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22.09.2022

Aufforstung in Trockengebieten bringt wenig für den Klimaschutz

     

  • Aufforstung in Trockengebieten ist laut Studie keine effektive Strategie für den Klimaschutz
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  • verringerte Reflexion von Sonnenstrahlung an der Erdoberfläche schwächt Klimanutzen ab
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  • Fachleute: Effekt wurde bislang oft nicht berücksichtigt und Potenzial von Aufforstung überschätzt
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Wälder in Trockengebieten anzupflanzen, bringt wenig für den Klimaschutz. Zu diesem Schluss kommt ein israelisches Forschungsteam in einer Studie, die am 22.09.2022 im Fachjournal „Science“ erschienen ist (siehe Primärquelle). Bäume speichern beim Wachstum zwar Kohlenstoff und wirken so der Erwärmung der Atmosphäre entgegen. Allerdings können neuentstandene Wälder auch einen wärmenden Effekt auf die Atmosphäre haben, da die dunkle Oberfläche des Baumbestands weniger Sonnenstrahlung reflektiert als der hellere Boden von trockenen Gebieten. In einigen Trockengebieten – etwa in Kasachstan, China oder der Mongolei – könnte Aufforstung insgesamt sogar kontraproduktiv für den Klimaschutz sein. Eine interaktive Karte der Studienergebnisse finden Sie hier.

Trockengebiete wie Savannen, Grasland und Wüsten bedecken rund 40 Prozent der Landfläche der Erde. Der aktuellen Studie zufolge wäre auf sechs Prozent der Fläche der weltweiten Trockengebiete – auf 448 Millionen Hektar – eine Aufforstung theoretisch möglich. Würden überall dort Wälder angepflanzt, könnten diese 32 Gigatonnen Kohlenstoff speichern. Die verringerte Albedo – also die verringerte Reflexion von Sonnenstrahlung – würde jedoch über zwei Drittel des kühlenden Effekts auf das Klima ausgleichen. Zum Vergleich: Die globalen, fossilen CO2-Emissionen aus dem Jahr 2021 entsprechen etwa zehn Gigatonnen Kohlenstoff.

Die Forschenden weisen darauf hin, dass die meisten Analysen, die die Klimawirkung von Aufforstung bestimmen, die Änderung der Albedo nicht berücksichtigen. Sie werben für eine „smart forestation“ Strategie: Aufforstung sollte nur in Gebieten geschehen, in denen sie insgesamt zum Klimaschutz beiträgt. Mit dieser Strategie könnten je nach Emissionsszenario zwischen 0,7 und 2,9 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen bis 2100 kompensiert werden, wenn alle geeigneten, vormals nicht bewaldeten Trockengebiete aufgeforstet würden. Das Klimaschutzpotenzial sei somit gering.

Die Forschenden vergleichen und ergänzen ihre Ergebnisse unter anderem mit Resultaten der Studie von Bastin et al. von 2019 [I] [II]. Diese wurde von Forschenden scharf dafür kritisiert, das Potenzial von Aufforstung für den Klimaschutz stark zu überschätzen [III] [IV] [V].

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Martin Claußen, Leiter der Arbeitsgruppe Dynamik des Klima-Vegetation-System, Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg, und Professor für Allgemeine Meteorologie am Meteorologischen der Universität Hamburg
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  • PD Dr. Florian Zabel, Privatdozent am Department für Geographie, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München
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  • Dr. Nadine Rühr, Leiterin der Arbeitsgruppe Pflanzen Ökophysiologie, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Campus Alpin, Garmisch-Partenkirchen
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  • Prof. Dr. Nina Buchmann, Professorin für Graslandwissenschaften, Departement Umweltsystemwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Schweiz
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Statements

Prof. Dr. Martin Claußen

Leiter der Arbeitsgruppe Dynamik des Klima-Vegetation-System, Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg, und Professor für Allgemeine Meteorologie am Meteorologischen der Universität Hamburg

„Diese Studie ist wichtig und ordentlich gemacht. Sie liefert eine deutlich verbesserte Abschätzung der gegenläufigen Effekte einer Aufforstung: einerseits Kühlung durch Verminderung von CO2 in der Atmosphäre und andererseits Erwärmung wegen verminderter Reflexion von Sonnenlicht durch das dunkle Laub der Wälder. Dieser Effekt ist schon lange bekannt – wie die Autoren der Studie schreiben –, wurde aber vorwiegend für die hohen nördlichen Breiten beschrieben, in denen Wälder den kühlenden Effekt einer Schneedecke ,maskieren‘. Für Trockengebiete mit ebenfalls recht hellen Böden liefert diese Studie eine vernünftige Abschätzung, denn oft genug steht nur der Effekt der Verringerung des atmosphärischen CO2 im Vordergrund von Mitigationsstudien.“

„Diese Studie ist ein erster Schritt, denn sie berücksichtigt noch nicht Effekte wie Änderung der Bewölkung oder eine mögliche Zunahme des Niederschlags aufgrund einer stärkeren Seebrise – welche gerade in Küstengebieten wichtig wird. Auch dazu gibt es schon Simulationen. Zu Recht betonen die Autoren, dass für eine weitergehende Abschätzung des Nutzens einer Aufforstung nicht nur die Lufttemperatur entscheidend sein sollte. Zum Beispiel sollten auch Fragen der Biodiversität in eine umfassende Studie zur Nachhaltigkeit einbezogen werden. Und letztlich – auch das zeigen sämtliche, ordentlich gemachte Studien dieser Art – führt kein Weg an einer Reduktion der CO2-emissionen vorbei, wenn die globale Erwärmung effektiv vermindert werden soll.“

Auf die Frage, welches Gesamtbild sich aus dieser und früheren Studien zum Potenzial von Aufforstung für den Klimaschutz ergibt:
„Der globale Effekt von Aufforstung für den Klimaschutz ist vernachlässigbar. Allein der lokale Effekt könnte von Vorteil sein.”

Auf die Frage, welche Rolle Trockengebiete in globalen Bestrebungen zur Aufforstung spielen:
„Zur Verbesserung des lokalen Klimas – beispielsweise in China – kann Aufforstung von Trockengebieten sinnvoll sein. Auch in Küstengebieten, wie zum Beispiel Israel oder dem Oman, bietet sich Aufforstung an.“

Auf die Frage, inwiefern die Studienergebnisse dafürsprechen, Wiederaufforstung oder Verdichtung von Wäldern der Aufforstung von nicht-bewaldetem Gelände vorzuziehen:
„Wenn Wald abgeholzt wurde, dann wissen wir, dass in dieser Region Wald natürlicherweise wachsen kann. Aus diesem Grund wäre Aufforstung von abgeholzten Wäldern sinnvoller als Aufforstung von Regionen, in denen fraglich ist, ob Wald überhaupt gedeihen kann. Letztlich ist auch wichtig zu wissen, welche Art Bäume aufgeforstet werden sollten. Der Harz als Beispiel vor unserer Haustür zeigt nur allzu deutlich die Sünden einer Fichtenmonokultur. In den Tropen sehen wir den Raubumbau durch Ölpalmen. Aber dies kann nur eine detaillierte Studie, die sämtliche bekannte Effekte berücksichtigt, beurteilen.“

PD Dr. Florian Zabel

Privatdozent am Department für Geographie, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München

„Die Studie von Bastin et al. aus 2019 [1] wurde in der wissenschaftlichen Community bereits kurz nach deren Veröffentlichung sehr kontrovers diskutiert. Der in der aktuellen Studie genannte Punkt (Veränderung der Albedo durch Aufforstung; Anm. d. Red.) wurde damals schon aufgeworfen und nun auch systematisch untersucht. Es scheint sich demnach zu bestätigen, dass Aufforstung aus verschiedenen Gründen nicht immer pauschal eine gute Option für den Klimaschutz ist und sogar kontraproduktiv sein kann. Das ist relevant, da weitläufig die gegenteilige Meinung vorherrscht. Darüber hinaus müssen mögliche negative Effekte auf Biodiversität und sozio-ökonomische Zielkonflikte bei Aufforstungsprojekten berücksichtigt werden.“

Dr. Nadine Rühr

Leiterin der Arbeitsgruppe Pflanzen Ökophysiologie, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Campus Alpin, Garmisch-Partenkirchen

„Die Studie der israelischen Forschenden zeigt eindrücklich, dass die großflächige Pflanzung von Wäldern in trockenen Gebieten den menschengemachten Klimawandel nicht aufhalten kann. Die Autorin und Autoren haben eine sorgfältige Studie durchgeführt, in der sie zeigen können, dass solche Aufforstungen – falls erfolgreich – in der Bilanz nur eine geringe Abkühlung bringen. Das liegt daran, dass die Wälder zwar Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen, sich aber stärker aufheizen, da dunkle Waldoberflächen eine geringere Albedo haben und somit mehr Licht absorbieren als helle wüstenähnliche Flächen.“

„Dieser rein physikalische Albedo-Effekt ist von früheren Studien zum Potenzial von Wiederaufforstung kaum berücksichtigt worden. Rohatyn et al. berechnen nun die Ergebnisse dieser früheren Studien (bespielsweise Bastin et al. 2019 [1]) für die semi-ariden Gebiete neu, diesmal mit Berücksichtigung des Albedo-Effekts. Dabei kommen sie zur Schlussfolgerung, dass beides gemeinsam – die Neupflanzungen und Wiederaufforstung von Wäldern in semi-ariden Gebieten – in etwa nur fünf Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen der nächsten 80 Jahre absorbieren kann, unter der Annahme, dass die Emissionen weltweit hoch bleiben.“

„Dennoch steht es außer Frage, dass sorgfältig geplante Wiederaufforstungen örtlich sehr positive Effekte haben und zum Beispiel Bodendegradation verhindern oder auch lokal Abkühlung bringen können, wie auch von den Autor*innen betont wird. Ein wichtiger, von der Studie nicht beachteter Punkt ist aber die Frage, wie erfolgreich solche Aufforstungsprojekt langfristig sein können. Das hängt nicht nur davon ab, die passenden Baumarten und Flächen zu finden, sondern vor allem von den direkten Auswirkungen des Klimawandels auf die Wälder. Gerade langanhaltende Dürren und extreme Hitzewellen können die Baumsterblichkeit erhöhen und zu großflächigen Waldbränden führen und somit das Klimaschutzpotenzial der Aufforstungen in Frage stellen.“

Prof. Dr. Nina Buchmann

Professorin für Graslandwissenschaften, Departement Umweltsystemwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Schweiz

„Die Studie quantifiziert die Auswirkungen von Auf- und Wiederaufforstung in den globalen Trockengebieten aufs Klima, und zwar nicht nur hinsichtlich des Kohlenstoff-Effekts (C-Festlegung), sondern auch hinsichtlich des Albedo-Effekts – der Rückstrahlung aufgrund Änderung der Farbe der Landoberfläche. Biodiversität wird nicht berücksichtigt. Die Studie produziert ganz klar ein neues und belastbareres Ergebnis, das alten Studien widerspricht. Der Netto-Effekt auf das Klima solch einer Auf- und Wiederaufforstung ist wesentlich geringer als bisher postuliert. Insgesamt ist der Klimaeffekt sehr gering. Das oberste Ziel muss daher sein, die Treibhausgas-Emissionen so schnell wie möglich zu senken.“

„Die Methodik und Annahmen sind grundsolide. Es werden verschiedene Annahmen miteinander verglichen, um die Unsicherheiten zu bestimmen beziehungsweise eine maximale Abschätzung zu bieten. Es werden nicht die gesamten Trockengebiete berücksichtigt, sondern nur ein kleiner Teil davon, basierend auf vernünftigen Annahmen: Hypertrockene Gebiete, Flächen mit aktueller Nutzung als Ackerland und Flächen, die bereits jetzt zu mehr als 15 Prozent bewaldet sind, werden ausgeschlossen. Dies schließt Misserfolge durch nicht anwachsende Bäume aus, immerhin geht es bei dieser Studie um Trockengebiete. Der Alterseffekt wachsender Wälder wird ebenfalls berücksichtigt: Junge Wälder sind keine Kohlenstoff-Senken, sondern Kohlenstoff-Quellen, ein Aspekt, der in anderen Studien gerne vernachlässigt wird.“

„Die Auf- und Wiederaufforstung von Grasland mit hoher Biodiversität wird zwar andiskutiert, diese Flächen werden aber nicht ausgeschlossen. In meinen Augen wäre solch eine Abschätzung dringend nötig, da momentan fast ,blind‘ auf das Anpflanzen von Bäume gesetzt wird – von Privatpersonen, von Unternehmen bis hin zur UN. Wenn die Vernichtung von Grasland mit hoher Biodiversität berücksichtigt würde, dann wäre der berechnete Klimaeffekt noch geringer.“

Auf die Frage, welche Rolle Trockengebiete in globalen Bestrebungen zur Aufforstung spielen:
„Laut dieser Studie können Trockengebiete nur einen geringen Beitrag leisten. Wenn die Emissionen weiterhin hoch bleiben, dann können sie im besten Fall – durch Auf- und Wiederaufforstung kombiniert – fünf Prozent der Emissionen kompensieren, die bis 2100 freigesetzt werden. Aufforstung von Trockengebieten allein kann bei hohen Emissionen weniger als einen Prozent der Emissionen kompensieren. Die Autoren schlussfolgern daher korrekt, dass eine Auf- und Wiederaufforstung von globalen Trockengebieten nur ein geringes Mitigationspotenzial aufweist.“

Auf die Frage, inwiefern die Studienergebnisse dafürsprechen, Wiederaufforstung oder Verdichtung von Wäldern der Aufforstung von nicht-bewaldetem Gelände vorzuziehen:
„Dies wird in der Studie nicht separat modelliert. Der Albedo-Effekt wäre bei einer Verdichtung geringer als bei einer Aufforstung – der jetzige Wald ist ja schon dunkler. Ob eine Verdichtung allerdings in diesen Trockengebieten klappen würde, hängt von der Licht- und Wasserkonkurrenz ab. Es darf wohl davon ausgegangen werden, dass diese Konkurrenz schon jetzt die Bestandsdichte limitiert. Eine Wiederaufforstung von abgeholzten Wäldern wurde berücksichtigt und hier kommen Kohlenstoff- und Albedo-Effekte voll zum Tragen. Der Klimaeffekt ist gering.“

Auf die Frage, welche Implikationen die Ergebnisse für Programme zur Emissions-Kompensation (Carbon Offsets) haben:
„Die meisten solcher Programme ignorieren den Albedo-Effekt, sodass der Ausgleich der Treibhausgas-Emissionen als zu hoch angegeben wird. Zudem bestehen Zweifel, wie langfristig das Pflanzen von Bäumen tatsächlich wirkt. Es ist unklar, ob die Bäume wirklich lange überleben und einen geschlossenen Bestand bilden können, zum Beispiel wegen Trockenheit. Zudem werden Baumarten verwendet, die nicht zur einheimischen Flora gehören – beispielsweise in China – oder es werden diverse Grasländer bepflanzt, was wiederum der Biodiversität schadet.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Martin Claußen: „Keine Interessenkonflikte.“

Prof. Dr. Nina Buchmann: „Keine Interessenkonflikte.”

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

Rohatyn S et al. (2022): Limited climate change mitigation potential through forestation of the vast dryland regions. Science. DOI: 10.1126/science.abm9684.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Bastin JF et al. (2019): The global tree restoration potential. Science. DOI: 10.1126/science.aax0848.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Bastin JF et al. (2019): The global tree restoration potential. Science. DOI: 10.1126/science.aax0848.

[II] Science Media Center (2019): Weltweit verfügbare Flächen zur Aufforstung zum Klimaschutz. Research in Context. Stand: 04.07.2019.

[III] Luedeling E et al. (2019): Forest restoration: Overlooked constraints. Science. DOI: 10.1126/science.aay7988.

[IV] Delzeit R et al. (2019): Forest restoration: Expanding agriculture. Science. DOI: 10.1126/science.aaz0705.

[V] Sheil D et al. (2019): Forest restoration: Transformative trees. Science. DOI: 10.1126/science.aay7309.