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02.12.2021

Plastikproduktion verursacht enorme Treibhausgas-Emissionen

Die Plastikindustrie war im Jahr 2015 mit 4,5 Prozent für einen beachtlichen Teil der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Der größte Teil dieser Emissionen entsteht in der Plastikproduktion – Recycling und Verbrennen von Kunststoffen machen dagegen nur einen sehr geringen Anteil aus. Das sind Ergebnisse einer Studie von Forschenden der ETH Zürich, die am 02.12.2021 im Fachjournal „Nature Sustainability“ erschienen ist (siehe Primärquelle) und die Treibhausgas-Emissionen der Plastikproduktion nach Ursachen, Regionen und Sektoren aufschlüsselt. Damit rückt die Forschungsarbeit ein Problemfeld in den Fokus, das bisher – anders als Umweltverschmutzung durch Plastikmüll und Mikroplastik – weder in der Forschung noch in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit erhalten hat: die Bedeutung von Plastik für den Klimawandel.

Die Analyse der Forschenden zeigt: Indem Länder mit hohem Durchschnittseinkommen Plastik aus Entwicklungs- und Schwellenländern importieren, verschlechtern sie dessen Ökobilanz. Grund dafür ist, dass die Produktion von Kunststoffen große Mengen Energie benötigt und diese Energie in relevanten Plastikexport-Ländern wie China, Indonesien und Südafrika meist aus klimaschädlicher Kohlekraft stammt und dort oft weniger strikte Umweltrichtlinien gelten. Der Studie zufolge sind die Treibhausgas-Emissionen aus der Plastikproduktion in der EU in den letzten Jahren zwar gesunken – was aber nur daran liegt, dass mit der Plastikproduktion auch die damit verbundenen Emissionen ausgelagert werden. Zwei Drittel der Emissionen, die bei der Produktion von in der EU genutztem Plastik entstehen, werden in anderen Teilen der Welt ausgestoßen – vor allem in China und im Nahen Osten. Diese gehen also nicht in europäische Emissionsstatistiken ein. Ein ähnliches Bild ergibt sich laut der Studie in den USA, Australien und Kanada.

Um den ökologischen Fußabdruck der weltweiten Plastikproduktion zu verringern, müssen vor allem erneuerbare Energien in Plastikexport-Ländern ausgebaut werden, raten die Autorinnen und Autoren der Studie. Eine konsequente CO2-Bepreisung, die sowohl die Produzenten als auch die Konsumenten von Gütern betrifft, könnte dabei helfen: Damit würden CO2-intensive Plastikimporte teurer. Das wiederum würde Anreize für Unternehmen setzen, in sauberere Herstellungsprozesse in der ganzen Lieferkette zu investieren, argumentieren die Forschenden. Alternative Materialien wie Bioplastik halten sie dagegen kaum für eine Lösung, da diese häufig eine noch schlechtere Umweltbilanz haben als herkömmliches Plastik aus Erdgas oder Erdöl.

Die Autorinnen und Autoren der Studie gehen davon aus, dass die globale Plastikproduktion zwischen 2015 und 2030 um 40 Prozent ansteigen wird. Umso relevanter wird es also sein, diese in Zukunft klimafreundlicher zu gestalten.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Sangwon Suh, Professor für Industrielle Ökologie, Klimaschutz und Ökobilanzierung, Bren School of Environmental Science and Management, University of California, Santa Barbara (UCSB), Vereinigte Staaten
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  • Dr. Andreas Köhler, Leiter der Gruppe für Nachhaltige Chemie, Werkstoffe und Technologie, Öko-Institut e.V., Freiburg
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Statements

Prof. Dr. Sangwon Suh

Professor für Industrielle Ökologie, Klimaschutz und Ökobilanzierung, Bren School of Environmental Science and Management, University of California, Santa Barbara (UCSB), Vereinigte Staaten

„Für die Art der durchgeführten Analyse verwendet die Studie meiner Meinung nach den neuesten Stand unseres methodischen Verständnisses.“

„Obwohl die Studie nicht ausdrücklich auf den plötzlichen Anstieg der Treibhausgas-Emissionen aus Kunststoffen in diesem Zeitraum (gemeint ist der Zeitraum zwischen 2000 und 2005; Anm. d. Red.) eingeht, denke ich, dass dieser Anstieg nicht allzu überraschend ist. China trat im Jahr 2001 der Welthandelsorganisation bei, was zu einem enormen Preisvorteil für chinesische Industrieprodukte auf dem internationalen Markt führte. Seitdem hat sich China schnell zu einer globalen Wirtschaftsmacht in der Kunststoffproduktion entwickelt. Angesichts des kohlelastigen Energiemixes der chinesischen Wirtschaft bedeutete die rasche Zunahme chinesischer Industriegüter in der Weltwirtschaft nicht nur eine höhere Treibhausgas-Intensität von Kunststoffen, sondern auch eine höhere Gesamtnachfrage. Zusammengenommen hat dies wohl zu dem plötzlichen Anstieg der Treibhausgas-Emissionen geführt.“

„Die Nachfrage nach Kunststoffen ist im letzten halben Jahrhundert mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 8,4 Prozent gestiegen. Sie hat sich zwar inzwischen auf etwa vier Prozent pro Jahr verlangsamt, aber es gibt immer noch viel Raum für eine weitere Steigerung der Nachfrage, insbesondere in Entwicklungsländern. Daher denke ich, dass ein Anstieg von 40 Prozent in den nächsten 15 Jahren keine unrealistische Prognose ist.“

„Aufgrund des Zeitpunkts der Veröffentlichung scheint es, dass die Autoren unsere kürzlich im Fachjournal „Science“ veröffentlichte Studie [1] nicht berücksichtigt haben. In dieser neuen Studie und auch in unserer früheren Studie – welche die Autoren ausführlich zitieren [2] – haben wir eine Reihe zusätzlicher Strategien (zum Verringern der Treibhausgas-Emissionen; Anm. d. Red.) untersucht. Diese beinhalten Recycling, die Verwendung von Rohstoffen aus Biomasse, die Nutzung erneuerbarer Energien, die Verringerung der Wachstumsrate der Kunststoffnachfrage und die Verwendung von Kohlenstoff-Abscheidung und -nutzung (Carbon Capture and Utilization, CCU; Anm. d. Red.). Meiner Meinung nach hat eine Kombination dieser Strategien das Potenzial, die Treibhausgas-Emissionen von Kunststoffen auf nahezu Null zu reduzieren. Die Frage ist, wie die Rahmenbedingungen für einen solchen Wandel geschaffen werden können. Hier stimme ich zu, dass die CO2-Bepreisung eine mögliche Strategie sein kann. Damit eine CO2-Bepreisung wirksam einen solchen Wandel einleiten kann, muss sie meiner Meinung nach jedoch nicht nur substanzieller sein, sondern auch weltweit angewandt werden. Der Weg dorthin ist sicherlich eine Herausforderung.“

Dr. Andreas Köhler

Leiter der Gruppe für Nachhaltige Chemie, Werkstoffe und Technologie, Öko-Institut e.V., Freiburg

„Die Studie wirft neues Licht auf den ökologischen Rucksack von Kunststoffen. Dessen Ausmaß wurde bisher meist unterschätzt. Neu ist, dass der Kohlenstoff-Fußabdruck von Kunststoffen auf Basis einer makro-ökonomischen Analyse berechnet wurde. Dadurch entsteht ein globales Gesamtbild der Beiträge zur Klimarelevanz von Kunststoffen. Allerdings unterscheidet die Studie nicht zwischen den verschiedenen Polymersorten (plastic resins) und deren jeweiligen Herstellungsprozessen.“

„Die Studie zeigt, dass der Kohlenstoff-Fußabdruck von Kunststoffen etwa doppelt so hoch ist, wie in Ökobilanzen bisher angenommen. Der Kohlenstoff-Fußabdruck gängiger Kunststoffe wie Polyethylen, Polypropylen oder PET liegt nach bisherigem Kenntnisstand bei etwa zwei Kilogramm CO2-Äquivalent pro Kilogramm Polymer. Die Studie zeigt jedoch, dass importierte Kunststoffe einen sehr viel höheren Kohlenstoff-Fußabdruck haben, im globalen Durchschnitt etwa vier bis fünf Kilogramm CO2-Äquivalent pro Kilogramm. Leider ist die Kennzahl zum Kohlenstoff-Fußabdruck für Interessierte nur schwer zu erschließen, da die Ergebnisse der Studie im Wesentlichen nur in grafischer Form oder im Anhang dargestellt sind.“

„Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen außerdem, wie wichtig es ist, Kunststoffabfälle stofflich, anstatt nur energetisch durch Müllverbrennung zu verwerten. Demnach verursacht die Herstellung von Kunststoffen fast doppelt so viel CO2, wie der im Plastik gebundene Kohlenstoff bei der Verbrennung freisetzt. Die Nutzung von Kunststoffabfällen als Ersatzbrennstoff erscheint im Lichte dieser Studienergebnisse doppelt ungünstig, da hierbei nicht nur CO2 aus der Verbrennung entsteht, sondern auch der bereits in der Herstellung eingetretene Klimaeffekt hinzuzurechnen ist. Kunststoffrecycling kann helfen, diese vorgelagerten CO2-Emissionen der Herstellung zu vermeiden.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Andreas Köhler: „Es besteht kein Interessenkonflikt, da es keine wirtschaftlichen, vertraglichen oder institutionellen Verbindungen zu den Autoren / Autorinnen der Studie gibt. Ich erkläre allerdings, dass meine obige Einschätzung zur Studie nur meine persönliche Meinung darstellt und aus Zeitgründen nicht den Ansprüchen eines kritischen Peer Reviews genügt.“ 

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

Cabernard L et al. (2021): Growing environmental footprint of plastics driven by coal combustion. Nature Sustainability. DOI: 10.1038/s41893-021-00807-2.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Meys R et al. (2021): Achieving net-zero greenhouse gas emission plastics by a circular carbon economy. Science. DOI: 10.1126/science.abg9853.

[2] Zheng J et al. (2019): Strategies to reduce the global carbon footprint of plastics. Nature Climate Change. DOI: 10.1038/s41558-019-0459-z.

Weitere Recherchequellen

Beyond Plastics (2021): The New Coal. Plastics & Climate Change. Bericht der Initivative Beyond Plastics am Bennington College in Vermont, USA.

Center for International Environmental Law (2019): Plastic & Climate. The Hidden Costs of a Plastic Planet. Bericht des Center for International Environmental Law (CIEL), einer Umweltschutzorganisation mit Sitz in den USA.