Zum Hauptinhalt springen
09.06.2022

EU-Parlament stimmt für Verbrennerverbot

Am 08.06.2022 hat das EU-Parlament für ein Verbot von Verbrennungsmotoren in neuen PKW und leichten Nutzfahrzeugen ab dem Jahr 2035 gestimmt [I]. Der Beschluss des Parlaments sieht vor, dass die CO2-Emissionen neu verkaufter Fahrzeuge auf Null gesenkt werden müssen – das würde faktisch das Aus des Verbrennungsmotors in Neufahrzeugen bedeuten. Zunächst müssen bis 2030 die CO2-Emissionen von neuen PKW um 55 Prozent, die von neuen leichten Nutzfahrzeugen um 50 Prozent im Vergleich zu den Werten von 2021 sinken. Das Verbrenner-Verbot ist Teil des „Fit-for-55“ Klimapakets der EU-Kommission [II] und soll helfen, die europäischen Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen. Mit seinem Beschluss geht das Parlament nun in die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten, die dem Verbot noch zustimmen müssen.

Übersicht

     

  • Dr. Weert Canzler, Senior Researcher, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Berlin
  •  

  • Dr. Claus Doll, Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
    und Prof. Dr. Martin Wietschel, Leiter des Competence Centers Energietechnologien und Energiesysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
  •  

  • Dr. Thomas Grube, Leiter der Arbeitsgruppe „Verkehrstechniken und Zukünftige Mobilität“ im Institut für Techno-ökonomische Systemanalyse (IEK-3), Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ), Jülich
    und Prof. Dr. Detlef Stolten, Leiter des Instituts für Techno-ökonomische Systemanalyse (IEK-3), Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ), Jülich

  •  

Statements

Dr. Weert Canzler

Senior Researcher, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Berlin

„Der größte Vorteil der Entscheidung ist, dass so die Autoindustrie und auch die Kunden Planungssicherheit erhalten. Die Elektromobilität ist gesetzt. Klar ist jetzt, dass Verbrenner Auslaufmodelle sind. Gut ist auch, dass jetzt die Ideologie der Technologieoffenheit zerbröselt ist. Es kann und wird jetzt alles schneller gehen. Damit kann die überfällige Antriebswende Fahrt gewinnen. Sie ist eine Voraussetzung für eine klimaverträgliche Mobilität.“

Auf die Frage, welche anderen Maßnahmen für den Übergang zur klimafreundlichen Mobilität besonders wichtig sind:
„Eine klimaverträgliche Mobilität ist mehr als die Antriebswende. Wir brauchen eine viel größere Effizienz im Verkehr. Das geht nur mit weniger Autos. Damit die Alternativen zum Auto eine Chance erhalten, müssen die Privilegien des Autos abgebaut werden. Das Hauptprivileg ist das (fast) freie Parken im öffentlichen Raum. Der Hebel ist daher: Parken muss spürbar kosten. Nicht nur das: Die Verkehrsflächen des Autos müssen teilweise entsiegelt und gerade in Städten zugunsten seiner Alternativen umverteilt werden. Wer sichere Fahrradwege sät, erntet Fahrradverkehr.“

Dr. Claus Doll

Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe

Prof. Dr. Martin Wietschel

Leiter des Competence Centers Energietechnologien und Energiesysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe

„Die Entscheidung des EU-Parlaments vom 08. Juni 2022 zur Revision der Richtlinie 2019/631/EU [1] ist durch das Klimapaket ‚Fit-for-55‘ vorgezeichnet und somit folgerichtig. Ohne eine derartig konkrete Maßnahme ist die Erreichung der Klimaziele im Straßenverkehr nicht möglich. Der Antriebswechsel stellt dabei eine wichtige, aber nicht die einzige Säule für eine Minderung der Treibhausgase im Verkehr dar. Entsprechend benennt der Richtlinienentwurf begleitende Maßnahmen für das ‚Mobilitäts-Ökosystem‘ wie Preise, Regulierung und Anreize.“

„Artikel 5 (a und b) konkretisieren das Ziel, den Verkauf neuer Pkw und leichter Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ab 2035 in der EU zu verbieten, wobei Wasserstoff-Verbrennungsmotoren ausgenommen sind. Auch wird von leistungsfähigen Plug-in-Hybriden gesprochen, die in der Übergangsphase eine Rolle spielen können. Andere synthetische Kraftstoffe auf Kohlen-Wasserstoff-Basis sind aktuell hingegen von der Regulierung ausgeschlossen und dürfen damit nach 2035 nicht mehr verkauft werden. Allerdings wird festgelegt, dass im Rahmen des EU-Fortschrittsberichtes Innovationen weiter beobachtet werden, beispielsweise bei strombasierten synthetischen Kraftstoffen. Damit wird noch ein Fenster für deren spätere Integration geöffnet. Der Revisionsvorschlag adressiert explizit weitere wichtige Themen für einen erfolgreichen Umstieg auf die Elektromobilität, wie den zügigen Aufbau alternativer Energieinfrastrukturen. Hierunter fallen der notwendige Aufbau einer Lade- und Tankstelleninfrastruktur und der Ausbau der Erneuerbaren Stromerzeugung.“

„Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Nutzungsdauer eines Pkw von 14 Jahren und dem Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 ist ersichtlich, dass spätestens ab 2035 keine Fahrzeuge in Deutschland mehr neu zugelassen werden können, die Treibhausgase emittieren. Berücksichtigt man weiterhin, dass nicht nur die Emissionen im Zieljahr relevant sind, sondern wegen der langen Verweilzeit der Treibhausgase in der Atmosphäre die kumulierten Emissionen, dann müssen die Emissionen im Verkehr sogar deutlich vor 2035 relevant gesenkt werden [2].“

„Der nach dem aktuellen Stand beschlossene Ausschluss von synthetischen Kraftstoffen außer Wasserstoff für Verbrennungsmotoren ist nachvollzielbar. Synthetische Kraftstoffe auf Basis der Biomasse im straßengebundenen Verkehr einzusetzen, ist mittel- und langfristig nicht sinnvoll. Die Menge an nachhaltiger Biomasse ist beschränkt und sie wird in anderen Sektoren benötigt. Dies sind Bereiche in der Chemie, wo Kohlenstoff als Quelle benötigt wird oder der internationalen Flug- und Schiffsverkehr, in dem wegen der zu geringen Reichweite Batterien oder Brennstoffzellen nicht zum Einsatz kommen können.“

„Strombasierte synthetische Kraftstoffe benötigen eine fünffach höhere Strommenge im Vergleich zu Elektro-Pkw, was einen massiv höheren Ausbau der Erneuerbaren notwendig macht. Sie werden weiterhin nach heutigem Kenntnisstand sehr teuer sein, sodass sie für den Pkw-Massenmarkt kaum in Betracht kommen. Der Ausschluss ist somit berechtigt, ebenso wie die Überlegung, hier die weitere Entwicklung zu beobachten und darauf im Bedarfsfall reagieren zu können. Viele deutsche und europäische Pkw-Hersteller haben bereits die Forschung und Entwicklung von Verbrennungsmotoren deutlich heruntergefahren und konzentrieren sich auf Elektrofahrzeuge [3].“

„Beim Umstieg von Verbrennerfahrzeugen auf Elektrofahrzeuge sind Arbeitsplatzeffekte zu beachten. Gesamtheitliche Studien zur Beschäftigung während und nach dem Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor legen nahe, dass der Netto-Arbeitsplatzverlust insbesondere durch den Aufbau alternativer Energieinfrastrukturen gering ausfallen wird oder sogar Arbeitsplätze entstehen können. Jedoch stellt die Umschulung von Mitarbeiter*innen und die räumliche Verlagerung von Arbeitsplätzen ein massives Problem dar, welches durch den wahrscheinlich weiter zunehmenden Fachkräftemangel noch verschärft wird. Insofern muss der vorgelegte Revisionsvorschlag in eine breite Transformationsstrategie der europäischen Fahrzeug- und Energiewirtschaft eingebettet sein [4]. Entsprechende Vorschläge finden sich in der aktuellen Fassung, sind aber auch durch andere Ressorts der EU-Kommission zu konkretisieren.“

„Die Ergänzungen des EU-Parlaments gegenüber der Entwurfsfassung der Kommission vom 14.07.2021 konkretisieren begleitende Maßnahmen zum Umbau der Automobilindustrie und der Verbraucher*innen für eine schnelle und breit akzeptierte Transformation. Dies ist notwendig und sollte weiter konkretisiert werden, zumal der Verkauf gebrauchter Fahrzeuge von der Regulierung nicht betroffen ist. Insbesondere sollten Re-Importe praktisch neuer Fahrzeuge aus Drittstaaten außerhalb der EU im Blick behalten werden [5].“

Auf die Frage, welche anderen Maßnahmen für den Übergang zur klimafreundlichen Mobilität besonders wichtig sind:
„Da die Nutzungsdauer von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen bis zu 20 Jahre betragen kann und der Gebrauchtwagenmarkt von der Richtlinie ausgenommen ist, genügt ein Verkaufsverbot von Verbrennungsfahrzeugen zur Einhaltung der Klimaziele nicht. Das von der Richtlinie angesprochene Mobilitäts-Ökosystem umfasst alle Maßnahmen, um den Einsatz nicht CO2-neutraler Fahrzeuge zu erschweren und klimaneutrale Alternativen insbesondere außerhalb des motorisierten Individualverkehrs zu fördern. Diese Maßnahmen sind insbesondere auf lokaler Ebene zu treffen und umfassen unter anderem:“

     

  • Steuern und Abgaben auf Verbrennungsfahrzeuge, Kraftstoffe und deren Nutzung zum Beispiel durch flächendeckende oder urbane Mautgebühren. Eine spezielle Förderung von Elektrofahrzeugen wird nicht notwendig sein, da – wie in der Entwurfsfassung erwähnt – Elektrofahrzeuge bereits jetzt kostenseitig konkurrenzfähig zu Verbrennungsfahrzeugen sind.
  •  

  • Konsequente CO2-Gebühren und deren Umlage als Klimageld als Anreiz zu einer klima- und energieeffizienten Lebensweise. Die Vertagung der Debatte um ein Energiegeld und die Ablehnung des Vorschlags zur Revision des EU-Emissionshandels bei der Debatte des EU-Parlaments am 08.06.2022 sind entsprechend bedauerlich.
  •  

  • Kapazitätssteigerung, Digitalisierung und mehr Attraktivität im öffentlichen Personennah- und Fernverkehr. Besonders im Fernverkehr nützt ein Umstieg vom Pkw auf die Bahn dem Klima und dem Gesamtenergieverbrauch des Sektors Verkehr.
  •  

  • Stadtumbau für mehr Lebensqualität und zur Förderung einer autoarmen Mobilität. Analysen von Daten zur Verkehrsmittelwahl legen nahe, dass weniger Pkw-Anteil im lokalen Verkehr zu mehr Nutzung der Bahn im Fernverkehr führt. Dies bedeutet automatisch einen Umstieg zur Elektromobilität da der Schienenpersonenregional- und Fernverkehr bereits heute in weiten Teilen elektrifiziert ist.
  •  

  • Mobilitätsmanagement in Unternehmen, Schulen und Behörden. Hierzu zählen neben Informationskampagnen auch Mobilitätsbudgets für eine breite Palette an Verkehrsmitteln als Pendant zum ‚Alleskönner Auto‘. Ebenso ist hier die Besteuerung von Firmenwagen ein seit langem diskutiertes und bislang nicht befriedigend gelöstes Thema.
  •  

  • Regulierung des Pkw-Verkehrs. Der Antriebswechsel löst nur einen Teil der Verkehrsprobleme insbesondere in Ballungsräumen. Tempolimits und der Rückbau und die Preisgestaltung öffentlicher Parkplätze stellen preiswerte und wirksame Maßnahmen für weniger Energieverbrauch und Emissionen des Verkehrs dar.
  •  

  • Effizienz von Elektrofahrzeugen: Insbesondere durch zunehmende Sensorik, Vernetzung, Infotainment und Automatisierung steigt der Energieverbrauch von Fahrzeugen erheblich. Dies geht zulasten der Reichweite von Elektrofahrzeugen und mindert damit deren Alltagstauglichkeit. Energieeffizienzstandards sollten deren Verbrauch auch im Sinne der Menge benötigter zusätzlicher grüner Energie begrenzen [6].
  •  

  • Elektrofahrzeuge können gesteuert geladen werden sowie die Fahrzeugbatterie als Speicher genutzt werden. Damit können fluktuierende Erneuerbare besser in das Energiesystem integriert werden. Hier sind die technischen und regulatorischen Maßnahmen zu schaffen.
  •  

  • Förderung ressourcenarmer Batterie- und Elektronikproduktion sowie deren Recycling in einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Die Menge einiger kritischer Rohstoffe insbesondere für Kathoden von Akkus und Chips wird knapp und deren Bezug durch die aktuellen Verwerfungen der Weltwirtschaft zunehmend schwierig [7] [8].“
  •  

Dr. Thomas Grube

Leiter der Arbeitsgruppe „Verkehrstechniken und Zukünftige Mobilität“ im Institut für Techno-ökonomische Systemanalyse (IEK-3), Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ), Jülich

Prof. Dr. Detlef Stolten

Leiter des Instituts für Techno-ökonomische Systemanalyse (IEK-3), Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ), Jülich

„Im letzten Vor-Corona-Jahr lagen die durch den Verkehr in Deutschland verursachten Treibhausgasemissionen bei rund 160 Millionen Tonnen. Seit 1990 lag der Beitrag des Verkehrs zur Reduktion der Gesamtemissionen nahe Null. Entsprechend hoch ist nun die seitens der Politik und Öffentlichkeit geforderte Reduktion verkehrsbedingter Emissionen, sowohl von Treibhausgasen als auch weiterer Schadstoffe, wie Stickoxiden und Feinstaub.“

„Auf wem Weg zur klimaneutralen Mobilität sind drastische Reduktionen notwendig. Die verschärfte Reduktion der Flottengrenzwerte um 55 Prozent statt um 37,5 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2021, die jetzt vom EU‑Parlament angenommen wurde, weist bereits in diese Richtung. Der Flottengrenzwert liegt dann rechnerisch bei 43 Gramm CO2 je Kilometer und ist ohne einen vollständigen Umstieg auf Elektroantriebe nicht zu schaffen. Im Sinne einer diversifizierten Antriebs‑ und Kraftstoffstrategie sind damit Batterien und Brennstoffzellen die im Zeitverlauf relevanten Antriebstechniken.“

„Allerdings reichen die neuen Grenzwerte bei weitem noch nicht aus, wenn man die angestrebte Treibhausgasneutralität bis 2045 ernst nimmt. Unter Nutzung von Modellergebnissen zur kostenoptimalen Erreichung dieses Ziels liegt das im Jahr 2030 erlaubte Niveau der CO2-Emissionen aller neu zugelassenen Pkw bei 22 Gramm je Kilometer. Dies gilt auch deshalb, weil andere Verkehrsträger – wie Flugzeuge und Schiffe – nur zu deutlich höheren Kosten CO2-frei werden können. Deren Reduktionspotenzial liegt bei etwa zehn Prozent bis 2030.“

„Hinzu kommt: Das übergeordnete EU-Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken, wird durch die Verschärfung der Emissionsnormen nicht vollständig umgesetzt. Zunächst werden in der Verordnung nur die reinen Fahrzeugemissionen nicht jedoch die der Kraftstoff‑ beziehungsweise Ladestromversorgung adressiert. Weiterhin bleiben die Emissionen weiterer Verkehrsträger wie Lkw, Schiffe und Flugzeuge unberücksichtigt. Und schließlich betrifft die Verordnung nur Neufahrzeuge. Die Emissionsreduktion des Fahrzeugbestands – infolge des Markthochlaufs der Neufahrzeuge – erfolgt aufgrund der Fahrzeuglebensdauer deutlich später. In der Konsequenz sind andere Wirtschaftsbereiche in stärkerem Maße gefordert, zur Umsetzung des 55-Prozent-Ziels beizutragen.“

„Das defacto‑Verkaufsverbot von Verbrennern ab 2035 wirkt in zweierlei Hinsicht. Elektrofahrzeuge sind die aus heutiger Perspektive effizientesten Antriebe, die entsprechend schonend mit dem verfügbaren Energieangebot umgehen. Diese werden durch das Verkaufsverbot einerseits schneller in den Markt gebracht. Dadurch werden letztlich weniger Erneuerbare Energien benötigt, und ein stärkerer Ausbaugrad wird so umgangen. Denn bezogen auf einen Mittelklasse-Pkw wird bei Nutzung synthetischer flüssiger Kraftstoffe in Verbrennungsmotoren im Vergleich zum Batterie‑Pkw rund sieben Mal mehr erneuerbare Energie je Kilometer benötigt. Andererseits führt der zügig wachsende Bestand an Elektrofahrzeugen dazu, dass die Kosten für Elektroantriebe mit Batterien und Brennstoffzellen aufgrund des Lerneffekts schneller sinken. Das Verkaufsverbot trägt somit zur Wettbewerbsfähigkeit der Elektroantriebe bei. Wir gehen davon aus, dass auch langstreckentaugliche Pkw mit Batterie dann bereits deutlich vor dem Jahr 2030 Kostenparität zu Verbrennern erreichen; Fahrzeuge mit Brennstoffzellen wenige Jahre später.“

„Dennoch ist die Umstellung des Pkw‑Bestands ein langwieriger Prozess, legt man heutige Fahrzeuglebensdauern von rund 14 Jahren zugrunde. Trotz Verbrennerverbot müssten 2045 noch immer zwei Millionen Pkw mit kohlenstoffhaltigen Kraftstoffen versorgt werden. Aufgrund der geforderten Treibhausgasneutralität wäre dieser Bedarf zwangsläufig durch teurere synthetische Kraftstoffe aus Erneuerbaren zu decken.“

Auf die Frage, welche anderen Maßnahmen für den Übergang zur klimafreundlichen Mobilität besonders wichtig sind:
„Besondere Herausforderungen werden sowohl in technischer als auch gesellschaftlicher Hinsicht zu meistern sein. Auf der Infrastrukturseite müssen erneuerbare Stromproduktion sowie Elektrolyse‑ und Wasserstoff‑Importkapazitäten zeitgerecht aufgebaut werden. Die notwendige Elektrolysekapazität in Deutschland wurde für 2030 mit 13 Gigawatt ermittelt. Zusätzlich muss der Ausbau der Ladesäulen und Wasserstofftankstellen mit dem Aufbau der Fahrzeugflotten Schritt halten. Eckpunkte sind: eine Million Ladepunkte bis 2030, wovon rund 40.000 auf Schnellladepunkte entfallen, sowie 3600 Wasserstofftankstellen für Pkw und Lkw bis 2030. Die Hauptherausforderung liegt damit im Bereich Infrastruktur darin, durch neue Maßnahmen die Umsetzung des Infrastrukturaufbaus auf der Zeitachse sicherzustellen. Das schließt auch die Verfügbarkeit von Fachkräften in den jeweiligen Bereichen ein.“

„Hinzu kommen gesellschaftliche Herausforderungen. Dabei geht es vor allem darum, geeignete Mobilitätsangebote für sozial schwächere Bevölkerungsgruppen sicherzustellen, beispielsweise über einen Ausgleich der in der Übergangszeit erwarteten höheren Kosten.“

„Eine weitere, davon unabhängige Frage ist bezogen auf Batteriefahrzeuge die, wie der sogenannten Reichweitenangst zu begegnen ist. Hier wird es darum gehen, Tank‑ beziehungsweise Ladegewohnheiten anzupassen sowie größere Reichweiten durch verbesserte Batteriesysteme zu erzielen; wobei Restriktionen, beispielsweise durch die Materialverfügbarkeit, heute schon sichtbar sind. Brennstoffzellenfahrzeuge ermöglichen es, heutige Tankgewohnheiten nahezu unverändert beizubehalten und sind aus jetziger Sicht besser für Anwendungen mit hohen Fahrzeugreichweiten und kurzen Tankdauern geeignet. Idealerweise sollten geeignete Kommunikationsformate den Umstieg auf neue Antriebs‑ und Mobilitätslösungen begleiten, um möglichst früh über deren veränderte Eigenschaften aufzuklären.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Claus Doll: „Es bestehen weder institutionell noch persönlich seitens der an diesem Statement beteiligten Autoren Interessenkonflikte.“

Prof. Dr. Martin Wietschel: „Es bestehen weder institutionell noch persönlich seitens der an diesem Statement beteiligten Autoren Interessenkonflikte.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Europäische Union: Verordnung (EU) 2019/631 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festsetzung von CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 443/2009 und (EU) Nr. 510/2011.

[2] Plötz P et al. (2021): Net-zero-carbon transport in Europe until 2050 – Targets, technologies and policies for a long-term EU strategy. Fraunhofer Institute for Systems and Innovation Research ISI.

[3] Sievers L et al. (2022): Innovationstätigkeit des Automobilsektors – Analyse mit Fokus auf nachhaltige Antriebstechnologien und Digitalisierung. Studie des Fraunhofer ISI im Auftrag der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI).

[4] Sievers L et al. (2019): Transformation der Mobilität - Bestimmung der Beschäftigungseffekte in 2035 mit einem Input-Output-Modell. Arbeitspapier 4 des Projektes im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung: Beschäftigungseffekte nachhaltiger Mobilität: Eine systemische Analyse der Perspektiven in Deutschland bis 2035.

[5] Grimm A et al. (2020): Nachhaltige Automobilwirtschaft. Strategien für eine erfolgreiche Transformation. Fraunhofer-Institut für System- und Innovatsionsforschung ISI.

[6] Krail M (2020): Auto tankt Internet. Auswirkungen des automatisierten und vernetzten Fahrens auf den Energieverbrauch von Fahrzeugen, Datenübertragung und Infrastruktur. Agora Verkehrswende.

[7] Marscheider-Weidemann F et al. (2021): Rohstoffe für Zukunftstechnologien 2021. Deutsche Rohstoffagentur.

[8] Pothen F et al. (2022): Branchenausblick 2030+ – Automotive mit Schwerpunkt Ostdeutschland. Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Europäisches Parlament (2022): Fit für 55: Abgeordnete unterstützen Ziel der Emissionsneutralität für neue Autos und Lieferwagen ab 2035. Webseite des Europäischen Parlaments.

[II] Europäische Kommission: CO₂ emission performance standards for cars and vans. Webseite der Europäischen Kommission.