WHO erklärt Mpox-Ausbruch zur gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite
die WHO hat die gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite angesichts steigender Mpox-Fallzahlen in Afrika ausgerufen
im Jahr 2024 gibt es im Vergleich zu Vorjahren mehr Mpox-Fälle in der Demokratischen Republik Kongo, die sich über die Ländergrenzen hinweg ausbreiten
Expertinnen und Experten verweisen auf eingeschränkte wissenschaftliche Datenlage und halten international koordiniertes Vorgehen für wichtig
Angesichts der steigenden Mpox-Infektionszahlen in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) und anderen afrikanischen Staaten entschied das Emergency Committee der WHO am Mittwochmittag, dass der aktuelle Ausbruch zu einer gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite erklärt wird. Nun wird sich das Komitee auch mit vorläufigen Empfehlungen zur Eindämmung der Krankheit und zum Public-Health-Management befassen. Die afrikanische Gesundheitsinstitution, The Africa Centres for Disease Control and Prevention (Africa CDC), hat bereits am Tag zuvor einen öffentlichen Gesundheitsnotfall der kontinentalen Sicherheit (Public Health Emergency of Continental Security, PHECS) ausrufen. Die European Commission's Health Emergency Preparedness and Response Authority (HERA) hat daraufhin in einer Pressemitteilung die Koordination von Spenden von 215.000 Impfstoffdosen bekanntgegeben.
Leiterin des Instituts für Virusforschung und Direktorin des Pandemie- und Katastrophenzentrums, Erasmus-Universität Rotterdam, Niederlande
Eigenschaften der Clade I
„In den Medien werden Behauptungen aufgestellt, für die es nur wenige Beweise gibt, sowohl was den Schweregrad als auch die Übertragbarkeit der neuen Subvariante Ib betrifft. Was wir wissen, ist, dass die Clade I mit einer schwereren Erkrankung verbunden ist als Clade II. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht klar, ob Clade Ib, die neue Subvariante von Clade I, die in Süd-Kivu entdeckt wurde, ähnliche Eigenschaften hat wie die anderen Clade-I-Viren, die in anderen Teilen der Demokratischen Republik Kongo detektiert wurden. Es gibt einige Spekulationen über eine effizientere Übertragung, aber diese könnte auch durch die Art der Übertragung in Süd-Kivu erklärt werden, wo die Ausbreitung offenbar durch (hetero)sexuelle Übertragung erfolgt.“
„Was den R-Wert anbelangt, so hängt dieser sehr stark von den Umständen ab, in denen das Virus gefunden wird. Mpox ist nicht so leicht übertragbar. Es wird durch direkten Kontakt verbreitet und ist daher – theoretisch – relativ leicht zu stoppen, wenn es diagnostiziert und erkannt wird.“
Aktuelles Infektionsgeschehen in der Demokratischen Republik Kongo
„In der gesamten Demokratischen Republik Kongo ist eine Zunahme von Infektionen festzustellen, und zwar mit verschiedenen Mpox-Viren, also nicht ‚nur‘ mit der Clade Ib. Es sind weitere Studien erforderlich, um die Situation vollständig zu verstehen. In den meisten Fällen wird keine Virus-Typisierung/Sequenzierung durchgeführt, so dass unklar ist, wie weit die Clade Ib verbreitet ist. Bislang wurde das Virus in Süd- und Nord-Kivu sowie in angrenzenden Regionen oder bei Reisenden, die mit Infizierten in Kontakt gekommen sind, nachgewiesen.“
Mögliche Mutation des Virus
„Wie andere Viren können sich auch Mpox-Viren weiterentwickeln, wenn mehr Möglichkeiten zur Ausbreitung vorhanden sind. Pockenviren können ihre Eigenschaften ändern, wenn Teile ihres Genoms verändert werden. Aber wie bereits erwähnt, gibt es meines Wissens keine Hinweise auf eine erhöhte Erkrankungsschwere von Viren der Subvariante Ib.“
Auswirkungen einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite
„Die Alarmstufe wird weltweit angehoben, und die WHO erhält möglicherweise Zugang zu Mitteln für Notfallmaßnahmen. Ansonsten bleiben die gleichen Prioritäten bestehen: Investitionen in Diagnosekapazitäten, Public-Health-Maßnahmen, Unterstützung bei der Behandlung und Impfungen. Dies wird nicht einfach sein. In der Demokratischen Republik Kongo gab es über viele Jahre hinweg Fälle von Mpox, aber es fehlen die Mittel, um die grundlegenden Kapazitäten bereitzustellen. Das ist ein Problem für die Demokratische Republik Kongo, aber auch für andere Länder, derzeit insbesondere für die Nachbarländer.“
„Eine gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite würde die Aufmerksamkeit auch auf das Problem von Mpox außerhalb der afrikanischen Region lenken, das durch Viren der Clade II verursacht wird. Wir müssen anerkennen, dass der internationale Ausbruch, der 2022 begann, trotz vorhandener Ressourcen und grundlegender Kapazitäten im Bereich der öffentlichen Gesundheit nicht eingedämmt werden konnte, und dass auch außerhalb der afrikanischen Region weiterhin neue Fälle auftreten.“
Ausbreitung auf Europa
„Bislang wird die Wahrscheinlichkeit einer Ausbreitung der Clade Ib auf Europa als gering eingeschätzt, obwohl es natürlich möglich ist. Daher sollten auch außerhalb der afrikanischen Region die weitere Überwachung der Situation und die Typisierung neu diagnostizierter Fälle das Minimum sein.“
Oberstarzt und Leiter, Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München, und Außerplanmäßiger Professor, Technische Universität München
Eigenschaften der Clade I
„Das in der Demokratischen Republik Kongo vorkommende Affenpockenvirus gehört zur Clade I. Es ist dafür bekannt, dass es leichter übertragbar ist und schwerere Infektionen verursacht als Affenpockenviren der Clade II, welche zu dem weltweiten Mpox-Ausbruch im Jahr 2022 führten.“
„Derzeit kann aus meiner Sicht noch keine verlässliche wissenschaftliche Aussage darüber getroffen werden, ob es sich bei der Clade Ib um eine ‚tödlichere‘ Variante des Affenpockenvirus handelt. Die Sterblichkeit von Mpox bei Kindern war leider auch in der Vergangenheit in Afrika sehr hoch. Ohne eine bessere Verfügbarkeit von Diagnostik in den betroffenen Ländern wird es aber schwer sein, die tatsächliche Zahl von Krankheitsfällen und damit auch die Fallsterblichkeit bei Kindern zu erfassen.“
„Auch für eine mögliche höhere Infektiosität sehe ich im Moment noch keine sichere wissenschaftliche Datengrundlage. Die aktuell rasche Ausbreitung bei Erwachsenen könnte auch auf die sexuelle Übertragung zurückzuführen sein. Aus dem weltweiten Mpox-Ausbruch im Jahr 2022 wissen wir, wie schnell eine Verbreitung über Sexualkontakte erfolgen kann. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass das Virus selbst leichter übertragbar geworden ist.“
Aktuelles Infektionsgeschehen in der Demokratischen Republik Kongo
„Die Übertragung von Affenpockenvirus erfolgt durch Kontakt mit infizierten Personen, Tieren oder kontaminierten Gegenständen. In Zentralafrika werden dabei jetzt gerade hohe Infektionsraten bei Kindern beobachtet. Außerdem sind Männer und Frauen betroffen, die sich offenbar bei Sexualkontakten mit dem Virus infiziert haben.“
„Ein aus meiner Sicht relevanter Einflussfaktor ist hingegen der seit mehreren Jahrzehnten abnehmende Schutz durch die frühere Pockenimpfung. Diese Impfung zum Schutz vor dem Variola-Pockenvirus hat auch eine Infektion durch das Affenpockenvirus sicher verhindert. Seit dem Ende der weltweiten Impfungen in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts nimmt der Immunschutz auch in Afrika wieder ab. Diese Lücke scheint jetzt das Affenpockenvirus für seine Ausbreitung beim Menschen zu nutzen.“
Impfstoffverfügbarkeit
„Moderne Pocken-Impfstoffe haben dazu beigetragen, die plötzliche Ausbreitung von Mpox im Jahr 2022 in den Industrieländern zu entschärfen. Allerdings konnte in den Ländern des globalen Südens bislang immer noch keine angemessene Versorgung mit diesen Impfstoffen sichergestellt werden. Das erschwert die Eindämmung von Mpox und verdeutlicht die globalen Gesundheitsrisiken, die durch den unterschiedlichen Zugang zu Impfstoffen hervorgerufen werden.“
„Die aktuelle Mpox-Situation in Zentralafrika macht aus meiner Sicht die besondere Bedeutung eines weltweit gemeinsamen und kooperativen Vorgehens beim Kampf gegen gefährliche Infektionen deutlich. Jeder Fall einer gefährlichen Infektionskrankheit ist einer zu viel, egal, wo er auf der Welt auftritt. Durch ein rasches und entschlossenes Vorgehen der Weltgemeinschaft und durch Einsatz der vorhandenen und erforderlichen Impfstoffe könnte die aktuelle Ausbreitung von Mpox aber mit hoher Wahrscheinlichkeit eingedämmt werden.“
Ausbreitung auf Europa
„Ich halte das Risiko einer unbemerkten Ausbreitung des Virus aus der Demokratischen Republik Kongo oder Nachbarländern nach Europa aktuell für eher gering. Das liegt zum einen daran, dass es nur wenige Reisende und direkte Flugverbindungen nach Europa gibt. Außerdem haben wir in Europa und insbesondere auch in Deutschland ausreichend Diagnostiklabore für das Affenpockenvirus. Ein Mpox-Fall kann daher rasch erkannt und durch Gegenmaßnahmen wie Isolierung, Quarantäne und Impfungen eingegrenzt werden.“
stellvertretende Leiterin der Arbeitsgruppe Hochpathogene Viren am Zentrum für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene (ZBS), Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Gemeinsames Statement mit Prof. Dr. Andreas Nitsche
Leiter der Arbeitsgruppe Hochpathogene Viren am Zentrum für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene (ZBS), Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Mögliche Mutation des Virus
Dr. Andreas Nitsche und Dr. Janine Michel:
„Pockenviren besitzen ein aus DNA bestehendes Genom, dies verändert sich im Vergleich zu Viren mit RNA-Genom, wie SARS-CoV-2 oder Influenzaviren, sehr wenig. Eine Veränderung des Genoms wird jedoch bereits beobachtet. Welchen Einfluss diese Veränderungen auf die Virulenz der Viren haben, ist aktuell nicht bekannt.“
stellvertretender Leiter des Fachgebiets HIV/AIDS und andere sexuell oder durch Blut übertragbare Infektionen der Abteilung Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Auswirkungen einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite
„Ein Notstand internationaler Tragweite kann ermöglichen, dass in den betroffenen Ländern weitere Maßnahmen ergriffen beziehungsweise intensiviert werden können, zum Beispiel hinsichtlich der Impfstoffverfügbarkeit und des Ausbaus diagnostischer Kapazitäten.“
Ausbreitung auf Europa
„Eine Ausbreitung der Clade-I-Viren nach Europa ist durch reiseassoziierte Infektionen prinzipiell möglich. Innerhalb Europas wäre nach aktueller Kenntnislage eine Weiterverbreitung insbesondere durch sexuelle Transmission denkbar.“
Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Epidemiologin des Fachgebiets für Gastrointestinale Infektionen, Zoonosen und tropische Infektionen, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Eigenschaften der Clade I
„Aufgrund der bisher noch nicht zufriedenstellenden Datenlage in Afrika, insbesondere aufgrund des eingeschränkten Zugangs zu medizinischer Versorgung und eingeschränkter Kapazitäten in der Labordiagnostik, sind Aussagen zur Mortalität und Infektiosität von Clade I im Vergleich zu Clade II weiterhin schwierig. Daher sind auch Berechnungen zum R-Wert aktuell noch nicht möglich. Für beide Claden ist bekannt, dass die Infektion sowohl durch Tierkontakt (in den Endemieländern) als auch von Mensch-zu-Mensch und insbesondere auch durch sexuelle Kontakte übertragen werden kann.“
Aktuelles Infektionsgeschehen
„Es ist wichtig zu betonen, dass es in den Endemieländern immer ein gewisses zoonotisches Übertragungsgeschehen gibt, das immer wieder auch zu Mensch-zu-Mensch-Übertragungen führt. Außerhalb von Afrika wurden in dem Ausbruch ab 2022 fast ausschließlich sexuelle Übertragungen von Viren der Clade II verzeichnet. Einschätzungen zu den aktuellen Infektionsgeschehen müssen immer vor dem jeweiligen Hintergrund betrachtet werden. Die bislang bekannten Fälle von Infektionen mit Clade Ib, fast ausschließlich bei Erwachsenen, scheinen vor allem sexuell übertragen worden zu sein. Der weltweite Ausbruch im Jahr 2022 (mit Clade IIb) hat aufgezeigt, dass gerade sexuelle Übertragungsketten ein hohes Potenzial haben, auch eine weitere räumliche beziehungsweise internationale Ausbreitung der Infektion zu ermöglichen.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte. Ich kooperiere mit Kolleginnen und Kollegen in der Demokratischen Republik Kongo.“
„Im Zusammenhang mit diesen Antworten bestehen bei mir keine möglichen Interessenkonflikte.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] European Centre for Disease Prevention and Control (29.07.2024): Risk to EU/EEA from variant mpox virus “very low“. Pressemitteilung des ECDC.
[II] Robert-Koch-Institut: Schutzimpfung gegen Mpox. Sammlung von Informationen zur Schutzimpfung.
[III] African Centre for Disease Prevention and Control (02.08.2024): The Permanent Representatives Committee Provides Emergency Approval of $10.4 Million to Africa CDC for Mpox Outbreak Response. Pressemitteilung des CDC.
Prof. Dr. Marion Koopmans
Leiterin des Instituts für Virusforschung und Direktorin des Pandemie- und Katastrophenzentrums, Erasmus-Universität Rotterdam, Niederlande
Prof. Dr. Roman Wölfel
Oberstarzt und Leiter, Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München, und Außerplanmäßiger Professor, Technische Universität München
Dr. Janine Michel
stellvertretende Leiterin der Arbeitsgruppe Hochpathogene Viren am Zentrum für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene (ZBS), Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Prof. Dr. Andreas Nitsche
Leiter der Arbeitsgruppe Hochpathogene Viren am Zentrum für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene (ZBS), Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Dr. Klaus Jansen
stellvertretender Leiter des Fachgebiets HIV/AIDS und andere sexuell oder durch Blut übertragbare Infektionen der Abteilung Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Dr. Christina Frank
Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Epidemiologin des Fachgebiets für Gastrointestinale Infektionen, Zoonosen und tropische Infektionen, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin