Stromausfall in Spanien
Stromausfall in Spanien und Portugal wurde möglicherweise durch Wegbrechen von 15 GW Leistung ausgelöst
die Ursache für den Leistungsabfall muss noch untersucht werden
Experten: Leistungsabfall größer als im europäischen Verbundsystem vorhandene Reserve, Ursache muss noch untersucht werden, Cyberangriff scheidet offenbar aus
Noch ist unklar, was den großen Stromausfall in Spanien, Portugal und für kurze Zeit in kleinen Teilen Frankreichs verursacht hat. Über den Auslöser berichtete die spanische Zeitung El País (übersetzt mit Deepl) aber heute Morgen wie folgt: „Am Montag um 12:33 Uhr verschwanden in Spanien plötzlich für fünf Sekunden 15 Gigawatt (GW) Stromerzeugung aus dem Netz. Regierungsquellen erklären, dass dies 60 Prozent des Stroms entsprach, der zu diesem Zeitpunkt im Land verbraucht wurde. Es brauchte nur diese fünf Sekunden, um am Montag ein Chaos auszulösen. Das System brach zusammen, aber die Ursache bleibt unbekannt.“ [I] Ähnliches berichteten auch die Zeitungen La Vanguardia [II], RTVE [III] und El Diario [IV].
Institutsleiter, Institut für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft (ie3), Technische Universität Dortmund
Warum das fünf Sekunden lange Verschwinden von 15 Gigawatt (GW) Leistung einen landesweiten Stromausfall auslösen kann
„Im europäischen Verbundsystem beträgt die gesamte kurzfristige Regelleistung drei GW. Diese deckt den Ausfall der zwei bis drei größten oder mehrerer kleinerer Kraftwerksblöcke ab. Man geht davon aus, dass innerhalb von Minuten nicht mehrere unabhängige Ausfall-Ereignisse quasi zeitgleich auftreten. Wenn mehr Leistung ausfällt, verringert sich die Frequenz und es kann zu weiteren Abschaltungen von Stromerzeugern bis hin zum Blackout kommen. Wobei vielfach noch manuell eingegriffen wird, um das System zu stabilisieren, so dass es nur sehr selten zu Blackouts kommt.“
Historisch ähnliche Fälle
„Im Jahr 2021 hat es eine Netzstörung in Kroatien gegeben. In der Folge hat sich das europäische Verbundsystem aufgeteilt in einen südöstlichen Bereich mit Leistungsüberschuss und den westlichen Bereich, inklusive Deutschland, mit Leistungsmangel. Durch schnelle manuelle Eingriffe konnte aber ein weiträumiger Blackout vermieden werden.“
Mögliche Gründe für den Abfall der Leistung
„Aussagen hierzu wären reine Spekulation. Eine genaue Analyse wird stattfinden und die Ereigniskette auch genau nachvollziehbar machen. Die leittechnischen Systeme schreiben alle Ereignisse hochaufgelöst mit, so dass im Nachgang eine Analyse erfolgen kann. Grundsätzlich müssen aber mehrere außergewöhnliche Ereignisse oder technische Fehler zusammenkommen, damit ein derartiger Blackout erfolgt.“
Womit ein Stromausfall größeren Ausmaßes verhindert werden könnte
„Grundsätzlich sind ausreichende Netzkapazitäten und regelbare Kraftwerkskapazitäten in einem Energiesystem erforderlich. Diese dürfen nicht zu knapp ausgelegt sein. Hierzu gibt es langjährige Erfahrungswerte, die man nicht durch mangelnden Leitungsausbau oder zu schnellen Kraftwerksrückbau bei der Energiewende unterschreiten darf. Das europäische Verbundsystem mit den gegenseitigen Hilfemöglichkeiten wirkt hierbei immens stabilisierend und sichert die Versorgung großräumig. Hier hat die iberische Halbinsel natürlich eine besondere Lage gegenüber zum Beispiel Deutschland, welches viele Nachbarländer hat, die aushelfen könnten.“
Möglichkeit eines ähnlichen Stromausfalls in Deutschland
„Grundsätzlich können Störungen auch bis hin zu Blackouts in einem technischen System immer passieren, wenn mehrere Störungsereignisse gleichzeitig auftreten. Es müssen aber immer mehrere extrem seltene und ungünstige Kombinationen auftreten. Die Wahrscheinlichkeit ist insgesamt somit sehr gering. Sehr großräumig war ein Blackout in Italien 2003 oder eine Störung des Verbundsystems, die von Deutschland ausgegangen war, 2006.“
Leiter des Instituts für Automation und angewandte Informatik (IAI), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Eggenstein-Leopoldshafen und Sprecher für das nationale Energiesystemdesign-Programm der Helmholtz- Gemeinschaft
Warum das fünf Sekunden lange Verschwinden von 15 Gigawatt (GW) Leistung einen landesweiten Stromausfall auslösen kann
„Es gibt mehrere Stabilitätsfaktoren im Netz, eine ist die Frequenzstabilität. Das heißt, wenn Last und Erzeugung genau im Gleichgewicht sind, wird überall in Europa eine Frequenz von 50 Herz gehalten. Wenn weniger Strom verbraucht wird als erzeugt, dann steigt die Frequenz, wenn mehr Strom verbraucht wird, sinkt sie. Das sind in der Regel aber nur kleine Schwankungen, sie werden im Millisekunden-Takt ausgeglichen.“
„Nun sind in Spanien den Berichten zufolge rund 60 Prozent der Leistung weggebrochen, in nur fünf Sekunden. Das Stromnetz in Europa ist nicht dafür ausgelegt, dass so viel Erzeugungsleistung ausfällt. Es ist ausgelegt für einen Verlust von 3 Gigawatt, viel weniger. Das heißt, den Ausfall eines großen Kraftwerks oder mehrerer kleinerer kann das Netz vertragen, aber nicht diese Menge. Dann greifen automatische Abschaltvorrichtungen, die Kraftwerke, Wind- oder PV-Anlagen, Verbraucher, aber auch Stromleitungen oder Umspannanlagen abschalten – um diese vor Schäden zu schützen. Daraus entsteht eine regelrechte Kaskade von Abschaltungen, die sich durch das Netz ausbreitet und zu einem großflächigen Stromausfall führt. Tritt ein Fehler auf, der zu so einer Kaskade führen kann, ist nach spätestens einer halben Minute dann auch klar, ob ein Stromausfall noch abgefangen werden kann oder nicht.“
„Diese planmäßige Abschaltung ermöglicht es aber andererseits den Netzbetreibern in Spanien und Portugal jetzt, die Stromversorgung schnell und geordnet wieder aufzubauen.“
Historisch ähnliche Fälle
„Ein so großer Leistungsabfall – 60 Prozent – ist mir spontan nicht bekannt. 2006 hat sich aus ähnlichem Grund eine schnelle Abfolge von Notabschaltungen von Deutschland aus im westeuropäischen Verbundnetz ausgebreitet, sogar bis nach Spanien. 2021 konnte so eine Kaskade verhindert werden, nachdem in Kroatien ein Fehler auftrat, der zu einer Aufspaltung des europäischen Verbundnetzes geführt hat.“
Mögliche Gründe für den Leistungsabfall
„Diese Kaskade von Abschaltungen ist auch der Grund, warum wir noch nicht sagen können, warum das passiert ist und was der Auslöser war. Wir wissen nur, dass nach wenigen Sekunden ein sehr hoher Anteil der Leistung weggebrochen war. Aber schon am Anfang dieser wenigen Sekunden kann eine einzelne Abschaltung gestanden haben, die diese Kaskade ausgelöst hat, oder der Vorfall kann auf einmal ausgelöst worden sein. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir daher noch nicht, wodurch der Stromausfall angefangen hat. Damit können wir aber auch noch nicht sagen, wie er sich vermeiden ließe oder ob er in Deutschland auch auftreten kann. Dafür müssen wir auf die Analyse der Übertragungsnetzbetreiber in Spanien und Portugal warten. Diese haben eben bekannt geben, dass es sicherlich kein Cyberangriff war.“
Alle: Keine Angaben erhalten.
Weiterführende Recherchequellen
Science Media Centre Spain (2025): Massive power outage on the Iberian peninsula leaves millions without power supply. Reactions. Stand: 28.04.2025.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] El País (2025): Lo que se sabe y lo que no del apagón masivo en España: en cinco segundos desapareció el 60% de la generación eléctrica. Stand: 29.04.2025.
[II] La Vanguardia (2025): El gran apagón paraliza España sin que las autoridades sepan la causa. Stand 29.04.2025.
[III] RTVE (2025): España sufre un apagón eléctrico masivo en toda la península Ibérica que paraliza los transportes. Stand: 29.04.2025.
[IV] El Diario (2025): La causa del apagón: a las 12:33 desapareció el 60% de la energía que se estaba consumiendo. Stand: 29.04.2025.
Prof. Dr. Christian Rehtanz
Institutsleiter, Institut für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft (ie3), Technische Universität Dortmund
Prof. Dr. Veit Hagenmeyer
Leiter des Instituts für Automation und angewandte Informatik (IAI), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Eggenstein-Leopoldshafen und Sprecher für das nationale Energiesystemdesign-Programm der Helmholtz- Gemeinschaft