Wie Aspirin vor Metastasen schützen könnte
seit einiger Zeit wird Acetylsalicylsäure (ASS/Aspirin) mit einem Schutz vor Krebsmetastasen in Verbindung gebracht
Forschende beschreiben nun einen genaueren Mechanismus und positionieren das Medikament für künftige Therapieansätze
ob ASS aber letztlich der beste Wirkstoff für diese Anwendung ist, bleibt noch unklar, betonen Fachleute
Acetylsalicylsäure (ASS beziehungsweise Aspirin) ist vor allem als Schmerzmittel und Blutverdünner bekannt. Doch auch ein Einsatz in der Krebsmedizin wird verstärkt diskutiert – zur Bekämpfung von Metastasen. Dass ASS bei einigen Tumorarten eine anti-metastatische Wirkung besitzt, ist bereits seit einigen Jahren bekannt. Nun aber liefern Forschende im Fachjournal „Nature“ eine genauere mechanistische Erklärung dafür (siehe Primärquelle).
Leiter der Arbeitsgruppe Molekulare Onkologie sowie der Molekularpathologischen Diagnostik, Institut für Pathologie, Uniklinik RWTH Aachen
Aktueller Forschungsstand
„Es ist schon seit den 2010er-Jahren bekannt, dass Aspirin eine anti-metastatische Wirkung bei einigen Tumorentitäten besitzt [1], am besten untersucht ist diese beim kolorektalen Karzinom (CRC). Hier konnte kürzlich (Anfang 2025) in der ALASCCA-Studie gezeigt werden, dass das Rezidivrisiko besonders dann sinkt, wenn die CRC-Tumore eine relativ häufige genetische Alteration (PIK3CA-Mutation) aufweisen [2].“
„In der vorliegenden ,Nature‘-Publikation wird nun ein neuer und molekular gut erklärbarer Wirkmechanismus beschrieben, wie Aspirin die Metastasierung von Tumoren hemmt, indem es eine Bremse im körpereigenen Immunsystem aufhebt. Konkret hemmt Aspirin ein von Blutplättchen produziertes prostaglandin-ähnliches Molekül (TXA2), das körpereigene Abwehrzellen (T-Zellen) ,müde‘ macht. Wird diese Bremse aufgehoben, können die T-Zellen den Tumor besser attackieren.“
Wirkmechanismus
„Der hier dargestellte Wirkmechanismus, wie Aspirin die weitere Ausbreitung von nicht-metastasierten Tumoren verhindern kann, erscheint sehr plausibel. Allerdings wurden zuvor auch bereits verschiedene Wirkmechanismen von Aspirin bei verschiedenen Tumorentitäten beschrieben, es gibt vermutlich kein einheitliches molekulares Prinzip. Auch scheint die Wirksamkeit von weiteren Faktoren, wie im Tumor vorhandenen Treibermutationen, abhängig zu sein.“
Übertragbarkeit auf den Menschen
„Nach dem, was ich gelesen habe, wird zunehmend ein klinischer Einsatz bei Patienten diskutiert, bei denen nach Entfernung des Primärtumors verhindert werden soll, dass im Körper vorhandene (unsichtbare) Mikrometastasen zu neuen Rezidivtumoren heranwachsen.“
Dosierung
„Da sich der COX-1-Pool der zellkernlosen Blutplättchen schnell erschöpft (COX-1 kann nicht nachsynthetisiert werden), reichen vermutlich niedrige Aspirin-Dosen, wie sie auch bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen eingesetzt werden.“
Künftige klinische Studien
„Wie die Autoren schon in ihrer Diskussion vorschlagen, sollte geschaut werden, ob Aspirin als COX-1-Hemmer wirklich der beste Wirkstoff für den Anwendungszweck (Aufhebung der Immununterdrückung der T-Zellen) ist, oder eine selektivere und vielleicht auch effektivere Hemmung des TXA2-ARHGEF1-Signalwegs in den Blutplättchen ein Ziel sein sollte (der ARHGEF1-Signalweg steuert, wie stark T-Zellen aktiviert werden, und kann durch Thromboxan A2 unterdrückt werden; Anm. d. Red.).“
„Die Nebenwirkungen von Aspirin sind genau bekannt, das Medikament ist sehr günstig und weltweit verfügbar. Daher wäre es hilfreich Biomarker zu haben, die ermitteln können, ob Aspirin bei spezifischen Tumorerkrankungen und deren molekularen Subgruppen wirklich hilft, das Metastasierungsrisiko zu senken. Ferner wären Biomarker wichtig, die das Risiko einer langfristigen Aspirin-Einnahme abschätzen könnten – wie gefährliche Magen-Darm-Blutungen–, abhängig von Alter des Patienten und weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen – zum Beispiel komorbide Faktoren.“
Wissenschaftliche Leiterin und geschäftsführende Direktorin des Comprehensive Cancer Center, Huntsman Cancer Institute, University of Utah, Vereinigte Staaten
Aktueller Forschungsstand
„Diese Studie in Mausmodellen zeigt erstmalig, dass Thromboxan A2, ein Prostanoid das in Blutplättchen gebildet wird, als starkes immunregulatorisches Molekül fungiert. Es kann die T-Zell-Immunität gegen Krebsmetastasen durch Aktivierung der immunhemmenden Funktion von ARHGEF1 unterdrücken (der ARHGEF1-Signalweg steuert, wie stark T-Zellen aktiviert werden, und kann durch Thromboxan A2 unterdrückt werden; Anm. d. Red.).“
„Folglich verbessert die COX-1-Hemmung, zum Beispiel durch die Verwendung von Aspirin, die anti-metastatische Immunität. Diese Erkenntnisse erweitern unser mechanistisches Verständnis der beobachteten anti-metastatischen Effekte von Aspirin.“
„Die präklinischen Studien in Mausmodellen beschreiben hier vorwiegend die Metastasierung zur Lunge. Allerdings wurde bereits in zahlreichen epidemiologischen Studien zum Darmkrebs gezeigt, dass Aspirin das Risiko von Metastasen senkt.“
Übertragbarkeit auf den Menschen
„Hierfür sind noch weitere klinische Studien notwendig. Diese Studie hier zeigt einen wichtigen Wirkmechanismus auf, der gezielt gehemmt werden kann.“
„Obwohl Aspirin aufgrund seiner Sicherheit und den geringen Kosten vielversprechend für die anti-metastatische Therapie ist, könnte die gezielte Anvisierung des TXA2-ARHGEF1-Wegs eine stärkere Wirkung bei geringerer Toxizität bieten. Die hier gewonnenen Erkenntnisse der immunstimulatorischen Wirkung von Aspirin eröffnen die Möglichkeit, dass Aspirin in Kombination mit anderen adjuvanten Immuntherapien (ergänzende Immuntherapie nach operativer Entfernung des Tumors; Anm. d. Red.) verwendet werden könnte.“
Individuelle Anpassung
„Eine Risiko-Nutzen-Abwägung muss stets patientenindividuell getroffen werden, und auch eine Veranlagung zu Nebenwirkungen – zum Beispiel ein erhöhtes Blutungsrisiko – muss in Betracht gezogen werden.“
Künftige klinische Studien
„Angesichts der unterschiedlichen Beweise zur Wirksamkeit von Aspirin in verschiedenen Patientengruppen betonen diese Ergebnisse die Notwendigkeit detaillierter Biomarker-Studien im Rahmen prospektiver randomisierter kontrollierter Studien. Ziel sollte es dabei sein, die Krebstypen und Patientengruppen zu identifizieren, bei denen Aspirin am wirksamsten ist.“
„Ich habe keinen Interessenkonflikt zu diesem Thema.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Primärquelle
Yang J et al. (2025): Aspirin prevents metastasis by limiting platelet TXA2 suppression of T cell immunity. Nature. DOI: 10.1038/s41586-025-08626-7.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Rothwell PM et al. (2011) Effect of daily aspirin on long-term risk of death due to cancer: analysis of individual patient data from randomised trials. The Lancet. DOI: 10.1016/S0140-6736(10)62110.
[2] Martling A et al. (2025) Low-dose aspirin to reduce recurrence rate in colorectal cancer patients with PI3K pathway alterations: 3-year results from a randomized placebo-controlled trial. Journal of Clinical Oncology. DOI: 10.1200/JCO.2025.43.4_suppl.LBA125.
Prof. Dr. Edgar Dahl
Leiter der Arbeitsgruppe Molekulare Onkologie sowie der Molekularpathologischen Diagnostik, Institut für Pathologie, Uniklinik RWTH Aachen
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keinen Interessenkonflikt zu diesem Thema.“
Cornelia Ulrich Ph.D.
Wissenschaftliche Leiterin und geschäftsführende Direktorin des Comprehensive Cancer Center, Huntsman Cancer Institute, University of Utah, Vereinigte Staaten
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“