Zusammenhang von Fledermäusen, Insektizideinsatz und Babysterblichkeit
Beobachtungsstudie zur Bedeutung von Biodiversität für Landwirtschaft und Gesundheit in den USA
weniger Fledermäuse führten demnach statistisch signifikant zu stärkerer Insektizidnutzung und leicht erhöhter Säuglingssterblichkeit
Forschende bewerten die Studie sehr unterschiedlich, teils wird die Methodik gelobt, teils deutlich kritisiert
In kleinteiligen US-Regionen (Counties), in denen die Anzahl von Fledermäusen aufgrund einer Pilzerkrankung gesunken ist, führte das möglicherweise indirekt zu einem Anstieg der Säuglingssterblichkeit. Direkte Ursache dafür war vermutlich die stärkere Nutzung von Insektiziden durch Landwirte, die damit die größere Zahl an Schädlingen, die nun nicht mehr von Fledermäusen gefressen wurden, bekämpften. Diesen Zusammenhang legt die Studie eines einzelnen Forschers der Universität Chicago nahe, die im Fachmagazin „Science“ erschienen ist (siehe Primärquelle). Betrachtet wurden Counties, in denen zwischen 2006 und 2014 ein Ausbruch der Pilzerkrankung festgestellt worden war. Damit liefert die Studie einerseits ein mögliches Beispiel für den Wert der Ökosystemdienstleistungen von Biodiversität, andererseits weist sie auf einen möglichen Effekt von Insektiziden in den USA auf die Säuglingssterblichkeit zum damaligen Zeitpunkt hin. Die Analyse differenziert nicht, welche Insektizide genau verwendet wurden und inwiefern unterschiedliche Bevölkerungsgruppen innerhalb der betrachteten Counties verschieden stark exponiert und betroffen gewesen sind.
Professor für Angewandte Ökonometrie und Politikevaluation, Universität Freiburg, Schweiz
Methodik der Studie
„Die kausale Methode zur Messung des Effekts einer erhöhten Fledermaussterblichkeit auf den Einsatz von Insektiziden und die Kindersterblichkeit erscheint sehr plausibel. Die Analyse nutzt einen quasi-experimentellen Ansatz, bei dem das plötzliche Auftreten eines eingeschleppten Pilzes als Zufallselement dient, das die Fledermaussterblichkeit in manchen Regionen erhöht. Dies führt gemäß der Studie zu einer Kettenreaktion von mehr Schädlingen, erhöhtem Einsatz von Insektiziden und höherer Kindersterblichkeit. Die Studie vergleicht Regionen mit Pilzbefall beziehungsweise erhöhter Fledermaussterblichkeit – die Interventionsregionen – und Regionen ohne Pilzbefall – die Kontrollregionen –, um den Effekt auf den Einsatz von Insektiziden und die Kindersterblichkeit zu messen.“
„Dabei ist entscheidend, dass die Interventions- und Kontrollregionen vor dem Pilzbefall hinsichtlich Kindersterblichkeit, Einsatz von Insektiziden und soziodemografischen Faktoren vergleichbar waren. Eine Reihe von sogenannten Placebo-Tests, die zeitliche Trends dieser Faktoren zwischen den Regionen vergleichen, deuten darauf hin, dass dies der Fall ist. Zudem sind die Resultate über verschiedene methodische Ansätze hinweg ähnlich, was die Glaubwürdigkeit der gemessenen Effekte weiter stützt.“
Juniorprofessorin für Umweltökonomik, Nachhaltigkeit und Ungleichheit, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Bewertung der Studie
„Ich bewerte die Studie äußerst positiv. Der besonders innovative Aspekt der Studie besteht darin, den Verlust von Biodiversitätsleistungen kausal mit einem Anstieg der Kosten für die Gesellschaft in Form einer höheren Kindersterblichkeit und geringeren landwirtschaftliche Produktivität und Rentabilität zu verknüpfen.“
„Es gibt generell nur wenige Studien, die sich mit den gesundheitlichen Auswirkungen der Pestizidbelastung in der Allgemeinbevölkerung befassen. Unser Wissen über die Toxizität von Pestiziden stammt vor allem aus Studien über die Auswirkungen auf Bevölkerungsgruppen, die beruflich mit Pestiziden in Kontakt kommen. Die Studie bestätigt die Ergebnisse einiger der wenigen Studien über eine höhere Kindersterblichkeit [1] [2].“
Methodik
„Die Verwendung des natürlichen Experiments einer zufälligen Variation in der Größe der Fledermauspopulation ist eine geschickte Strategie zur Schätzung von plausibel kausalen Effekten, die Methodik ist nach den neuesten Standards durchgeführt und die Ergebnisse sind aufgrund der umfangreichen Robustheitsüberprüfungen sehr überzeugend.“
Übertragbarkeit auf Deutschland
„Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Deutschland ist schwer einzuschätzen, da es an Daten zur Pestizidbelastung der Bevölkerung mangelt. Für eine ähnliche Exposition sind sehr wohl ähnliche Effekte in Deutschland zu erwarten.“
„Weitere Studien sind daher erforderlich. Ein großes Problem ist der Mangel an Daten über die Pestizidbelastung in der Allgemeinbevölkerung und der Zugang zu Gesundheitsdaten. Um kausale Zusammenhänge zu etablieren, würden wir idealerweise über Daten mit hoher Frequenz – zum Beispiel wöchentlich – und hoher geografischer Auflösung – also Postleitzahl oder feiner – verfügen.“
Außerplanmäßiger Professor und Leiter der Abteilung Gemeinschaftsökologie und Ökotoxologie, Institut für Umweltwissenschaften, Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau
Bewertung der Studie
„Die Studie basiert auf einem selten verwendeten Ansatz, der ein natürliches Experiment mit Kontrollen und Zeitreihen auf großer Skala nutzt. Eyal Frank zeigt, dass in Gebieten mit der Weißnasenkrankheit und reduzierten Fledermauspopulationen von Landwirten mehr Insektizide verwendet werden, was zu einer höheren Kindersterblichkeit in der Bevölkerung führt.“
„Von Interesse wäre, um welche Substanzen es sich dabei handelt und wie deren Wirkung auf die Gesundheit von Kindern bisher bewertet wird. Die Studie endet 2017, doch die Weißnasenkrankheit hat sich seitdem in den USA weiter ausgebreitet. Mit aktuellen Daten könnte man prüfen, ob in neu betroffenen Gebieten ebenfalls mehr Insektizide eingesetzt wurden und ob dies auch zu höherer Kindersterblichkeit führte.“
Übertragbarkeit auf Deutschland
„In Deutschland fehlen genaue Daten zum Pestizideinsatz auf Feldern trotz langjährigen Forderungen aus der Wissenschaft. Daher lassen sich Analysen zu Effekten von Pestiziden auf Ökosysteme und die menschliche Gesundheit, wie in der vorliegenden Studie, bislang nicht durchführen.“
Ergänzung zum Effekt von Pestiziden auf Fledermäuse
„Interessanterweise wird vermutet, dass Pestizide das Immunsystem der Fledermäuse schwächen und so die Weißnasenkrankheit verstärken. Dadurch könnte der vermehrte Einsatz von Insektiziden die Verbreitung der Krankheit und den Rückgang der Fledermauspopulationen beschleunigen. Fledermäuse sind durch Pestizide gefährdet, die sie bei der Insektenjagd auf Feldern aufnehmen, diese Risiken werden bei der Zulassung von Pestiziden aber bisher nicht berücksichtigt.“
Forschungsgruppenleiter Biodiversitätsökonomik, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig, und Professor für Bioökonomie, Universität Leipzig
Bewertung der Studie
„Es handelt sich hier um eine sehr sorgfältige Untersuchung. Die Methode – ‚Differenz- in-Differenzen‘ gilt als besonders zuverlässig, um Ursache-Wirkungs-Beziehungen nachzuweisen. Eyal Frank zeigt hier eindrucksvoll, dass sich der Einbruch einer Fledermauspopulation auf die Verwendung von Insektiziden und auf die Säuglingssterblichkeit auswirkt. Damit liefert diese Studie ein wichtiges Stück Evidenz dafür, wie sich ökologische Veränderungen auf die Wirtschaft und auf Menschen auswirken. Studien dieser Art sind nötig, um bessere Einsichten in die Zusammenhänge zwischen Biodiversitätsveränderungen und menschlichem Wohlergehen zu erzielen. Denn diese Zusammenhäng sind komplex und oft nicht gut genug verstanden.“
„Die Studie ist ein gutes Bespiel dafür, wie komplex diese Zusammenhänge sind: Sie geht von der Ausbreitung einer invasiven Pilzart aus und ihren tödlichen Auswirkungen auf Fledermäuse. Dann belegt sie überzeugend, dass der Einbruch der Fledermauspopulation ursächlich ist: Einerseits dafür, dass mehr Insektizide in der Landwirtschaft eingesetzt werden und andererseits dafür, dass sich die Säuglingssterblichkeit erhöht. Dabei spielt das Verhalten der Landwirtinnen und Landwirte eine wichtige Rolle. Denn es liegt nahe, zu vermuten, dass die Landwirtinnen und Landwirte mehr Insektizide eingesetzt haben, um das Fehlen der schädlingsfressenden Fledermäuse zu kompensieren. Die vermehrte Nutzung von Insektiziden dürfte wiederum die Ursache für die erhöhte Säuglingssterblichkeit sein. Dass dies die Wirkungskette von der eingebrochenen Fledermauspopulation zur Säuglingssterblichkeit ist, belegt die Studie aber nicht mit der gleichen Rigorosität wie dafür, dass es die Zusammenhänge zwischen Fledermauspopulation und Insektiziden einerseits sowie Fledermauspopulation und Säuglingssterblichkeit andererseits gibt.“
„Von der Forschung, die auf diese Studie aufbauen kann, erhoffe ich mir auch weitergehende Einsichten. Es liegt zum Beispiel nahe, den Einsatz von Insektiziden durch Regulierung zu begrenzen, da sie für Menschen, insbesondere für Säuglinge, schädlich sind. Könnte man dann erwarten, dass die Landwirtschaft Maßnahmen ergreift, um Fledermauspopulationen aufzubauen? Das folgt aus dieser Studie noch nicht, denn sie setzt überhaupt nicht voraus, dass die Landwirtinnen und Landwirte um die Funktion der Fledermäuse wissen.“
Professor für Statistik in der Abteilung Volkswirtschaftslehre, Universität Mannheim
Methodik
„Die Studie verwendet einen sogenannten ‚Differenz-in-Differenzen‘-Ansatz, einen etablierten und weithin anerkannten Ansatz in der empirischen Forschung zur Untersuchung von kausalen Zusammenhängen. Der Ansatz beruht im Kern auf einem Vergleich von Veränderungen über die Zeit zwischen verschiedenen Gruppen. Viele der möglichen Schwachstellen dieses Designs werden vom Autor ausführlich diskutiert, und zum Teil mit sekundären Analysen als vermutlich wenig problematisch eingestuft.“
„Leider ist das verwendete statistische Verfahren für die zentrale Analyse nicht mehr zeitgemäß, da es in der Literatur als anfällig für bestimmte Verzerrungen bekannt ist [3] [4] [5]. Ob diese Anfälligkeiten hier konkret die Ergebnisse der Studie substanziell beeinflussen, lässt sich leider nicht sagen. Der Autor diskutiert den Punkt im Supplement ab Seite 27 und argumentiert, dass das Potenzial für Verzerrungen eher gering sein sollte. Eine Verwendung von neueren Methoden für diese Probleme erscheint hier aber sinnvoller. Diese methodische Einschränkung sollte bei der Interpretation und Berichterstattung über die Studienergebnisse berücksichtigt werden.“
Professorin für Physiologische Ökologie der Tiere und Arbeitsgruppenleiterin am Institut für Evolution und Ökologie, Eberhard Karls Universität Tübingen
Bewertung der Studie
„Es ist für mich sehr erstaunlich, dass die Studie von ‚Science‘ zur Publikation angenommen wurde. Dies nicht nur, weil sie unter der Sparte ‚Ecological Economics‘ erscheinen soll und zu diesem Thema im engeren Sinne nichts beiträgt. Vor allem ist an der Arbeit zu kritisieren, dass die durchgeführten statistischen Tests (Regressionsanalysen) meines Erachtens zu einfach sind, um komplexe Zusammenhänge, wie sie in dem Artikel postuliert werden, zu analysieren. Aussagen zu kausalen Zusammenhängen sind auf der Basis der durchgeführten Analysen, denen auch vielfach Schätzungen zugrunde liegen, schlichtweg nicht möglich. Sowohl der Einsatz von Pestiziden als auch die Kindersterblichkeit werden multifaktoriell von einer Vielzahl an Parametern direkt, aber auch indirekt beeinflusst, was der Autor nicht ausreichend berücksichtigt. Um solch komplexe Zusammenhänge zu überblicken beziehungsweise erfassen zu können, ist in der Regel Expertise aus verschiedenen Fachrichtungen und interdisziplinäres Arbeiten mehrerer AutorInnen notwendig.“
Methodik
„Das parallele Auftreten von Ereignissen als ‚natürliches Experiment‘ zu bezeichnen, halte ich für gefährlich, da Korrelationen Zusammenhänge als möglich implizieren können, die kausal nichts miteinander zu tun haben (wie zum Beispiel die Anzahl der Störche und menschliche Geburtenrate). Aus Abbildung 2 ist auch nicht ersichtlich, weshalb eine solche Korrelation zwischen Einsatz von Insektiziden und Kindersterblichkeit überhaupt bestehen sollte, da sich die Werte zum Beispiel zwischen dem vierten und sechsten Jahr unterschiedlich entwickeln. Die auf Abbildung 3 dargestellten Ergebnisse sind im Text nicht wiederzufinden, und die Bildunterschrift erklärt nicht hinreichend, was auf der Abbildung überhaupt gezeigt wird. Die Erklärung, weshalb die um 23,4 Prozent gesunkenen Ausgaben für Chemikalien und Dünger dennoch für den erhöhten Insektizideinsatz sprechen, ist schwer nachvollziehbar und spricht für die Änderung eines weiteren, jedoch nicht berücksichtigten Parameters im betrachteten Zeitraum.“
„Insgesamt ist meiner Meinung nach durch die Arbeit kein kausaler Zusammenhang weder zwischen dem Anstieg der Insektenpopulation durch das Ausbleiben der Fledermäuse noch zwischen dem vermehrten Insektizideinsatz und der erhöhten Kindersterblichkeit belegt.“
Übertragbarkeit auf Deutschland
„Dass Fledermäuse generell die Dichte an Insekten reduzieren können, ist beschrieben [6], und dass deshalb das Wegfallen der Fledermäuse als Fressfeinde zu größeren Bestandsdichten an Insekten führen kann, ist sehr plausibel. Auch in anderen Zusammenhängen ist es möglich, dass der Ausfall von Gliedern einer Nahrungskette den Bestand der übrigen Glieder negativ oder positiv beeinflusst. Dass das Weißnasensyndrom, welches durch einen infektiösen Pilz ausgelöst wird, auch in Europa zum Massensterben von Fledermäusen führt, ist allerdings unwahrscheinlich, da europäische Fledermausarten offensichtlich langfristig eine Toleranz gegen den Erreger, von dem man vermutet, dass er ursprünglich aus Europa stammt, entwickeln konnten. Wie schwierig es generell ist, einen vermehrten Pestizideinsatz kausal mit Wirkungen beim Menschen in Zusammenhang zu bringen, zeigen unter anderem die aktuellen Geschehnisse um die Wiederzulassung von Glyphosat.“
Leiter der Arbeitsgruppen Verhaltensphysiologie am Leibniz Institute for Zoo and Wildlife Research, Freie Universität Berlin
Methodik
„Die Untersuchungsmethode ist durchdacht und der multifaktoriellen und korrelativen Natur angemessen. Die Argumentation, dass das massenweise Sterben der Fledermäuse durch den Pilz ein natürliches Experiment darstellt, ist plausibel. Dieses Studiendesign bietet die Möglichkeit für ein Vorher-Nachher-Impakt-Kontroll-Design (BACI), welches robuste Erkenntnisse liefert. Potenziell konfundierende Variablen werden entweder berücksichtigt oder plausibel widerlegt.“
Inhalt der Studie
„In dieser Studie wurde ein Zusammenhang zwischen dem Massensterben von Fledermäusen in Nordamerika, verursacht durch eine tödliche Pilzinfektion während des Winterschlafs, und der Kindersterblichkeit in den betroffenen Counties festgestellt. Insektenfressende Fledermäuse sind weltweit dafür bekannt, dass sie eine Vielzahl von Schadinsekten fressen, die massive Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen wie Mais, Reis und anderen Nutzpflanzen verursachen. Dieser kostenlose Nutzen von Fledermäusen wird auch als ökosystemare Dienstleistung bezeichnet. Der Autor argumentiert, dass die fehlenden ökosystemaren Dienstleistungen der massenhaft verendeten Fledermäuse die Bauern vor Ort dazu zwingen, mehr Insektizide auszubringen, um die Bestände der Schadinsekten zu kontrollieren. Tatsächlich findet er diesen Zusammenhang erwartungsgemäß bei Insektiziden, aber nicht bei Fungiziden und Herbiziden. Dieses Muster wäre zu erwarten, wenn in Abwesenheit von Fledermäusen nur die Insektenpopulationen stärker reguliert werden müssten.“
Insektizide und Säuglingssterblichkeit
„Insektizide sind von Natur aus toxisch für die Zielinsektenarten und damit auch potenziell gesundheitsgefährdend für den Menschen, insbesondere in der sensiblen Phase der Kindheitsentwicklung. Der Autor kann glaubhaft nachweisen, dass der vermehrte Einsatz von Insektiziden in Counties in den USA, in denen ein Massensterben von Fledermäusen beobachtet wurde, mit einer erhöhten Kindersterblichkeit einherging. Dieser Zusammenhang zeigt deutlich, wie wichtig es ist, intakte natürliche Lebensräume zu erhalten.“
Auf die Frage, ob die Studie einen kausalen Zusammenhang zwischen Insektizideinsatz und Säuglingssterblichkeit belegt:
„Es ist bekannt, dass ein erhöhter Insektizid-Einsatz nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Der Nachweis eines kausalen Zusammenhangs ist in diesem Studiendesign kaum möglich, obschon dieser plausibel scheint.“
Rolle der Fledermäuse
„Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass insektenfressende Fledermäuse in Nordamerika Schadinsekten fressen. Dies wird durch unabhängige Studien in den USA, aber auch durch entsprechende Ergebnisse anderer Arbeitsgruppen für Fledermäuse auf anderen Kontinenten bestätigt. Eine Zunahme der Insektenpopulation wurde in der vorliegenden Studie nicht mit Daten belegt, sondern nur vermutet. Trotz adäquater Analyse bleibt die Studie in ihrer Struktur korrelativ, so dass hier nur unter Abwägung und Diskussion möglicher anderer konfundierender Variablen ein kausaler Zusammenhang postuliert werden kann.“
„Darüber hinaus zeigt die Studie, dass Ökosystemleistungen von Tieren nicht nur monetäre Vorteile für die Agrarindustrie bieten, sondern sich auch indirekt positiv auf die Gesundheit der Menschen auswirken. Der Erhalt von Fledermäusen und deren ökosystemaren Dienstleistungen ist deshalb dringend geboten. Andere Todesursachen, wie zum Beispiel der Schlag von Fledermäusen an Windkraftanlagen gilt es zu vermeiden, denn auch die an Windkraftanlagen zu Tode kommenden Fledermäusen sind für ihren ökosystemaren Nutzen, das heißt den Verzehr von Schadinsekten, bekannt [7].“
Übertragbarkeit auf Deutschland
„Die Ergebnisse dieser Studie sind ohne weiteres auf andere Regionen und Kontinente, und somit auch auf die EU und Deutschland übertagbar. Abnehmende Fledermausbestände können auch bei uns die Last von Schadinsekten in der Land- und Forstwirtschaft erhöhen und somit chemische Gegenmaßnahmen notwendig machen. Entsprechend gilt es vermeidbare Todesursachen für Fledermäuse wie zum Beispiel an Windkraftanlagen zu vermeiden.“
Leiter des Forschungsbereichs Toxikologie / Systemtoxikologie, Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo), Dortmund
Bewertung der Studie
„In dieser Studie wird behauptet, dass reduzierte Fledermausbestände zu erhöhtem Insektizid-Einsatz führen und dass dadurch eine erhöhte Kindersterblichkeit verursacht wird. Es wird aus Korrelationsdaten eine Kausalität abgeleitet, was nicht gerechtfertigt ist. Doch bereits die korrelativen Daten sind aus statistischer Sicht fragwürdig.“
Insektizide und Säuglingssterblichkeit
„Eine zentrale Aussage in der Studienzusammenfassung lautet, dass der kompensatorische, vermehrte Einsatz von Insektiziden durch die Landwirtschaft die Gesundheit negativ beeinflusst habe. Die Säuglingssterblichkeit sei in den vom Rückgang der Fledermauspopulation betroffenen Counties um 7,9 Prozent angestiegen.“
„Der behauptete Anstieg der Kindersterblichkeit von 7,9 Prozent suggeriert eine Genauigkeit, die vor dem Hintergrund der im Artikel gezeigten Daten nicht nachvollziehbar ist. Denn für die Zahl von 7,9 Prozent müsste ein Fehlerbereich (95 -Prozent-Konfidenzintervall) oder eine Irrtumswahrscheinlichkeit (P-Wert) angegeben und begründet werden. Die Daten zur Kindersterblichkeit in Abbildung 2 zeigen jedoch eine Überlappung der 95-Prozent-Konfidenzintervalle mit der Nulllinie. Daher muss man sich fragen, ob der Fehlerbereich die Null unterschreitet und somit kein gesicherter Anstieg der Kindersterblichkeit existiert.“
„Hinzu kommt, dass in Abbildung 2 die Trendlinien des Insektizid-Einsatzes und der Kindersterblichkeit nicht zueinander passen. Denn die Werte des Insektizid-Einsatzes steigen kontinuierlich an, auch von Jahr vier bis sechs. Die Kindersterblichkeit nimmt aber von Jahr vier verglichen zu Jahr fünf und sechs wieder ab, also gerade dann, wenn der Insektizid-Einsatz die höchsten Werte erreicht. Es stellt sich die Frage, ob in dieser Studie Daten zur Kindersterblichkeit kreativ interpretiert werden, welche in Wirklichkeit nur zufällig um die Nulllinie schwanken.“
„Ich habe keinen Interessenkonflikt.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte anzumelden.“
„Ich habe keinen Interessenkonflikt.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
Frank EG (2024): The economic impacts of ecosystem disruptions: Costs from substituting biological pest control. Science. DOI: 10.1126/science.adg0344.
Weiterführende Recherchequellen
European Environment Agency (2023): How pesticides impact human health and ecosystems in Europe. Webseite.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Larsen AE et al. (2017): Agricultural pesticide use and adverse birth outcomes in the San Joaquin Valley of California. Nature communications. DOI: 10.1038/s41467-017-00349-2.
[2] Dias M et al. (2023): Down the river: glyphosate use in agriculture and birth outcomes of surrounding populations. Review of Economic Studies. DOI: 10.1093/restud/rdad011.
[3] de Chaisemartin C et al. (2020): Two-Way Fixed Effects Estimators with Heterogeneous Treatment Effects. American Economic Review. DOI: 10.1257/aer.20181169.
[4] Callaway B et al. (2021): Difference-in-differences with multiple time periods. Journal of Econometrics. DOI: 10.1016/j.jeconom.2020.12.001.
[5] Roth J et al. (2023): What’s trending in difference-in-differences? A synthesis of the recent econometrics literature. Journal of Econometrics. DOI: 10.1016/j.jeconom.2023.03.008.
[6] Beilke EA et al. (2023): Bats reduce insect density and defoliation in temperate forests: An exclusion experiment. Ecology. DOI: 10.1002/ecy.3903.
[7] Scholz C et al. (2022): Diet analysis of bats killed at wind turbines suggests large‐scale losses of trophic interactions. Conservation Science and Practice. DOI: 10.1111/csp2.12744.
Prof. Ph.D. Martin Huber
Professor für Angewandte Ökonometrie und Politikevaluation, Universität Freiburg, Schweiz
Prof. Dr. Julia Mink
Juniorprofessorin für Umweltökonomik, Nachhaltigkeit und Ungleichheit, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Prof. Dr. Carsten Brühl
Außerplanmäßiger Professor und Leiter der Abteilung Gemeinschaftsökologie und Ökotoxologie, Institut für Umweltwissenschaften, Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau
Prof. Dr. Martin Quaas
Forschungsgruppenleiter Biodiversitätsökonomik, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig, und Professor für Bioökonomie, Universität Leipzig
Prof. Dr. Christoph Rothe
Professor für Statistik in der Abteilung Volkswirtschaftslehre, Universität Mannheim
Prof. Dr. Rita Triebskorn
Professorin für Physiologische Ökologie der Tiere und Arbeitsgruppenleiterin am Institut für Evolution und Ökologie, Eberhard Karls Universität Tübingen
PD Dr. Christian Voigt
Leiter der Arbeitsgruppen Verhaltensphysiologie am Leibniz Institute for Zoo and Wildlife Research, Freie Universität Berlin
Prof. Dr. Jan Hengstler
Leiter des Forschungsbereichs Toxikologie / Systemtoxikologie, Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo), Dortmund