Reaktionen zu den schweren Erdbeben in Myanmar
im südostasiatischen Myanmar haben sich am 28. März zwei schwere Erdbeben ereignet
auch in Thailand und China waren die Erschütterungen zu spüren
Experten ordnen die seismische und tektonische Lage in der Region ein
Am 28. März 2025 erschütterten zwei starke Erdbeben Myanmar und angrenzende Regionen. Das Epizentrum der Erschütterungen lag nahe der Stadt Mandalay in Zentral-Myanmar. Laut Aufzeichnungen des Geologischen Dienstes der Vereinigten Staaten (USGS) hatte das stärkere Erdbeben eine Magnitude von 7,7 auf der Raumwellen-Magnituden-Skala [I]. Das GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung in Potsdam registrierte für das Beben eine Magnitude von 7,8 [II]. Auf das starke Hauptbeben folgte rund zwölf Minuten später ein weiteres Beben mit einer Magnitude von 6,4 bis 6,5 [I] [II]. Die Beben ereigneten sich zur lokalen Mittagszeit.
Leiter der Sektion Seismische Gefährdung und Risikodynamik, GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung, Potsdam, und Professor für Seismologie, Institut für Geowissenschaften, Universität Potsdam
Tektonische Situation
„In der Nähe der Stadt Mandalay, Myanmar, hat sich ein Erdbeben der Stärke 7,8 ereignet. Das Beben war ähnlich stark wie das türkische Erdbeben im Februar 2023. Wir gehen von einer Bruchlänge von mehr als 200 Kilometern aus. Der Erdbebenherd, das sogenannte Hypozentrum, liegt in einer Tiefe von etwa 24 Kilometern, und bei einem so großen Beben könnte der Bruch die Oberfläche erreicht haben.“
„Das Beben ereignete sich an der so genannten Sagaing-Verwerfung. Dies ist eine bekannte Verwerfung, an der die indische Kontinentalplatte und die eurasische Platte aufeinandertreffen. An der Sagaing-Verwerfung bewegen sich die Erdplatten mit einer Geschwindigkeit von etwa 18 Millimeter pro Jahr aneinander vorbei. Die Sagaing-Verwerfung fängt somit etwa die Hälfte der nach Norden gerichteten Bewegung der indischen Platte auf.“
Historische Situation
„Zwischen 1930 und 1956 kam es zu zahlreichen Erdbeben an der Sagaing-Verwerfung. Es folgte eine ruhigere Phase, in der sich im Untergrund große Spannungen aufbauten. Diese wurde nun durch das starke Beben plötzlich freigesetzt. Es ist mit weiteren starken Nachbeben zu rechnen. Ein Ereignis der Stärke 6,4 ereignete sich bereits zwölf Minuten nach dem Hauptbeben.“
Regionale Auswirkungen
„So starke Erdbeben erzeugen seismische Wellen mit langer Periode, die große Entfernungen zurücklegen können. Hochhäuser, die lange natürliche Schwingungsperioden haben, können dadurch stark ins Schwanken geraten und Schaden nehmen, wenn diese Wellen sie erreichen.“
„Große Erdbeben beginnen tief unter der Erde, aber der Bruch kann sich über mehr als einhundert Kilometer erstrecken und die Oberfläche erreichen. An der Oberfläche kann der Riss mehrere Meter breit sein und entlang der Verwerfung erhebliche Schäden verursachen. Das Erdbeben erzeugt auch seismische Wellen, die sich bei ihrer Ausbreitung abschwächen. Da die Verwerfung flach ist und auf dem Land liegt, werden die Städte in der Nähe stark erschüttert.“
„Die Tiefe des Erdbebenherds ist für die Schäden weniger wichtig als der Ort der größten Verwerfung und der stärksten seismischen Wellen. Der Ort der größten Verwerfung ist derzeit noch nicht bekannt. Wenn diese in der Nähe von Städten auftreten, können die Auswirkungen schwerwiegend sein.“
Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Schweizerischen Erdbebendienstes, Zürich, Schweiz
Tektonische Situation
„Am 28. März um 12:50 Uhr Ortszeit wurde Myanmar von einem Erdbeben der Stärke 7,7 erschüttert. Die genaue Tiefe des Hypozentrums ist noch unklar. Während der Geologische Dienst der Vereinigten Staaten (USGS) eine Tiefe von 10 Kilometern angibt, schätzt das Helmholtz-Zentrum für Geowissenschaften (GFZ) in Potsdam diese auf 24 Kilometer. Das Epizentrum des Bebens liegt etwa 20 Kilometer westlich der Stadt Mandalay.“
„Das Erdbeben ereignete sich an der Sagaing-Verwerfung, die Myanmar ungefähr von Norden nach Süden durchquert. Sie ist Teil einer tektonisch sehr aktiven Struktur, die die Grenze zwischen der indischen und der eurasischen Platte markiert. Erdbeben dieser Stärke betreffen eine Fläche mit einer Länge von ungefähr 165 Kilometern, die bis zu 20 Kilometer in die Tiefe reicht.“
Regionale Auswirkungen
„Kurz nach diesem Erdbeben ereigneten sich in einem Radius von 70 Kilometern um das Epizentrum eine Reihe von Nachbeben mit Magnituden zwischen 6,4 und 4,5. Es ist wahrscheinlich, dass weitere, mitunter auch größere Nachbeben folgen werden. Es besteht zudem eine kleine Wahrscheinlichkeit, dass sich ein noch größeres Beben mit einer Magnitude von mehr als 7,7 ereignet.“
„In der Region um die Stadt Mandalay wurden erhebliche Schäden gemeldet, darunter der Einsturz einer Brücke und von Gebäuden. Die Epizentralintensität (maximale Intensität eines Erdbebens im Bereich des Epizentrums; Anm. d. Red.) wird auf VIII geschätzt. Das entspricht starken Erschütterungen, die mäßige bis schwere Schäden verursachen. Aus dem ungefähr 1.000 Kilometer entfernten Bangkok wird ebenfalls von Schäden berichtet, ebenso aus der südchinesischen Provinz Yunnan. Es muss mit einer großen Anzahl von Todesopfern gerechnet werden. Ein klareres Bild wird sich voraussichtlich im Laufe der Entwicklung der Situation ergeben.“
„Die durch das Erdbeben vom 28. März verursachten Bodenerschütterungen waren erheblich, mit einer horizontalen Spitzenbodenbeschleunigung (maximale Bodenbeschleunigung am Messort während eines Erdbebens; Anm. d. Red.) von schätzungsweise einem Fünftel der Erdbeschleunigung (an der Erdoberfläche annähernd konstant, g = 9,81 m/s²; Anm. d. Red.) in der Nähe des Bruches. Selbst in einer Entfernung von bis zu 100 Kilometern von der Quelle muss die Bodenbeschleunigungsspitze groß gewesen sein – bis zu einem Zwanzigstel der Erdbeschleunigung (5 Prozent g).“
Historische Situation
„In dieser Region gab es seit 1900 sechs weitere Erdbeben der Stärke 7 und mehr im Umkreis von etwa 250 Kilometern um das heutige Erdbeben. Das jüngste dieser Beben war ein Beben der Stärke 7,0 im Januar 1990, das 32 Gebäude zum Einsturz brachte. Ein Erdbeben der Stärke 7,9 ereignete sich südlich des heutigen Bebens im Februar 1912.“
Leiter Institut für Neotektonik und Georisiken, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH)
Tektonische Situation
Es hat sich ein Erdbeben der Magnitude 7,7 ereignet – in dieser Zone ist das durchaus nicht ungewöhnlich. Es gibt dort den Sundabogen, das ist die Kollisionszone zwischen der eurasischen und der indisch-australischen Platte. An dieser Plattengrenze wurde auch der fürchterliche Tsunami am zweiten Weihnachtstag 2004 ausgelöst. Der Bogen ist die Verschluckungszone, dort taucht die indisch-australische Platte unter die eurasische ab. Durch die Kugelform der Erde muss es immer Ausgleichsbewegungen auf der Oberplatte geben – in diesem Fall auf der eurasischen Platte –, da der Radius der Erde konstant bleibt. Diese horizontalen Bewegungen in Form von sogenannten Blattverschiebungen werden hinter dem vulkanischen Bogen ‚ausgeglichen‘. Die dortige 1200 Kilometer lange Sagaing-Verwerfung, die mitten durch Myanmar verläuft, ist aktiviert worden und hat zu dem schlimmen und starken Erdbeben geführt.“
Auf die Frage, wie die Magnitude 7,7 einzuordnen ist:
„Ziemlich heftig. Das stärkste Beben in Deutschland wird mit Magnitude 6,5 erwartet. 7,7 bedeutet mehr als zwölfmal so stark, das heißt, es wird ungefähr 35-mal mehr Energie freigesetzt. Daher hat das Beben auch so lange gedauert. Dieses Schütteln hat sehr lange angehalten, die Erde hat sich minutenlang bewegt. Je stärker das Beben, umso länger die aktivierte Verwerfung. Eine kurze Verwerfung macht nicht solche starken Erdbeben und Versätze. Zum Vergleich die Erdbeben in der Niederrheinischen Bucht finden an 50 bis 70 Kilometer langen Verwerfungen statt. Die hypozentrale Tiefe des Bebens ist mit zehn Kilometern flach und oberflächennah, deshalb kommt mehr Energie an der Erdoberfläche an und ist somit auch zerstörerisch.“
Auf die Frage, wie lange mit Nachbeben zu rechnen ist:
„Lange, das kann bis zu einem Jahr dauern, normalerweise sind es zwei bis drei Monate. Die ersten Nachbeben hat es bereits kurz nach dem Beben gegeben, die größten immer so rund eine Magnitude schwächer als das eigentliche Beben. Kleine Nachbeben sind permanent da. Das muss man sich wie einen andauernden Bruchprozess entlang der Verwerfung vorstellen – ähnlich wie ein Reißverschluss. Das führt letztlich auch zu den Rupturen, also den Rissen in der Erdoberfläche. Ab einer gewissen Stärke kommt die Verwerfung an die Oberfläche, die Oberfläche reißt. Es wird nicht reichen, mal zwei Nächte draußen zu bleiben. Viele Gebäude werden durch das Hauptbeben und die stärkeren Nachbeben beschädigt sein. Das bedeutet, dass auch kleinere Nachbeben sie zum Einsturz bringen können. Die Überprüfung der Gebäude in Großstädten wie Bangkok und Mandalay ist natürlich eine Mammutaufgabe.“
„Meines Wissens gibt es keinen Interessenkonflikt.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] United States Geological Survey (USGS) (28.03.2025): M 7.7 - 2025 Mandalay, Burma Earthquake – MAP.
[2] United States Geological Survey (USGS) (28.03.2025): M 7.7 - 2025 Mandalay, Burma Earthquake – PAGER.
[3] The Republic of the Union of Myanmar, Ministry of Construction (28.03.2025): Myanmar national Building Code-2020.
[4] United Nations Office for Disaster Risk Reduction (UNDRR) (28.03.2025): Prevention Web.
[5] United States Geological Survey (USGS) (28.03.2025): Aftershock forecast.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] United States Geological Survey (USGS) (28.03.2025): USGS Magnitude 2.5+ Earthquakes, Past Day.
[II] GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung Geofon (28.03.2025): Earthquake Info.
[III] Copernicus Emergency Management Service (28.03.2025): Rapid Mapping.
Prof. Dr. Fabrice Cotton
Leiter der Sektion Seismische Gefährdung und Risikodynamik, GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung, Potsdam, und Professor für Seismologie, Institut für Geowissenschaften, Universität Potsdam
Dr. Paolo Bergamo
Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Schweizerischen Erdbebendienstes, Zürich, Schweiz
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
„Meines Wissens gibt es keinen Interessenkonflikt.“
Prof. Dr. Klaus Reicherter
Leiter Institut für Neotektonik und Georisiken, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH)