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31.10.2018

Häufigere sommerliche Extremwetter in Zukunft wahrscheinlich

Sommerliche Extremwetterereignisse wie Dürren, Hitzewellen, Hochwasser und Waldbrände könnten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten deutlich häufiger werden als jetzt. Zu diesem Ergebnis kommt das Autorenteam um Michael Mann, dessen Studie am 31.Oktober 2018 in Science Advances publiziert wurde.

Die Forscher haben untersucht, unter welchen atmosphärischen Bedingungen die sommerlichen Extremwetter der letzten Jahre aufgetreten sind. Aus früheren Studien war bereits bekannt, dass quasi-stationäre Zustände der Rossby-Wellen des Jetstreams dabei eine wichtige Rolle spielen. Wettersysteme wie Hoch- bzw. Tiefdruckgebiete sind zwischen diesen ‚gefangen‘ und sorgen so über längere Zeit für gleichbleibende Wettereinflüsse über einer Region, in deren Konsequenz sich Extremwetter formieren können. Dieses Wissen speisten Mann und Kollegen in Klimamodellprojektionen ein. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Häufigkeit dieser quasi-stationären Zustände in den meisten Projektionen zunimmt und mit ihnen die Wahrscheinlichkeit für extremes Sommerwetter. Andere Projektionen wiederrum prognostizieren ein selteneres Auftreten dieser Bedingungen. In diesen Projektionen spielen die atmosphärischen Aerosole eine entscheidende Rolle, die einen kühlenden Effekt auf die Atmosphäre haben, der dem Treibhauseffekt entgegenwirkt.

Mann und Kollegen sehen daher in der Entwicklung sowohl der Treibhausgasemissionen und gleichzeitig des Ausstoßes von Aerosolen die entscheidenden Parameter für die künftige Häufigkeit von Extremwetterereignissen im Sommer.

 

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Johannes Quaas, Professor für Theoretische Meteorologie, Arbeitsgruppe Wolken und globales Klima, Institut für Meteorologie, Universität Leipzig
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  • Prof. Dr. Markus Rex, Leiter der Sektion Physik der Atmosphäre im Fachbereich Klimawissenschaften, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), Potsdam
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Statements

Prof. Dr. Johannes Quaas

Professor für Theoretische Meteorologie, Arbeitsgruppe Wolken und globales Klima, Institut für Meteorologie, Universität Leipzig

„Wie Mann und die anderen Autoren ja ausführlich beschreiben, ist die grundsätzliche These, dass mit Hochdruckwetterlagen verbundene Extreme in einem sich erwärmenden Klima häufiger zu erwarten sind, nicht neu. Die aktuelle Arbeit baut auf einer Serie von Vorarbeiten des Autorenteams auf. Der wesentliche Beitrag dieser Studien ist es, die genauen Mechanismen der Atmosphärendynamik herauszuarbeiten, die zu dem vermehrten Auftreten des Extremwetters führen. Dabei hat die Arbeit von Mann et al. im letzten Jahr [1] den wichtigen Grundstein für die neue Studie gelegt: Er hat eine Möglichkeit gefunden, mit unkomplizierten Analysen das Auftreten der Extremwetterbedingungen zu diagnostizieren. Das Neue an der aktuellen Studie ist, dass mit Hilfe dieser einfacheren Berechnungen gezeigt werden konnte, wie Klimamodelle diese Atmosphärendynamik-Änderungen für die Zukunft vorhersagen."

„Klimamodelle sind – im Vergleich zu anderen Klima-Aspekten – gut geeignet, um die Atmosphärendynamik zu simulieren. Das trifft insbesondere für die großskalige Dynamik – also Rossby-Wellen und Jetstream – zu. Aussagen zu Klima und Wetter sind immer dann besonders verlässlich, wenn sie durch theoretische Überlegungen, Beobachtungen und damit konsistenten Modellsimulationen gedeckt sind. Dabei ist natürlich immer die starke Variabilität – also die chaotischen Aspekte des Wettergeschehens – mit zu berücksichtigen. Mann et al. können in diesem Aufsatz diese Konsistenz nachweisen und untermauern so ihre These in sehr glaubwürdiger Weise."

„Mann et al. zeigen für die idealisierten Simulationen, in denen nur die Kohlendioxid-Konzentrationen ansteigen, ein sehr eindeutiges Bild der Entwicklung der Extremereignisse. In der wirklichen Welt wirken verschiedene Mechanismen, so dass das Ergebnis weniger eindeutig ist. Die wichtigsten Klimaantriebe sind neben den Treibhausgasen die Aerosole – Feinstaub, Schwefelpartikel, Ruß –, die in entgegengesetzte Richtung wirken und die außerdem – anders als Treibhausgase – deutliche geographische Unterschiede im Klimaantrieb aufweisen, weil sie wesentlich kurzlebiger sind. Bei einer Reduktion der Emissionen wird aus dem kühlenden Effekt der Aerosole, relativ gesehen, ein erwärmender Effekt. Dieser tritt da auf, wo die Luftverschmutzung groß ist – also in den mittleren Breiten. Über diesen Zeitraum erwärmen sich dann die mittleren Breiten besonders stark und die Arktis im Verhältnis weniger stark. Das wirkt den von Mann et al. beschriebenen Mechanismen entgegen."

„Aus gesundheitlichen Gründen und, weil Aerosol-Emissionen zu großem Teil an Treibhausgasemissionen gekoppelt sind, ist eine Reduktion der Aerosol-Emissionen unvermeidlich und wird sicher in den kommenden wenigen Jahrzehnten erfolgen. In Europa und Nordamerika sind die Emissionen bereits zu 80 Prozent zurückgegangen, in Ostasien ist der Prozess seit einigen Jahren ebenfalls im Gang. Nur in Südasien steigen die Aerosol-Emissionen noch an, spätestens 2030 wird auch hier eine Reduktion erwartet."

Prof. Dr. Markus Rex

Leiter der Sektion Physik der Atmosphäre im Fachbereich Klimawissenschaften, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), Potsdam

„Die Arbeit von Mann et al. zeigt erneut die schlimmen Folgen der dramatischen Erwärmung der Arktis für Wetterextreme in unseren Breiten, insbesondere für das Auftreten länger andauernder sommerlicher Hitzewellen.“

„Ein neuer Aspekt der Arbeit ist, dass diese Folgen zunächst abgemildert werden, wenn die anthropogene Aerosol-Produktion zügig vermindert wird, etwa durch Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität. Der direkte Effekt davon ist nämlich eine verstärkte Erwärmung auch der mittleren Breiten, sodass diese mit der starken Erwärmung der Arktis in größerem Maß Schritt halten. Dadurch wird der Temperaturkontrast zwischen der Arktis und unseren Breiten weniger deutlich vermindert, als dies ansonsten der Fall wäre. Die Verminderung des Temperaturkontrasts ist aber gerade der Grund für das vermehrte Auftreten der Bedingungen, die zu langanhaltenden Hitzewellen führen können – ein wichtiger und bislang nicht in dieser Art berücksichtigter Effekt.“

„Die Arbeit von Mann et al. zeigt, wie viel Arbeit noch vor uns liegt, bevor Veränderungen in Häufigkeit und Intensität von Wetterextremen durch die starke Erwärmung der Arktis zuverlässig eingeschätzt werden können.“

„Die derzeitigen Klimamodelle sind noch nicht in der Lage, die veränderten Häufigkeiten der quasi-resonanten Zustände darzustellen, die zu der postulierten Zunahme von sommerlichen Hitzewellen führen. Die Arbeit beruht daher auf einer Analyse der Bedingungen, die solche Ereignisse hervorbringen können, anstatt diese Ereignisse selbst in den Fokus zu nehmen.“

„Zudem ist schon allein die Bandbreite der von verschiedenen Modellen projizierten Erwärmung der Arktis enorm und reicht von Modellen, die die beobachtete überdurchschnittliche Erwärmung der Arktis kaum reproduzieren, bis zu Modellen, bei denen sich die Arktis dramatisch schneller erwärmt als der Rest der Welt. Wir müssen noch viele Prozesse im arktischen Klimasystem sehr viel besser verstehen und sehr viel besser in den Klimamodellen abbilden, um zuverlässige Prognosen für das zukünftige Klima der Arktis zu erhalten. Dies ist Voraussetzung für eine verlässlichere Einschätzung, welche Konsequenzen die arktische Erwärmung für Wetterextreme in unseren Breiten haben wird.“

„Die Aerosol-Belastung der nördlichen mittleren Breiten hat die Klimaerwärmung bei uns bislang noch etwas abgemildert. Maßnahmen zur Luftreinhaltung haben daher die Nebenwirkung, zur weiteren Klimaerwärmung mit beizutragen.“

„Eine dadurch schnellere Erwärmung der mittleren Breiten schwächt die Abnahme des Temperaturkontrasts zwischen hohen und mittleren Breiten ab – unsere Breiten folgen der schnellen arktischen Erwärmung dann dichter auf den Fersen. Es ist plausibel, dass Wetterextreme bei uns dann weniger stark zunehmen.“

„Dieser Effekt ist allerdings vorübergehend. Wenn die Maßnahmen zur Luftreinhaltung voll gegriffen haben, ist keine große weitere Reduktion mehr möglich und dieser Effekt fällt dann weg. Die befürchtete Zunahme von Extremwetterlagen tritt dann also trotzdem auf – nur etwas später.“

„In der vorliegenden Arbeit geht es um die positiven Auswirkungen einer schnellen Reduktion der Aerosol-Belastung.“

„Außerdem: An den Folgen der hohen Aerosol-Belastung sterben jedes Jahr unzählige Menschen, insbesondere in nach wie vor hoch belasteten Bereichen Südostasiens. Eine Verlangsamung des Tempos bei der Verbesserung der Luftqualität ist vor diesem Hintergrund keine vertretbare Option.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Johannes Quaas: „Ich habe keinerlei Interessenkonflikte.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

 

Primärquelle

Mann M et al. (2018): Projected changes in persistent extreme summer weather events : The role of quasi-resonant amplifiction. Science Advances; 4. DOI: 10.1126/sciadv.aat3272.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Mann ME (2017) : Influence of anthropogenic climate change on planetary wave resonance and extreme weather events. Scientific Reports 7, 45242. DOI: 10.1038/srep45242