Nutzen und Perspektive weiterer COVID-19-Booster
Die Impfkampagne gegen COVID-19 steht an einem bedeutenden Scheideweg. Ein großer Teil der Menschen ist vollständig geimpft, also zweifach plus einem Booster. Das Immungedächtnis der B- und T-Zellen, das für einen langanhaltenden Schutz vor schweren Krankheitsverläufen sorgt, ist Studien zufolge bereits nach zwei Dosen auf einem hohen Niveau [I], eine dritte Dosis verstärkt den Schutz noch einmal [II]. Bekannt ist aber auch, dass die sogenannte humorale Immunantwort – die Produktion von Antikörpern – je nach Virusvariante nach wenigen Monaten teils stark nachlässt. Um die Gesundheitssysteme nicht zu überlasten, war zuletzt deshalb immer wieder eine vierte Impfdosis beziehungsweise ein zweiter Booster im Gespräch. Daten aus Israel zeigen bei älteren Personen nach einer vierten Dosis eine abermalige Verstärkung des Immunschutzes [III]. Also: Je mehr Booster, desto besser?
So einfach ist diese Frage nicht zu beantworten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plädierte jüngst noch für einen zweiten Booster ab 60 Jahren. Gegenüber der Europäischen Union drang Lauterbach auf eine entsprechende EU-weite Empfehlung. Die Europäische Arzneimittelagentur Ema folgte seinem Vorschlag nicht und empfahl einen zweiten Booster lediglich für alle ab 80 Jahren [IV]. In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission einen zweiten Booster derzeit nur für über 70-Jährige und Menschen mit Vorerkrankungen [V]. Die USA haben die Altersgrenze bei 50 Jahren angesetzt. Insbesondere für jüngere Menschen stellt sich die Frage nach dem Nutzen einer vierten Impfdosis, wenn der Schutz gegen schwere Krankheitsverläufe doch nach drei Dosen bereits besteht – und das vermutlich langfristig.
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Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Goel RR et al. (2021): mRNA vaccines induce durable immune memory to SARS-CoV-2 and variants of concern. Science. DOI: 10.1126/science.abm0829.
[II] Bar-On JM et al. (2021): Protection of BNT162b2 Vaccine Booster against Covid-19 in Israel. New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa2114255.
[III] Magen O et al. (2022): Fourth Dose of BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine in a Nationwide Setting. New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa2201688.
[IV] European Medicines Agency (06.04.2022): ECDC and EMA issue advice on fourth doses of mRNA COVID-19 vaccines. Pressemitteilung.
[V] Robert Koch-Institut (17.02.2022): Wissenschaftliche Begründung der STIKO zur Empfehlung zur 2. COVID-19-Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff für besonders gesundheitlich gefährdete bzw. exponierte Personengruppen. Epidemiologisches Bulletin.
[VI] Gagne M et al. (2022): mRNA-1273 or mRNA-Omicron boost in vaccinated macaques elicits similar B cell expansion, neutralizing antibodies and protection against Omicron. Cell. DOI: 10.1016/j.cell.2022.03.038.
[VII] European Medicines Agency (11.01.2022): Ema Press Briefing.
Prof. Dr. Christine Falk
Leiterin des Instituts für Transplantationsimmunologie, Medizinische Hochschule Hannover, und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie sowie derzeit Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
Es wurden keine Interessenkonflikte abgefragt.
Prof. Dr. Christoph Neumann-Haefelin
Leiter der Arbeitsgruppe Translationale Virusimmunologie an der Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
Es wurden keine Interessenkonflikte abgefragt.
Prof. Dr. Andreas Radbruch
Wissenschaftlicher Direktor, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
Es wurden keine Interessenkonflikte abgefragt.