber immerhin könnte diese Lösung Ressourcen aus der komplizierten Implementation des Nagoya-Protokolls freistellen. Es würde jedoch Verlierer geben und möglicherweise sind indigene Völker darunter.“

Auf die Frage, welche Rolle indigene Völker in dieser Diskussion spielen:
„Die San Bevölkerung aus Südafrika, mit deren Berater und Anwalt ich seit fast 20 Jahren zusammenarbeite, ist ein gutes Beispiel für Gerechtigkeitsfragen, wie zum Beispiel Fragen um das Nagoya-Protokoll und dessen Implementation. Als eine der wenigen indigenen Völkergruppen der Welt haben die San mehrere erfolgreiche Benefit-Sharing-Vereinbarung abgeschlossen (die indigenen Völker werden dabei an Profiten beteiligt, die mithilfe ihres Wissens entstanden sind; Anm. d. Red.). Ein Beispiel ist das ,Rooibos Agreement‘ [6], das größte je von einer indigenen Gruppe abgeschlossene Benefit-Sharing-Vereinbarung nach den Richtlinien des Nagoya-Protokolls. Ein anderes Beispiel ist das Benefit-Sharing-Vereinbarung um die Pflanze Sceletium tortuosum (auch genannt Kanna, die Pflanze wird als traditionelles Heilmittel eingesetzt; Anm. d. Red.) [7]. In beiden Fällen ging es nicht um digitale Sequenzinformationen. Die Möglichkeiten zum weltweiten Zugriff auf digitale Sequenzinformationen könnte allerdings Benefit-Sharing-Vereinbarungen wie die beiden oben genannten in der Zukunft schwierig machen. Es könnte dann passieren, dass indigenes Wissen in kommerzielle Produkte einfließt ohne Profitbeteiligung oder andere Vorteile für die indigene Gruppe. Dies sollte das Nagoya-Protokoll verhindern und deshalb sind die Positionen zwischen Open Access und dem Nagoya-Protokoll so verhärtet. Beide Gruppen können behaupten, dass sie sich für Fairness und Umweltschutz einsetzen und keine Gruppe kann der anderen das Gegenteil beweisen.“

„Digitale Sequenzinformationen entkoppeln Forschung und Innovation von der Originalprobe – zum Beispiel einer Pflanzenprobe – und damit möglicherweise auch von den indigenen Völkern, die das Wissen über diese Pflanze erarbeitet haben. Ein Beispiel: Das Produkt Zembrin (www.zembrin.com; ein aus der Kanna gewonnenes pflanzliches Produkt, das bei Stress und Depression genommen werden kann; Anm. d. Red.) basiert auf traditionellem San-Wissen sowie wissenschaftlichen Untersuchungen. Allerdings kam die Initialzündung für die Forschung nicht von den San, sondern von einem amerikanischen Buch [8], das ein Medizinstudent 1986 in einer australischen Universität fand. Der Medizinstudent, ein Südafrikaner, war überrascht, einen Hinweis auf eine südafrikanische Pflanze zu finden (Sceletium tortuosum). Später fand er Investoren, um sowohl die weitere Erforschung des traditionellen Wissens der San als auch wissenschaftliche Studien über die Pflanze zu finanzieren. Die darauffolgende Produktentwicklung war erfolgreich und gleichzeitig wurde eine Benefit-Sharing-Vereinbarung getroffen. Mit dem offenen Zugang zu Digitalen Sequenzinformationen könnte sich diese Situation drastisch verändern. Wie dieses Beispiel zeigt, stammt das Wissen über potenzielle Wirkstoffe einer bestimmten Pflanze nicht von den San, sondern aus einem botanischen Buch. Reisende Botaniker haben seit Jahrhunderten traditionelles Wissen über Pflanzen schriftlich festgehalten. Kombiniert man dieses Wissen aus Büchern mit freiem Zugang zu Digitalen Sequenzinformationen ist eventuell kein Kontakt mit der jeweiligen indigenen Bevölkerung mehr notwendig. Das würde bedeuten, dass es jetzt viel einfacher wäre, die Anforderungen des Nagoya-Protokolls für das Benefit Sharing mit indigenen Völkern zu umgehen.“

Prof. Dr. Harald Meimberg

Professor amInstitut für Integrative Naturschutzforschung, Universität für Bodenkultur Wien, Österreich

„Digitale Sequenzinformation, kurz DSI, bezeichnet die als Text kodierte Basenabfolge von DNA, wenn sie in dieser Form zusammen mit Metainformation gespeichert ist. Die Bezeichnung wird in der Politik vor allem im Zusammenhang mit den frei zugänglichen Sequenzdatenbanken verwendet. Diese sammeln als Forschungsinfrastruktur Sequenzinformation und stellen sie – einschließlich Analysemöglichkeiten – der Gesellschaft zur Verfügung. Heute enthalten die Datenbanken circa 228 Millionen annotierte Sequenzen, denen Funktion oder Struktur zugeordnet wurde [1].“

„Die Datenbanken haben den Charakter einer frei zugänglichen Infrastruktur, bei der ein direkter finanzieller Nutzen nicht im Vordergrund steht. Die zur Verfügungstellung der Sequenzen im Zusammenhang mit Veröffentlichungen hat keine finanziellen Vorteile des Datenbankanbieters oder des Autors der Sequenzen zur Folge. Der Nutzen ist eher in grundlegendem Erkenntnisgewinn zu sehen, der neben Grundlagenforschung auch langfristig die Entwicklung von Anwendungen unterstützt. Die augenfälligste Anwendung wird in der Züchtung gesehen, auf die in den Dokumenten auch gerne verwiesen wird [9]. Allerdings bezweifele ich, dass die alleinige Nutzung von öffentlich zugänglichen Informationen zur Marker-gestützten Selektion dafür ausreicht. Daher ist immer biologisches Material als genetische Ressource notwendig. Dieses unterliegt derzeit den Beschränkungen des Nagoya-Protokolls. Der wahre Wert der Datenbanken liegt in ihrem Potenzial als Forschungs- und Innovationsmotor und nicht in der Kommerzialisierung [10].“

„Die Wichtigkeit dieser Infrastruktur für die biologische Forschung kann nicht genug betont werden. Allen biologischen Prozessen liegen Prinzipien auf DNA-Ebene zugrunde, nicht nur um die Funktion des Individuums zu erklären, sondern auch die Reaktion von Individuen und Populationen auf die Umwelt, deren ökologische Interaktionen und deren Evolution. Die Datenbanken sind daher ein integraler Bestandteil fast aller biologischen Disziplinen, vor allem, weil sie einen umfassenden Vergleich von Sequenzen erlauben. Nur durch diesen Vergleich kann mit Sequenzen sinnvoll gearbeitet werden [8]. Durch eine Einschränkung des Zugangs würden diese Vergleichsmöglichkeiten behindert. Vor allem ist eine individuelle Regulierung – wie für genetische Ressourcen – nicht praktikabel.“

„Das Nagoya-Protokoll reguliert den Transfer von biologischem Material, welches als genetische Ressource eingesetzt werden kann. Nach dem derzeitigen Stand werden digitale Sequenzinformationen dieser Ressourcen, wenn sie Teil einer Veröffentlichung sind, ebenfalls veröffentlicht und können so weiterbearbeitet werden. Es besteht daher Uneinigkeit darüber, ob digitale Sequenzinformation Teil der von Nagoya betroffenen genetischen Ressource ist [11]. Das Problem ist, dass der Begriff ,genetische Ressource‘ sehr weit gefasst wird, so dass biologisches Material auch dann einbezogen wird, wenn die Entwicklung einer Anwendung daraus sehr unwahrscheinlich ist. Daher würden strenggenommen alle digitale Sequenzinformationen kontrolliert und das derzeitige produktive System der biologischen Forschung unmöglich gemacht. Damit besteht die Gefahr, dass alle Forschung an biologischem Material stark eingeschränkt wird, nicht nur Bereiche bei denen gewinnbringende Anwendungen entwickelt werden könnten, sondern auch Taxonomie, Ökologie und alle biodiversitätsrelevante Grundlagenforschung – dies in einer Zeit, in der aufgrund der Biodiversitätskrise das Füllen von Wissenslücken in diesem Bereich besonders wichtig ist.“

„Verschiedene Vorschläge für Politikoptionen wurden für das post-2020 Global Biodiversity Framework erarbeitet [9]. Sie reichen vom Status Quo – den jetzigen Zustand zu belassen –, über verschiedene Formen des Ausgleichs und der Zugangs-Möglichkeiten und monetären Lösungen, bis zur maximalen Anwendung des Nagoya-Protokolls. Letzteres hieße, dass digitale Sequenzinformationen wie die genetische Ressource selbst behandelt würden, was für jede Weitergabe der Information ähnliche Unterlagen verlangen würden wie für die Weitergabe von Material. Diese Extrempositionen werden allerdings als ungeeignet angesehen.“

„Dennoch besteht die Gefahr, dass eine Reglementierung die Funktionalität der Datenbank so stark einschränkt, dass sie für die Forschung an Bedeutung verlieren oder schlimmstenfalls nicht mehr funktional sind. Dies wäre der Fall, wenn beispielsweise für die Verwendung jeder Sequenz ein Transferabkommen nach den Prinzipien von Nagoya abgeschlossen werden müsste [8]. Vergleiche, die tausende Sequenzen beinhalten, wären dann nicht mehr möglich.“

„Eine Möglichkeit, wie in Scholz et al. [8] ausgeführt, wäre eine System, welches das Benefit Sharing und unterschiedliche Möglichkeiten der Erreichbarkeit von Sequenzen durch ein globales Transfersystem ermöglicht, zum Beispiel durch Zahlungen und Erstattung in Abhängigkeit der Abrufhäufigkeit. Dies würde eine Beibehaltung der derzeitigen Vorgehensweise erlauben und gleichzeitig einen finanziellen Ausgleich anbieten. Unstrittig ist die Notwendigkeit eines genaueren Vermerks der Herkunft von Sequenzen bei den Plattformen [12]. Das erlaubt auch die Berücksichtigung des Herkunftsprinzips im Falle der Entwicklung von Gewinn bringenden Anwendungen. Scholz et al. [8] fasst Fälle zusammen, in denen die Herkunftsinformation zwar in der Datenbank vorhanden ist, in Patenten aber nicht erwähnt wird. Meiner Meinung nach ist genau dies das Problem: Ausgleich und Nutzen wird über die Vereinbarungen über Biodiversität geregelt, obwohl dies eigentlich viel besser bei wirtschaftlichen Abkommen über Erteilung von Verwertungsrechten organisierbar ist. Dies scheint aber nicht möglich zu sein, so dass Nutzen- und Transferabkommen bei allem Material verabredet werden müssen, auch wenn es nie zu Anwendungen führt.“

„Es sieht so aus, dass bei der Umsetzung der Regelung für digitale Sequenzinformationen nicht so weitreichenden Eingriffe wie beim Transfer von genetischen Ressourcen vorgesehen werden [8]. Auf der anderen Seite scheint die Sorge berechtigt, dass es trotzdem dazu kommen kann, dass Beschlüsse sehr viel weiter gehen, als von den Forschenden vorausgesehen oder erwartet wird. Dass viele der Zusammenhänge nicht immer richtig verstanden werden, zeigt der Befund von Scholz et al. [8]: Parallel zu den angestrebten Einschränkungen wird im Rahmen ähnlicher Vorgänge – zum Beispiel beim IPBES – eine Ausweitung von Wissenstransfer und Open Science gefordert. Dieser von Scholz et al. [8], als ,ironisch‘ bezeichnete Widerspruch zeigt, dass die Konsequenzen der Regulierung nicht unbedingt immer verstanden werden.“

Dr. Jens Freitag

Leiter der Geschäftsstelle, Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), Gatersleben

„Der uneingeschränkte Zugang zu digitalen Sequenzinformationen (DSI) und verwandten Technologien ist für alle Interessengruppen und Länder von Bedeutung. Nur mit einem freien Zugang lassen sich globale Ziele wie die Gesundheitsvorsorge, Ernährungssicherheit und der Schutz der biologischen Vielfalt erreichen. Im Bereich der Pflanzenforschung und Ernährungssicherung steht die Weltgemeinschaft durch das Bevölkerungswachstum und den Klimawandel vor Herausforderungen, die nachhaltig die biologische Vielfalt verändern und schädigen können. Ziel muss der Erhalt und eine nachhaltigere Nutzung biologischer Vielfalt sein. Forschung wird und muss bei der Lösung dieser Aufgaben wichtige Beiträge leisten. Zudem ist diese ein global verbindendes Element und kann, trotz politischer Differenzen, ökonomischer, kultureller und sozialer Unterschiede die Forschungsgemeinschaft und damit die Staaten zusammenbringen.“

„Der Begriff der digitalen Sequenzinformationen ist ein vor allem politisch geprägter und nicht final definiert. Er wurde im Rahmen der Verhandlungen zum Übereinkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt (Convention for Biological Diversity, CBD) für einen Spezialbereich geschaffen. Fortschritte in Forschung und Wissenschaft ermöglichen eine stärkere Unabhängigkeit von biologischen Ressourcen bei der Etablierung neuer Verfahren, Prozesse und Entwicklung von Produkten. Ein Beispiel hierfür sind die aus der synthetischen Biologie erwachsenen Möglichkeiten. Seit der 13. Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (COP13) – beziehungsweise seit der zweiten Tagung der Vertragsparteien des Nagoya-Protokolls – im Jahr 2016, stehen Diskussionen über digitale Sequenzinformationen auf den Tagesordnungen verschiedener internationaler Gremien. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen umfassen digitale Sequenzinformationen alle sequenzierten DNA- (Erbinformation), aber auch RNA- sowie Protein-Sequenzen. Diese liegen computerisiert in Datenbanken vor.“

„Vom offenen und uneingeschränkten Zugang profitieren Forschende in den Lebenswissenschaften im akademischen wie auch privatwirtschaftlichen Bereich – und zwar weltweit. Sie sind das Fundament heutiger Forschung. Molekulare, zelluläre Zusammenhänge sowie die Aufklärung der Funktion der Gene oder ganzer Genome, onto- oder phylogenetische Untersuchungen in der Biologie oder beim Artenschutz, die Analyse und das Monitoring biologischer Vielfalt sowie der Wechselwirkungen von Biologie, Umwelten, Phänotypen und Zeit sind nur einige der Anwendungsgebiete. Diese sind ohne diese Informationen und deren Vernetzung nicht denkbar. Daraus ergeben sich umfangreiche Nutzungsbeziehungen von BiologInnen, ÖkologInnen, BiotechnologInnen, UmweltforscherInnen, LebensmitteltechnologInnen oder AgronomInnen. Sie alle greifen auf diese Datenbasis zurück und nutzen diese in spezifischer oder polydisziplinärer Forschung. Um die Nutzungsbeziehungen sichtbar zu machen, haben Forschende in einem Projekt durch die Analyse frei zugängiger Sequenzdaten gezeigt, dass Forschung und Erkenntnisgewinn ein kontinuierliches Geben und Nehmen sind. WissenschaftlerInnen in aller Welt stellen ihre Erkenntnisse und die damit verbundenen digitalen Sequenzinformationen anderen Forschenden zur Verfügung. Gleichzeitig nutzen sie Informationen und generieren aus dem Zugang und der Nutzung dieser Informationen einen Mehrwert. Dieser wird anderen Forschenden zur Verfügung gestellt. Damit dies in standardisierter und kuratierter Form ermöglicht werden kann, unterhält die weltweite Forschungscommunity zentrale Datenbanken – die ,International Sequence Database Collaboration‘ –, die miteinander verbunden sind und als Hubs mit anderen Informationsquellen im Austausch stehen.“

„Für Europa ist die Datenbank des EMBL-EBI in Hinxten, im Vereinigten Königreich, dieses Daten-Repository. EMBL ist das europäische Verbundlabor in den Biowissenschaften. Jenseits dieser drei zentralen und miteinander verbundenen Primärdatenbanken sind mehrere tausend Datenbanken und Services mit diesen und untereinander vernetzt. Basis dieser Vernetzung ist der freie Zugang zu Daten und den damit verbundenen Analysen und Services. Diese Dienstleistungen von Forschenden für Forschende bauen aufeinander auf. Die aktuelle Situation in der Wissenschaft zeigt aber auch, dass Forschende in Entwicklungs- und Schwellenländern von diesen Strukturen mehr profitieren, als sie selbst Informationen und Wissen in dieses System einspeisen. Die Ergebnisse wurden in dem durch das Bundesforschungsministrium geförderten Projekt WilDSI generiert [13].“

„Drei maßgebliche Faktoren werden somit sichtbar. Erstens: Wissenschaft und Forschung sind ein hochgradig vernetztes und kooperatives System. Zweitens: Nach wie vor nutzen wir das verfügbare Potenzial in der Welt nicht voll umfänglich, was die Ungleichgewichte in der weltweiten Forschung zeigen. Drittens: Restriktionen im System eines ungehinderten Datenzugangs würden sowohl das kreative als auch das explorative Potenzial der Forschung blockieren und zerstören.“

„Digitale Sequenzinformationen befinden sich zurzeit in einer Grauzone. Sie fallen nicht unter die Beschränkungen des Nagoya-Protokolls, welches als Ergänzung des Übereinkommens zum Artenschutz den Zugang und den Vorteilsausgleich regelt. Länder und Organisationen, wie zum Beispiel die OECD, sprechen sich für einen global freien und ungehinderten Zugang aus. Das Prinzip eines Open Access gilt als dauerhaftes Ziel dieser Bemühungen. Einige wenige Länder versuchen, den Zugang zu digitalen Sequenzinformationen auf nationaler Ebene zu regeln. Die Folgen für die Forschung wären katastrophal. Da digitale Sequenzinformationen seit 2016 ein Thema im internationalen Verhandlungsgeschehen sind und in diversen anderen internationalen Vertragswerken (etwa dem UN-Abkommen zum Schutz der hohen See; Anm. d. Red.) diskutiert werden, kann der CBD eine Rolle als Leitprozess zukommen. Mögliche Regelungen zu digitalen Sequenzinformationen, die im Rahmen der CBD diskutiert und in Montréal beschlossen werden, können eine hohe Ausstrahlungskraft für diese Prozesse und laufenden Verhandlungen erlangen. Daher gilt es, eine jenseits von Partikularinteressen liegende, valide, rational begründete, faktenbasierte und zukunftssichere Lösung zu finden.“

„Für die Verhandlungen des ,Post 2020 Global Biodiversity Framework‘ im Rahmen der CBD wurden in den zurückliegenden Jahren in Webinaren, Workshops und Vorbereitungskonferenzen Politikoptionen vorgestellt und öffentlich diskutiert. Die Spannbreite der Lösungsansätze ist weit. Diese reichen von bilateralen Regelungen – die neben dem Zugang zu den biologischen Ressourcen auch den zu den Analysedaten von Genehmigungen abhängig machen wollen –, bis hin zu multilateralen Lösungen, bei denen der faire Zugang zu digitalen Sequenzinformationen für die Forschung und Wissenschaft weltweit frei zugängig gestaltet werden soll. Basis dieser Bemühungen ist der Versuch einer Lösung durch einen multilateral geregelten Vorteilsausgleich. Reizvoll erscheint ein Zugang zu digitalen Sequenzinformationen, welcher vom Mechanismus eines Vorteilsausgleichs entkoppelt wird. Dies bedeutet die Trennung des Zugangs für Ausbildung, Forschung und Wissenschaft und der Nutzung von digitalen Sequenzinformationen im Sinne einer Produktentwicklung und der Berücksichtigung von erzielten Umsätzen eines Produkts durch dessen Vermarktung. Ein entsprechendes multilateral aufgesetztes Fondsystem wäre nach definierten Zielen und Verteilungsschlüsseln für den Vorteilsausgleich verantwortlich.“

„Möglicher Nachteil eines solchen Ansatzes ist die zeitliche Verzögerung von Forschung über Entwicklung hin zur Vermarktung. Daher könnte eine Kopplung von ,Mikrosteuern‘ in einer Anlaufphase integriert werden. Solche Kleinststeuern, die auf zum Beispiel auf Laborausrüstungen oder Laborchemikalien zur Sequenzierung oder auf digitale Endgeräte erhoben werden, können ein multilateral organisiertes Fondsystem zum Vorteilsausgleich speisen. Entscheidend für den Erfolg ist eine Beteiligung auf Augenhöhe von Forschenden aller Weltregionen inklusive indigener Gruppen. Aus wissenschaftlicher Sicht bedeutete dies die Integration von Ethnologen, Soziologen, Ökonomen, Bevölkerungs- und Raumforschenden und anderen, um deren wissenschaftliche Expertisen mit der biologischen und Bioinformatik-Expertise zu verknüpfen und um einseitige Vorteile und Biopiraterie zu verhindern.“

„Eine Kernstruktur für ein solches globales Netzwerk von Forschenden kann das bereits existierende DSI-Wissenschaftsnetzwerk sein. Das DSI-Wissenschaftsnetzwerk wurde gegründet, um der globalen wissenschaftlichen Gemeinschaft bei den laufenden Verhandlungen zu digitalen Sequenzinformationen eine Stimme zu geben [14]. Wenn das Netzwerk erfolgreich etabliert wurde, sollte es um weitere Expertisen erweitert werden.“

„Summa summarum: Digitale Sequenzinformationen sind ein öffentliches Gut, deren Monopolisierung verhindert und die in einem multilateralen Kontext geregelt werden müssen. Regelungen müssen universell anwendbar sein. Digitale Sequenzinformationen lassen sich in der Regel keinem ,Herkunftsland‘ zuordnen, da Gene und biologische Prozesse natürlich entstanden sind und daher keinen Bezug zu Staatengrenzen besitzen. Im Umgang mit digitale Sequenzinformationen ist eine pragmatische Herangehensweise notwendig, um eine sinnvolle und zukunftssichere Lösung zu ermöglichen. Die Analyse realer Verwertungspfade zu am Markt relevanten Produkten ist das Fundament eines fairen Vorteilsausgleichs. Mit diesem sollen Grundlagen für zwingend erforderliche Impulse in Lehre, Wissenschaft und Forschung im globalen Kontext geliefert werden.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Jörg Overmann: „Im Hinblick auf die Inhalte des Statements liegen beim Verfasser keine Interessenskonflikte vor.“

Prof. Dr. Doris Schroeder: „Es gibt keinen Interessenkonflikt. Ich bin weder in der COP15 noch in aktuellen Verhandlungen zum Benefit-Sharing unter dem Nagoya-Protokoll involviert.“

Prof. Dr. Harald Meimberg: „Ich sehe keine Interessenkonflikte und habe keine persönlichen Interessen die DSI betreffen.“

Dr. Jens Freitag: „Es bestehen keine Interessenkonflikte. Als Mitarbeitender einer öffentliche geförderten Forschungseinrichtung innerhalb der Leibniz-Gemeinschaft unterliege ich den Prinzipien der guten wissenschaftlichen Praxis.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Scholz AH et al. (2022): Multilateral benefit-sharing from digital sequence information will support both science and biodiversity conservation. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-022-28594-0.

[2] Ficetola GF et al. (2008): Species detection using environmental DNA from water samples. Biology Letters. DOI: 10.1098/rsbl.2008.0118.

[3] Cowell C et al. (2021): Uses and benefits of digital sequence information from plant genetic resources: Lessons learnt from botanical collections. Plants, People, Planet. DOI: 10.1002/ppp3.10216.

[4] World Bank (18.10.2017): Open access and development: Research findings.

[5] Laird S et al. (2020): Rethink the expansion of access and benefit sharing. Science. DOI: 10.1126/science.aba9609.

[6] Schroeder D et al. (2020): The Rooibos Benefit Sharing Agreement–Breaking New Ground with Respect, Honesty, Fairness, and Care. Cambridge Quarterly of Healthcare Ethics. DOI: 10.1017/S0963180119001075.

[7] South African Government News Agency (04.10.2010): 10 000 San to benefit from bio-prospecting license.

[8] William Emboden (1972): Narcotic plants, hallucinogens, stimulants, inebriants and hypnotics-their origins and uses. Buch.

[9] Convention on Biological Diversity (19.10.2022): Digital Sequence Information on Genetic Resources.

[10] Gaffney J et al. (2020): Open access to genetic sequence data maximizes value to scientists, farmers, and society. Global Food Security. DOI: 10.1016/j.gfs.2020.100411.

[11] Lyal CHC (2022): Digital Sequence Information on Genetic Resources and the Convention on Biological Diversity. In: Kamau EC: Global Transformations in the Use of Biodiversity for Research and Development. Springer. DOI: 10.1007/978-3-030-88711-7_21.

[12] Golan J et al. (2022): Benefit sharing: Why inclusive provenance metadata matter. Frontiers in Genetics. DOI: 10.3389/fgene.2022.1014044.

[13] IPK Gatersleben: WiLDSI: Science-based approaches for Digital Sequence Information.

[14] DSI Scientific Network.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Convention on Biological Diversity: Digital sequence information on genetic resources.
Auf der Webseite finden Sie auch ein kurzes Erklärvideo zu digitalen Sequenzinformationen.

[II] Bundesamt für Naturschutz: Nagoya Protokoll.